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Schaffung technischer Voraussetzungen für den Empfang des ZDF

17. Juli 1965
Einzelinformation Nr. 649/65 über den Empfang und die Schaffung technischer Voraussetzungen zum Empfang des Programms des »Zweiten Deutschen Fernsehens« (ZDF) durch Bürger der DDR

Aus vorliegenden Materialien geht hervor, dass in den Bezirken der DDR, in denen durch den Einfall der Sender des »Zweiten Deutschen Fernsehens« (ZDF) der Empfang dieses Programms technisch möglich ist, von Bürger der DDR dieses Programm bereits empfangen wird bzw. verstärkte Anstrengungen unternommen werden, um durch Beschaffung, durch den Bau und Einbau von Konvertern,1 Tunern sowie der notwendigen Antennenverstärker den Empfang dieses Programms zu ermöglichen.

Bisher wurden Feststellungen über den Empfang bzw. über den Anschluss der für den Empfang des Programms des ZDF erforderlichen Zusatzgeräte durch Bürger der DDR in folgenden Gebieten getroffen:

Hauptstadt der DDR; Kreisen Hildburghausen, Sonneberg, Neuhaus [Bezirk] Suhl; Wittenberge, Lübz, Neustadt/Glewe, Ludwigslust [Bezirk] Schwerin; Greiz, Jena und im Gebiet Ronneburg [Bezirk] Gera; Klingenthal, Schwarzenberg, Plauen, Zwickau [Bezirk] Karl-Marx-Stadt; Malchin, Röbel, Teterow, Waren, Pasewalk, Altentreptow [Bezirk] Neubrandenburg; Salzwedel, Magdeburg, Osterburg, Seehausen, Kalbe, Milde [Bezirk] Magdeburg; Potsdam-Stadt und -Land, Jüterbog, Belzig [Bezirk] Potsdam; Cottbus, Spremberg, Lübben, Finsterwalde, Luckau, Senftenberg [Bezirk] Cottbus; Frankfurt, Fürstenwalde, Strausberg, Bernau, Beeskow, Eberswalde [Bezirk] Frankfurt/O.; Grevesmühlen, Wismar, Bad Doberan [Bezirk] Rostock sowie vereinzelt in Erfurt, Heiligenstadt, Nordhausen [Bezirk] Erfurt; Wittenberg, Dessau, Hettstedt [Bezirk] Halle; Leipzig, Schmölln, Altenburg [Bezirk] Leipzig und in höheren Berglagen des Bezirkes Dresden (geringer Sendeeinfall).

Die Anzahl der Bürger der DDR, die gegenwärtig bereits mit installierten Zusatzgeräten das Programm des ZDF in diesen Gebieten empfängt, ist im Verhältnis zur Gesamtzahl der Besitzer von Fernsehgeräten noch gering.

Seit 1964, in weit größerem Umfang aber seit Beginn des Jahres 1965, werden jedoch wesentlich stärkere Anstrengungen unternommen, um in den Besitz der Zusatzgeräte zu kommen, die den Empfang des Programms des ZDF ermöglichen.

Diese verstärkten Bemühungen zur Beschaffung solcher Zusatzgeräte finden ihren sichtbaren Ausdruck in folgenden Handlungen:

  • den sich häufenden Anfragen an Fachgeschäfte, Reparaturbetriebe und Fachkräfte nach solchen Zusatzgeräten bzw. nach technischen Daten der dafür erforderlichen Konverter und Tuner zwecks brieflicher Bestellung über Verwandte, Bekannte oder direkt bei westdeutschen Firmen,

  • in den Versuchen, diese Geräte unter Ausnutzung der Verwandtenbesuche von im Rentenalter stehenden Bürgern der DDR in Westdeutschland und Westberlin zu beschaffen,

  • in der verstärkten Einführung solcher Geräte auf dem Postwege nach vorangegangener Bestellung.

    Im Bezirk Schwerin wurden z. B. in drei Monaten insgesamt 73 für Empfänger in den Bezirken Schwerin, Rostock und Neubrandenburg bestimmte Konverter beschlagnahmt, die auf dem Postwege in die DDR eingeführt wurden.

