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Besuch von DDR-Oppositionellen durch den GEW-Vertreter Schenk (2)

23. Dezember 1988
Information Nr. 557/88 über den erneuten Missbrauch der gestatteten Einreise in die DDR im Rahmen einer offiziellen Delegation der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft der BRD/Westberlins durch den hinlänglich bekannten Wolfgang Schenk/Westberlin

Im Zeitraum vom 11. bis 13. Dezember 1988 fand in der Hauptstadt der DDR, Berlin, vereinbarungsgemäß eine weitere Begegnung von Mitgliedern der Gewerkschaft Unterricht und Erziehung der DDR mit Vertretern der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft der BRD/Westberlins (GEW) statt.

Der BRD-Delegation gehörte wie bei der Begegnung im April 1988 in Haldensleben/Magdeburg (vgl. Information des MfS Nr. 202/88 vom 20. April 1988) der schulpolitische Sprecher der GEW in Westberlin und Hauptorganisator der nach den Ereignissen vom 17. Januar 1988 in der Hauptstadt Berlin und Westberlin gebildeten Feindgruppierung »Initiative für Andersdenkende«, Wolfgang Schenk, an.

Schenk brachte im Verlaufe der Beratungen wiederholt seine antisozialistische und gegen die DDR gerichtete Haltung zum Ausdruck und versuchte, die politische Zielstellung der Begegnung durch ablenkende und destruktive Diskussionen negativ zu beeinflussen. So war er in provokatorischer und scharfmacherischer Art bemüht, das Problem der Relegierung von Schülern der EOS »Carl von Ossietzky« Berlin-Pankow als immanenten Gesprächsinhalt einzubringen. Ferner übergab er in diesem Zusammenhang dem Leiter der DDR-Delegation den Wortlaut des am 10. Dezember 1988 in der »Frankfurter Rundschau« als Großanzeige veröffentlichten sogenannten Appells an die Regierung der DDR »Meinungsfreiheit muss in der Schule beginnen!«, als dessen Mitorganisator er verantwortlich zeichnet (Kopie als Anlage).

Derartige Versuche von Schenk und anderen Mitgliedern der GEW-Delegation, sich in die inneren Angelegenheiten der DDR einzumischen, wurden seitens der DDR-Delegation zurückgewiesen.

Nach dem MfS streng intern vorliegenden Hinweisen war Schenk in Vorbereitung der genannten Begegnung der GEW mit Vertretern der Gewerkschaft Unterricht und Erziehung der DDR und in Realisierung von Absprachen mit Kräften des politischen Untergrundes in der DDR im Zusammenhang mit seiner Delegationsreise im April 1988 nach Haldensleben langfristig bemüht, erneut ein Treffen mit feindlich-negativen Personen zu organisieren. Diese Aktivitäten setzte er im Zeitraum der gewerkschaftlichen Beratungen in der Hauptstadt Berlin fort.

Im Ergebnis dessen kam es am 13. Dezember 1988 in der evangelischen Andreas-Markus-Kirchengemeinde in Berlin-Friedrichshain zu einem über vierstündigen Treffen aller Mitglieder der GEW-Delegation mit Kräften des politischen Untergrundes und reaktionären kirchlichen Personen. Anwesend waren u. a. die hinlänglich bekannte Verbindungsperson des Schenk, Ulrike Poppe, und Pfarrer Schneider, der bereits wiederholt an derartigen Zusammenkünften mit politischen Führungskräften aus der BRD/Westberlin beteiligt war. Unter den über 30 DDR-Bürgern befanden sich darüber hinaus Personen, die in jüngster Vergangenheit an sogenannten Informationsgottesdiensten im Zusammenhang mit den Ereignissen an der EOS »Carl von Ossietzky« in Berlin-Pankow teilgenommen hatten und die gezielt von der Poppe eingeladen wurden.

Entsprechend den gemeinsamen Vorstellungen von Schenk und Ulrike Poppe war das Treffen bestimmt durch einen Informationsaustausch zu den Ergebnissen und zum Stand der Beratungen Gewerkschaft Unterricht und Erziehung der DDRGEW sowie zu »Erfahrungen« von DDR-Bürgern mit der Volksbildung in der DDR und damit im Zusammenhang stehenden Problemen. Gesprächsinhalte bildeten darüber hinaus Ereignisschilderungen zu den Relegierungen der genannten Schüler, Probleme »alternativer« Unterrichtsmethoden und die von der Poppe und Pfarrer Schneider inszenierte Diskussion um ein »gemeinsames Papier«, das Aussagen und Forderungen hinsichtlich »notwendiger Reformen« in beiden deutschen Staaten beinhalten solle.

