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Analyse vom 16. bis 28. Februar 1954

11. März 1954
Analyse vom 16. bis 28. Februar 1954 [Nr. 4/54]

Industrie

Viermächtekonferenz1

Die nach Aufnahme des 3. Tagesordnungspunktes einsetzende Interesselosigkeit an der Viermächtekonferenz nahm nach Abschluss der Konferenz weiter zu und stieg bis Ende Februar ständig weiter an.2 Dies zeigt sich u. a. darin, dass die Diskussionen über die Konferenz und ihr Ergebnis ständig nachließen und jetzt nur noch vereinzelt geführt werden. Diskussionen über betriebliche Fragen treten wieder mehr in den Vordergrund. So diskutiert im VEB FIMAG in Finsterwalde, [Bezirk] Cottbus, nur noch ein geringer Teil der Kollegen über die Viermächtekonferenz, während ein großer Teil der Kollegen sich nur über die Sport-Toto unterhält. Im VEB Böhlen,3 [Bezirk] Leipzig, werden die Diskussionen über die Viermächtekonferenz durch Diskussionen über Fragen des Betriebskollektivvertrages verdrängt.

Ein großer Teil der Werktätigen ist enttäuscht, da auf der Konferenz keine Einigung in der Deutschlandfrage erzielt wurde. Nach Abschluss der Konferenz haben sich diese Stimmen weiter vermehrt. Ein Teil zeigt eine abwartende Haltung und hofft, dass die Verhandlungen über Deutschland trotzdem weitergeführt werden. Vereinzelte Stimmen besagen, dass sie keine Hoffnung mehr auf eine Einigung Deutschlands auf friedlichem Wege haben und einen neuen Krieg für unabwendbar halten. Ein Arbeiter der Gießerei des VEB Plamag in Plauen, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, sagte: »Die meisten Arbeiter bei uns waren der Meinung, dass es auf der Konferenz zu einem günstigen Ausgang in der Lösung der deutschen Frage kommt. Wir sind aber dabei enttäuscht worden.«

Ein Arbeiter (parteilos) vom VEB Flachglashüttenwerk Uhsmannsdorf, [Bezirk] Dresden: »Die Außenministerkonferenz ist nun erfolglos zu Ende gegangen und jetzt kann man mit einem neuen Krieg rechnen.«

Mit dem Abschluss der Konferenz tritt auch eine politische Interesselosigkeit und Zurückhaltung wieder stärker in den Vordergrund. Dies zeigt sich besonders bei den Angestellten und der Intelligenz. Ein Arbeiter vom Bahnbetriebswerk Senftenberg, [Bezirk] Cottbus: »Die Konferenz interessiert uns nicht mehr, sie hat für uns doch keinen Erfolg gebracht.« Die Intelligenz des VEB Feinmesszeugwerkes Suhl nimmt zu Fragen über die Viermächtekonferenz eine zurückhaltende Stellung ein.

Von einem nicht geringen Teil der Werktätigen, meist Arbeitern, wird zu den Vorschlägen des sowjetischen Außenministers positiv Stellung genommen.4 Die Mehrzahl der Diskussionen war allgemein und ging nicht auf die einzelnen Vorschläge des Genossen Molotow5 ein. Gleichzeitig verurteilte man die ständige ablehnende Haltung der westlichen Außenminister zu den sowjetischen Vorschlägen. Ein Zimmerer von der Volkswerft Stralsund, [Bezirk] Rostock, äußerte: »Der Außenminister der UdSSR hat nichts unversucht gelassen, um die Einheit Deutschlands herbeizuführen. Die westlichen Außenminister schoben dagegen alles auf die lange Bank und wollen eine Wahl unter Besatzungsbajonetten.«

Ein Arbeiter von Siemens-Plania Berlin:6 »Ich kann mich nicht mit den Vorschlägen Dulles7 und Edens8 einverstanden erklären,9 das zielt alles darauf hin, dass der EVG-Vertrag bestehen bleibt.10 Ich habe einen Krieg mitgemacht und möchte keinen zweiten miterleben.«

