3. Bericht über die Aktion »Freundschaft«
18. Mai 1964
3. Bericht Nr. 398/64 über [die] Aktion »Freundschaft«
1. Pläne und Maßnahmen westlicher Zentralen
Im Vergleich zu den bisher berichteten Einzelheiten über Pläne und Maßnahmen westlicher Zentralen sind – abgesehen von der besonders hervorzuhebenden provokatorischen Rundfunk-Erklärung1 des Westberliner Bürgermeisters Albertz2 – im Vorgehen dieser Zentralen und im Wirksamwerden ihrer Absichten keine weiteren neuen Gesichtspunkte festzustellen. Albertz hatte sich insbesondere an die FDJ-Funktionäre gerichteten Erklärung zu folgenden Forderungen verstiegen:
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Sprengung von 20 weiteren Straßenübergängen in die »Mauer«,
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Zusammensetzung der unterbrochenen S-Bahn-Verbindungen,3
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Halten der durch das demokratische Berlin durchfahrenden U-Bahnzüge,4
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Durchsetzung dieser Forderungen in »gewohnter Nachtarbeit«,
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Erteilung der Erlaubnis für Jugendliche der DDR zum Besuch »Westberlins«.
Außerdem erklärte Albertz, dass das Deutschlandtreffen5 eine »Freizeitbeschäftigung« darstelle, wenn die Funktionäre diese Forderungen nicht verwirklichen könnten, und stellte Vergleiche zur Nazizeit an. An die Jugendlichen der DDR appellierte Albertz das Tun und Lassen ihrer Funktionäre genau zu beobachten.
Weitere neue Gesichtspunkte für die Schulung und Instruierung überwiegend nicht offizieller Teilnehmer am Deutschlandtreffen waren nicht festzustellen. Im Jugendhaus Kluckstraße wurde laut dokumentarischem Material bereits am 15.8. eine Gruppe der westdeutschen DAG-Jugend untergebracht und am 16.5. geschult, in deren Reiseprogramm für den Besuch der Hauptstadt der DDR und für die Führung entsprechender Gespräche der 17.5. festgelegt war. Eine andere Information besagt, dass im gleichen Haus am 16.5. etwa 350 Jugendliche instruiert wurden, die am 17.5. zum Einsatz kommen sollten. Es sei geplant, am 18.5. mit einigen dieser Jugendlichen Fernseh- und Filminterviews aufzunehmen und zu senden. Die Interviews sollen nach Möglichkeit in der Nähe der Staatsgrenze aufgenommen werden. dpa und andere Propagandaorgane sollen, der Information einer zuverlässigen Quelle zufolge, ebenfalls beabsichtigen, nach Westberlin zurückkehrende westdeutsche Studenten zu interviewen. Die gegebene Orientierung besage, von diesen Studenten ihre »wahre Meinung« zu erfahren, die sie in der Hauptstadt der DDR hätten angeblich nicht vertreten können. Es sei auch ein Interview mit Westberliner Mitgliedern der Evangelischen Jugend in Vorbereitung, die als Teilnehmer des Deutschlandtreffens in Adlershof untergebracht waren und angeblich wegen »mangelnder politischer Bewegungsfreiheit« nach Westberlin zurückgekehrt seien.
Weiter wurde bekannt, dass in der Friedrichstraße 2106 von nicht näher bezeichneten Westberliner Dienststellen ein »Informationsbüro« für das Deutschlandtreffen eingerichtet worden sei.
