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Mord an einem Angestellten bei SDAG Wismut

5. Dezember 1968
Einzelinformation Nr. 1332/68 über den Mord an dem Angestellten bei der SDAG Wismut [Name 1, Vorname] – Mitglied der SED

Am Donnerstag, dem 28.11.1968, gegen 8.00 Uhr, tötete der [Name 2, Vorname], geboren [Tag, Monat] 1913 in Schneeberg, wohnhaft Schlema, [Kreis] Aue, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, [Straße, Nr.], beschäftigt: Fahrstuhlführer im Ernst-Scheffler-Krankenhaus Aue, parteilos, vorsätzlich den im gleichen Hause wohnhaft gewesenen [Name 1, Vorname], geboren 1.2.1918 in Grünheide, zuletzt: Obersachbearbeiter im Bergbaubetrieb Objekt 9 der SDAG Wismut in Aue, mit einem Schlosserhammer (1 500 g) durch vier Schläge auf den Kopf im Keller des gemeinsamen Wohnhauses.

Nach Entdeckung der Mordtat durch die Ehefrau des Opfers versuchte [Name 2] auch diese auf gleiche Weise im Hausflur zu töten, was aber infolge heftiger Gegenwehr misslang.

Die bisherigen Untersuchungen durch das MfS ergaben Folgendes: [Name 2], der wegen Beleidigung und Sachbeschädigung (1964 und 1966) und wegen Körperverletzung (1966) mit öffentlichem Tadel und Geldstrafe vorbestraft ist, hetzte am 25.8.1968 lautstark und wiederholt aus dem geöffneten Wohnzimmerfenster gegen vorbeifahrende Truppeneinheiten der NVA, die er als »Mörder« und »Schweine« beschimpfte. Die Eheleute [Name 1] erstatteten daraufhin Anzeige wegen Staatsverleumdung und traten in der Hauptverhandlung vor dem Kreisgericht Aue am 12.11.1968 als Zeugen auf. [Name 2] wurde in dieser Verhandlung zu 14 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt und erhielt acht Tage später die Aufforderung, am 29.11.1968 die verhängte Strafe anzutreten.

Im Zusammenhang mit der ihm bekannten Tatsache, dass das Gerichtsverfahren gegen ihn auf Anzeige der Familie [Name 1] eingeleitet wurde, habe sich nach seinen eigenen Angaben ein Hass gegen die Familie [Name 1] entwickelt, der nach Erhalt der Strafantrittsaufforderung (Weihnachten in Haft) noch gesteigert worden sei. Das habe bei ihm zum Entschluss der Tötung des [Name 1] geführt, als er diesem im Keller beim Kohlenholen sah. Tatvorbereitung und -durchführung lassen auf bewusste zielgerichtete Handlung sowohl gegen [Name 1] als auch dessen Ehefrau schließen.

Um sich der Strafverfolgung zu entziehen, versuchte [Name 2] anschließend, sich in seiner Küche mit Leuchtgas zu vergiften. Seine hinzukommende Ehefrau verhinderte dieses Vorhaben.

Gegen [Name 2], der sich in Untersuchungshaft befindet, wurde ein EV wegen Verdacht eines Verbrechens gemäß §§ 102, 110 und 112 StGB (Terror im schweren Fall und Mord)1 eingeleitet.

[Name 2], der als negativ, unbeherrscht und gewalttätig bekannt und deswegen vorbestraft ist, trat auch während der Hauptverhandlung am 12.11.1968 und im Gerichtsgebäude renitent und unflätig auf. Das veranlasste die Staatsanwältin, beim Leiter der Abteilung K des VPKA Aue um Sicherheitsmaßnahmen zu ersuchen. Dieser schlug vor, gegen [Name 2] einen Haftbefehl zu erlassen, was jedoch nicht erfolgte. Außerdem wurde während der Verhandlung durch die Zeugen [Name 1] bekannt, dass [Name 2] nach Erhalt der Ladung in seiner Wohnung am 7.11. erneut lautstark Staatsverleumdungen ausstieß. Dazu wurde von der Staatsanwältin Nachtragsanklage erhoben. Trotz dieser Sachverhalte unterließen es Staatsanwalt und Gericht, nach der Verhandlung wegen Wiederholungsgefahr die sofortige Inhaftierung des [Name 2] anzuordnen. Nach Auffassung des Kreisstaatsanwaltes sei eine Inhaftierung unterblieben, weil »kein Zusammenhang zwischen der Hetze am 25.8. und 7.11. gesehen« wurde.

Im Rahmen dieser Verhandlung war auch unterlassen worden, [Name 2] einer psychiatrischen Untersuchung zu unterziehen, obwohl er angab, im Kopf Granatsplitter infolge einer Kriegsverletzung zu haben und diese Hinweise bereits 1966 in zwei Strafsachen gegen ihn vorlagen.

Die Bevölkerung des Wohn- und Arbeitsgebietes ist über die Mordtat empört und fordert die strengste Bestrafung des Täters. Auf der Wahlversammlung der Nationalen Front zweier Wohngebiete forderten 189 Bürger von Schlema in einer einstimmig angenommenen Resolution außer der strengsten Bestrafung des [Name 2], die Entfernung der Frau [Name 2] aus Schlema, weil sie in der Vergangenheit äußerst negativ auf ihren Mann eingewirkt habe.

Unverständnis wird seitens der Bevölkerung auch dem Verhalten von Gericht und Staatsanwaltschaft entgegengebracht, die nach der Verurteilung des [Name 2] wegen Staatsverleumdung die sofortige Inhaftierung unterließen. In diesem Zusammenhang wurde von der Bevölkerung gefordert, die »Gesetze der DDR konkreter« anzuwenden und »abgeurteilte Personen, die ein derartiges Verhalten zeigen, sofort zu inhaftieren[«], um ähnliche Vorkommnisse in Zukunft auszuschließen.

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    9. Dezember 1968
    Einzelinformation Nr. 1322/68 über die Lage unter den Sansibar-Studenten in der DDR

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    30. November 1968
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