Verhalten des nigerianischen Studenten Ofodile (1)
21. März 1964
Einzelinformation Nr. 243/64 über das Verhalten des nigerianischen Studenten Ofodile an der Schule der Solidarität in Buckow (Märkische Schweiz)
Dem MfS liegt eine Reihe von Hinweisen über negatives Verhalten des nigerianischen Studenten Ofodile, Gilbert,1 geboren [Tag, Monat] 1938 in Onitsha/Nigeria, Heimatanschrift Lagos, [Nr., Straße], ehemaliger Mitarbeiter der »Nigerian Morning Post«,2 seit 25.11.1963 Student an der Schule der Solidarität in Buckow,3 vor.
O. wurde von der »Union of Nigerian Journalists«4 zur Teilnahme an einer zehnmonatigen journalistischen Ausbildung delegiert. Er befindet sich seit dem 7.7.1963 in der DDR und nahm am 25.11.1963 seine theoretische Ausbildung als Journalist auf. Nach eigenen Angaben ist O. der Sohn eines nigerianischen Kapitalisten. Brüder von ihm sollen an den nigerianischen Botschaften in New York und Bonn sowie im Hochkommissariat für Nigeria in London tätig sein.
O. will vor seinem DDR-Aufenthalt Westeuropa bereist und einige Zeit in der nigerianischen Botschaft in Bonn gewohnt haben. Während dieses Aufenthaltes habe er eine Mitarbeiterin der Bonner Geheimdienstzentrale »Sicherungsgruppe Bonn« näher kennengelernt. Es bestände noch jetzt enger Kontakt zu ihr, und er beabsichtige diese Frau zu heiraten.
Bis Anfang des Jahres 1964 galt O. als guter und interessierter Schüler, dann ließen seine schulischen Leistungen nach, und er vertrat auch im Unterricht Auffassungen, die teilweise hetzerischen Inhalt besaßen. Als im Februar 1964 im Unterricht die Aufgabe gestellt wurde, ein Flugblatt zu entwerfen, verfasste O. eine regelrechte Hetzschrift, deren Inhalt gegen die Sowjetunion gerichtet war. (O. spielte dabei auf die Ermordung eines afrikanischen Studenten in der Sowjetunion an.) Unter anderem kam darin zum Ausdruck, dass die afrikanischen Studenten »rücksichtslos geschlagen würden«. Am Schluss der Hetzschrift erfolgte ein Aufruf an alle afrikanischen Studenten, eine Protestdemonstration durchzuführen.
Verschiedenen Personen gegenüber äußerte er sich dahingehend, dass in Buckow »die Nachfolger von Hitler und Göring leben würden«. Da diese Diskussion auch von anderen namentlich nicht bekannten afrikanischen Studenten aufgegriffen wurde, entstand unter den Einwohnern Buckows große Verärgerung.
Seit der Leipziger Herbstmesse 19635 unterhält O. auch enge Verbindung zur chinesischen Botschaft.
Im Zusammenhang mit einem Vorkommnis am 7.3.1964 trat O. wiederum negativ in Erscheinung: Der nigerianische Student [Vorname Name] hatte am 6.3.1964 im angetrunkenen Zustand drei männliche Personen aus Buckow zum Besuch eines Tanzabends an der Schule eingeladen und mit diesen weitergezecht. Eine dieser Personen brachte den [Name] gegen Mitternacht auf dessen Zimmer, weil er bereits ziemlich hilflos war. Während des Auskleidens lief der [Name] plötzlich aus dem Zimmer und kehrte erst am 7.3.1964 morgens mit Verletzungen an Kopf und Hals sowie teilweise zerrissener Kleidung zur Schule zurück, angeblich ohne erklären zu können, wo er sich die Verletzungen zugezogen habe. (Lt. ärztlichem Untersuchungsbefund weist [Name] Kratzverletzungen im Gesicht und am Hals auf. Bei den Halswunden kann es sich auch um Schnittwunden handeln.) Die Untersuchung dieses Vorfalls, die durch widersprüchliche bzw. unglaubwürdige Aussagen des [Name] bedeutend erschwert wurde, ergab keine Anhaltspunkte dafür, dass rassistische Ausschreitungen oder provokatorische Handlungen vorliegen. Die bisherigen Untersuchungen sowie das Verhalten des Geschädigten lassen jedoch mit aller Wahrscheinlichkeit darauf schließen, dass die Verletzungen von einer tätlichen Auseinandersetzung – in deren Mittelpunkt eine Frau stand – herrühren. ([Name] unterhielt, wie eine ganze Reihe anderer afrikanischer Studenten, laufend Verbindungen zu zweifelhaften Frauen. Diese Studenten verkehren meist in Buckower Lokalen und sprechen dem Alkohol zu, woraus sich wiederholt schon Streitigkeiten entwickelten.)
Aus dem Verhalten des [Name] ist zu schließen, dass er unter dem Einfluss des Ofodile steht. Beide bewohnen zusammen ein Zimmer, und Ofodile verhinderte auch, dass [Name] nach diesem Vorfall von Besuchern allein gesprochen wurde. Ofodile fotografierte den [Name] sofort nach dessen Rückkehr in dem geschilderten Zustand am Morgen des 7.3.1964 mehrere Male und fuhr später mit dem Filmmaterial nach Berlin.6 Da der Verdacht bestand, dass er mit dem Material Westberlin aufsucht, wurden von unserem Organ entsprechende Sicherungsmaßnahmen eingeleitet. (Ofodile fährt des Öfteren nach Westberlin und verfügt über weit mehr Geldmittel, als sein Stipendium ausmacht. Es ist nicht bekannt, ob diese Mittel aus einer Tätigkeit für die »Nigerian Morning Post« herrühren, die er angeblich auch während seines DDR-Aufenthaltes ausübt.)
Ofodile suchte jedoch den »Verband Deutscher Journalisten« (VDJ)7 auf, wo er aber abstritt, mit dem Material Westberlin aufsuchen zu wollen. Im Verlaufe des Gespräches händigte O. das Material dem VDJ aus, es ist aber nicht ausgeschlossen, dass außer den sichergestellten Abzügen noch weitere vorhanden sind.
Da aufgrund des bisherigen Verhaltens des Ofodile vom VDJ erwogen wird, O. nicht weiter in der DDR auszubilden, unterrichtete dieser den nigerianischen Geschäftsträger in Westberlin, zu dem er ständigen Kontakt unterhält. Nach dieser Aussprache unterbreitete O. – angeblich auf Anraten des nigerianischen Geschäftsträgers – dem VDJ den Vorschlag, entweder in Berlin oder Erfurt als Journalist zu arbeiten oder in Leipzig zu studieren bzw. seinen DDR-Aufenthalt abzubrechen.
Nach eingehender Überprüfung des Verhaltens des Ofodile wird es vom MfS für zweckmäßig erachtet, dem Vorschlag auf Ausweisung, der vom VDJ unterbreitet wurde, stattzugeben.8