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Gründung der Kath. Bischofskonferenz für die DDR durch den Vatikan

27. Oktober 1976
Information Nr. 738/76 über Zusammenhänge der vom Vatikan vorgenommenen Erhebung der »Berliner Ordinarienkonferenz« in den Rang einer Bischofskonferenz für die DDR

Im Zusammenhang mit der Bekanntgabe der Einrichtung einer selbstständigen Bischofskonferenz für die DDR durch den Vatikan wird nachstehend auf bemerkenswerte Einzelheiten hingewiesen.

Wie intern bekannt wurde, hat die vatikanische Bischofskongregation am 25. September 1976 durch Bestätigung des Statuts die Erhebung der »Berliner Ordinarienkonferenz« in den Rang einer Bischofskonferenz beschlossen. (Damit beendet die »Berliner Ordinarienkonferenz« ihre Funktion als regionale Konferenz im Verband der »Deutschen Bischofskonferenz« – Bischofskonferenz der BRD – und nimmt als selbstständige Bischofskonferenz für die DDR ihre Tätigkeit auf.)1

In einem Brief des Vatikans an den Vorsitzenden der »Berliner Ordinarienkonferenz«, Kardinal Bengsch, wurde jedoch erst am 5. Oktober 1976 – nach den Wahlen in der BRD – mitgeteilt, dass das von der »Berliner Ordinarienkonferenz« vorgeschlagene Statut für die Neuformierung angenommen wurde und »probeweise für fünf Jahre in Kraft tritt«. (Die Formulierung »probeweise« bezieht sich dabei auf das Statut, nicht auf die Bischofskonferenz.)

Dieser Entscheidung des Vatikans gingen – ergänzend zur Information 374/76 des MfS vom 15. Mai 1976 – folgende Vorgänge voraus:

Nach eingehenden Konsultationen des Vatikans – u. a. durch Erzbischof Casaroli – mit der »Deutschen Bischofskonferenz« der BRD und der »Berliner Ordinarienkonferenz« (Regionalkonferenz der Bischöfe in der DDR) wurde am 10. April 1976 durch den Papst die inoffizielle persönliche Entscheidung getroffen, dass die »Berliner Ordinarienkonferenz« nicht mehr als Regionalkonferenz der »Deutschen Bischofskonferenz« existieren, sondern als eine von ihr unabhängige Bischofskonferenz ihre Tätigkeit in der DDR aufnehmen soll.

Aufgrund dieser Entscheidung des Papstes erhielten sowohl die »Deutsche Bischofskonferenz« als auch die »Berliner Ordinarienkonferenz« vom vatikanischen Staatssekretär Villot schriftlich den Auftrag, neue Statuten auszuarbeiten und dem Vatikan zur Bestätigung vorzulegen. (Eine Bestätigung des Statuts der »Berliner Ordinarienkonferenz« bedeutet nach kirchlichem Recht die Erhebung dieser Konferenz in den Rang einer Bischofskonferenz.)

Die »Berliner Ordinarienkonferenz« kam diesem Auftrag umgehend nach, erarbeitete den Entwurf eines Statuts und reichte diesen dem Vatikan ein, jedoch mit dem Vorschlag, statt einer Bischofskonferenz für die DDR eine Kirchenprovinz zu errichten.

(Die Einrichtung einer katholischen Kirchenprovinz in der DDR wäre ebenfalls als selbstständige Einheit auf dem Gebiet der DDR zu betrachten, würde aber gleichzeitig bedeuten, dass das Berliner Bistum in den Rang eines Erzbistums erhoben wird, dem alle übrigen Bistümer in der DDR – das Bistum Meißen und alle anderen noch zu bildenden Bistümer wie Erfurt, Görlitz, Magdeburg, Schwerin – zugeordnet werden. Der Bischof des Erzbistums Berlin würde automatisch zum Erzbischof ernannt und hätte gegenüber allen anderen Bischöfen in der DDR in entscheidenden Fragen Weisungsbefugnis. Neben der Stärkung der klerikalen Positionen von Kardinal Bengsch wäre jedoch durch die Einrichtung einer katholischen Kirchenprovinz in der DDR der Einrichtung einer Bischofskonferenz als politisches Novum ausgewichen worden.)

Der Vorschlag zur Bildung einer Kirchenprovinz wurde vor allem durch den Vorsitzenden der »Berliner Ordinarienkonferenz«, Kardinal Bengsch, vertreten und auch vom damaligen Vorsitzenden der »Deutschen Bischofskonferenz«, Kardinal Döpfner, sehr intensiv unterstützt.

Aufgrund dieses eingereichten Vorschlages forderte das vatikanische Staatssekretariat unter Leitung von Kardinal Villot die »Berliner Ordinarienkonferenz« auf, in einer geheimen Umfrage unter den Bischöfen diesen Vorschlag nochmals zu prüfen und das Ergebnis umgehend dem Vatikan mitzuteilen.