Insgesamt ordneten sich die Gesprächsinhalte ein in Bestrebungen politisch negativer und reaktionärer kirchlicher Kräfte, in Vorbereitung des IX. Pädagogischen Kongresses der DDR1 eigenständige Positionen zu erarbeiten und Vorschläge/Forderungen zu unterbreiten bzw. zu erheben.

Die als Organisatoren des vorgenannten Treffens tätig gewesenen DDR-Bürger schätzten die geführten Gespräche mit der GEW-Delegation als »nutzbringend« ein und orientierten mit Blick auf den IX. Pädagogischen Kongress, auf den man sich inhaltlich konkret vorbereiten wolle (u. a. Erarbeitung von Thesenpapieren), auf deren Fortsetzung.

Streng internen Informationen zufolge bewertete Schenk namens der Mitglieder der GEW-Delegation das Treffen ebenfalls als »sehr wichtig und beeindruckend«. Er bekundete die Absicht der GEW, die geschaffenen Kontakte zu »kritischen Menschen« in der DDR ausbauen zu wollen und kündigte Folgetreffen im Jahre 1989 an.

Gegen Schenk sind Reisesperrmaßnahmen wirksam. Ihm wurde auf zentralen Entscheid ausschließlich im Interesse des Zustandekommens der Begegnungen der genannten Gewerkschaftsdelegationen im April und Dezember 1988 die Einreise gestattet.

Angesichts des wiederholten Missbrauchs seines genehmigten Aufenthaltes in der DDR im Rahmen des gewerkschaftlichen Dialogs zu gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung der DDR gerichteten Handlungen und vorliegender interner Hinweise zur geplanten Fortführung seiner diesbezüglichen Aktivitäten wird vorgeschlagen, die festgelegten Reisesperrmaßnahmen künftig konsequent durchzusetzen.

Mielke [Unterschrift]

Anlage zur Information 557/88

[Kopie der FR-Anzeige]

Öffentlicher Appell an die Regierung der DDR: Meinungsfreiheit muss in der Schule beginnen!

Weil sie auf einer FDJ-Wandzeitung den politischen Wandlungsprozess in Polen hin zu mehr Freiheit und Pluralität unterstützt und öffentliche Kritik an der alljährlich am 7. Oktober stattfindenden Militärparade der NVA in Ostberlin geübt hatten, wurden Anfang September vier Schüler an der Carl-von-Ossietzky-EOS im Bezirk Pankow der Schule verwiesen. Andere, die sich solidarisiert hatten, wurden eingeschüchtert und bedroht.

Ziel dieser Repressalien ist es offensichtlich, an diesen Jugendlichen ein »Exempel« zu statuieren, um die weitverbreitete Unzufriedenheit vieler DDR-Jugendlicher mit den undemokratischen und Glasnost-feindlichen Verhältnissen in Schule und Gesellschaft »unter Kontrolle« zu halten.

Die Unterzeichner/innen sehen in dem Verhalten der Ostberliner Schüler ein demokratisches und antimilitaristisches Engagement, das es verdient, in Ost und West gefördert zu werden.

Ausbildungsverbote für nonkonformistische Jugendliche, Wehrerziehung und vormilitärische Ausbildung sowie die Unterdrückung grundlegender Freiheitsrechte sind unvereinbar mit den Zielen, für die sich der Pazifist, Republikaner und Radikaldemokrat Carl von Ossietzky stets eingesetzt hatte.

Glaubwürdige Erziehung zur Friedensfähigkeit und Toleranz gegenüber politisch Andersdenkenden setzt nach unserer Auffassung überall das garantierte Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit sowie den Schutz aller Grundrechte vor staatlicher Willkür in Schule und Gesellschaft voraus.

Jeder Schüler (und jeder Lehrer) muss deshalb die Möglichkeit haben, beim Streit der Meinungen Partei ergreifen zu können, indoktrinäre Absichten und Monopolansprüche auf »die Wahrheit« zurückzuweisen und zu kritisieren sowie seine möglicherweise der Regierungspolitik entgegenstehenden Auffassungen ohne Gefahr für sein persönliches Wohlbefinden und berufliches Fortkommen zum Ausdruck bringen zu können!

