Analyse vom 1. bis 15. März 1954
22. März 1954
Analyse vom 1. bis 15. März 1954 [Nr. 5/54]
Industrie und Verkehr
Die Diskussionen über die Viermächtekonferenz treten nur noch sehr vereinzelt auf.1 Seit Ende Februar haben die Diskussionen über die beabsichtigte Einführung der Wehrpflicht in Westdeutschland etwas zugenommen,2 sodass gegen Mitte März ein größerer Teil der Werktätigen sich darüber äußert. Trotzdem überwiegen die Diskussionen über betriebliche Probleme die politischen.
Besonders Arbeiter und Jugendliche sprechen sich gegen die Einführung der Wehrpflicht in Westdeutschland aus, da sie darin die Gefahr eines neuen Krieges erkennen, sie jedoch in Frieden der Arbeit nachgehen wollen. So lehnt ein großer Teil der Kollegen der Kontrollabteilung des VEB ABUS Schmalkalden, [Bezirk] Suhl, den EVG-Vertrag3 und die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Westdeutschland ab, da dies ein Schandvertrag und ein Werkzeug zur Vorbereitung eines neuen Krieges ist. Ein neuer Weltkrieg würde jedoch unermessliches Leid und Elend für die Völker Europas bringen.
Ein Teil der Werktätigen ist der Ansicht, dass bei uns in der DDR ebenfalls in Kürze die Wehrpflicht eingeführt wird. Verschiedentlich fordern besonders fortschrittliche Arbeiter aufgrund der erhöhten Kriegsgefahr von unserer Regierung verstärkte Schutzmaßnahmen für unsere Republik. Teilweise meldete man sich aus diesem Grunde freiwillig zur VP.4
Vereinzelt treten auch solche Äußerungen auf, dass man nur dann zur VP gehen will, wenn es gefordert wird (nicht freiwillig). Verschiedene Arbeiter der Baustelle in Wünsdorf, [Bezirk] Potsdam, äußerten: »Nachdem das Wehrgesetz in Westdeutschland eingeführt wurde, wird es nicht mehr lange dauern, dann haben wir ebenfalls ein Wehrgesetz.«
Ein Anschläger vom Wismut-Schacht 249, Objekt 6 in Annaberg,5 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Wir leben hier sehr gut, deshalb können wir der Ratifizierung des Wehrgesetzes nicht untätig zusehen. Unsere Regierung muss unbedingt Maßnahmen treffen zum Schutze des Volkseigentums.« Ein Lehrling der Elbewerft Boizenburg, [Bezirk] Schwerin: »Ich trete in die Volkspolizei ein, um die Errungenschaften der DDR zu schützen.«
Ein Jugendlicher vom VEB LOWA Vetschau, [Bezirk] Cottbus: »Freiwillig gehen wir nicht zur VP. Es sei denn, dass es hier genauso kommt, wie in Westdeutschland.«
Ein etwas größerer Teil der Werktätigen, besonders Angestellte und Intelligenz, verhält sich abwartend und gleichgültig zu politischen Problemen. Interesselosigkeit am politischen und gesellschaftlichen Leben ist im Betrieb Hescho in Hermsdorf,6 [Bezirk] Gera, festzustellen. Bei einer SED-Mitgliederversammlung der Betriebsparteiorganisation erschienen von 110 Genossen nur 18. Bei einer Belegschaftsversammlung waren von 300 Belegschaftsmitgliedern nur 40 anwesend. Verschiedene Kumpel der Bleierzgruben in Freiberg, [Bezirk] Karl-Max-Stadt, bringen zum Ausdruck, dass es die Hauptsache ist, dass bei der Auszahlung das Geld stimmt. Über die anderen Dinge sollen sich andere die Köpfe zerbrechen. Ein Arbeiter vom VEB Kjellberg in Finsterwalde,7 [Bezirk] Cottbus: »Ich gebe keine Stellungnahme ab, denn sonst kommt man noch in die Zeitung. Wenn ich meine wahre Meinung sage, könnte man mich vielleicht einsperren.«
Von einem kleineren Teil der Werktätigen wird in negativer und feindlicher Form diskutiert. Bei verschiedenen dieser Stimmen zeigt sich besonders der Einfluss der westlichen Propaganda. Die Argumente richten sich im Allgemeinen gegen die SU und DDR. Man vergleicht dabei das Wehrgesetz mit der KVP in der DDR, begrüßt die Einführung des Wehrgesetzes in Westdeutschland. Des Weiteren treten auch pazifistische Stimmen auf sowie vereinzelt die Forderung nach »Freien Wahlen«8 und Revidierung der Oder-Neiße-Grenze.