  • in der Selbstherstellung von Zusatzgeräten zum Empfang des Programms des ZDF durch Einzelpersonen oder Gruppen,

  • in der Vermittlung von Interessenten für solche Zusatzgeräte an Bürger in der DDR, die gegen Bezahlung derartige Zusatzgeräte herstellen oder einbauen.

Zu den Personenkreisen, die das Programm des ZDF bereits empfangen bzw. sich verstärkt um die Beschaffung und Installierung der für den Empfang erforderlichen Zusatzgeräte bemühen, zählen nach vorliegenden Hinweisen vor allem Angehörige der Intelligenz, besonders Ärzte, Ingenieure und Techniker der Rundfunk-, Hochfrequenz- und Halbleitertechnik, Beschäftigte der Elektrobranche und der Rundfunk- und Fernsehgeräteindustrie, selbstständige Handwerker sowie Beschäftigte genossenschaftlicher und volkseigener Dienstleistungsbetriebe auf dem Sektor der Rundfunk- und Fernsehreparatur, Gewerbetreibende, Kaufleute, ehemalige Großbauern und Funkamateure. Letztere benutzen Konverter auch für den Funkempfang.

Diese Personenkreise erhielten die zum Abhören des Programms des ZDF erforderlichen Zusatzgeräte nur zu einem Teil aus Westdeutschland oder Westberlin, in der Mehrzahl wurden die benutzten Zusatzgeräte mit großem finanziellen Aufwand in der DDR im Eigenbau hergestellt, wobei teilweise aus Westdeutschland oder Westberlin eingeführte Materialien Verwendung fanden.

Größtenteils wurden jedoch beim Eigenbau Materialien verwendet, die zu einem nicht unerheblichen Teil aus regulären Materialbeständen der volkseigenen oder genossenschaftlichen Betriebe entwendet, aus Materialabfallbeständen dieser Betriebe aufgekauft bzw. im freien Kauf in Rundfunk- und Fernsehgeschäften sowie bei entsprechenden Liefergenossenschaften beschafft wurden. Dabei handelt es sich hauptsächlich um folgende Materialien: Kupferblech und -drähte, Kondensatoren, Widerstände, Trafos und Röhren. In vielen Fällen erfolgt die Herstellung der Zusatzgeräte in volkseigenen oder genossenschaftlichen Betrieben der Rundfunk- und Fernsehbranche unter Verwendung nicht nur der gestohlenen Materialien, sondern auch betrieblicher Arbeitszeit.

Vereinzelt betreiben verschiedene Fachgeschäfte und Produktionsgenossenschaften des Handwerks für Rundfunk und Fernsehen auch direkte Kundenwerbung, indem sie beim Verkauf von Geräten oder bei Reparaturaufträgen Zusatzgeräte und Antennen zum Empfang des Westfernsehens anbieten. Die Preise, die den Abnehmern von Zusatzgeräten abverlangt werden, bewegen sich zwischen 100 und 450 MDN.

Der Bau von Konvertern, Tunern und Antennenverstärkern in der DDR erfolgt nach den vorliegenden Berichten ausnahmslos auf handwerklicher Basis durch Personen, die fachliche Kenntnisse auf dem Gebiet der Halbleiter- und Hochfrequenztechnik oder der Elektrotechnik besitzen, z. B. durch Funkmechaniker der Deutschen Post, Ingenieure, Techniker und Arbeiter aus Betrieben der Rundfunk- und Fernsehgeräteindustrie, der Elektroindustrie, der Hochfrequenz- und Halbleiterindustrie, Elektromonteure privater Firmen, Mechaniker und Arbeiter von Rundfunk- und Fernsehreparatur- und Dienstleistungsbetrieben (RFT, HO, Konsum, PGH), selbstständige Handwerksmeister der Elektrobranche und durch Lehrlinge und Studenten, soweit sie über die notwendigen theoretischen und praktischen Kenntnisse verfügen. Vereinzelt haben sich diese Personenkreise zu regelrechten Interessen- bzw. Arbeitsgruppen zusammengefunden, um sich durch den Bau solcher Zusatzgeräte Nebenverdienste zu verschaffen.