Ein Teil der Werktätigen sieht die Konferenz trotzdem als einen Erfolg an, da hiermit die westlichen Vertreter zu Verhandlungen gezwungen und sie als wahre Feinde des Friedens und der Einheit Deutschlands entlarvt wurden. Sie bringen dabei verschiedentlich zum Ausdruck, dass jetzt der Kampf um den Frieden verstärkt werden muss, um die Einheit Deutschlands auf friedlichem Wege zu erringen. Ein großer Teil der Kumpel des Kalikombinates »Ernst Thälmann« in Merkers, [Bezirk] Suhl, bezeichnet den Ausgang der Konferenz trotz allem als einen Erfolg der Weltfriedensbewegung. In ihren Diskussionen kommt zum Ausdruck, dass einzig und allein es dem Vertreter der SU zu verdanken ist, dass die Feinde des deutschen Volkes entlarvt wurden. Sie verpflichteten sich, die Kaliproduktion in erhöhtem Maße zu steigern.

Eine Arbeiterin vom Fernmeldeamt Angermünde, [Bezirk] Frankfurt/Oder, sagte: »Ich habe zwar mehr Erfolge für Deutschland und einen dauerhaften Frieden in Europa erwartet. Jetzt müssen wir uns noch mehr in unserem nationalen Kampf einsetzen, damit wir die Einheit Deutschlands doch erreichen.«

Negative und feindliche Stimmen werden von einem kleineren Teil der Werktätigen geäußert. Sie richten sich in der Mehrzahl gegen die SU und DDR, wobei der Einfluss der westlichen Hetzpropaganda sich stark bemerkbar macht. Die Argumente dieser Meinungen sind sehr unterschiedlich. Die Forderungen nach »freien Wahlen«11 nach westlichem Muster und Revidierung der Oder-Neiße-Grenze stehen noch im Vordergrund. Ein Ansteigen der negativen Stimmen nach Abschluss der Viermächtekonferenz ist nicht zu verzeichnen. Ein Arbeiter vom VEB Schuhfabrik »Vorwärts« in Weißenfels, [Bezirk] Halle: »Man soll freie Wahlen durchführen wie in Westdeutschland. Dann würde sich zeigen, wo die SED bleibt.«

Ein Arbeiter vom Kraftwerk Finkenheerd, [Bezirk] Frankfurt/Oder: »Dem Westen schmeißen sie vor, das Potsdamer Abkommen nicht eingehalten zu haben, dabei ist der Russe derjenige, der es zuerst verletzte, indem er die Oder-Neiße-Grenze zur ständigen Grenze machte, obwohl sie in Potsdam nur als vorläufige Grenze festgelegt wurde.«12

Eine Brigadierin vom VEB Trikotagenwerk Lübben, [Bezirk] Cottbus: »Aus dem RIAS ist mir bekannt, dass Molotow mit nichts einverstanden ist. Ich könnte ihm am liebsten eins in die Fresse hauen.« Ein Brigadier aus dem Karl-Marx-Werk in Magdeburg: »Man müsste Grotewohl13 den Schädel einschlagen und dann den anderen auch. Man soll eine freie Wahl zwischen Adenauer14 und Grotewohl durchführen. Ich würde dann für Adenauer sein.«

Ein Zugführer vom Bahnhof Oberwiesenthal, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Mit ausländischen Staatsbürgern wie Pieck15 und Ulbricht16 verhandeln keine westlichen Politiker und auch keine deutsch denkende Bevölkerung unseres Landes.«17 Eine Kontrolleurin vom Funkwerk Erfurt: »Wenn die Arbeiter in der DDR ihre Forderungen durchsetzen wollen, muss erst wieder ein 17.6.[1953] kommen. Dann wird alles klappen.«

Die Regierungserklärung vom 24.2.1954 wurde verhältnismäßig wenig unter den Werktätigen diskutiert.18 Die Mehrzahl der bekannt gewordenen Stimmen war positiv. Der größte Teil der Belegschaft des VEB Waggonbau Niesky, [Bezirk] Dresden, begrüßte die Regierungserklärung. Ein Kraftfahrer aus Eisenach, [Bezirk] Erfurt: »Endlich hat Genosse Grotewohl dem Adenauer einmal tüchtig Bescheid gesagt. Ja, wir können eine scharfe Sprache sprechen. Grotewohl hat richtig gesagt, dass Adenauer eine infame Hetze treibt. Dies erkannten aber nur wenige, weil viele noch vom Westen geblendet sind.«