Wie aus mehreren vorliegenden Informationen hervorgeht, habe der Besuch der in Westberlin eingerichteten sogenannten Kontaktstellen7 bedeutend nachgelassen. Außerdem seien verschiedene Gruppen und Einzelpersonen der Aufforderung, ihre in der Hauptstadt der DDR geführten Gespräche in Kontaktstellen usw. auszuwerten, nicht nachgekommen. Verschiedene Quellen haben darauf hingewiesen, dass die Mitarbeiter der Kontaktstellen die nach Westberlin zurückkehrenden Jugendlichen jetzt schon an den Grenzübergängen abfangen und befragen wollen. In der Kontaktstelle Hotel am Zoo erschienen afrikanische Studenten, die seit Januar dieses Jahres an der Heimvolkshochschule Bergneustadt eine Ausbildung in Journalistik, Gewerkschafts- und Sozialfragen erhalten hatten, sich jedoch über die einseitige antikommunistische Ausbildung beschwert haben sollen. In der Kontaktstelle Messegelände/Funkturm wurden Exemplare der vom Westberliner Landesjugendring herausgegebenen und speziell auf das Deutschlandtreffen ausgerichteten Zeitschrift »Blickpunkt«8 verteilt. Diese Hefte enthalten Hetzartikel gegen das Deutschlandtreffen und gegen die DDR gerichtete sogenannte politische Witze.
Offensichtlich zu dem Zweck, in die Hauptstadt der DDR einreisende geschlossene westdeutsche Teilnehmergruppen besser unter Kontrolle zu bringen, war der »Besucherdienst« des Bundeshauses bestrebt, solche Gruppen zu registrieren. Gleichzeitig wurde dahingehend orientiert, große Gruppen in kleinere Gruppen aufzuteilen.
Es wurde auch eine Reihe weiterer Bemühungen nicht offizieller Teilnehmer am Deutschlandtreffen festgestellt, mit DDR-Bürgern Kontakte herzustellen. In einigen Fällen wurde damit auch der Zweck verfolgt, DDR-Jugendliche vom Besuch der Veranstaltungen abzuhalten.
Die Orientierung der feindlichen Rundfunkhetze ist, abgesehen von der propagierten Albertz-Erklärung, im Wesentlichen unverändert geblieben und nach wie vor auf Parolen gegen die Sicherungsmaßnahmen und um die Freiheit und Freizügigkeit, auf revisionistische Parolen, auf die Aufforderung, Gespräche mit westdeutschen Teilnehmern der Teilnahme an den Veranstaltungen vorzuziehen usw. konzentriert. Außerdem verdienen Hinweise auf frühere Schleusungsaktionen durch die Kanalisationsanlagen Beachtung.
Das Auftreten feindlicher Kräfte verlagerte sich am 17.5. noch eindeutiger als an den Vortagen auf die Inszenierung organisierter, zielgerichteter und im Wesentlichen gut vorbereiteter Diskussionen mit Teilnehmern der DDR am Deutschlandtreffen. Wie bereits am Vortage traten dabei besonders Studenten und Journalisten als Wortführer in Erscheinung. Es wurde auch festgestellt, dass in Diskussionen zu den verschiedenen Fragen auf politischem, philosophischem und ökonomischem Gebiet jeweils spezialisierte Kräfte die Diskussionen zu führen bzw. zu lenken versuchten. In einigen Fällen wurde sogar festgestellt, dass westdeutsche Bürger zwischen einzelnen Diskussionsgruppen eine gewisse Verbindung aufrechtzuerhalten versuchten (u. a. in der Nähe der Humboldt-Universität). Zu festgestellten Wortführern gehörten ein Dr. Cramer9 (Frankfurter Allgemeine Zeitung) und ein gewisser [Name 1] (Funktionär der Jungen Union)10. Bei fast allen westlichen sogenannten Diskussionspartnern handelt es sich um nicht offizielle Teilnehmer am Deutschlandtreffen, was auch durch die Tatsache bewiesen wurde, dass sie nach Abschluss der Diskussion in der Regel in Pkw wegfuhren.
Nachdem in der Nacht vom 16. zum 17.5. einzelne Diskussionen bis in die frühen Morgenstunden geführt worden waren, traten am 17.5. eine Vielzahl westlicher Diskussionsgruppen und Einzelpersonen auf. Örtliche Schwerpunkte waren dabei die Karl-Marx-Alle/Nähe Kino International und Milchbar, die Friedrichstraße/Nähe S-Bahnhof und Pressecafé bis Unter den Linden, Unter den Linden/Humboldt-Universität und Kastanienwäldchen – Marx-Engels-Platz – Neue Wache, Brandenburger Tor und sowjetische Botschaft. Es verdient hervorgehoben zu werden, dass es den Auslösern der Diskussion teilweise gelang, viele nicht in die Diskussion eingreifende Zuschauer anzuziehen. Verschiedentlich traten die westdeutschen Gruppen so auf, dass von unserer Seite Verstärkungen herbeigeholt werden mussten. In vielen Fällen versuchten die diskutierenden westdeutschen Studenten und Journalisten, wenn sie in die Enge getrieben wurden oder wenn unsere Agitatoren die Diskussionen auf andere Fragen lenkten, sich zurückzuziehen, den Diskussionen auszuweichen oder frech und provokatorisch aufzutreten.