Ein Arbeiter vom VEB Textima in Neustadt, [Bezirk] Gera: »Den Russen ihre Freundschaft zum deutschen Volke geht nicht weiter als bis zum Uran, welches sie bei uns herausholen.«
Ein Arbeiter vom VEB Chemiewerk Lauta, [Bezirk] Cottbus: »Was schimpft ihr alle bloß über das Wehrgesetz, es ist doch ganz logisch, dass sich Westdeutschland schützen und sichern muss. Wir haben ja schon lange die KVP.«
Ein Arbeiter (SED) vom VEB Jenapharm Jena, [Bezirk] Gera: »Es wird manchem jungen Burschen guttun, wenn er einmal an Zucht und Ordnung gewöhnt wird. Für die meisten war die Soldatenzeit eine gute Erziehung.«
Ein Brigadier vom VEB Sodawerk in Buchenau, [Bezirk] Erfurt: »Ich gehe sowieso nicht wieder zum Kommiss.9 Ich habe den Iwan kennengelernt. Ich fasse keine Knarre mehr an, lieber lasse ich mich erschießen.«
Zu Ehren des IV. Parteitages der SED10 wurden in einer Anzahl Betriebe von Arbeitern Kollektiv- und Einzelverpflichtungen übernommen sowie Wettbewerbe organisiert. Ein größerer Teil der Werktätigen aller Schichten erwartet vom IV. Parteitag Vorschläge zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage. Besonders hofft man auf eine größere Preissenkung und auf Abschaffung der Lebensmittelkarten.
Die Kumpel der Wismut in Aue, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, haben bisher zu Ehren des IV. Parteitages der SED 121 Stoßschichten gefahren, bei denen ein Durchschnitt von 139 Prozent erreicht wurde. In der Zentralwerkstatt Kreis Gräfenhainichen, [Bezirk] Halle, erhöhte die Franik-Komplexbrigade11 404 ihre Norm freiwillig um 10 Prozent und die Brigade der »Deutsch-Sowjetischen Freundschaft« um 7 Prozent.
Der Produktionsleiter des VEB Gummiwarenfabrik Brieselang, [Bezirk] Potsdam, reichte einen Verbesserungsvorschlag (Mechanisierung eines Arbeitsvorganges) zu Ehren des IV. Parteitages ein. Jährlich werden dadurch ca. 20 000 DM eingespart.
Sämtliche Braunkohlenwerke des Reviers Senftenberg, [Bezirk] Cottbus, traten am 15.3.1954 zu Ehren des IV. Parteitages der SED in einen Wettbewerb, um die Planrückstände aufzuholen.
Negative Elemente versuchen Unruhe unter die Bevölkerung zu tragen, indem sie Gerüchte über die Abschaffung der Lebensmittelkarten und Erhöhung der Preise verbreiten. Ein Arbeiter vom Elektrostahlgusswerk Leipzig: »Im Juni dieses Jahres fallen die Lebensmittelkarten weg und es soll eine andere Preisregelung kommen. Die Preise werden dann höher sein und die Rentner werden sich wohl kaum noch Butter kaufen können.«
Produktionsschwierigkeiten treten in einigen Betrieben weiterhin in Erscheinung. Ein verstärktes Auftreten von Produktionsschwierigkeiten gegenüber der vergangenen Berichtsperiode war bis auf den Bezirk Cottbus nicht festzustellen. Die Ursachen sind im Allgemeinen Material-, Ersatzteil-, Kohlen- und Waggonmangel, Absatzschwierigkeiten, Fehlen von Aufträgen sowie Planungsmängel. In einigen Betrieben entstanden dadurch Schwierigkeiten in der Erfüllung der Produktionspläne. Teilweise mussten die Arbeiter andere Arbeiten verrichten, welches ihren Verdienst beeinträchtigte. Dadurch wurde die Stimmung in diesen Betrieben negativ beeinflusst.
Infolge des anhaltenden Mangels an Transformatorenöl stehen zzt. im Transformatoren- und Röntgenwerk Dresden Produktionsgüter für ca. 1,3 Mio. DM in den Montagehallen.
Im »Karl-Liebknecht«-Werk Magdeburg12 werden durch die Belieferung mit schlechtem Material laufend Produktionsstörungen verursacht.
Im Kalischacht »Thomas Müntzer«,13 [Bezirk] Erfurt, besteht ein großer Mangel an Schrapperseilen.14 Dadurch kann in nächster Zeit ein Stillstand in der Produktion eintreten.
Im Kreis Hildburghausen, [Bezirk] Suhl, besteht in einigen Betrieben ein Mangel an Kohlen, u. a. im VEB Porzellanwerk in Kloster Veilsdorf.
Waggonmangel besteht in dem Zementwerk Karsdorf, [Bezirk] Halle. Die Zementmühlen mussten ihre Arbeit einstellen, da die Silos mit Zement überfüllt sind. Wichtige Exportaufträge sind dadurch gefährdet.
Auftragsmangel besteht im VEB Stahlbau Niesky, [Bezirk] Dresden. 15 Arbeiter mussten aus diesem Grunde entlassen werden.
Durch Planungsfehler werden im LEW Hennigsdorf,15 [Bezirk] Potsdam, im März und im April Produktionsschwierigkeiten entstehen. Die Isolierstofffabrik hat nicht genug Glimmer aus der SU und aus Indien erhalten und der Lackfabrik fehlen Leinöl aus England und Holzöl und Schellack aus China.