Ein Angestellter aus Langensalza, [Bezirk] Erfurt: »Die Regierungserklärung hat wiederum ganz klar gezeigt, dass unsere Regierung auf der Grundlage der Potsdamer Beschlüsse, die auch die Westmächte unterschrieben haben, die Einheit Deutschlands herbeiführen will.« Ein Arbeiter vom VEB Großkokerei »Mathias Rakosi«: »Grotewohl hat zu scharf gesprochen und er hätte nicht sagen dürfen, dass er Adenauer ganz gewaltig auf die Finger klopfen würde.«19

Produktionsverpflichtungen

In einem Teil der Betriebe wurden von den Arbeitern Einzel- bzw. Kollektivverpflichtungen anlässlich des IV. Parteitages der SED,20 der SED-Bezirksdelegiertenkonferenzen und zur Aufholung der Produktionsrückstände übernommen. So verpflichteten sich im VEB Wurzener Teppichfabrik, [Bezirk] Leipzig, anlässlich des IV. Parteitages der SED 25 Kollegen, ihre Norm freiwillig zu erhöhen.

Zu Ehren der SED-Bezirksdelegiertenkonferenz verpflichteten sich die Kollegen der Feuergasanlage des Braunkohlenwerkes »Glück Auf« im Bezirk Cottbus, ihr Soll von 520 t auf 600 t zu erhöhen, um somit die Planrückstände aufzuholen.

Im VEB Kalikombinat »Marx-Engels« in Unterbreizbach, [Bezirk] Suhl, wurde der Plan im Februar 1954 am 24.2.1954 mit 104 Prozent erfüllt. Gleichzeitig verpflichteten sie sich, den Aufruf des VEB Kalikombinates »Ernst Thälmann« in Merkers, [Bezirk] Suhl, anzunehmen und den Monat März zum »Monat der höchsten Planerfüllung« zu machen.

Produktionsschwierigkeiten

Produktionsschwierigkeiten treten in einigen Betrieben weiterhin in Erscheinung, die hervorgerufen werden durch Rohstoff- und Materialmangel, durch Fehlen von Kohle und Waggons sowie durch Absatzschwierigkeiten. Ein verstärktes Auftreten von Produktionsschwierigkeiten gegenüber der vergangenen Berichtsperiode war nicht festzustellen. In einigen Betrieben führten diese Schwierigkeiten zu Produktionsausfällen, wodurch die Erfüllung der Produktionspläne sowie die der Exportaufträge gefährdet wurden. Die Stimmung der Arbeiter in den betreffenden Betrieben wurde dadurch ebenfalls negativ beeinflusst, da für sie finanzielle Nachteile eintraten.

Im VEB Diamant in Karl-Marx-Stadt21 kam die Produktion durch Materialmangel fast zum Stillstand. Die Arbeiter mussten für andere Arbeiten eingesetzt werden.

In der Gießerei des VEB Nähmaschinenwerk Wittenberge, [Bezirk] Schwerin, bestehen Schwierigkeiten beim Gussbruch. Aufgrund der schlechten Lieferungen lag die Planerfüllung im Januar mit 28 t und im Februar mit 40 t im Rückstand.

Im VEB Blechbearbeitungswerk Zeulenroda,22 [Bezirk] Gera, ist die termingerechte Lieferung der Maschinen für Indien infrage gestellt, da Zulieferbetriebe ihren Termin nicht einhalten.

Im VEB Akkumulatoren- und Motorenwerk Zehdenick,23 [Bezirk] Potsdam, ist die Produktion durch mangelhafte Kohlenlieferung gefährdet.

In der Braunkohlenindustrie des Bezirkes Cottbus besteht Mangel an Waggons. Der Waggongestellungsplan des Reichsbahndirektionsbezirkes wurde am 24.2.1954 nur mit 85 Prozent erfüllt.

In dem VEB Schuhfabrik »Banner des Friedens« in Weißenfels, [Bezirk] Halle, lagern 140 000 Paar Schuhe. Bisher konnten nur 50 Prozent der Produktion an Verkäufer vertraglich gebunden werden. Desgleichen lagern in dem VEB Schuhfabrik Meißen, [Bezirk] Dresden, ca. 15 000 Paar Schweinslederschuhe mit Gummisohle. Sollten diese von den Bestellern nicht abgenommen werden, dann müssen ca. 150 bis 200 Arbeiter entlassen werden.