In einer geheimen Umfrage im Mai 1976 entschied sich die Mehrzahl der katholischen Bischöfe in der DDR wiederum für die Bildung einer Kirchenprovinz. (Vertraulich wurde dazu bekannt, dass Bischof Braun, Magdeburg, nicht daran interessiert sei, sich im Rahmen einer Kirchenprovinz dem Berliner Bistum unterzuordnen. Seine Haltung sei auch im Vatikan bekannt.)

Der Vatikan lehnte trotz der erneuten Bestätigung durch die »Berliner Ordinarienkonferenz« den eingereichten Vorschlag zur Bildung einer Kirchenprovinz mit der Begründung ab, dass in der DDR die Fragen der kirchlichen Amtsbereiche bisher ungeklärt seien. (Bisher gibt es keine Anpassung der Bistumsgrenzen an die Staatsgrenzen der DDR; gegenwärtig sind die von Apostolischen Administratoren verwalteten kirchlichen Bereiche Meiningen, Erfurt, Magdeburg und Schwerin kirchenrechtlich Teile der Bistümer in der BRD Fulda, Paderborn, Osnabrück und Würzburg.)

In leitenden klerikalen Kreisen der DDR wurde zur Ablehnung des Vorschlages die Meinung vertreten, der Vatikan käme an den Einsprüchen der Bischöfe der BRD nicht vorbei, und auch die Haltung einiger Bischöfe der DDR, die sich dem Berliner Bistum nicht unterordnen wollen, hätte eine bestimmte Rolle gespielt.

Nachdem sich der Vatikan für die Ablehnung des Vorschlages zur Bildung einer Kirchenprovinz, aber für die Schaffung einer Bischofskonferenz für die DDR entschieden hatte, wandte sich der Vorsitzende der »Deutschen Bischofskonferenz« (BRD) wiederum mit mehreren Einsprüchen an den Vatikan, um die offizielle Bildung der Bischofskonferenz in der DDR hinauszuzögern. Der vatikanische Staatssekretär Villot teilte ihm mit, er könne sich beim gegenwärtigen Stand nur bereiterklären, vor den Bundestagswahlen in der BRD keine Mitteilungen zu diesen Fragen herauszugeben. Wie eingangs erwähnt, wurde der Bescheid des Vatikans an den Vorsitzenden der »Berliner Ordinarienkonferenz« auch erst am 5. Oktober 1976 überreicht.

Seitdem gab es Differenzen zwischen Kardinal Bengsch und der »Deutschen Bischofskonferenz« in Bezug auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung des vatikanischen Dekrets und Gesetzes zur Bildung einer Bischofskonferenz für die DDR.

Kardinal Bengsch hatte die Absicht geäußert, in der für den 18./19. Oktober 1976 nach Berlin einberufenen Sitzung der »Berliner Ordinarienkonferenz« das Dekret zur Bestätigung des Statuts bekanntzugeben und im Anschluss daran im katholischen »Hedwigsblatt« (am 24.10.1976) eine Mitteilung hierzu zu veröffentlichen.

Die »Deutsche Bischofskonferenz« (BRD) dagegen verlangte von Kardinal Bengsch, eine Veröffentlichung der vatikanischen Schriften bis Mitte November 1976 hinauszuschieben, mit der Begründung, die für Anfang November 1976 einberufene Sitzung des Zentralkomitees der Katholiken der BRD abzuwarten, auf der mit Vorwürfen gegen die Maßnahmen im Zusammenhang mit der Verselbstständigung der katholischen Kirche in der DDR zu rechnen sei. Kardinal Bengsch lehnte dieses Ersuchen mit der Begründung ab, von dieser Seite seien zu allen Zeiten Vorwürfe in dieser Angelegenheit zu erwarten. Danach machte Kardinal Bengsch die endgültige Entscheidung über die Festlegung des Zeitpunktes der Veröffentlichung von Gesprächen mit dem Sekretär der »Deutschen Bischofskonferenz« (BRD), Prälat Hohmeyer, am 14. Oktober 1976 in Westberlin abhängig.

Diese Unterredung fand – internen Hinweisen zufolge – am 14. Oktober 1976 statt. Dabei informierte Hohmeyer, das ZK der Katholiken in der BRD protestiere nach wie vor gegen die Bildung einer Bischofskonferenz für die DDR, da nach Artikel I des geltenden Statuts die katholischen Amtsbereiche in der DDR der »Deutschen Bischofskonferenz« (BRD) unterstehen.2

Kardinal Bengsch informierte Hohmeyer u. a. davon, er habe auf Wunsch des Vatikans von seiner ursprünglichen Absicht Abstand genommen, die offizielle Mitteilung bereits am 24. Oktober 1976 in der katholischen Wochenzeitschrift »Hedwigsblatt« zu veröffentlichen; die Veröffentlichung erfolge erst in der Ausgabe vom 31. Oktober 1976. Sie solle folgenden Text haben:

»Die Mitglieder der ›Berliner Ordinarienkonferenz‹ sind am 18./19. Oktober 1976 zu ihrer ordentlichen Sitzung im Berliner Bernhard-Lichtenberg-Haus zusammengetreten. Der Vorsitzende der Konferenz gab folgende Information: Durch Entscheidung des Heiligen Stuhls ist die bisherige ›Berliner Ordinarienkonferenz‹, der Zusammenschluss der Bischöfe und Ordinarien im Gebiet der DDR, als selbstständige Bischofskonferenz ›Auctoritas territorialis‹ gemäß Bestätigungen des II. Vatikanischen Konzils (›Christus Dominus‹ 38/1) anerkannt. Nach Approbierung des Statuts durch die Kongregation der Bischöfe hat die Konferenz nunmehr als ›Berliner Bischofskonferenz‹ im Gebiet der DDR alle Rechte und Pflichten, die das genannte Konzilsdokument einer Bischofskonferenz zuerkennt.«

Offensichtlich auf Drängen der westdeutschen führenden katholischen Kleriker ist Kardinal Bengsch davon abgegangen, in der Mitteilung über diese Fragen die direkte Trennung von der »Deutschen Bischofskonferenz« (BRD), so wie es vorgesehen war, auszudrücken.

Die Bischofskonferenz für die DDR hat die Bezeichnung »Berliner Bischofskonferenz«.

Da es im katholischen Sprachgebrauch üblich ist, die Bezeichnung nur in einer Kurzfassung auszudrücken, z. B. Französische, Schweizer, Italienische, Fuldaer (jetzt Deutsche) Bischofskonferenz, wurde im Dekret die Bezeichnung »Berliner Bischofskonferenz« eingesetzt.

Der Geltungsbereich des Statuts innerhalb der DDR ist im Text des Artikels I des Statuts eingearbeitet. Im Artikel I, der aufgrund des zurückgewiesenen Vorschlages zur Einrichtung einer Kirchenprovinz von der vatikanischen Bischofskongregation formuliert wurde, heißt es u. a.:

»Die ›Berliner Bischofskonferenz‹ ist die Zusammenfassung der Bischöfe, Weihbischöfe und Ordinarien der bisherigen ›Berliner Ordinarienkonferenz‹, die durch Entscheid des Heiligen Stuhls vom 10. April 1976 als Territorialkonferenz gemäß Konzilsdekret Christus Dominus bestätigt wurde.«

In einem weiteren Artikel wird ausgeführt, dass die Beschlüsse der »Berliner Bischofskonferenz« nicht für den Westteil des Bistums Berlin gelten.

Bisher ist bekannt, dass das von der »Deutschen Bischofskonferenz« (BRD) eingereichte Statut vom Vatikan zurückgewiesen wurde. (Gleichzeitig mit der Einreichung eines Statuts für die Bildung einer selbstständigen Bischofskonferenz in der DDR durch die »Berliner Ordinarienkonferenz« war die »Deutsche Bischofskonferenz« in der BRD vom Vatikan zur Einreichung eines neuen Statuts verpflichtet worden, das der Situation nach Abgabe der Verantwortung für die Bereiche der DDR Rechnung trägt.) Dieses von der »Deutschen Bischofskonferenz« (BRD) eingereichte Statut beinhaltete im Artikel I wiederum die Zuständigkeit für die katholischen Amtsbereiche in der DDR und enthielt in Bezug auf die Vertretung des Bistums Berlin in der »Deutschen Bischofskonferenz« Diskreditierungen gegenüber der DDR.

Die »Deutsche Bischofskonferenz« verzögerte seitdem die Überarbeitung und erneute Einreichung ihres Statuts, sodass es bis heute vom Vatikan noch nicht bestätigt wurde.

Wie weiter bekannt wurde, wolle sich Kardinal Höffner, Vorsitzender der »Deutschen Bischofskonferenz« (BRD) in Kürze mit einer Erklärung an die Katholiken in »Ost und West« wenden, deren Tendenz darin bestehen soll, die katholische Kirche als Weltkirche zu sehen und die Beziehungen zu den Katholiken in der DDR im Rahmen dieser Weltkirche vielfältig und »umso fester« auszubauen.

Die Information ist wegen Quellengefährdung streng vertraulich zu behandeln und nicht zur öffentlichen Auswertung bestimmt.

  1. Zum nächsten Dokument Auftreten von Bischof Krusche auf der Synode in Magdeburg

    30. Oktober 1976
    Information Nr. 749/76 über das Auftreten von Bischof Krusche, Magdeburg, auf der 2. Tagung der 8. Synode der evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen

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    26. Oktober 1976
    Information Nr. 737/76 über die Entwicklung der Einnahmen aus der Durchführung des verbindlichen Mindestumtausches für die Zeit vom 18. Oktober 1976 bis 24. Oktober 1976