Unzufriedenheit besteht bei Arbeitern einiger Betriebe in Lohn- und Normenfragen, bei Prämien sowie über unzureichende Verteilung von Ferienplätzen des FDGB. Dafür folgende Beispiele:
Im VEB Kraftverkehr Kyritz, [Bezirk] Potsdam, sind die Kraftfahrer gegen die Einführung des Zweischichtensystems, da sie dadurch einen finanziellen Verlust von ca. 200 DM monatlich haben würden. Einige Kraftfahrer äußerten dazu: »Wir legen die Arbeit nieder, wenn diese Neuregelung eingeführt wird.«
In den volkseigenen Bau-Betrieben des Kreises Belzig, [Bezirk] Potsdam, kündigen laufend Bauarbeiter. Sie begründen es damit, dass in Privatbetrieben die Löhne höher sind, die Materialversorgung besser sei und die Normen nicht so hoch seien.
In den Rathenower Optischen Werken, [Bezirk] Potsdam, wird immer noch negativ über die Verteilung der Jahresprämie 1953 diskutiert. Ein Teil der Intelligenz ist darüber verärgert, dass die Leiterin der Reinemachefrauen 300 DM Prämie erhielt und ein Konstrukteur nur 100 DM. Zwei Konstrukteure gaben ihre Prämien zurück.
Missstimmung herrscht unter den Arbeitern des VEB IFA-Werk »Ernst Grube« in Werdau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, da sie die hohen Prämien der Intelligenz (bis zu 2 000 DM) als ungerecht empfinden.
Beim VEB Bremsbelag Coswig, [Bezirk] Dresden, haben sich 235 Arbeiter für die Ferienplätze eingetragen, jedoch hat der Betrieb nur 105 Plätze erhalten. Ein Arbeiter sagte dazu: »Die Preise für Ferienplätze sind billiger geworden, aber dafür sind gleich wieder weniger Plätze vorhanden.«
Erkrankungen: In der Zeit vom 9.3. bis 12.3.1954 traten in fünf Betrieben der Bezirke Cottbus, Dresden und Karl-Marx-Stadt eine Anzahl von Erkrankungen auf. Wie aus diesen Bezirken berichtet wird, ist die Ursache der Erkrankungen vermutlich im Werkküchenessen zu suchen. Die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen.
Im VEB Fimag in Finsterwalde, [Bezirk] Cottbus, erkrankte vom 9. zum 10.3.1954 ein Teil der Belegschaft an Brech- und Darmdurchfällen. Von der ersten Schicht erkrankten 245 Arbeiter. Ursache: Vermutlich minderwertiges Fleisch im Werkküchenessen.
Im VEB Riosana (Miederwarenfabrik) Karl-Marx-Stadt erkrankten am 10.3.1954 57 Kollegen an Darmdurchfällen nach dem Genuss des Mittagessens.
Im VEB Modul Karl-Marx-Stadt16 erkrankten am 12.3.1954 200 Kollegen nach dem Genuss des Mittagessens. Die Zahl der im Krankenhaus liegenden Kollegen hat sich von 30 auf 95 erhöht. Ein Kollege ist verstorben. Durch die hohe Zahl der Erkrankten ist die Erfüllung des Betriebsplanes gefährdet.
Im VEB Femeta17 und im Privatbetrieb Ohmann in Großschönau,18 [Bezirk] Dresden, erkrankten am 12.3.1954 51 Personen, davon 45 im VEB, nach der Einnahme des Mittagessens in der HO-Gaststätte in Großschönau.
Landwirtschaft
Allgemein sind die Diskussionen zu politischen Fragen zurückgegangen. Diskussionen über die Viermächtekonferenz sind fast nicht mehr in Erscheinung getreten. Über die Wehrgesetzdebatte haben die Diskussionen etwas zugenommen. Der Umfang dieser Diskussionen ist jedoch im Verhältnis zur Industrie gering. Der größte Teil dieser Stimmen ist positiv. Meist äußern sich fortschrittliche Kräfte, Angehörige der MTS, LPG und werktätige Bauern. Sie verurteilen die Einführung eines Wehrgesetzes, weil es dazu dient, einen neuen Krieg vorzubereiten und die alten Zustände wiederherzustellen. Einzelne Stimmen verlangten in diesem Zusammenhang eine verstärkte Sicherung der DDR. Ein werktätiger Bauer (DBD) aus Oberthau,19 [Bezirk] Halle: »Früher haben wir als Hof- und Waldarbeiter gearbeitet, heute sind wir selbstständig. Es wäre traurig, wenn wir das Land wieder an die Großgrundbesitzer abgeben müssten. Darum müssen wir unsere Heimat verstärkt schützen gegen die westlichen Kriegstreiber.«
Negative bzw. feindliche Stimmen wurden nur ganz vereinzelt bekannt. Sie stammen aus allen Schichten der Landbevölkerung, besonders jedoch von Großbauern. In diesen Diskussionen wird zur Wehrgesetzdebatte eine zustimmende Haltung eingenommen. Dabei werden verschiedene Argumente dafür vorgebracht. Besonders wird gesagt, dass in der DDR ebenfalls gerüstet wird und sich Westdeutschland deshalb schützen muss. Weiterhin wird ein Vergleich gezogen zwischen der KVP und den westdeutschen Söldnertruppen und beides gleichgesetzt. Einzelne Stimmen erklärten, dass sie lieber für den Westen kämpfen würden als für die DDR.
