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Großbrände in Betrieben in Eisenach, Döbeln und Schwarza

22. April 1968
Einzelinformation Nr. 443/68 über Großbrände im VEB Automobilwerk Eisenach, [Bezirk] Erfurt, im Mischfutterwerk Döbeln-Großbauchlitz, [Bezirk] Leipzig, [und] im VEB Chemiefaserwerk Schwarza, [Kreis] Rudolstadt, [Bezirk] Gera

Am 19.4.1968 brach gegen 14.00 Uhr im westlichen Teil des VEB Automobilwerk Eisenach (AWE) ein Brand aus. Der Brand dehnte sich auf das Chemielager, zwei Lagerschuppen und auf die Gehäusefertigung für die Herstellung der Getriebegehäuse im Ersatzteilprogramm für den Pkw 3111 aus. Der Sachschaden beträgt nach vorläufigen Schätzungen 1,3 Mio. M.

Sofort eingeleitete Maßnahmen verhinderten Produktionsstörungen. Die Untersuchungen durch das MfS und die VP ergaben, dass der Brand durch fahrlässige Schweißarbeiten entstand. Die Arbeiter [Name 1, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1908, wohnhaft Creuzburg, und [Name 2, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1918, wohnhaft Creuzburg, führten, ohne im Besitz einer Schweißberechtigung zu sein, einen Auftrag zur Materialprüfung aus, in dem sie von einem Vierkantstahl Stücke abbrannten.

In etwa drei bis vier Metern Entfernung von der Brandausbruchstelle befanden sich in Holzwolle verkleidete Säureflaschen, die durch Schweißspritzer in Brand gerieten. Der von den Arbeitern eingesetzte Blechschutz zum Abfangen des beim Schweißen entstehenden Funkenfluges entsprach nicht den üblichen Erfordernissen. Wiegand verständigte sofort die Feuerwehr, als er den Brand bemerkte. Mehrere Arbeiter nahmen sofort die Brandbekämpfung auf, konnten jedoch die Ausdehnung des Brandes auf den genannten Schadenskomplex nicht mehr verhindern. Nach den verschiedenen ersten Einschätzungen wurde gegen die ABAO 615/12 verstoßen.

In diesem Zusammenhang wird darauf aufmerksam gemacht, dass

  • 1967 insgesamt 102 Brände (Schaden 3,3 Mio. Mark) durch fahrlässigen Umgang bei Schweißarbeiten und

  • 1968 (bis 20.4.) 32 Brände (Schaden 2,1 Mio. Mark) ebenfalls durch fahrlässigen Umgang bei Schweißarbeiten

entstanden.

Es scheint deshalb erforderlich, von zuständiger zentraler staatlicher Ebene Einfluss auf die Einhaltung der geltenden Vorschriften zu nehmen.

Am 19.4.1968 brach gegen 2.05 Uhr im Mischfutterwerk der Firma Karl Günther KG (HSB), Döbeln-Großbauchlitz, [Bezirk] Leipzig, ein Brand aus, durch den ein Teil des Gebäudekomplexes vernichtet wurde. Es entstand Totalschaden am Produktionsgebäude und am Silo. Der finanzielle Schaden wird auf 1,1 Mio. Mark geschätzt. Als Ursache wurde Selbstentzündung pyrophorer Kohle (Holzkohle) ermittelt. Die Bildung pyrophorer Kohle wurde durch Reibung einer Umlenkrolle eines Elevators in der Vorreinigung und durch festgesetztes Mahlgut hervorgerufen. Expertenurteile schließen andere Brandursachen aus. Das Brandobjekt war eine alte Mühle und produzierte vorwiegend Ferkelstarterfutter, Eiweißkonzentrat, Milchviehmischfutter und Pferdemischfutter (Jahresproduktion 10 000 t). Der VEB Kraftfutterwerke Golzern, [Kreis] Grimma, [Bezirk] Leipzig, ist mit 46 % Kapital als Staatlicher Gesellschafter im Mischfutterwerk Döbeln-Großbauchlitz beteiligt. Bereits am 13.2.1963 wurde der Betrieb von einem Brand mit 420 TM Schaden betroffen. Zu damaliger Zeit wurde als Brandursache ein heißgelaufenes Lager an einem Elevator ermittelt. Wegen der im Betrieb vorherrschenden Schlamperei wurde damals gegen den Betriebsinhaber [Name 3, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1902 in Döbeln, Maschinenbauingenieur, parteilos, ein EV eingeleitet. [Name 3] wurde zu einem Jahr Gefängnis bedingt mit zweijähriger Bewährung verurteilt. Die derzeitigen Ermittlungsergebnisse weisen faktisch die gleichen Zustände aus.

Da bereits im Jahre 1967 mehrere Brände in anderen Mischfutterwerken entstanden waren, erscheint es zweckmäßig, eine grundsätzliche Überprüfung dieser Objekte auf Ordnung, Sauberkeit und technischen Zustand durch die Organe der HA Feuerwehr des MdI durchzuführen. Ein entsprechender Vorschlag wird dem MdI unterbreitet.

Am 21.4.1968 brach gegen 17.38 Uhr im Dederonbetrieb des VEB Chemiefaserwerk Schwarza, [Bezirk] Gera, ein Brand aus, der schweren Sachschaden im Bereich Spinnerei verursachte. Der Sachschaden beträgt nach der gegenwärtig bestehenden Übersicht etwa 400 TM und kann auf 1,5 Mio. Mark ansteigen, da zu vermuten ist, dass alle Spinnmaschinen unbrauchbar geworden sind. Es entsteht ein täglicher Produktionsausfall von 80 bis 100 TM. Nach den bisherigen Ermittlungen brach der Brand an der Spinnmaschine 24 (Anlagenteil) aus, wo das Lactan bei Temperaturen von 260 bis 300 Grad verflüssigt wird. Drei Zeugen sagen übereinstimmend aus, dass dort eine Verpuffung erfolgt wäre, welcher ein starker Funkenregen folgte. Die Lactan-Staubablagerungen an den Wänden der Halle gerieten dadurch schlagartig in Brand. Bei den Maschinen handelt es sich um DDR-Erzeugnisse, die vor etwa zwei Jahren rekonstruiert worden sind. Ein derartiges oder ähnliches Vorkommnis ist bisher nicht aufgetreten. Hinweise auf Brandstiftung liegen nicht vor.

Weitere Untersuchungen über die Brandursachen werden noch geführt.

  1. Zum nächsten Dokument Probleme im Zentralinstitut für Kernphysik Rossendorf/Dresden

    24. April 1968
    Einzelinformation Nr. 458/68 über einige wissenschaftlich-technische und andere Entwicklungsprobleme im Zentralinstitut für Kernphysik Rossendorf/Dresden

  2. Zum vorherigen Dokument Neue Aktionen der außerparlamentarischen Opposition in Westberlin

    19. April 1968
    Einzelinformation Nr. 440/68 über neue Aktionen der außerparlamentarischen Opposition in Westberlin in Fortsetzung der bisherigen Protestdemonstrationen