Baptisten und Neuapostolische Kirche der DDR zur neuen Verfassung
3. April 1968
Einzelinformation Nr. 375/68 über die Haltung der Religionsgemeinschaft der Baptisten und der Neuapostolischen Kirche der DDR zur neuen Verfassung und zum Volksentscheid
Dem MfS wurde bekannt, dass die Leitung der Religionsgemeinschaft »Bund evangelisch-freikirchlicher Gemeinden« (Baptisten) zum Volksentscheid eine zustimmende Haltung einnimmt.
Bereits während einer Besprechung der leitenden Kräfte der »Baptisten« am 13.3.1968 in der Geschäftsstelle Berlin war zum 1. Verfassungsentwurf im Allgemeinen eine positive Stellungnahme abgegeben worden. An der Besprechung nahmen teil:
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Dammann,1 Berlin/Geschäftsführer und Leiter der Besprechung;
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Lorenz,2 Berlin/Leiter der Zeitschrift der Religionsgemeinschaft;
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Morét,3 Eberswalde;
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Kautz,4 Halle;
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Preusel,5 Karl-Marx-Stadt;
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Gerisch,6 Karl-Marx-Stadt.
Einverständnis wurde während der Besprechung am 13.3. besonders zu den Artikeln 18 und 197 geäußert; zum Artikel 388 (jetzt 39)9 wurde die Meinung vertreten, dass er in seiner Formulierung ausreiche.
Die Teilnehmer der Besprechung erzielten Übereinstimmung, in diesem Sinne in ihren Gemeinden aufzutreten.
Die Religionsgemeinschaft »Baptisten« in der DDR zählt ca. 30 000 Mitglieder. Inoffiziell wird eingeschätzt, dass nur wenige Einzelgänger innerhalb der »Baptistengemeinden« am Volksentscheid nicht teilnehmen werden.
Während der obligatorischen Sonntagsveranstaltung der »Baptistengemeinde« Berlin am 31.3.1968 wurden die Mitglieder aufgerufen, sich für die neue sozialistische Verfassung und zu unserem Staat zu bekennen.
Eine zustimmende Haltung zur neuen Verfassung und zum Volksentscheid ist auch bei Funktionären der Neuapostolischen Kirche der DDR festzustellen, wobei diese Personen bemüht sind, diesen Standpunkt auch in ihren Gemeinden durchzusetzen.
Zur Neuapostolischen Kirche der DDR gehören ca. 100 000 Mitglieder.
Eine allgemein positive Haltung der leitenden Persönlichkeiten der Neuapostolischen Kirche zum 1. Entwurf der Verfassung zeichnete sich bereits Anfang des Jahres ab, besonders auch während eines Gesprächs, das im Rahmen der Verfassungsdiskussion auf Initiative der Nationalen Front mit kirchlichen Würdenträgern in Dresden stattfand. Daran hatten seitens der Neuapostolischen Kirche Bischof Pusch10/Apostelbezirk Berlin und Bezirksapostel Kortüm11/Apostelbezirk Leipzig teilgenommen. (Von den vier Bischöfen der Neuapostolischen Kirche in der DDR ist Bischof Pusch der Beauftragte der Kirche, der die Verbindung zum Staatsapparat unterhält.)
Bischof Pusch brachte während dieses Gesprächs eine positive Meinung zur neuen sozialistischen Verfassung zum Ausdruck. Dabei äußerte er, die DDR müsse als vorbildlich bezeichnet werden, wenn sie sich mit der neuen Verfassung verpflichte, keine Aggression gegen einen anderen Staat zu unternehmen. Zum Artikel 38 (jetzt 39) meinte er, man dürfe ihn nicht isoliert betrachten, wie dies durch einige kirchliche Persönlichkeiten erfolgt sei. Die Formulierung des Artikels 38 entspreche den Interessen der Neuapostolischen Kirche, die bestrebt sei, ein gutes Verhältnis zum Staat zu entwickeln.
Durch Bischof Pusch wurde das im Rahmen der Nationalen Front geführte Gespräch Mitte Februar 1968 in einer Bezirksvorsteher-Besprechung des Apostelbezirks Berlin ausgewertet. Nachdem Pusch seine zustimmende Meinung zur Verfassung wiederholt hatte, stimmten die anwesenden Bezirksvorsteher dieser Haltung zu und kamen überein, diesen Standpunkt in Gottesdiensten und Gesprächen mit den Mitgliedern ihrer Kirche aufrechtzuerhalten.
Neben Bischof Pusch trat auch besonders Bezirksapostel Tiedt12/Apostelbezirk Schwerin positiv auf. Im Verlaufe der Besprechung erklärte Pusch weiter, ihm seien seitens der Funktionäre der Neuapostolischen Kirche keine negativen Äußerungen zur Verfassung bekannt geworden und er schätze ein, dass die Mitglieder der Verfassung ihre Zustimmung geben. Pusch äußerte weiter, er bedaure, dass seitens des Staatsapparates – vor allem des Staatssekretariats für Kirchenfragen – keine Initiative gezeigt werde, um mit leitenden Funktionären der Neuapostolischen Kirche über Fragen der Verfassung zu sprechen. Er selbst wäre bereit, an solchen Gesprächen teilzunehmen.
Während der Bezirksvorsteher-Besprechung wurde Einigung darüber erzielt, die am Mittwoch, 3.4.1968 stattfindenden obligatorischen Gottesdienste dazu zu nutzen, den Mitgliedern die zustimmende Haltung der Bezirksvorsteher zur Verfassung nahezulegen.
In der Hauptstadt der DDR wurden die Gemeindeleiter von Berlin bereits in einer Besprechung vor den Gottesdiensten von diesem Standpunkt durch Bischof Pusch unterrichtet.
Die Information ist nicht öffentlich auswertbar.