Ein Neubauer aus Falkenwalde, [Bezirk] Neubrandenburg: »Die KVP ist genau dasselbe wie die Wehrpflicht in Westdeutschland. Man sollte nicht sprechen, dass drüben den Bauern das Land weggenommen wird, um Flugplätze zu bauen. Bei uns ist genau dasselbe.«
Ein Einzelbauer aus Falkenberg,20 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Wenn wir rüsten, dann muss der Westen auch rüsten, denn die drüben denken ja ebenfalls, dass sie überfallen werden von uns.«
Eine Großbäuerin aus Breiteiche, [Bezirk] Magdeburg: »Wenn bei uns auch das Wehrgesetz in Kraft tritt, schicke ich meinen Sohn lieber nach Westdeutschland, denn es ist besser, wenn er drüben kämpft.«
Zu Ehren des bevorstehenden IV. Parteitages der SED sind in geringem Maße wirtschaftliche Verpflichtungen von LPG und werktätigen Einzelbauern bekannt geworden. Die LPG »Rosa Luxemburg« in Blauenthal, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, will 2 000 Liter Milch über den Plan abliefern. Ein LPG-Bauer aus Priborn, [Bezirk] Neubrandenburg, will sein Ablieferungssoll an tierischen Produkten bis zum 1.6.1954 erfüllen.
Diskussionen über wirtschaftliche Probleme, besonders über die Frühjahrsbestellung, stehen bei der Landbevölkerung im Vordergrund. Hauptpunkte dabei sind: Beschaffung von Saatgut, besonders Saatkartoffeln, Düngemitteln, Futtermitteln und etwas geringer Ersatzteile für landwirtschaftliche Maschinen und Geräte. Diese Mängel verursachen Unzufriedenheit unter der Landbevölkerung. Mangel an Saatkartoffeln herrscht in den Kreisen Angermünde, Bad Freienwalde, Eberswalde und Beeskow, [Bezirk] Frankfurt/Oder, worüber die Bauern missgestimmt sind. Für die LPG im Kreis Rathenow, [Bezirk] Potsdam, fehlen noch ca. 4 500 dz Saatkartoffeln.
In fast allen Kreisen des Bezirkes Magdeburg werden Beschwerden über Mangel an Dünge- und Futtermitteln geführt. Ein Bürgermeister aus Zollchow erklärte hierzu: »Was nützen die Kampfpläne, wenn kein Dünger vorhanden ist. Wir haben Pflichten und verlangen auch unser Recht.«
Dem Bezirk Cottbus wurden 72 Waggon Kainit-Dünger gestrichen, ohne dass eine Erhöhung in anderen Arten erfolgte, wodurch sich ein Düngermangel ergibt.
In sämtlichen VEG des Landkreises Leipzig mangelt es an Futtermitteln. In fast allen Kreisen des Bezirkes Magdeburg werden Beschwerden über Mangel an Futtermitteln geführt.
Verschiedenen Bauern des Kreises Hagenow, [Bezirk] Schwerin, ist der Viehhalteplan zu hoch, da die Futtergrundlage nicht gesichert ist.
In der Berichtsperiode zeigt sich vereinzelt eine Wühlarbeit der Großbauern, die sich vor allem gegen die LPG richtet. Dabei benutzen Großbauern des Öfteren Versammlungen, wo sie offen gegen die LPG und die DDR hetzen. Weiterhin versuchen Großbauern ihren Einfluss unter den Klein- und Mittelbauern zu verstärken und sie gegen die LPG und MTS zu beeinflussen. Verschiedentlich unterstützen sie deshalb werktätige Einzelbauern mit Maschinen und Geräten.
In einer Versammlung äußerte ein Großbauer aus Zschernitz, [Bezirk] Leipzig: »Ich kenne die Kolchosen, in Russland will niemand etwas davon wissen, so wird es auch bei uns in der LPG werden.«
Ein Großbauer aus Frähna,21 [Bezirk] Leipzig, sagte zu Genossenschaftsbauern: »Na, wartet nur, der 17. Juni [1953] ist zwar missglückt, aber es kommt ein neuer.«
Ein Großbauer aus Rohrberg, [Bezirk] Magdeburg, lieh an Kleinbauern Geräte gegen Arbeitsleistung aus und versucht damit, sie für sich zu gewinnen. Ein Großbauer aus Hartmannsdorf, [Kreis] Dippoldiswalde, [Bezirk] Dresden, stellt Kleinbauern kostenlos seine Traktoren für die Feldbestellung zur Verfügung.