Die Hauptgesichtspunkte der westlichen »Argumentation« entsprachen im Wesentlichen denen der Vortage und ließen erneut die Übereinstimmung mit der Schulungsthematik erkennen. Wie bisher erfolgte die Konzentrierung auf folgende Fragen und Probleme: Freiheitsbegriff, Reise- und Grenzverkehr, Parolen gegen die Sicherungsmaßnahmen, Demokratie in West und Ost, Stellung Westberlins, Wege zur »Wiedervereinigung« usw. Stärker als an den Vortagen wurden jedoch auch solche Fragen zu diskutieren versucht, wie z. B. über die Auseinandersetzungen mit chinesischen Auffassungen, Entwicklung des Lebensstandards in der DDR und in Westdeutschland, sozialistische Entwicklung der Landwirtschaft in der DDR, Volkskapitalismus usw.
In einer Reihe von Diskussionen und offiziell geführten Gesprächen mit westdeutschen Gästen, die meistens einen sachlichen Verlauf nahmen (u. a. Diskussion in der Humboldt-Universität, Treffen junger Frauen und Mädchen mit Lotte Ulbricht11 im Haus des Nationalrats,12 Gespräch im Kulturhaus des VEB TRO, Lyrikabend im Jugendclub »Julian Grimau«, Forum mit Sportlern) trat in Erscheinung, dass – abgesehen von einigen negativen Beeinflussungsversuchen – die westdeutschen Gäste wenig über die DDR wussten und entsprechende Fragen stellten.
Von Westberlin ausgehende direkte provokatorische Störaktionen wurden nicht bekannt. Lediglich an der Staatsgrenze Scharnhorst-/Ecke Boyenstraße wurden die westdeutsche Bevölkerung und FDJler über Lautsprecher aufgefordert, sich an die »Mauer« zu begeben. An dieser Stelle waren auch zwei Filmkameras eingesetzt.
Von einzelnen westdeutschen Kriegsdienstgegnern, die offizielle Teilnehmer am Deutschlandtreffen sind, wurde am 17.5., gegen 10.00 Uhr, auf dem Stellplatz in der Nähe des Nationalrats versucht, gegen die zur Jugenddemonstration mitgeführten Spruchbänder und Plakate der westdeutschen Delegierten Stellung zu nehmen. Sie riefen im Sprechchor: »Wir sind gekommen, um zu diskutieren, aber nicht, um zu marschieren.« Weiter forderten sie andere Delegationsmitglieder und Personen auf, an einer von ihnen geplanten Demonstration in den Nachmittagsstunden teilzunehmen. Diese Losungen und Aufforderungen fanden keinen Widerhall.
2. Lage im grenzüberschreitenden Verkehr und an den Staatsgrenzen
An der Staatsgrenze Berlin reisten am 17.5. bis 24.00 Uhr insgesamt 20 062 Personen ein, davon 16 375 Westdeutsche, 503 Westberliner und 3 184 Ausländer. An Fahrzeugen führen 2 834 Pkw und 39 Busse in das demokratische Berlin ein. Im Transitverkehr reisten 9 669 Personen mit 2 898 Pkw bzw. 54 Bussen Westdeutschland nach Westberlin und 10 968 Personen mit 2 280 Pkw bzw. 76 Bussen von Westberlin nach Westdeutschland. Am 17.5. fuhren insgesamt 20 Militärfahrzeuge der in Westberlin stationierten Besatzer in die Hauptstadt der DDR ein, davon waren neun amerikanische, acht englische und drei französische Militärfahrzeuge. Besondere Vorkommnisse traten dabei nicht auf.