Die Unterzeichner/innen protestieren energisch gegen die Unterdrückung der Meinungsfreiheit an der Carl-von-Ossietzky-EOS in Ostberlin und fordern die DDR-Behörden hiermit auf, alle Schulverweise und Disziplinarmaßnahmen unverzüglich zurückzunehmen, damit die betroffenen Schüler den von ihnen angestrebten Schulabschluss ohne weitere Behinderungen erreichen können.

V.i. S.d.P.

Renate Heitmann, Duisburger Straße 17, 1000 Berlin 15

Wolfgang Schenk, Goßlerstrßae 90, 1000 Berlin 41

Ursula Schaar, Otto-Weis-Ring 5 c, 1000 Berlin 47

Folgende Berliner Lehrer/innen, Erzieher/innen, Hochschullehrer/innen u. a. in Erziehungseinrichtungen Beschäftigte unterstützen den obigen Appell:

Elke Arns, Hiltrud Arens, Gisela Adamowsky, Jürgen Alex, Hildegard Ahnert, Elisabeth Arend, Prof. Anke Bermholdt-Thomsen, Peter Baumann, Christel Bachmann, Halimo Bayam, Werner Blisch, Barbara Bott, Thomas Braunwarth, Helga Brockmann, Jürgen Böhm, Dieter Broo, Werner Böhme, Prof. Gerhard Bauer, Heidi Burow, Ulrich Bauer, Bettina von Balluseck, Rotraut Bieg-Brentzel, Jutta Bretz, Marlene von der Becke, Hartmut Borowsky, Brigitte Berners, Ingrid Birkhölzer, Sigrid Boldt, Gudrun Böttger, Hermann Bruhn, Friedhelm Botsch, Klaus Brunswicker, Werner Beck, Paul Binder, Jürgen Berkefeld, Silke Biester, Helga Bräutigam-Lingfeld, Siegrid Cames, Safter Cinar, Michael Cramer, Gerd Cordes, Dorothee Dietrich, Joachim Dillinger, Johann Dreher, Diemut Dohnicht, Uwe Duske, Rainer Dorfert, Andreas Dorasi, Karin Dickheuer, Beate Deutschmann, Irmhild Dörfert-Harre, Annegret Denzan, Hans-Joachim Dietzel, Bert Daerrbert, Horst Dietrich, Dagmar Ebmeyer, Albert Eckert, Gaby Edouard, Petra Eggebrecht, Irene Eckert, Jutta Fernholz, Arnfried Fahrein, Boris Fahlbusch, Christine Faßbender, Karola Frickel, Dr. Norbert Franck, Ulrike Fischbauch, Andrea Feistritzer, Angelika Gusinda, Helmut Gewetzki, Andrea Geest, Rainer Gombert, Anja Groth, Hans Gellhardt, Ulrike Granow, Sabine Gundacker-Taterra, Norbert Gundacker, Dieter Grunert, Monika Glander, Kathrin Haas, Raimund Haße, Hanna Hermann-Bulbeck, Wolfgang Harnischfeger, Heide Hempel, Axel Hermann-Friede, Bärbel Hetwig, Richard Haertel, Jürgen Hegemann, Peter Hopp, Günther Haack, Thomas Hirschberg, Brigitte Hoffmann, Klaus Hoyer, Ingrid Heyd, Renate Heitmann, Birigt Hensel, Ute Hildebrandt-Schleicher, Ursula Hoffmann, Cornelia Hellwig, Walter Hruschka, Susanne Jahn, Loretta Jordan, Marina Jarra, Inge Jordan, Albrecht Johann, Maria Jung, Dirk Jordan, Wolfgang Jacob, Barbara Jokisch, Marianne Kalkreuth, Detlev Kretschmann, Sabine Kraft, Uschi Klug, Sigmund Keiditsch, Maria Karkat, Johannes Krüger, Peter Kaden, Wilfried Küchenmüller, Heidemarie Küttner-Neuhaus, Mesut Keskin, Christiane Köhler, Prof. Erika Kartschoke, Wolfgang Kordbarlag, Renate Kupfer, Hans-Jürgen Kraft, Helmut Kreisel, Rita Kirchwehm, Gisela Keyler, Ulrich Kopitzki, Peter von der Kemp, Peter Kühling, Holger Kaltofen, Gerhard Kochendörfer, Hilke Knoblauch, Barbara Kühn, Axel Kern, Elisabeth Knackstedt, Hans-Jürgen Kuhn, Eleonore Kujawa, Bernward Kwasigroch, Tilmann Kriebel, Anke Krohn, Detlef Krzyzdewski, Ingrid