Ein Großbauer aus Waltersdorf, [Bezirk] Potsdam, sagte zu einem Kleinbauern: »Wenn ich allein wirtschafte, ohne Mitglied der LPG zu sein, komme ich besser zurecht. Ich habe mir schon einen IFA-Pkw kaufen können.«
Bevölkerung
Während der Berichtsperiode wurden Stimmen zur Viermächtekonferenz nur noch ganz vereinzelt bekannt. In den Mittelpunkt der Diskussionen über politische Tagesfragen trat die Wehrgesetzdebatte in Westdeutschland. Die in geringem Maße bekannt gewordenen Stimmen waren meist positiv. Besonders von Hausfrauen wurde gegen die Einführung der Wehrpflicht in Westdeutschland Stellung genommen, da sie darin die Grundlage eines neuen Krieges sehen. In diesem Zusammenhang wurde des Öfteren die Frage, »wie wird unsere Regierung darauf reagieren«, aufgeworfen. Vereinzelt, meist von fortschrittlichen Kräften, werden Gegenmaßnahmen erwartet. Eine Hausfrau aus Frankfurt/Oder: »Es ist eine Schande, dass in Westdeutschland junge Menschen zu einem schmutzigen Krieg in eine Söldneruniform gepresst werden sollen.«
Nur vereinzelt wurden pazifistische Äußerungen, z. B.: »Nie wieder ein Gewehr in die Hand zu nehmen«, bekannt. Ebenso wurden auch negative Äußerungen, worin sich der Einfluss der westlichen Hetzsender widerspiegelt, nur vereinzelt bekannt. Meist waren es kleinbürgerliche Elemente, die zum Ausdruck brachten, dass in der DDR schon lange eine Wehrmacht in Form der KVP besteht, oder: »Der Jugend kann eine Wehrpflicht nicht schaden, da lernt sie Ordnung und Disziplin.« Ein Gewerbetreibender aus Suhl: »Es ist kein Grund vorhanden, über die Einführung der Wehrpflicht in Westdeutschland zu schimpfen, denn wir haben doch auch die KVP.«
Stärker wurde während der Berichtsperiode über persönliche und wirtschaftliche Belange diskutiert. In diesem Zusammenhang mehrten sich die Stimmen, die mit dem IV. Parteitag eine weitere Verbesserung unserer Lebenslage erwarten. Zum Teil rechnet man mit einer Preissenkung oder mit dem Wegfall der Lebensmittelkarten. Verschiedentlich wird befürchtet, dass bei Aufhebung des Markensystems eine Angleichung an die HO-Preise erfolgt. Vereinzelt wird dies auch als Gerücht verbreitet. Eine Hausfrau aus Zöblitz, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Wenn die Lebensmittelkarten wegfallen und eine Angleichung an die HO-Preise erfolgt, ist uns gar nicht geholfen. Da sollen die Marken lieber bleiben.«
Feindliche Stimmen, die sich gegen die DDR oder gegen die SU richten, wurden nur vereinzelt bekannt. Die Argumentation dieser feindlichen Elemente ist sehr unterschiedlich. Nachfolgend einige Beispiele:
In Altgolßen,22 [Bezirk] Cottbus, äußerte ein Lehrer: »Die Menschen werden bei uns bis auf die Knochen ausgesaugt. Die Ausbeutung ist größer als im Kapitalismus. Die Wut der Bevölkerung gegen die Regierung nimmt zu. Im März soll ein neuer 17. [Juni 1953] kommen, der weit gefährlicher sein wird.«
Ein Förster aus Altstrelitz,23 [Bezirk] Neubrandenburg: »Es wird höchste Zeit, dass der Westen uns befreit, damit hier aufgeräumt werden kann.«
In Meuselwitz, [Bezirk] Leipzig, brachte ein Angestellter eine feindliche Einstellung zum Ausdruck, indem er äußerte: »Bald hat die SED nichts mehr zu sagen, da bestimmen wir selbst.« Die gleiche Person äußerte am 17.6.1953: »Jetzt werden Köpfe rollen und Blut wird fließen.«
In Hadmersleben, [Bezirk] Magdeburg, äußerte ein Neubürger:24 »Meine Heimat ist nur mit der Waffe zurückzuerobern. Ich wäre als Erster dabei.«
Bemerkenswert ist die zunehmende Aktivität der Kirche. Neben der Hetze einzelner Pfarrer gegen unsere demokratische Ordnung, ist zu verzeichnen, dass man versucht, unter der Bevölkerung, besonders unter der Jugend, größeren Einfluss zu gewinnen.
In der Gemeinde Baumgarten, [Bezirk] Schwerin, gründete ein Pfarrer eine evangelische Frauengemeinschaft. Dadurch wird die Ortsgruppe des DFD zersplittert.
In Woltersdorf, [Bezirk] Frankfurt/Oder, versucht der Pfarrer die Jugendlichen dadurch zu gewinnen, indem er anschließend an den Religionsunterricht Bastel- und Gesangsstunden durchführen lässt.
In der Gemeinde Grünhain, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, hetzte ein Pfarrer gegen unsere Regierung, indem er in einer Predigt sagte: »Beten wir für unser deutsches Vaterland, dass wir bald eine neue Regierung bekommen, die uns im Glauben zu Gott erzieht.«
Feindtätigkeit
Die Anzahl der in der DDR eingeschleusten Hetzschriften hat sich in [der] 1. Märzhälfte mit 357 000 gegenüber der 2. Februarhälfte mit 1 197 500 wesentlich verringert. Schwerpunkte bilden die Bezirke Potsdam (142 700), Suhl (52 000), Frankfurt/Oder (43 000) und Dresden mit 35 900. Die Hetzschriften wurden meist durch Ballons eingeschleust und fast ausschließlich gebündelt oder durch Suchkommandos sichergestellt.