Auch im Verlaufe des 17.5. wurde übereinstimmend von vielen Personen berichtet, dass die Grenzkontrollen durch Westpolizei und Westzoll sehr stark sind. Von diesen Organen wurden Befragungen durchgeführt, aus welchen Gründen die westdeutschen Bürger nach Berlin fahren. Verschiedentlich wurden alle Personen von Reisegruppen vom westdeutschen Zoll registriert. Das hatte zur Folge, dass eine Reihe von Personen in Marienborn13 – wo durch das Verhalten westlicher Kontrollkräfte Wartezeiten bis zu fünf Stunden eintraten – es nicht wagte, in die DDR einzureisen. (Ähnliche Lage in Bebra.) Der Westberliner Zoll führte an den KPP zum demokratischen Berlin strenge Ausweiskontrollen durch und nannte der Westberliner Polizei die Namen der einreisenden Personen (besonders stark am Übergang KPP Zimmerstraße).
In zwei Fällen gelang es, Grenzdurchbrüche zu verhindern und die betreffenden Personen festzunehmen. Es handelte sich um den DDR-Bürger [Name 2, Vorname] (Taubstummer, 2. Versuch zum illegalen Verlassen der DDR, Festnahme auf dem Bahnsteig A des Bahnhofs Friedrichstraße), und um den DDR-Bürger [Name 3, Vorname] (Festnahme am KPP Friedrichstraße, im Besitz eines Westberliner Personalausweises und eines nicht ausgefüllten unteren Teils einer PM 12814). Außerdem wurde die Teilnehmerin am Deutschlandtreffen [Name 4, Vorname] aus Dresden bei dem Versuch festgenommen, im Raum Voßstraße – Thälmannplatz die DDR illegal zu verlassen. Der westdeutsche Teilnehmer [Name 5, Vorname] versuchte während einer Tanzveranstaltung die Teilnehmerin [Name 6, Vorname] zum Übertritt nach Westberlin zu überreden. Wegen versuchter Schleusung mit einem Pkw (Volkswagen) wurden am 18.5., 1.55 Uhr, am KPP Heinrich-Heine-Straße der westdeutsche Bürger [Name 7] und die DDR-Bürgerin [Name 8] aus Brandenburg festgenommen. Wegen angeblicher Fluchtabsichten wurden der [Name 9, Vorname] (Schwarzheide, [Bezirk] Cottbus) von einem VP-Schnellkommando im angetrunkenen Zustand festgenommen. Da die Fluchtabsicht nicht bewiesen werden konnte, erfolgte nach Rücksprache mit der BV Cottbus sein Ausschluss aus der Delegation und sofortige Rückreise.
Gegen 9.15 Uhr passierte der Pkw (Borgward) mit dem Kennzeichen GG [Nr.] und dem Fahrer [Name 10, Vorname] aus Rüsselsheim (Fahrzeuginhaber [Name 11]/Rüsselsheim) den KPP Drewitz in Richtung Westberlin und gegen 13.00 Uhr den KPP Heinrich-Heine-Straße. Bei der Kontrolle wurden am Kofferraum des Fahrzeuges frische Schweißnähte festgestellt. Die Rückwand des Kofferraumes war um 30 cm nach hinten versetzt, wodurch ein von außen nicht sichtbares Versteck entstand. Da [Name 10] noch eine 2. Kfz-Zulassung für einen Pkw Opel Kapitän mit sich führte, besteht der Verdacht auf Schleusung (entsprechende Kontrollmaßnahmen für die Ausreise wurden eingeleitet).
In zwei Fällen meldeten westdeutsche Teilnehmer am Deutschlandtreffen den Verlust ihres Personalausweises bzw. der Aufenthaltsgenehmigung. Ferner ist auffällig, dass sich die Fälle häufen, wo westdeutsche Bürger mit völlig abgegriffenen und kaum erkennbaren Ausweisen einreisten. Es liegen operative Hinweise vor, dass während der Aktion »Freundschaft« verstärkt Bürger der DDR u. a. unter Ausnutzung des Ähnlichkeitsprinzips und des Einschmuggelns unter den Reisestrom ausgeschleust werden sollen.
