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Flucht nach Westberlin über die S-Bahn

17. März 1964
Einzelinformation Nr. 218/64 über einen Grenzdurchbruch nach Westberlin mittels S-Bahn vom Bahnhof Friedrichstraße aus am 14. März 1964

Am 14.3.1964, gegen 22.00 Uhr, beobachtete der Reichsbahnobersekretär [Name 1], Angehöriger der Bahnpolizei,1 auf dem Bahnhof Zoo, wie zwei männliche Jugendliche (ca. 19 und 23 Jahre) mit einem Krankenrollstuhl dem Dienstabteil des S-Bahnzuges L 1 (Friedrichstraße – Wannsee) entstiegen. Beide erkundigten sich anschließend bei der Bahnhofsaufsicht, ob sie den Krankenfahrstuhl auf dem Reichsbahngelände stehen lassen können, weil sie ihn nicht mehr benötigten. Anschließend verließ die im Krankenfahrstuhl befindliche Person denselben und beide benahmen sich äußerst ausgelassen, sodass sie von der Bahnhofsaufsicht, Kollegin [Name 2], vom Bahnsteig verwiesen werden mussten.

Die weitere Untersuchung durch das MfS ergab Folgendes: Beide Jugendliche kamen am 14.3.1964, gegen 21.58 Uhr, kurz vor Abfahrt des S-Bahnzuges in Richtung Wannsee aus dem Fahrstuhl auf dem Westbahnsteig des Bahnhofes Friedrichstraße und erkundigten sich beim Triebwagenpersonal, ob der S-Bahnzug nach dem Bahnhof Zoo fährt. Als dies bestätigt wurde, baten sie den Triebwagenführer, dass er ihnen mit in die S-Bahn helfen solle, da der im Krankenfahrstuhl sitzende Jugendliche sehr gebrechlich sei und nicht gehen könne.

Nach Aussagen des Triebwagenpersonals [Vorname Name 3], geboren [Tag, Monat] 1933, wohnhaft Stahnsdorf, [Straße, Nr.], und [Vorname Name 4], geboren [Tag, Monat] 1920, wohnhaft Potsdam, [Straße, Nr.], ließen sich die beiden Jugendlichen auch auf dem Bahnhof Zoo wieder aus dem Zuge helfen, wobei die jüngere Person im Rollstuhl sitzen blieb.

Wie in der Untersuchung weiter festgestellt wurde, haben die angeführten Personen gegen 21.30 Uhr auf dem Bahnhof Friedrichstraße einen Sicherungsposten gefragt, wo sich der Fahrstuhl zum Westbahnsteig befindet. Ohne Verdacht zu schöpfen, gab der Posten die gewünschte Auskunft.

Der Fahrstuhl am Bahnsteig B (Westbahnsteig) wird durch ein Vorhängeschloss und ein normales Türschloss gesichert. Während sich der einzige Schlüssel zum Vorhängeschloss beim KPP-Kommandanten befindet, sollen zum Türschloss bei Reichsbahnangehörigen mehrere Schlüssel vorhanden sein, über die jedoch kein Nachweis besteht. Der Fahrstuhl wurde am 14.3.1964, gegen 20.00 Uhr, letztmalig kontrolliert; er befand sich zu diesem Zeitpunkt unten und war ordnungsgemäß abgesichert. Nach dem Vorkommnis befand sich der Fahrstuhl oben auf dem Bahnsteig, das Vorhängeschloss fehlte und die Tür war verschlossen, wobei zu beachten ist, dass sie beim Zuschlagen selbstständig schließt.

Beim weiteren Absuchen des Geländes wurden in der Nähe des Fahrstuhles das Vorhängeschloss sowie eine große Drahtschere gefunden. Der Bügel des Vorhängeschlosses war mit der Drahtschere aufgekniffen und das Vorhängeschloss gewaltsam entfernt worden. Der Eingang zum Fahrstuhl befindet sich außerhalb des Kontrollbereiches der KPP-Sicherungskräfte und wurde bis vor ca. einem halben Jahr durch Kräfte der Stadtkommandantur Berlin gesichert. Bei einer Überprüfung durch eine Kommission der Stadtkommandantur Berlin wurde der Posten jedoch für nicht erforderlich erachtet und deshalb auf Anweisung des Genossen Oberst Peters abgezogen.

Durch das MfS werden weitere Untersuchungen geführt. Gleichzeitig wurden sofort Maßnahmen zur Gewährleistung einer erhöhten Sicherung am KPP Bahnhof Friedrichstraße eingeleitet.

  1. Zum nächsten Dokument Ungesunde Atmosphäre an der Universitätsklinik Rostock

    18. März 1964
    Einzelinformation Nr. 221/64 über eine ungesunde Atmosphäre an der Chirurgischen Universitätsklinik in Rostock

  2. Zum vorherigen Dokument Tätliche Auseinandersetzung im Kombinat »Schwarze Pumpe«

    16. März 1964
    Einzelinformation Nr. 217/64 über tätliche Auseinandersetzungen zwischen polnischen und deutschen Arbeitern im Kombinat »Schwarze Pumpe« am 15. März 1964