Geplanter Auftritt des Hugo-Distler-Chores in Ostberlin
2. März 1988
Information Nr. 114/88 über den beabsichtigten Auftritt des Westberliner »Hugo-Distler-Chores« am 5. März 1988 in der Samariterkirche in Berlin-Friedrichshain
Den zuständigen staatlichen Organen wurde durch Veröffentlichungen in westlichen Medien bekannt, dass der Westberliner »Hugo-Distler-Chor« (50 Chorsänger) am 5. März 1988, 19.30 Uhr, in der Samariterkirche in Berlin-Friedrichshain ein Konzert geben will. Der Leiter der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR, Bräutigam, hat die Absicht bekundet, an diesem Konzert teilzunehmen.1
Die Organisatoren dieser Veranstaltung, Superintendentin Laudien und der Geschäftsführende Pfarrer der Samaritergemeinde, Eppelmann, haben unter bewusster Umgehung geltender Rechtsvorschriften der DDR (Veranstaltungsverordnung der DDR vom 30. Juni 1980)2 in Abstimmung mit dem Konsistorium der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg den Auftritt des »Hugo-Distler-Chores« vorbereitet und bereits Einladungen an ca. 800 Personen übersandt.
Nach Bekanntwerden dieses Sachverhaltes wurde seitens des Stellvertreters des Vorsitzenden des Rates des Stadtbezirkes Berlin-Friedrichshain für Inneres und des Leiters Erlaubniswesen der VP-Inspektion Berlin-Friedrichshain ein Gespräch mit den Organisatoren geführt, in dem sie darauf hingewiesen wurden, dass sie die entsprechenden Rechtsvorschriften nicht eingehalten haben. Das betreffe auch die Einholung der Zustimmung seitens des Staatssekretariats für Kirchenfragen. Der Laudien und dem Eppelmann wurde mitgeteilt, dass diese Veranstaltung aus den vorgenannten Gründen nicht stattfinden kann.
Im weiteren Gesprächsverlauf versuchten die kirchlichen Amtsträger, diese Vorhaltungen zu entkräften und zu verharmlosen und unter Hinweis auf den bereits betriebenen Aufwand in Vorbereitung dieser Veranstaltung Druck auszuüben, die Entscheidung über die Nichtdurchführung dieser Veranstaltung rückgängig zu machen. Sie verhielten sich insgesamt in diesem Gespräch sehr uneinsichtig.
Es wird vorgeschlagen:
Durch den Stellvertreter des Oberbürgermeisters des Magistrats der Hauptstadt der DDR, Berlin, für Inneres3 und den Stellvertreter des Bürgermeisters des Stadtbezirkes Berlin-Friedrichshain für Inneres sollte ein Gespräch mit Generalsuperintendent Krusche/Evangelische Landeskirche in Berlin-Brandenburg geführt werden, in dem die endgültige Entscheidung über die Ablehnung dieser Veranstaltung mitgeteilt werden sollte. Gleichzeitig ist erneut die staatliche Erwartungshaltung zum Ausdruck zu bringen, künftig die Rechtsvorschriften der DDR strikt einzuhalten.
Generalsuperintendent Krusche sollte aufgefordert werden, zu veranlassen, dass dem Leiter des »Hugo-Distler-Chores« die Absage dieser Veranstaltung in geeigneter Form übermittelt wird.
Eine mögliche Einreise des Westberliner Chores wird durch die zeitweilige Einleitung von Reisesperrmaßnahmen unterbunden.
Seitens des MfS werden alle entsprechenden Aktivitäten unter Kontrolle gehalten.