Wie bereits am 16.5. wurde erneut – vor allem durch Zivilpersonen – eine Anzahl Kontaktversuche unternommen (Bereich der 1. Grenzbrigade, Schwerpunkt am sogenannten Fechter-Kreuz). Neben Zivilpersonen versuchten Angehörige der Westberliner Polizei und Besatzer mit Angehörigen unserer Grenzsicherungsorgane ins Gespräch zu kommen. In vier Fällen wurde zur Fahnenflucht aufgefordert.
3. Feindtätigkeit auf dem Gebiet der DDR
Aus fast allen Stadtbezirken wurden erneut Fahnenabrisse, Plakatbeschädigungen und Hakenkreuzschmierereien bekannt. Diese Art der Feindtätigkeit erreichte jedoch kein größeres Ausmaß. Er erfolgten eine Festnahme (Umwandlung in Ausschluss aus der Delegation) und die Einleitung von zwei Ermittlungsverfahren.
Ebenso wie am Vortag sind in einer Reihe von Fällen Teilnehmer des Deutschlandtreffens beschimpft, belästigt und tätlich angegriffen worden. Vor einem Jugendclubheim in Köpenick provozierten in der Nacht zum 17.5. drei Jugendliche aus Berlin eine Schlägerei mit FDJ-Mitgliedern aus Bautzen (Einleitung von Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung).
Belästigungen und Anpöbeleien erfolgten in einer Reihe von Gaststätten. In den Lagern Wuhlheide und am Faulen See kam es wiederholt zu Zwischenfällen mit jugendlichen Rowdys, die Zelte einrissen, zerstörten oder in Einzelfällen entwendeten.
Auf dem Gleiskörper vom Ostbahnhof bis Pankow wurden selbstgefertigte Flugblätter gefunden. Der Text lautet: »Frieden, Wohlstand, Einigung! Mauer muss weg!« Nach bisherigen Feststellungen wurden die Hetzblätter mit einem Druckkasten oder Stempel hergestellt. Die Evangelische Adventskirche (Berlin NO 18, Dimitroffstraße) führt vom 16. bis 18.5. eine Schaukastenausstellung durch. Es handelt sich um 60 Themen einer Ausstellung der »Jungen Gemeinde« aus Neudietendorf, [Bezirk] Erfurt (Neudietendorf ist zentraler Tagungsort des Evangelischen Jungmännerwerks der DDR). Die Thematik der Ausstellung richtet sich gegen den atheistischen Staat.
Bei Fahrten Westdeutscher in das Gebiet der DDR wurden am 17.5. im Personenzug nach Potsdam die westdeutschen Bürger [Vorname Name 12] und [Vorname Name 13] festgenommen. Beide sind Teilnehmer des Deutschlandtreffens und gaben an, dass sie in Potsdam Verwandte besuchen wollten. Am KPP Bahnhof Friedrichstraße wurde am 17.5. der westdeutsche Bürger [Name 14, Vorname] festgenommen. Er besaß eine für den 16.5. gültige Aufenthaltsgenehmigung und erklärte, dass er sich vom 16. zum 17.5. bei einer Bekannten in Potsdam aufgehalten habe.
4. Stimmung zum Deutschlandtreffen und sonstige Vorkommnisse
Die Stimmung unter den Teilnehmern am Deutschlandtreffen ist weiterhin als positiv einzuschätzen. Besonders während der Demonstration über den Marx-Engels-Platz war eine große Begeisterung vorhanden, was u. a. darin seinen Ausdruck fand, dass bis auf geringe Ausnahmen die vorgesehenen Delegationen vollzählig am Vorbeimarsch teilnahmen. In Einzelfällen herrschte unter Jugendlichen Unzufriedenheit über angeblich zu frühe Stellzeiten und zu lange Anmarschwege.