Der größte Teil dieser Flugblätter wurde vom NTS,25 des Ostbüros der SPD und des Ostbüros der CDU,26 der KgU27 und dem UfJ28 herausgegeben.
NTS: Hetze gegen die SU – Zersetzung der Roten Armee, Aufforderung zum Desertieren.
SPD: Hetze gegen Funktionäre der Partei, Regierung, sowie SfS und VP. »Langsam arbeiten« – Hetze gegen die Vorschläge des Genossen Molotow29 – »freie Wahlen«.
KgU: Hetze gegen Funktionäre der Partei und der Regierung, »Sinnvoller Widerstand« – »Freie Wahlen« – Namen und Adressen von Angehörigen des SfS (Neustrelitz).
CDU: Hetze gegen die Viermächtekonferenz und gegen den Genossen Molotow – »Freie Wahlen«.
UfJ: Hetze gegen die Regierung der DDR und gegen die SU. Anleitung zu ungestörtem Rundfunkempfang.
Antidemokratische Schmierereien und Handlungen (Zerstören von Plakaten und Anschmieren von Hakenkreuzen und Hetzparolen) wurde vereinzelt aus den Bezirken Suhl, Cottbus, Dresden, Neubrandenburg, Magdeburg und Rostock berichtet.
Diversionsakte wurden in fünf Fällen bekannt. Davon entfallen auf Industriebetriebe: Bezirk Karl-Marx-Stadt zwei, Leipzig einer und Dresden einer. Auf die Eisenbahn ein Fall im Bezirk Gera.
Terrorhandlungen wurden zwölf bekannt. Davon entfallen auf die Bezirke Rostock vier und Dresden drei und auf die Bezirke Potsdam, Suhl, Neubrandenburg und Halle je eine. Bei den Betroffenen handelt es sich um sechs VP-Angehörige, zwei Funktionäre der SED, zwei Mitglieder der SED, einen BGL-Vorsitzenden und in einem Falle wurden Steine in eine LPG-Versammlung geworfen.
Vermutliche Brandstiftungen wurden fünf in der Landwirtschaft bekannt. Davon entfallen auf die Bezirke Potsdam, Neubrandenburg und Halle je eine und auf den Bezirk Dresden zwei. Betroffen wurden in vier Fällen werktätige Einzelbauern und in einem Falle (Bezirk Dresden) eine LPG.
Anlage (o. D.) zur Analyse für die Zeit vom 1. bis 15.3.1954
Auszüge aus den Hetzreden der Westsender in der Berichtsperiode
In den letzten 14 Tagen richten die westlichen Sender RIAS, Hamburg,30 Südwest-Funk und London31 ihre Hetze besonders gegen die SED. Damit will man das Klassenbewusstsein der Arbeiter abschwächen, Zweifel und Misstrauen in die Partei säen, vor allem aber Menschen für neue Putsch-Versuche gewinnen.
Eine Sendung des RIAS, »Überholte Klassentheorie in der SED«, richtet sich z. B. gegen die theoretischen und ideologischen Grundlagen der Partei. So wird u. a. gesagt: »Im wahrsten Sinne kann heute von einer Arbeiterklasse, überhaupt von Klassen, keine Rede mehr sein.« In diesem Zusammenhang wird die Lehre von Marx und Engels als veraltet bezeichnet. »Es gibt auch keine sozialen Fragen im Sinne der marxistischen Klassen-Theorie mehr. Den Arbeitern geht es in der Regel gut, zumindestens so gut, dass er eine Erfüllung weiterer Wünsche nicht auf dem Umweg, über den Sturz der bestehenden Ordnung anstrebt, denn damit würde er die Errungenschaften der letzten Jahre und Jahrzehnte gefährden, nicht aber erweitern.«
Nachdem man zu beweisen versucht, dass die Arbeiterschaft gar nicht interessiert sei, die Herrschaft zu übernehmen, heißt es: »Sie wollen nicht die Macht für die Minderheit, sondern Demokratie für alle. Es ist kein Zufall, dass am 17.6.1953 nicht Arbeiterräte gebildet wurden, die versuchten, die Diktatur der Funktionäre durch eine Diktatur des Proletariates abzulösen, obwohl der Aufstand von den Arbeitern ausging. Man forderte freie Wahlen.«
In einer anderen Sendung des RIAS, »Innerparteiliche Schwierigkeiten der SED«, wird erklärt: »Die Stimmung, mit der die Masse der SED-Mitglieder dem IV. Parteitag entgegensieht, ist nicht die allerbeste. Sie steht im bemerkenswerten Gegensatz zu den forschen Losungen und optimistischen Aufsätzen, die man darüber in der Parteipresse findet. Was sich auf der Konferenz, der Kreisdelegierten- und auf den Bezirksdelegiertenkonferenzen, an Funktionären zusammenfand, stellte unbewusst diese vorbereitenden Tagungen unter das Motto: Wir sind noch einmal davongekommen.«
Über die Entlarvung parteifeindlicher Elemente heißt es: »Man geht nicht fehl in der Annahme, dass all diese Parteiausschlüsse ihre Ursache letzten Endes in den Ereignissen des 17.6.1953 hat [sic!]. Am 17.6.[1953] hat die Leitung der SED erleben müssen, wie der große Haufen ihrer Parteigenossen, sowie er zusammengelaufen war, auch wieder auseinanderlief.«
