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Ausschreitungen im Umfeld eines Fußballspiels der DDR-Oberliga

17. August 1977
Information Nr. 536/77 über rowdyhaftes Verhalten Jugendlicher im Zusammenhang mit dem Oberliga-Punktspiel 1. FC Magdeburg gegen den 1. FC Union Berlin

Im Zusammenhang mit der An- und Rückreise zum Fußballoberliga-Punktspiel des 1. FC Magdeburg gegen den 1. FC Union Berlin kam es am 12. und 13. August 1977 durch Anhänger des 1. FC Union Berlin zu mehrfachen rowdyhaften Handlungen und erheblichen Sachbeschädigungen in Reisezugwagen der Deutschen Reichsbahn.

Die durch die zuständigen Sicherheitsorgane geführten Untersuchungen ergaben, dass von den ca. 40 bis 50 mitfahrenden Anhängern des 1. FC Union Berlin, besonders die Jugendlichen [Name 1, Vorname] (17), geb. am [Tag] 1960, wohnhaft: Berlin-Lichtenberg, [Adresse], Schulabgänger der 10. Klasse, Lehrvertrag als Rohrleitungsmonteur in Leipzig, organisiert: FDJ, [Name 2, Vorname] (16), geb. am [Tag] 1961, wohnhaft: Berlin-Lichtenberg, [Adresse], Schulabgänger der 10. Klasse, Lehrvertrag als Elektromonteur im EAW Treptow, organisiert: FDJ, vorbestraft wegen Diebstahls und unbefugter Benutzung von Kfz, [Name 3, Vorname] (18), geb. am [Tag] 1959, wohnhaft: Berlin-Friedrichsfelde, [Adresse], Lehrling im VEB Berliner Aufzugs- und Fahrtreppenbau, organisiert: FDJ, FDGB, DSF, GST, DTSB, [Name 4, Vorname] (21), geb. am [Tag] 1956, wohnhaft: Berlin-Pankow, [Adresse], Expedient im VEB Waren täglicher Bedarf Berlin, organisiert: FDGB, DSF, an den rowdyhaften Handlungen und Sachbeschädigungen in zwei Reisezugwagen des D 648 beteiligt waren.

Insgesamt wurden während der Fahrt 33 Leuchtstoffröhren, 33 Beleuchtungsverkleidungen, 46 Fenstervorhänge, 3 Waschbecken, 2 Feuerlöscher, 4 Aschenbecher, 1 Abfallbehälter, 1 Verkleidungsblech des Heizungsschalters aus den Reisewagen mit Gewalt entfernt und aus dem fahrenden Zug geworfen sowie 2 Toilettenbecken, 1 Toilettendeckel, 2 Sitzpolster stark beschädigt.

Die Ausschreitungen begannen nach einem fahrplanmäßigen Halt des D-Zuges in Burg um 23.56 Uhr, bei dem einige Jugendliche zeitweilig den Zug verließen und an den Reisezugwagen angebrachte Fahrtrichtungsschilder entfernten.

Die unter Alkoholeinfluss stehenden Jugendlichen animierten sich gegenseitig zur Zerstörung der Innenausstattung der Reisezugwagen, wobei sich besonders der genannte [Name 1, Vorname] hervortat.

Durch die Transportpolizei wurde gegen die Personen [Name 1], [Name 2], [Name 3] und [Name 4] Ermittlungsverfahren gemäß § 215 StGB1 – Rowdytum – eingeleitet und auf gleichen Rechtsgrundlagen Haftbefehle erlassen.

Die Jugendlichen [Name 1] und [Name 4] wurden nach Verlassen des Zuges in Magdeburg darüber hinaus wegen öffentlicher Herabwürdigung von Angehörigen der DVP und wegen begangener Ordnungswidrigkeiten – Betreten von Grünanlagen – durch Angehörige des VPKA Magdeburg mit einer Ordnungsstrafe von 200 M belegt.

Vor der Abfahrt des D-Zuges 649 aus Magdeburg in Richtung Berlin am 13.8.1977, um 20.19 Uhr, drangen ca. 30 Jugendliche, Anhänger des 1. FC Union Berlin, in rücksichtsloser und rüpelhafter Weise in einen Reisezugwagen mit Sonderabteilen ein und belästigten Frauen mit Kleinstkindern und ältere Bürger. Sie widersetzten sich den Aufforderungen der diensthabenden Angehörigen der Deutschen Reichsbahn zum Verlassen der Sonderabteile und mussten durch Angehörige der Transportpolizei mit teilweiser Anwendung körperlicher Gewalt zum Verlassen des Reisezugwagens gezwungen werden.

