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Beschädigung eines Personenkraftwagens der ungarischen Botschaft

5. April 1965
Einzelinformation Nr. 300/65 über die Beschädigung eines Personenkraftwagens der Botschaft der Ungarischen Volksrepublik in der DDR durch einen Steinwurf

Am 3.4.1965, gegen 9.45 Uhr, befuhr der Pkw der Botschaft der Ungarischen Volksrepublik in der DDR (Typ Mercedes, polizeiliches Kennz. DU 02–92), besetzt mit dem Kraftfahrer [Name 1, Vorname] und der Ehefrau des ungarischen Botschafters, von der Stralauer Allee kommend, die Stralauer Brücke in Richtung Treptow. Unmittelbar nach Einbiegen auf die Stralauer Brücke, in Höhe der Lehrwerkstatt des VEB Werk für Fernsehelektronik, Berlin O 17, Alt Stralau 4, wurde die Vorderfrontscheibe des Wagens rechtsseitig von einem zunächst unbekannten Gegenstand getroffen, wodurch feinste Glassplitter in das Wageninnere gelangten und die Ehefrau des Botschafters im Gesicht trafen. Eine Körperverletzung ist nicht eingetreten.

Die sofort eingeleiteten Untersuchungen erbrachten folgendes Ergebnis: Die spurenkundlichen Untersuchungen am Wagen führten zu der Feststellung, dass die Vorderfrontscheibe von einem Stein getroffen und beschädigt worden war, ohne diese durchschlagen zu haben. Am Tatort wurden mehrere walnussgroße Kieselsteine gefunden, die, wie weitere Ermittlungen ergaben, von dem Mechanikerlehrling [Name 2, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1947 in Berlin, wohnhaft Berlin-Friedrichsfelde, [Straße Nr.], organisiert in der FDJ, FDGB und DTSB, und [Name 3, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1948 in Berlin, wohnhaft Berlin-Johannisthal, [Straße Nr.], organisiert in der FDJ und im FDGB, aus dem Fenster der Lehrwerkstatt auf die Straße geworfen worden waren.

Bei den beiden o. g. Lehrlingen handelt es sich um Mitglieder des Lernaktivs »Palmiro Togliatti«, die bisher sehr diszipliniert auftraten, aktiv gesellschaftlich mitarbeiteten und im Betrieb und im Wohngebiet gut beleumundet sind. [Name 2] und [Name 3] hatten am 3.4.1965 von ihrem Lehrmeister den Auftrag erhalten, Stellhebel für Regeltransformatoren zu entgraten. Sie benutzten für diese Arbeit eine mit Kieselsteinen gefüllte elektrisch betriebene Trommel, die in einem zur Stralauer Brücke gelegenen Arbeitsraum im vierten Stock der Lehrwerkstatt untergebracht ist. Bereits gegen 9.15 Uhr begannen beide, mit den Kieselsteinen aus den Fenstern ihres Arbeitsraumes zu werfen. Während [Name 3] auf Glasscherben der Begrenzungsmauer der Lehrwerkstatt zielte, war [Name 2] bemüht, Kraftfahrzeuge auf der zu diesem Zeitpunkt verkehrsreichen Stralauer Brücke zu treffen. Nach mehreren fehlgeschlagenen Steinwürfen zielte [Name 2] schließlich nach einem auf die Stralauer Brücke einbiegenden Personenkraftwagen »Mercedes«. Es handelte sich dabei um den betroffenen Botschaftswagen. [Name 2] beobachtete den von ihm geworfenen Stein und hörte diesen Aufschlag am Fahrzeug, ohne jedoch den genauen Aufschlagpunkt wahrzunehmen. Als der getroffene Personenkraftwagen sofort stoppte, verließen beide aus Furcht vor einer Entdeckung ihren Arbeitsraum.

Im Verlaufe der durchgeführten Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass beide Lehrlinge aus jugendlichem Übermut handelten und ihnen die durch sie hervorgerufene Gefahrensituation nicht bewusst war. Ihren Angaben zufolge haben sie bei dem Personenkraftwagen »Mercedes« nicht feststellen können, dass es sich dabei um ein Diplomatenfahrzeug handelte. Diese Angaben können als glaubwürdig angesehen werden, da sich die beiden Lehrlinge zu diesem Zeitpunkt im 4. Stock des Fabrikgebäudes aufhielten, von dem aus bei fahrenden Pkw die Kennzeichen kaum zu erkennen sind.

Als den Jugendlichen durch die Untersuchung bekannt wurde, dass der von ihnen mit einem Steinwurf beschädigte Pkw ein Fahrzeug der Botschaft der VR Ungarn in der DDR ist, sprachen sie ihr Bedauern über ihre Handlungsweise aus und baten um die Möglichkeit, sich bei den Betroffenen entschuldigen zu können. Aufgrund der geschilderten Umstände wird es für zweckmäßig erachtet, von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens Abstand zu nehmen.

Vonseiten des Betriebes werden erzieherische Maßnahmen eingeleitet.

  1. Zum nächsten Dokument Vorkommnisse im Zusammenhang mit Bundestagssitzung in Westberlin (4)

    5. April 1965
    Einzelinformation Nr. 301/65 über Vorkommnisse im Zusammenhang mit der provokatorischen Bundestagssitzung in Westberlin

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    2. April 1965
    Einzelinformation Nr. 293/65 über Lohndiskussionen auf der Baustelle Zementwerk IV Rüdersdorf bei Berlin