Aussagen auf internationaler wissenschaftlicher Konferenz, (2. Bericht)
14. April 1983
Einige besonders zu beachtende Aussagen auf der Internationalen Wissenschaftlichen Konferenz (2. Bericht) [O/115b]
Gen. Aldo Tortorella,1 Mitglied der Nationalen Leitung und des Sekretariats des ZK der Italienischen Kommunistischen Partei:
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Behauptung, bestimmte Thesen von Marx seien »offensichtlich überholt«.
Die sozialistischen Umwälzungen seien hauptsächlich in bäuerlichen Gesellschaften vollzogen worden.
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Auffassung, dass es dem Denken von Marx wie dem von Lenin widerspreche, wenn ihre Lehren zu einem »geschlossenen doktrinären System« gemacht würden.
es sei absurd, an »eine Art Zentren« zu denken, die sogenannte wahre Formen der Interpretation des Marxschen Gedankengutes vorgeben könnten.
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Überbetonung »politischer Demokratie« beim sozialistischen Aufbau. Forderung: »Wirkliche Einbeziehung der Arbeiterklasse und der Werktätigen in die Leitung der Gesellschaft und des Staates in jeder Hinsicht«.
(Hinweis auf »Krisen« in sozialistischen Ländern)
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Hervorhebung, dass die Lehre von Marx nicht ausschließlich Gesellschaften hervorbringen könne, die nach »sowjetischem Modell« aufgebaut seien. Die Oktoberrevolution2 habe eine neue Phase in der Geschichte eingeleitet, was aber nicht heiße, »dass wir gewissermaßen eine Inkarnation des Wortes vor uns haben«.
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Angriff gegen die UdSSR, indem das »bewaffnete Eingreifen in Afghanistan« als Handlung der Politik der Stärke charakterisiert wurde.3
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Keine klassenmäßigen Positionen zur Friedensbewegung: Sie sei nicht als eine »Entscheidung für ein Lager gegen ein anderes« aufzufassen,
Gen. Noboru Wakabayashi,4 Mitglied des Präsidiums der Kommunistischen Partei Japans:
Durchgängig rechtsrevisionistische, opportunistische Auffassungen, über Weg zum Sozialismus und Aufbau der sozialistischen Gesellschaft. Evolutionärer statt revolutionärer Weg.
Im Prinzip Ablehnung der Diktatur des Proletariats. Überbetonung von »Demokratie und Freiheit«.5
Missachtung der Leninschen Erkenntnis über die Notwendigkeit einer Partei neuen Typus6 und ihrer führenden Rolle. Für »Pluralismus« (Ideologien und Parteien: Keine Weltanschauung soll zur »Staatsphilosophie« erhoben werden, Zulassung von Oppositionsparteien)
Angriffe gegen sozialistische Staaten wegen wiederholter »Einmischung« in Befreiungsbewegungen anderer Länder und »Missachtung des Rechts auf nationale Selbstbestimmung« (offenkundig gegen UdSSR vs. Afghanistan – gerichtet)
Vorwurf der »Verletzung der Souveränität und des Rechtes anderer Nationen auf Selbstbestimmung« durch »bestimmte sozialistische Länder« (unter »Vorwand der Wahrung der Sicherheit des Sozialismus«).7
Gen. Nikola Stojanovic,8 Sekretär des ZK des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens9:
Verteidigung des Selbstverwaltungssystems in der SFRJ10 (Versuch einer theoretischen Begründung unter Berufung auf Marx und Lenin).
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Selbstverwaltung sei Bestätigung des Gedankens der Arbeiterbewegung von der »Arbeiterselbstverwaltung«.11
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Gesellschaftliches Eigentum sei eine Form »staatlichen Besitzmonopols«; die sozialistischen Kräfte seien bestrebt, sich der Vorherrschaft von Tendenzen des »staatlichen Besitzmonopols« zu widersetzen.12
Es gehe um die allmähliche Umwandlung des gesellschaftlichen Eigentums in ein »tatsächlich gesellschaftliches Eigentum«.13
Hervorhebung der »historischen Überlebtheit führender Zentren der Arbeiterbewegung und der Schädlichkeit von Modellen des Sozialismus«; Polemik gegen »Versuche der Bildung eines ideologischen, politischen oder organisatorischen Monopols« bzw. des »Aufdrängens von Standpunkten« gegenüber anderen Parteien und Bewegungen.14
Gen. Dumitru Popescu,15 Mitglied des Exekutivkomitees des ZK der Rumänischen KP:
Klassenindifferente Aussagen über »Verzicht auf Herrschaft und Diktat, auf Einmischung in die Angelegenheiten anderer Länder, auf die Anwendung oder Androhung von Gewalt und auf militärische Konfrontationen« im internationalen Rahmen (offenkundig besonders auch gegen UdSSR vs. Afghanistan – gerichtet).
Unter Berufung auf Marx: Stellungnahme gegen »Dogmatismus«, »ewige Wahrheiten«, »Verabsolutierung jeder Art.«
Philosophische Systeme sollten nicht als »unabänderlich« betrachtet werden.16
Hugo Miranda,17 Mitglied der Nationalleitung der Radikalen Partei Chiles:
Charakterisierung der Unterschiede in der Lebensqualität zwischen den reichen und den armen Ländern als einen Faktor der internationalen Spannungen (»Kluft zwischen den hochindustrialisierten und den Entwicklungsländern«).18
Malcolm Parris,19 Exekutivsekretär für Internationale Angelegenheiten des Nationalen Volkskongresses Guyanas:
Versuch, einen »kooperativen Sozialismus« theoretisch zu begründen; u. a. Darstellung von Genossenschaften als Antriebskraft und Mittel für den Aufbau des Sozialismus.20
Dr. Wilhelm Bruns,21 Leiter der Delegation der SPD, Abteilungsleiter im Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung (BRD):
Nachdem er erklärte, dass dem Verhältnis USA – Sowjetunion entscheidende Bedeutung für internationale Sicherheit und Abrüstung zukomme, bezeichnete er es als Ziel der Verhandlungen in Genf,22 »sowjetische eurostrategische Raketen abzubauen, um die Einführung neuer eurostrategischer Mittelstreckenwaffen der USA überflüssig zu machen«.
Nahm bewusst davon Abstand, auf die Fragen der »Ursachen des Wettrüstens« einzugehen; ein Grund für die Verschärfung der Situation sei ein »Konfrontationsdenken« (»Strategie der Stärke durch immer mehr Waffen«). – Keinerlei Hinweis auf die Hochrüstung und den Konfrontationskurs der USA, auf die Initiativen und Vorschläge der Sowjetunion bzw. des Warschauer Vertrages23 zu Fragen der internationalen Sicherheit und Abrüstung24. – Es sei auch die Aufgabe der BRD und der DDR herauszufinden, welche Möglichkeiten sie haben, zur internationalen Sicherheit beizutragen. Auch die DDR sollte Vorstellungen über die »gemeinsame Sicherheit der beiden deutschen Staaten« akzeptieren (Perspektive: »Partnerschaft zur Sicherheit«).
Der Frieden müsse gesichert werden, damit die Geschichte entscheiden könne, »welches System das bessere ist«.25