»Die einzigen, die sich schützend vor das Ulbricht-Regime32 stellten, waren die Panzer der Besatzungsmacht. … die kleinen Funktionäre waren damals bereit, noch schneller abzuspringen als die NSDAP-Blockwärter 1945. … In die SED tritt man nur ein, um etwas zu werden bzw. seinen Posten zu halten.«
In einer Hetz-Sendung des RIAS, »Stimme Amerikas«, wurde u. a. gesagt: »Was hat so ein mittlerer oder auch höherer SED-Funktionär eigentlich von der Zukunft zu erwarten? … die Untertanen und Opfer der kommunistischen Diktatur können und dürfen auf den Tag warten, an dem der ganze Spuk verflogen sein wird. Für die heutigen Nutznießer dieses Systems aber wird dies der Tag der Abrechnung und des Gerichtes sein.«
Zum Vorschlag des abgeänderten Parteistatutes wird u. a. in einer Sendung des RIAS gesagt:33 »Das Statut hat mit einer demokratischen Partei nichts mehr, auch nicht im entferntesten Ähnlichkeit. Zentralisierung und Kasernenhof-Disziplin sind die Mittel, mit denen die Genossen bei der Stange und einsatzfähig gehalten werden für die Unternehmungen, die sich in den Diskussionen der Kreis- und Bezirks-Delegiertenkonferenzen schon abgezeichnet haben. … Die Politik der II. Parteikonferenz soll auf der ganzen Front wiederbelebt werden,34 nur mit einem Unterschied. Nicht so sichtbar mit Terror und Gewalt, nicht so sichtbar mit der Volkspolizei, die den säumigen Bauern gleich mitnimmt, nicht so ungeschickt wie seinerzeit die Normenerhöhung durch administrativen Beschluss, aber eben doch mit erhöhtem Druck. … So ist es kein Wunder, dass bei uns wieder Meldungen einlaufen, die eigentlich nicht in das Bild der Ära des neuen Kurses passen.35 Es herrscht in diesen Tagen in vielen Betrieben der Zone schon wieder eine ziemliche Unruhe, und in einem Betrieb, dem VEB Lowa in Bautzen, musste sogar schon wieder die Volkspolizei eingesetzt werden.«
In der Sendung des RIAS, »Wissen und Wahrheit«, wird neben einer allgemeinen Geschichtsbetrachtung u. a. hervorgehoben: »Die Geschichte zeigt, dass jede staatliche Machtanmaßung immer nur bis zu einem bestimmten Punkt vorhält. Dann setzt nach der Art eines Pendels die Gegenbewegung ein. Hier und dort finden sich einige zusammen, die das Vordringen des Staates immer unerträglicher empfinden, die kleine Gruppen bilden und schließlich als Nervenzentren des Freiheitsgedankens, der mit wachsender Geschwindigkeit um sich greift, die Anmaßung, staatliche Macht einzudämmen und zurückzudrängen, versuchen. Das kann in den verschiedenen Formen und mit den mannigfaltigsten Mitteln geschehen. Es kann vom passiven Boykott behördlicher Anordnungen bis zur offenen Rebellion greifen. Es kann in der Studierstube eines Gelehrten oder in der Fabrik seinen Ausgang nehmen. Der 17.6.1953 ist ein modernes und geläufiges Beispiel zu dem Beginn einer solchen Gegenbewegung.«
In mehreren Hetzsendungen des RIAS, Hamburg und Südwest-Funk wurde über angebliche Verhaftungswellen in der DDR gesprochen. So heißt es z. B. in den Nachrichten des Hetzsenders Hamburg: »In Chemnitz, Magdeburg und Erfurt sind in der vergangenen Woche 60 Personen festgenommen worden, weil sie sich auf Massenkundgebungen der SED gegen das Regime in der Sowjet-Zone gewandt haben. Den Festgenommenen wurde in allen Fällen Aufwiegelung der Werktätigen vorgeworfen. Es gibt eine Reihe von weiteren Zeichen, dass eine groß angelegte Aktion des SSD gegen angebliche Agenten in Mitteldeutschland bevorsteht.«
In einer Sendung des Hamburger Rundfunks, »SED auf Bauernfang«, wird besonders zum IV. Deutschen Bauerntag Stellung genommen bzw. gehetzt: »Von den für 1954 angekündigten Aufhebungen des Rationierungssystems ist keine Rede mehr … Neben der ungenügenden Versorgung mit Saatgut und Düngemitteln, der unzulänglichen Arbeit der Maschinen- und Traktoren-Stationen sowie zahlreicher Fehlplanungen war es vor allem die Massenflucht der in ihrer Existenz bedrohten Bauern, die das Kommunistische Agrar-System zum Scheitern brachten. … Der sowjetzonale Ministerpräsident ging dabei so weit, die Flüchtlinge zur Rückkehr in die DDR aufzufordern. Es ist dies das erste offizielle Eingeständnis, dass gerade die Bauernflucht der Wirtschaft der Sowjetzone ungeheuren Schaden zugefügt hat. … außer unverbindlichen, schönen Worten, hat die SED den Bauern der Sowjetzone kaum etwas zu bieten.36 … bezeichnend für die Stimmung auf dem Lande ist, dass der kommunistischen Politik nach wie vor das größte Misstrauen entgegengebracht wird.«
