Haltung westdeutscher Sportpolitiker zu innerdeutschem Sportaustausch
22. November 1965
Einzelinformation Nr. 1039/65 über die Haltung der westdeutschen Sportführung zum Sportverkehr zwischen beiden deutschen Staaten und der DDR und Westberlin nach der DSB-Tagung in Köln
Von zuverlässiger Seite wurden Einzelheiten über die Haltung der westdeutschen Sportführung zum Sportverkehr zwischen beiden deutschen Staaten und zwischen der DDR und Westberlin bekannt, nachdem das DSB-Präsidium in Köln die Düsseldorfer Beschlüsse1 von 1961 als nicht mehr gültig bezeichnet hat.
Es wird bestätigt, dass der DSB in der Hauptsache davon ausging, die Frage Westberlins sei durch den Madrider IOC-Beschluss2 geregelt worden.
Daume3 habe allerdings in Köln betont, man dürfe sich keine Illusionen machen. Der IOC-Beschluss könne an und für sich nur für die Teilnahme an und die Durchführung von Olympischen Spielen Gültigkeit haben. Bei seiner Auslegung im Sinne der Haltung des DSB zu Westberlin müsse man vor allem davon ausgehen, dass das IOC ein großes moralisches Gewicht für alle internationalen Sportverbände habe. Eine »Rechtseinheit« zwischen der Bundesrepublik und Westberlin könne daraus nicht abgeleitet werden.
Im Sportverkehr zwischen beiden deutschen Staaten soll damit begonnen werden, dass alle Landessportverbände und die einzelnen Vereine alle alten Verbindungen und Kontakte mit Sportgemeinschaften in der DDR wieder aufnehmen oder sich Patenschaften suchen. Alle Projekte aus der Zeit vor den Düsseldorfer Beschlüssen sollen wieder aufgegriffen werden. Es soll sehr höflich und verbindlich eingeladen und auf politische Gegensätze kein Bezug genommen werden. Jedes sportliche Zusammentreffen müsse aber mit einer Rückkampfverpflichtung vereinbart werden, gleichgültig, ob der erste Kampf in der Bundesrepublik oder in der DDR stattfindet.
Finanzielle Sorgen brauchten sich die Vereine nicht zu machen. Es gebe zwar gegenwärtig noch keine festen neuen Bestimmungen. Es liege aber eine generelle Zusage der Bundesregierung und des Ministers für »gesamtdeutsche Fragen« vor, auf jeden Fall Unterstützung zu gewähren. Es sei vorerst eine Art Blanko-Scheck erteilt worden, weil erst Erfahrungen gesammelt werden müssten, wie und in welcher Größenordnung sich die Sache entwickle.
Einen entsprechenden Auftrag habe der DSB dem Westberliner Sportverband erteilt. Die Westberliner Vereine sollen sofort versuchen, mit Vereinen der Hauptstadt der DDR und der DDR überhaupt in Kontakt zu kommen.
Die Einladungen und Antworten sollen durch den Westberliner Verband registriert werden, um feststellen zu können, ob es zu einer parallelen Entwicklung der sportlichen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der DDR und der DDR und Westberlin kommt. Es werde der Versuch einer »Isolierung« Westberlins befürchtet. Der DTSB werde möglicherweise darauf bestehen, dass der Berliner Bezirkssport-Ausschuss mit dem Westberliner Sportverband kein Verwaltungsabkommen über einen Berliner Sportverkehr abschließen kann. Verhandlungen des Westberliner Verbandes mit dem DTSB kämen dagegen für die westliche Seite nicht infrage. Deshalb liege die Initiative vor allem bei den Vereinen.
Anhand des gesammelten Materials glaube man in den nächsten Monaten sehr schnell erkennen zu können, ob Westberlin in eine »Isolierung« gedrängt werden solle. Wenn die Westberliner Vereine nicht gleichberechtigt behandelt oder auch nur vernachlässigt und diskriminiert würden, werde der DSB seine in Köln eingenommene Haltung zum Sportverkehr mit der DDR erneut überprüfen. Das gesammelte Material werde dann auch den internationalen Verbänden zugestellt werden.
Im gesamten Sportverkehr mit der DDR sei beabsichtigt, den Leistungssport und propagandistisch effektvolle Veranstaltungen in den Hintergrund treten zu lassen und den Schwerpunkt auf die sportliche Begegnung kleinerer Vereine und unterer Spielklassen zu legen. Der DSB lege größten Wert darauf, dass keinerlei politische Aufträge mit den sportlichen Begegnungen verknüpft werden dürften. Allein die Möglichkeit der Begegnungen halte man für wertvoll und betrachte man als einen »politischen Erfolg für den Sport im freien Teil Deutschlands«.
Hinsichtlich der internationalen Veranstaltungen gebe es auch klare Richtlinien. Der DSB und die ihm angeschlossenen Fachverbände seien mehr denn je daran interessiert, internationale Großveranstaltungen, besonders Europa- und Weltmeisterschaften, in der Bundesrepublik austragen zu können. Stets soll dann – je nach Sportart verschieden – Westberlin als Teil-Austragungs-Ort mit einbezogen werden. Beispiel dafür sei die Hallenhandball-Weltmeisterschaft der Frauen.
Durch ein derartiges Vergehen sollen die internationalen Verbände gezwungen werden, sich hinter die Auslegung des Madrider IOC-Beschlusses durch den DSB hinsichtlich Westberlins zu stellen. Der DSB seinerseits wolle damit eine Art sportliche Berlin-Politik im Sinne der Auffassungen der Bundesregierung demonstrieren.
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