Überprüfungen durch das MfS ergaben, dass es sich bei den Personen, die den Bau von Zusatzgeräten zum Zwecke des Weiterverkaufs betreiben, größtenteils um bereits vorbestrafte Personen, ehemalige Grenzgänger sowie stark für den Westen eingenommene Personen handelt. In einigen Fällen befanden sich auch Rückkehrer und Erstzuziehende, die meistens noch umfangreiche Westverbindungen unterhalten, unter diesem Personenkreis.

Diese Westverbindungen werden teils zum Bezug der für den Bau dieser Zusatzgeräte notwendigen Materialien und Bauanleitungen ausgenutzt.

Die Anleitungen zum Bau derartiger Geräte werden aber auch vielfach den in der DDR selbst erscheinenden oder hier offiziell verbreiteten westdeutschen Fachbüchern und Zeitschriften entnommen. So wurden z. B. Anleitungen für den Bau von Konvertern, Tunern, Antennen und Antennenverstärkern zum Empfang des Westfernsehens, vor allem des Programms des ZDF, folgenden Fachbüchern und Zeitschriften entnommen:

  • »UHF-Fernsehempfang«,2 »Antennenpraxis«3 und »Antennen-Buch«4 vom Verlag der Technik, sowie den DDR-Zeitschriften »Jugend und Technik«,5 »Funkamateur«6 und »Radio und Fernsehen«.7

  • Westdeutsche Fachzeitschrift »Funk – Technik«,8 die im Zeitschriftenaustausch zwischen beiden deutschen Staaten vom Verlag der Technik bezogen und an Einzelpersonen, Institute und Betriebe in der DDR vertrieben wird. (Die Nr. 19 v. 1.10.64 enthielt z. B. eine Anleitung zum Bau von Konvertern unter der Überschrift »UHF-Konverter für den Selbstbauer«).

  • Fachbuch des Westberliner Verlages für Radio-Photo-Kinotechnik, GmbH Bln.-Borsigwalde, »Antennen-Anlagen für Rundfunk-Fernsehen«.9

  • (Dieses Fachbuch enthält Anleitungen zum Bau von Antennen und Verstärkern und wurde, wie Ermittlungen ergaben, von Buchhandlungen der DDR legal im Direktbezug vom Westberliner Verlag bezogen und als »Import aus Westberlin« vertrieben.)

In einer Reihe von Einzelfällen erfahren die Hersteller solcher Zusatzgeräte auch durch die Betriebe, in denen sie beschäftigt sind, materielle Unterstützung in der Form, dass ihnen von Leitungskräften dieser Beriebe Genehmigungen zur Entnahme von Abfallmaterialien erteilt werden. Derartige Beispiele wurden bisher aus dem VEB Metallbearbeitung Bad Doberan, [Bezirk] Rostock, Mathias-Thesen-Werft, [Bezirk] Wismar, Peenewerft, [Kreis] Wolgast, bekannt.

Durch die Untersuchungen wurde weiter festgestellt, dass sich zum Empfang des Westfernsehens auch einige von Betrieben der DDR produzierte Antennenverstärker und Antennen, die für den einwandfreien Empfang des DDR-Fernsehens in ungünstigen Lagen notwendig sind, eignen. So ist z. B. mit den im VEB Antennenwerk Bad Blankenburg produzierten Antennen und Antennenverstärkern für die Kanäle 6–8 der Empfang des Westfernsehens möglich.

Die von der Fa. Heberle in Burgstädt hergestellten Antennenverstärker im Kanalbereich 5–10 können durch einen Fachmann zum Empfang des Westfernsehens abgeglichen werden. Den Empfang des Westfernsehens ermöglichen ferner die von der Fa. Radio-Weiß in Thalheim/Erzgebirge zum Preis von 147,20 MDN hergestellten und ab Lager lieferbaren Antennenverstärker K 7.

Im Bezirk Suhl wurde bekannt, dass das Beschaffungsamt für Rundfunk und Fernsehen der Deutschen Post in Berlin O 34, Boxhagener Straße 111, mit Schreiben vom 14.6.1964 dem Funkamt Erfurt Konverter zum Empfang des Programms des ZDF zum Preis von 127,20 MDN zum Kauf anbot.