In geringem Umfang traten in Massenquartieren und auf Campingplätzen Unstimmigkeiten hinsichtlich der Betreuung Jugendlicher auf. So wurde aus einigen Quartieren bekannt, dass die Gruppenbetreuung (Zehnergruppen usw.) nicht gewährleistet ist. Die hauptsächlich in Privatquartieren untergebrachten Jugendlichen sind teilweise auf sich allein angewiesen. In einigen Wohnbezirken fielen am 16.5. Kulturveranstaltungen mangels Beteiligung aus (z. B. Friedrichshagen und Lichtenberg), während Jugendliche während dieser Zeit untätig in den Massenquartieren herumsaßen.
Bei verschiedenen Abendveranstaltungen fehlten an mehreren Bühnen die eingeteilten Ordnungskräfte – meistens Studenten der Humboldt-Universität – unentschuldigt. Störungen traten jedoch nicht auf.
Unzufriedenheit herrscht auch weiterhin noch über die angeblich ungenügende Bereitstellung von Decken, Luftmatratzen und Stroh sowie über zu lange Wartezeiten bei der Verpflegungsausgabe (10. Oberschule Köpenick, 30. Oberschule Prenzlauer Berg, Campinglager Grünau usw.). Es wurde auch kritisiert, dass die Räume in Massenquartieren nicht geheizt waren. Verschiedentlich wurden die für warme Getränke geforderten Preise kritisiert. In einigen Campinglagern (u. a. Wuhlheide) wurden 20 Pfennig für einen halben Liter Tee verlangt. Im gleichen Quartierbereich wurde der unhygienische Zustand der Feldküchen (stark verschmutze Kessel) von den Teilnehmern beanstandet.
Es liegen eine Reihe Berichte vor, in denen die Stimmung der Bevölkerung der Hauptstadt der DDR zum Verlauf des Deutschlandtreffens allgemein positiv eingeschätzt wird. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass besonders in den Nachmittagsstunden des gestrigen Tages viele Berliner mit ihren Gästen Veranstaltungen im Berliner Zentrum besuchten. Unverständnis besteht nach wie vor bei einigen Bürgern hinsichtlich der Nichtauslastung der bereitgestellten Privatquartiere, zumal ihnen bekannt ist, dass Massenquartiere im gleichen Wohngebiet überbelegt sind. Auf entsprechende Rückfragen von Johannisthaler Bürgern antwortete das Organisationskomitee, dass Quartierscheine verlorengegangen und die Teilnehmer deshalb in Massenquartiere untergebracht worden seien.
In Einzelfällen trat unter der Berliner Bevölkerung Missstimmung zur Versorgungslage auf. Unter anderem wurde kritisiert, dass die Teilnehmer des Deutschlandtreffens mit Südfrüchten versorgt werden, während für die zivile Versorgung nichts angeboten worden sei. Hausfrauen haben sich deshalb häufig in die Käuferschlangen auf den Zeltplätzen eingereiht. In einzelnen Fleischverkaufsstellen (Pankow, Friedrichshagen und Karlshorst) kam es am 16.5. infolge Schwierigkeiten bei der Auslieferung von 100 t Fleischwaren zu Mängeln in der Fleischversorgung (der für die Fleischauslieferung Verantwortliche war als Lotse zum Deutschlandtreffen eingesetzt und wurde sofort an seinen Arbeitsplatz zurückgerufen). Häufiger ist unter der Berliner Bevölkerung in den letzten Tagen die Meinung festzustellen, das Deutschlandtreffen würde große Mengen Lebensmittel verschlingen, die später im Berliner Angebot fehlen würden. In wenigen Fällen kam es zu Hamstereinkäufen, insbesondere von Fleischkonserven.
Wie berichtet wurde, mussten bisher acht Teilnehmer am Deutschlandtreffen, darunter zwei Teilnehmer aus Westdeutschland, wegen des Verdachts der Ruhrerkrankung in verschiedene Krankenhäuser eingeliefert werden. Mehrere Teilnehmer sind an Grippe und anderen Erkältungskrankheiten zum Teil mit hochgradigem Fieber erkrankt (zwei Westdeutsche an infektiöser Grippe).