In einer Sendung des RIAS, »Landfunk«, heißt es u. a.: »Die Partei kann sich, um den Lebensstandard zu heben, nicht erlauben, dass ein Druck auf die Bauern ausgeübt wird. … Die Bauern der Zone haben also die Möglichkeit, sich einer weiteren Kollektivierung auf jeden Fall zu entziehen. Sie haben außerdem die Möglichkeit, die Agitatoren unverrichteter Dinge abblitzen zu lassen.«
In einer Sendung des RIAS, »Sonntagmorgen auf dem Lande«, wurde u. a. Folgendes erklärt: »Jener verhängnisvolle und unglückselige Aufbau des Sozialismus taucht wieder in den Zeilen der SED-Blätter auf.37 Von einer Verschärfung des Klassenkampfes ist wieder die Rede und der Unterschied zwischen Produktionsgenossenschaften, kleineren und größeren selbstständigen Bauern wird wieder betont, wie vor dem 17. Juni [1953] … Aber Hilde Benjamin38 hat heute mehr Einfluss auf die Justiz, als vor dem 17.6.1953 – und kein Mensch glaubt daran, dass der Gerechtigkeitssinn der Roten … auch nur um ein Quäntchen zugenommen hat.«39
Ähnlich wie in der Landwirtschaft versucht der Gegner in der Industrie und dem Transportwesen auf teilweise bestehende Material- und Ersatzteil-Schwierigkeiten hinzuweisen. In diesem Zusammenhang wird zu beweisen versucht, dass es unmöglich ist, den neuen Kurs zu verwirklichen. So wird z. B. in einem Kommentar des RIAS gesagt: »Alle diese Verbesserungen sollten in erster Linie einem Zweck dienen, Steigerung der Massenbedarfsgüter, Befriedigung des notwendigen Bedarfs der Bevölkerung mit Gebrauchsgütern. … nun wie weit ist das verkündigte Programm heute? Im IFA-Werk40 ist seit 14 Tagen nicht mehr möglich, die Produktion aufrechtzuerhalten. … Die VEB Spinnerei in Betzdorf41 kann die festgesetzte Quote an Textilien nicht einmal annähernd liefern. … Von gehobenen Bedürfnissen war also nur im Dezember die Rede.«
In einer Sendung des RIAS, zur »Volkspolizeiwerbung«,42 wird gesagt: »Bereits vor einer Woche, am 25. und 26. Februar 1954, tagte im Haus des Zentralrates das Zentralsekretariat der FDJ und beschäftigte sich nur mit der Werbung zur kasernierten Volkspolizei, unter Berücksichtigung der nach der Außenministerkonferenz entstandenen Lage. … Nach dem Werbeschlüssel, der beschlossen wurde, sollen zukünftig nicht mehr als 40 Jugendliche unter 25 Jahren auf je 100 Arbeiter in den Großbetrieben kommen dürfen. Die Betriebsleitungen werden von den Arbeitsverwaltungen angewiesen, alle die Jugendlichen zu nennen, die in ihren Produktionsleistungen hinter den aktiven zurückbleiben. Die Betriebsleiter erhalten den Auftrag, neue Wettbewerbe auszuschreiben, um so sehr schnell die verlangten Angaben liefern zu können. Alle Betriebe mit mehr als 1 000 Arbeitern erhalten auf Beschluss des Zentralsekretariats der FDJ hauptamtliche Werbekommissionen mit drei bis höchstens fünf Mitgliedern. … es wurde ein langfristiger Plan aufgestellt, dessen Endziel zunächst für das Deutschlandtreffen Pfingsten 195443 gesteckt ist. Zu diesem Zeitpunkt soll der Zentralrat der FDJ auf einer großen, gemeinsamen Veranstaltung mit der kasernierten Volkspolizei einen Rechenschaftsbericht über die Erfolge der Werbekampagnen abgeben. Im Anschluss daran sollen nach der Planung KVP und FDJ ein gemeinsames, oberstes Organ der verteidigungsbereiten Jugend bilden.«
Ähnlich wird in der Hetzschrift »Der Tag«44 vom 12.3.1954 gesprochen. Hier heißt es u. a.: »Gleichzeitig wird durch Verbandsbeschluss festgelegt, dass jedes FDJ-Mitglied, das an einer GST-Ausbildung teilgenommen hat,45 von seiner GST- und FDJ-Grundeinheit gemeinsam zur kasernierten Volkspolizei ›delegiert‹ werden muss. Eine Ablehnung dieser ›Delegierung‹ soll als ›feindliche Auffassung‹ angesehen und mit dem Ausschluss aus der FDJ bestraft werden. Somit wird auf dem kommenden Deutschlandtreffen die Voraussetzung dafür geschaffen, dass jeder Jugendliche, zwischen dem 17. und 18. Lebensjahr, je nach dem Grad seiner beruflichen und vormilitärischen Ausbildung, ohne die sonst notwendige Verständigung einer Wehrpflicht zur KVP eingezogen werden kann.«46