Als Personenkreis, dem ein solcher Kauf ermöglicht werde, wurden in diesem Schreiben genannt: der Leiter des Funkamtes, der Abteilungsleiter Fernsehen, die Leiter der Betriebsstellen Inselberg und Bleßberg sowie der Leiter des Pflege- und Wartungsdienstes für Fernsehkanalumsetzer. Da das Funkamt Erfurt keine Bestellung abgab, wurde es vom Beschaffungsamt mit Schreiben vom 10.11.1964 wegen der noch nicht erfolgten Bestellung gemahnt.

Im Ergebnis der Beratung mit den 1. Sekretären der Bezirksleitung der SED und der dabei durch den 1. Sekretär des ZK der SED, Genossen Walter Ulbricht, gegebenen Orientierung wurde in den Bezirken und Kreisen die politische Massenarbeit u. a. auf die Bekämpfung des Empfangs und der Auswirkung des Westfernsehens und Westrundfunks gelenkt.10

Die geführten Auseinandersetzungen waren konkret, sie konzentrierten sich auf bestimmte Bereiche, Objekte und Personen, die Schwerpunkte bzw. Organisatoren der ideologischen Diversionstätigkeit sind.

Es zeigt sich jedoch, dass die eingeleiteten Maßnahmen kampagnenhaft und nicht kontinuierlich geführt werden.

Es liegen Informationen vor, dass der Gegner im Zusammenhang mit dem Anlauf der Wahlbewegung verstärkt versucht, über die Kanäle, besonders des Westfernsehens, seine ideologische Diversionstätigkeit gegen die ordnungsgemäße Vorbereitung und Durchführung der Wahlen in der DDR11 zu aktivieren.

Es ist deshalb notwendig:

  • 1.

    Die Bezirksverwaltungen und Kreisdienststellen des MfS und die Bezirksbehörden und Kreisämter der Deutschen Volkspolizei haben in Abstimmung mit den Bezirks- und Kreisleitungen der SED zu gewährleisten, dass gegen Personen, die sich den vorgenannten gesellschaftlichen Erziehungsmaßnahmen fortlaufend widersetzen und die als Träger der ideologischen Diversionstätigkeit die sozialistische Bewusstseinsbildung der Menschen ihres Wirkungsbereiches unterminieren bzw. anderweitig gegen die Gesetze der DDR verstoßen, Ermittlungsverfahren eingeleitet und ihre Handlungen strafrechtlich geahndet werden.

  • 2.

    Fachgeschäfte und Produktionsgenossenschaften des Handwerks für Rundfunk und Fernsehen, die direkte Kundenwerbung für den Verkauf oder Einbau von Zusatzgeräten und Antennen zum Empfang des Westfernsehens betreiben, sind von den Kreis- und Bezirksorganen der VP unter Kontrolle zu halten.

  • 3.

    In den VEB, PGH und halbstaatlichen Privatbetrieben, besonders der elektrotechnischen und elektronischen Branche, ist im verstärkten Maße die Verwendung von Materialien, die zur Herstellung von Zusatzgeräten für den Empfang des zweiten Westfernsehens geeignet sind, zu kontrollieren.

  • 4.

    Die auf der Beratung mit den 1. Sekretären beim ZK festgelegten Maßnahmen müssen kontinuierlich weitergeführt werden. Die Leiter der Bezirksverwaltungen und Kreisdienststellen des MfS wurden angewiesen, im Zusammenhang mit der Einschätzung der Lage den Wirkungsgrad der ideologischen Diversionstätigkeit des Gegners, besonders über das Westfernsehen (2. Programm), gründlich zu analysieren und die zuständigen Leitungen der Partei zu informieren.

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    17. Juli 1965
    Einzelinformation Nr. 662/65 über einen schweren Verkehrsunfall auf der Strecke Doberlug-Kirchhain–Elsterwerda am 16. Juli 1965

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    16. Juli 1965
    Einzelinformation Nr. 660/65 über einen Bahnbetriebsunfall am 15. Juli 1965 auf der Nebenstrecke Weißenberg–Löbau