Gegen die Jugendlichen [Name 5, Vorname] (23), geb. am [Tag] 1954, wohnhaft: Berlin-Lichtenberg, [Adresse], beschäftigt als Stahlbauschlosser im VEB MLK Berlin, organisiert: FDJ, FDGB, DSF, vorbestraft wegen Rowdytums und Diebstahls, [Name 6, Vorname] (20), geb. am [Tag] 1957, wohnhaft: Berlin-Prenzlauer Berg, [Adresse], beschäftigt als Maler in der PGH Dekorative Malerei Berlin, [Name 7, Vorname] (19), geb. am [Tag] 1958, wohnhaft: Berlin-Karlshorst, [Adresse], beschäftigt als Feuerungsmaurer im VEB BMK Berlin, vorbestraft und zur Rechenschaft gezogen wegen unbefugter Benutzung von Kfz und begangener Ordnungswidrigkeiten, [Name 8, Vorname] (19), geb. am [Tag] 1958, wohnhaft: Berlin-Johannisthal, [Adresse], beschäftigt als Instandhaltungsmechaniker im VEB WBK Berlin, organisiert: FDGB, vorbestraft gemäß § 215 StGB (Rowdytum) ([Name 8] hatte als Tatbeteiligter einer Gruppe von jugendlichen Anhängern des 1. FC Union Berlin am 11.9.1976 im D-Zug Halle-Berlin bei der Rückfahrt von einem Fußballspiel des 1. FC Union Berlin an Sachbeschädigungen von Reisezugwagen mitgewirkt.) wurden durch die Transportpolizei Ordnungsstrafverfahren eingeleitet.

Die durch die Sicherheitsorgane zu den geschilderten Vorkommnissen geführten Untersuchungen ergaben weiter, dass es sich bei den Tätern um fanatische Anhänger des 1. FC Union Berlin handelt, die zum überwiegenden Teil untereinander unbekannt sind. Zu den Auswärtsspielen des 1. FC Union Berlin fahren sie in der Regel mit Reisezügen der Deutschen Reichsbahn. Vor und während der Fahrt sowie während des Spielverlaufes nehmen sie gekaufte und teilweise mitgebrachte alkoholische Getränke zu sich. In diesem Zustand animieren sie sich gegenseitig zur Begehung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten – teilweise, weil es ihnen »Spaß« macht, teilweise aber auch deshalb, um gegenüber anderen Jugendlichen nicht als »Feigling« zu gelten. In vielfacher Hinsicht werden durch die begangenen Ordnungswidrigkeiten dieser Personen erhebliche Gefährdungssituationen herbeigeführt – u. a. durch das Herauswerfen fester Gegenstände aus fahrenden Zügen.

Einige im Zusammenhang mit den Vorkommnissen in Magdeburg bekannt gewordene Jugendliche sind wegen begangener Ordnungswidrigkeiten bereits mit Ordnungsstrafverfahren belegt worden bzw. wegen begangener Straftaten, insbesondere rowdyhafter Handlungen, vorbestraft.

Es wird vorgeschlagen, im Zusammenhang mit der Auswertung dieses Vorkommnisses in geeigneter Form auf die Leitung des 1. FC Union Berlin in dem Sinne einzuwirken, durch eine verstärkte ideologische Arbeit und zielstrebige Einflussnahme auf die Anhänger des Fußballclubs allen Erscheinungen des rowdyhaften Auftretens und anderer negativer Verhaltensweisen energisch vorzubeugen.

  1. Zum nächsten Dokument Reaktionen auf die Explosion eines Munitionslagers der Roten Armee

    17. August 1977
    Hinweise über die Reaktion der Bevölkerung zum Vorkommnis in Dannenwalde, Kreis Gransee, am 14.8.1977 [Bericht O/45]

  2. Zum vorherigen Dokument Protestbriefe gegen die Neutronenbombe an US-Botschaft in Ostberlin

    16. August 1977
    Information über Protestbriefe an die Botschaft der USA in der DDR [Bericht O/44]