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Brandlegungen durch Kinderhand bis 25.10.1965

29. Oktober 1965
Einzelinformation Nr. 962/65 über Brandlegungen durch Kinderhand in Objekten der Volkswirtschaft im Zeitraum vom 1. Januar 1965 bis zum 25. Oktober 1965

Das MfS sieht sich veranlasst, auf der Grundlage vorliegender Untersuchungsergebnisse auf die steigende Tendenz von Brandlegungen durch Kinderhand in den Objekten der Volkswirtschaft erneut hinzuweisen.

Bei einem Vergleich der Vorkommnisse in den beiden Zeiträumen Januar bis Oktober 1964 zu 1965 wird offensichtlich, dass die Anzahl der Brandlegungen durch Kinderhand gleichgeblieben ist, obwohl im Verhältnis zu 1964 die Anzahl der Brände insgesamt zurückgegangen ist. Daraus resultiert, dass der prozentuale Anteil von Brandlegungen durch Kinderhand weiter angestiegen ist, wie auch aus der nachstehenden Zahlenübersicht zu entnehmen ist:

[Jahr]

Brände Anzahl

insges. Schaden (Mio. DM)

davon durch Kinderhand [Anzahl]

[Schaden (Mio. DM)]

%-ualer Anteil am allgemeinen Brandgeschehen [Anzahl]

[Schaden (Mio. DM)]

1964

2 141

43,1

260

4,3

12,1

10,0

1965

1 506

29,5

259

3,3

17,2

11,0

Besonders hoch ist der Anteil von Brandlegungen durch Kinderhand in der Landwirtschaft.

Von den insgesamt 259 Brandlegungen durch Kinderhand in der Zeit von Januar bis Oktober 1965 ereigneten sich allein 246 in der Landwirtschaft (Schadenssumme 3,1 Mio. DM).

Diese Tatsache wird durch einige nachstehend aufgeführte Beispiele von Großbränden in der Landwirtschaft besonders unterstrichen:

Am 20.8.1965 brannten die Scheune, der Stall und ein Schuppen eines LPG-Bauern in Schwerzko, [Kreis] Eisenhüttenstadt, nieder. Als Täter wurde ein 7-jähriger Junge festgestellt, der in der Scheune mit Streichhölzern gespielt hatte. Die Schadenssumme beträgt 100 000 MDN.

Am 18.10.1965 ereignete sich ein Feldscheunenbrand in der LPG Neudorf, [Kreis] Annaberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, wobei außer dem Scheunengebäude 2 100 dt Heu, 2 200 dt Getreidestroh, ein Förderband und eine Dreschmaschine vernichtet wurden (112 000 MDN Schaden).

Ein 13-jähriger Schüler hatte aus Freude am Feuer vorsätzlich die Feldscheune in Brand gesetzt.

Der Großbrand am 19.10.1965 in der LPG Gohlitz, [Kreis] Nauen, [Bezirk] Potsdam, mit einem Schaden von 100 000 MDN wurde ebenfalls von einem 10-jährigen Jungen ausgelöst, der in einer Scheune mit Streichhölzern gespielt hatte.

Insgesamt wurden von Januar bis Oktober 1965 durch Kinderbrandlegungen in der Landwirtschaft

  • 126 Scheunen und Bergeräume

  • 51 Stallungen

  • 13 Kombinierte Gebäude-Stall-Scheune

  • 26 Schuppen und Werkstätten

  • 68 Stroh- und Heumieten und

  • 9 Wohngebäude

einschließlich ihres zum Teil wertvollen Inhalts wie Futtermittel, Vieh, Maschinen und Geräten vernichtet oder zumindest schwer beschädigt.

Nach den vorliegenden Untersuchungsergebnissen wurden hinsichtlich der Ursachen folgende Feststellungen getroffen:

Allgemein lösen Kinder in der Altersgruppe von 5 bis 8 Jahren rund zwei Drittel aller Brände aus.

Die Brandlegungen durch Kinderhand entstehen größtenteils durch das Spielen mit Streichhölzern. Wiederholt wurde auch festgestellt, dass Kinder im Alter von 9 bis 14 Jahren in überdachten Gebäuden geraucht hatten und durch das unachtsame Wegwerfen von brennenden Streichhölzern bzw. brennenden Zigarettenresten Brände ausgelöst haben.

Streichhölzer gelangen meistens aus der elterlichen Wohnung in den Besitz der Kinder. Sie werden vorwiegend in Abwesenheit der Eltern entwendet. Größeren Kindern ist der Aufbewahrungsort – meist unverschlossen – von Streichhölzern im Elternhaus bekannt, sodass die Aneignung keine Schwierigkeiten bereitet.

In der Mehrzahl leben die angefallenen Kinder in geordneten häuslichen Verhältnissen. Die Eltern waren nachweisbar um eine gute und ordentliche Erziehung ihrer Kinder bemüht. Bei einer Reihe von Kindern ist das Elternhaus fortschrittlich, sind Elternteile als LPG-Vorsitzende tätig, sind Mitglieder der SED usw.

Bisher wurden keine Vorkommnisse ermittelt, in denen Kinder von feindlichen Elementen zur Brandlegung angestiftet wurden.

Bei den Ursachenermittlungen wurde erneut eine Reihe begünstigender Bedingungen festgestellt:

  • In den Haushalten werden die Zündhölzer fahrlässig aufbewahrt.

  • Kinder sind tagsüber unbeaufsichtigt, da teilweise beide Elternteile berufstätig sind.

  • Scheunen und Stallungen sind unverschlossen.

  • Umgang mit offenem Feuer oder Licht im Haushalt oder anderen Wirtschaftsgebäuden.

Aus der geschilderten Situation ist zu entnehmen, dass trotz unserer wiederholten Hinweise über Brandlegungen durch Kinderhand und ihre Ursachen und begünstigenden Bedingungen noch keine positive Veränderung dieser Situation erreicht wurde.

Allgemein ist einzuschätzen, dass von den verantwortlichen staatlichen Organen und gesellschaftlichen Organisationen bisher nur unzureichend wirkungsvolle Maßnahmen vorbeugenden Charakters zur Bekämpfung der Brandlegungen durch Kinderhand eingeleitet worden sind.

  1. Zum nächsten Dokument Selbstmord des Schauspielers Christian Weisbrod

    30. Oktober 1965
    Einzelinformation Nr. 963/65 über den Selbstmord des Schauspielers am »Berliner Ensemble« Weisbrod, Christian und einige damit im Zusammenhang stehende Fragen

  2. Zum vorherigen Dokument Festnahme eines österreichischen Fluchthelfers

    29. Oktober 1965
    Einzelinformation Nr. 961/65 über die Festnahme eines österreichischen Staatsangehörigen wegen Beihilfe zur Schleusung eines Bürgers der DDR nach Westberlin