Handelspolitischer Druck der Bundesregierung
6. April 1964
Einzelinformation Nr. 283/64 über die Bonner Versuche einer Koppelung von Düngemittellieferungen an die DDR mit politischen Fragen
Zuverlässig wurden Äußerungen aus westdeutschen Wirtschaftskreisen über die Bonner Versuche bekannt, Düngemittellieferungen an die DDR mit politischen Fragen zu verknüpfen. Nach Meinung dieser Kreise werden diese Lieferungen in Bonn als »politisches Geschäft« eingeschätzt.
Sofort nach Bekanntwerden der Kaufwünsche der DDR habe die Bonner Regierung den Leiter der sogenannten Treuhandstelle für den Interzonenhandel Leopold1 beauftragt, damit »politische Wünsche« der Bundesrepublik zu verbinden. Die Bonner Regierung sei der Meinung, dass nicht nur das Agrarprogramm der DDR, sondern auch das Agrarprogramm der anderen RGW-Staaten entscheidend von Düngemittellieferungen aus Westdeutschland abhängen. Es werde vermutet, dass die DDR durch andere sozialistische Staaten indirekt gezwungen werden könne, auf die »politischen Wünsche« der Bundesrepublik einzugehen.
Das bisherige Scheitern der Bonner Taktik werde nicht auf den festen Standpunkt der DDR, sondern auf eine »plumpe Vortragsweise« von Leopold zurückgeführt. Er sei nicht in der Lage, derartige Wünsche und Pläne Bonns unter Ausnutzung des Verhandlungsklimas geschickt in die Besprechungen mit dem Vertreter des MAI der DDR Behrendt2 einfließen zu lassen.
Von den genannten Wirtschaftskreisen wird eingeschätzt, dass die CDU nach wie vor versucht, die Düngemittellieferungen mit politischen Fragen zu koppeln. Besonders Dufhues3 trete für die Erfüllung der »politischen Wünsche« der Bonner Regierung ein.
Aus dem Vorstand der Ruhr-Stickstoff-AG sei bekannt geworden, dass zwar großes Interesse an den Stickstofflieferungen bestehe, in der Endkonsequenz aber die politischen Interessen der Bonner Regierung berücksichtigt werden müssten. Die Konzernleitung hoffe, eventuell entstehenden Schaden durch die Bundesregierung ersetzt zu bekommen. Sie berufe sich dabei darauf, dass auch die westdeutschen Stahlkonzerne, die durch das Röhrenembargo gegen die UdSSR betroffen wurden, einen Ausgleich durch Vergünstigungen erhielten, die ihnen die Bundesregierung gewährte. Weil sie kein geschäftliches Risiko fürchte, nehme die Ruhr-Stickstoff-AG deshalb eine abwartende Haltung ein.
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Meyers4 habe in CDU-Kreisen zum Verhalten der DDR geäußert, es wäre für sie günstiger gewesen, ihre Kaufabsichten durch gestückelte Aufträge zu verschleiern. Erst aufgrund des Großauftrags sei die Bundesregierung zu der Schlussfolgerung gekommen, aufgrund des Vorhandenseins von Interessen auch anderer sozialistischer Staaten das Geschäft mit politischen Forderungen zu verbinden.
Vonseiten des amerikanischen Geheimdienstes wurde bekannt, dass der Bonner Standpunkt unterstützt wird. Die Bundesrepublik solle das Düngemittelgeschäft keinesfalls ohne entsprechende politische Gegenforderungen genehmigen und abwickeln.
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