Verhinderte Fahnenflucht im Bereich der Kompanie Andenhausen
10. Dezember 1964
Einzelinformation Nr. 1102/64 über eine verhinderte Fahnenflucht im Bereich der Kompanie Andenhausen, Grenzregiment Dermbach am 9. Dezember 1964
Am 9.12.1964, gegen 21.30 Uhr, versuchte der Uffz. [Name 1, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1944, Gruppenführer in der Kompanie Andenhausen, NVA seit 3.5.1963, Kandidat der SED, FDJ, mit seiner Freundin [Name 2, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1944, wohnhaft Empfertshausen, [Straße, Nr.], Holzbildhauerin an der Schnitzerschule Empfertshausen, nach Westdeutschland flüchtig zu werden.
Gegen 19.35 Uhr begab sich [Name 1] mit dem Soldaten [Name 3] zur Postenkontrolle in das Grenzgebiet. Entgegen ihrem Kampfauftrag gingen sie zunächst nach Empfertshausen, wo [Name 1] angeblich seiner Verlobten zum Geburtstag gratulieren wollte. Während [Name 1] seine Verlobte [Name 2, Vorname] aufsuchte, wartete der Soldat [Name 3] vor der Haustür. Nach ca. zehn Minuten kam [Name 1] mit seiner Verlobten zurück. Beide trugen einen Koffer und eine Tasche bei sich, die sie angeblich auf der Post in Andenhausen abgeben wollten.
Unterwegs gab [Name 3] auf Forderung des [Name 1] seine MPi der [Name 2], um besser das Gepäck (Koffer und Tasche) tragen zu können ([Name 1] hatte ihr seine MPi bereits übergeben). Erst als sie sich in unmittelbarer Nähe der Staatsgrenze befanden und den Ort Andenhausen umgangen hatten, fragte [Name 3] den [Name 1]: »Ihr wollt wohl nach Westdeutschland abhauen?« Daraufhin nahm [Name 1] seine MPi zurück, lud sie durch und forderte [Name 3] auf, ruhig zu sein und vornweg zu laufen. [Name 3] ließ jedoch die Tasche fallen und sprang [Name 1] an. Erst als beide am Boden lagen, gelang es dem Soldaten [Name 3], [Name 1] MPi nach unten zu drücken und den Abzug zu betätigen. [Name 1] wurde am linken Unterschenkel verletzt und blieb am Boden liegen.
Anschließend schoss [Name 3] auf die flüchtende [Name 2], die sich inzwischen in Richtung Staatsgrenze entfernt hatte. Trotz des gezielten Feuers gelang es der [Name 2], die Grenzsicherungseinrichtungen zu überqueren und – unter Zurücklassen der von ihr getragenen MPi – nach Westdeutschland zu flüchten. [Name 1] wurde festgenommen. Er galt in der Kompanie als ein zuverlässiger, positiver und in der gesellschaftspolitischen Arbeit (besonders FDJ) aktiver Angehöriger der NVA.
Weitere Untersuchungen über die Ursachen und Umstände des Grenzdurchbruchs sowie der beabsichtigten Fahnenflucht werden noch geführt.