Negative ideologische Erscheinungen im Thüringer Schriftstellerverband
19. April 1968
Einzelinformation Nr. 434/68 über negative ideologische Erscheinungen im Arbeitskreis Thüringen des Deutschen Schriftstellerverbandes (DSV)
Am 23. und 24.3.1968 fand in Weimar eine Arbeitstagung des Arbeitskreises Thüringen des DSV statt. Die 20 Teilnehmer, meist jüngere Autoren, stellen nur einen kleinen Teil der Gesamtzahl der Mitglieder dar. Als Gäste nahmen ein Dramaturg des Deutschen Fernsehfunks und die Betreuerin des DSV für diesen Arbeitskreis, [Name], teil.
Zur Diskussion standen die Probleme
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Was für Fernsehfilme und Fernsehspiele kann und soll man schreiben?
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Eine Session über das nichterschienene Buch der Schriftstellerin Inge von Wangenheim1 »Mimosen und sozialistischer Realismus«2, das nach Ideen aus einer Indienreise gestaltet wurde.
Nach einer Einführung des Dramaturgen vom DFF, in der eine politisch richtige Orientierung gegeben wurde, begann eine Diskussion der Schriftsteller, über die dem MfS jetzt folgende Einzelheiten bekannt wurden:
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Die Schriftsteller hätten zu wenig »persönliche Freiheit«.
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Sie bekämen vorgeschrieben, was sie schreiben dürften, man verbiete den Schriftstellern, realistisch zu schreiben, damit unsere Menschen nicht erfahren, was in der DDR noch geschieht.
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Die Buchzensur in den Verlagen sei zu streng, sodass nur wenige geschriebene Bücher gedruckt und veröffentlicht würden. So habe es auf der Leipziger Messe nur zwei Neuerscheinungen gegeben, wovon eine hinterher zurückgezogen worden sei.
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Beim Fernsehen sei die Zensur nicht so streng, da ein großer Bedarf vorhanden ist.
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Nur mit in der Geschichte geklärten Problemen wie z. B. dem antifaschistischen Widerstandskampf könne ein Schriftsteller heute bestehen.
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Die Schriftsteller wüssten nicht, wie sie die Gegenwartsprobleme in unseren Büchern gestalten sollen, weil die Betriebsleitungen gegen eine reale Einschätzung des Betriebes seien.
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Sie würden in der DDR nicht richtig informiert (ČSSR – Polen), daher müssten sie sich nach dem Westen orientieren.
Die Diskussionen wurden hauptsächlich von den Schriftstellern Wolfgang Held,3 Armin Müller,4 Paul Schmidt-Elgers,5 Manfred Magnus6 und Inge von Wangenheim geführt und fanden die Unterstützung der übrigen Anwesenden. Inge von Wangenheim, die in ihrem Buch viele negative Erscheinungen anführt, ohne Ursachen und Wege zur Überwindung aufzuzeigen, sagte u. a.: Die vom Genossen Hochmuth7 (ZK) getroffene kritische Einschätzung sei nicht richtig. Sie sei nicht gewillt, die Kritik anzunehmen. Man dürfe die Verhältnisse nicht so darstellen, wie sie wirklich sind. Ein Buch werde nur veröffentlicht, wenn die Probleme so dargestellt würden, wie es Staatsführung und Partei wünschen. Sie übte auch Kritik an den sogenannten Außenkritikern, von denen der Verlag eine Stellungnahme erhält, die dem Schriftsteller aber unbekannt bleiben und die sich nicht mit ihm auseinandersetzen.
Zu den Problemen der neuen sozialistischen Verfassung8 äußerte sich niemand. Der Dramaturg und die Vertreterin des DSV setzten sich mit den falschen Auffassungen nicht auseinander. Die Anwesenden waren darüber erfreut, dass kein Mitglied der Bezirksleitung der SED erschienen war, sodass sie »ganz unter sich« waren.
Die 1. Sekretäre der SED/Bezirksleitung Erfurt9 und der SED/Kreisleitung Weimar10 wurden informiert.