Langenhahn, Kirsten Lauritzen, Sigrid Ludwig, Anne Leonhardt-Broo, Marianne Leitner, Sabine Lellow, Gisela Luchmann, Barbara Lehmeyer, Helmut Lübbeke, Marie-Luise Lindemann, Godehard Lindgens, Ilse Regel-Laube, Erhard Laube, Barbara Markert, Barbara Momber, J. Maurer, Helmut Majewski, Wolf Meyer-Hagen, Werner Munk, Hans-Joachim Mehlhorn, Marlies Meier, Ursula Möllering-Braßat, Christian Meyer, Silvic Mathiasen, Klaus Meißner, Dieter Mehlin, Petra Meyer-Seipp, Willi Müller, Detlef Mücke, Regina Muchenberger, Gisela Murkan, Veronika Mayer-Langenheim, Ine Niepold, Angelika Nietsch, Renate Narroj-Krüger, Stefan Neuhaus, Sirkka Neumann, Petra Nerlich, Klaus Noffke, Werner Nowak, Jürgen Niemann, Gisela Neukamm, Gerd-Rudolf Neumann, Elisabeth Neikes, Horst Nadermann, Sevgi Özen, Renate Pannenbecker, Manfred Plag, Klaus Putensen, Marianne Pousset, Heinz Prittwitz, Cornelius Plappert, Robert Peiser, Christina Parusel, Gunter Paul, Hans-Joachim Queisser, Lia Raber, Veronika Reetz, Hubert Rödiger, Eberhard Rau, Anneliese Reinecke, Peter Michael Rulff, Ursula Reumschüssel, H. Jürgen Rausch, Rainer Robloth, Ulrich Rosenau, Manfred Rehausen, Sabine Rade, Edelgard Reifner-Deuse, Angelika Reich, Josefine Rottenhagen, Margarete Reisinger, Ilse Schaad, Ursula Schaar, Rolf Schikorr, Anita Schütz, Ursula Schröder, Peter Scherfer, Wolfgang Schenk, Katharina Schrader, Gerhard Schmidt, Hans Schulz, Irmgard Schaloske, René Schwerdtfeger, Alfred Schaufer, Marlies Schumann, Helga Schatte, Bernhard Schröter, Lena Schraut, Jürgen Schutte, Uwe Schneider, Dorothe Schopp, Eva Schlichenmaier-Schenk, Hannelore Schulze, Siegfried Schleicher, Rita Schäffler, Manfred Schneider, Siegfried Schmidt, Amadeus Spirij, Armin Steinberg, Bernd Seitz, Irene Seelgen, Richard Siegler, Gerd Spath, Paul Stöcker, Karina Shelly, Sönke H. Pörksen, Detlef Siehl, Irene Steller, Wolfgang Seelbach, Erdmute Safranski, Klaus Seifried, Eva Siems, Rose-Marie Seggelke, Karin Sievert-Solar, Helmut Sedatis, Dieter B. Sternweiler, Achim Syska, Iris Szugat, Barbara Sibler-Lassau, Corinna Stupka, Udo Terasa, Gabriele Teutloff, Josef Thaler, Ulrich Thöne, Dorothea Tjimbawe, Regina Todt, Manfred Triebe, Elisabeth Tkotsch, Morlind Tumlier, Prof. Dr. Ernst Tugendhat, Klaus Übler, Heidi Ufer, Andreas Vollbracht, Sybille Volkholz, Gabriele Vonnekold, Ingrid Ullfers, Carola Wagemann, Jürgen Waechter, Viola Weikert, Eberhard Welz, Norbert Wendt, Prof. Uwe Wesel, Eva M. Wetz, Heike Witte, Isolde Weidner, Marianne Wißmann, Horst Weimershaus, Sylvia Winkler-Schilling, Karla Werkentin, Renate Wiemann-Kranenberg, Hans-Jürgen Werner, Julia Wiesinger, Klaus Wiemann, Karin Wörner, Helmar Weidner, Claudia Ziemann, Jörn Zenke, Arnold Zech-Gudra, Eva Zamanie-Ronge, Christa Zölle, Mitgliederversammlung der GEW Neukölln, Mandatsträgerversammlung der GEW Schöneberg. Landesdelegiertenversammlung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft – Landesverband Berlin.

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    29. Dezember 1988
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    21. Dezember 1988
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