Unzufriedenheit

Weiterhin besteht in einigen Betrieben Unzufriedenheit bei den Kollegen über Lohnfragen und über die Auszahlung der Prämien. Stärker treten Unstimmigkeiten in Lohnfragen jedoch bei der Reichsbahn, besonders im Bezirk Gera, auf. Bei den Diskussionen über Lohnfragen kann man im Allgemeinen nicht verstehen, warum gleichartige Betriebe verschiedene Lohnsätze erhalten. Bei den Prämienzahlungen spricht man sich gegen die »zu hohen Unterschiede zwischen Funktionären und Arbeitern« aus. Die Beschäftigten der Bau-Union Rostock – Baustelle Oderbrücke Hohenwutzen – sind mit ihrer Lohnzahlung nicht zufrieden, da gleichartige Baustellen anders bezahlt werden als sie.

Bei der Reichsbahn im Bezirk Gera besteht starke Unzufriedenheit wegen schlechter Lohneinstufung. So äußerte ein Schuppenfeuermann vom Bahnhof Saalfeld, [Bezirk] Gera, u. a.: »… erhalte ich einen Lohn der nicht ausreicht, um das zu bezahlen, was ich auf Lebensmittelkarten erhalte. Ich sehe mich bald gezwungen, andere Arbeit zu suchen, denn sonst muss man noch verhungern.«

Unzufriedenheit in der Prämienzahlung besteht im Kompressorenwerk in Gera. Hier erhielten der Werkleiter, der technische Leiter und der kaufmännische Leiter jeder ca. 1 000 DM, während die Arbeiter durchschnittlich ca. 40,00 bis 60,00 DM erhielten.

Zu heftigen Auseinandersetzungen kam es im EKM Finow,24 [Bezirk] Frankfurt/Oder, da nach Ansicht der Arbeiter die Jahresabschlussprämie ungerecht verteilt wurde. Ein Dreher sagte, dass die Summe 17,00 DM für den Einzelnen zu gering sei. In der Abteilung Dreherei lehnten alle Arbeiter die Prämie ab.

Landwirtschaft

Bereits zu Beginn der Berichtsperiode war ein starkes Nachlassen der Diskussionen über die Viermächtekonferenz festzustellen, da in der Deutschlandfrage keine Einigung erzielt wurde. Nach Abschluss der Konferenz machte sich unter dem größten Teil der Landbevölkerung eine gewisse Enttäuschung und politische Uninteressiertheit bemerkbar.

Meist waren es Angehörige der MTS, LPG und fortschrittliche Kräfte auf dem Lande, die noch über die Viermächtekonferenz diskutierten. Von diesem Teil der Landbevölkerung wurde betont, dass die Bemühungen des Genossen Molotow den Interessen des deutschen Volkes entsprechen. Die ablehnende Haltung der Westmächte wurde dagegen verurteilt. In diesem Zusammenhang wurde auch aufgezeigt, dass die Westmächte an der Einheit Deutschlands und am Frieden nicht interessiert sind. Ein Genossenschaftsbauer aus Jahna, [Bezirk] Leipzig: »Wenn auch die Berlin-Außenministerkonferenz uns nicht die Einheit Deutschlands bringt, so besteht ein Erfolg jedoch darin, dass die ganze Welt, vor allem das deutsche Volk, erkannt hat, dass die drei westlichen Außenminister unter Führung des amerikanischen Kapitals, die Feinde der Einheit Deutschlands sind.«

Wie bereits vorstehendes Beispiel zeigt, werten diese Kräfte die Konferenz als einen Erfolg. Oft wird hervorgehoben, dass die Westmächte zum Verhandeln, besonders aber zum Weiterverhandeln, gezwungen wurden (Genfer Konferenz).25

Obwohl die Regierungserklärung vom 25.2.1954 nur sehr wenig diskutiert wurde, war diese für die fortschrittlichen Kräfte richtungsweisend. Teilweise wurde erkannt, dass es notwendig ist, den Kampf um den Frieden und die Einheit Deutschlands zu verstärken. Ein Traktorist der MTS Boddin, [Bezirk] Neubrandenburg: »Otto Grotewohl hat uns in seiner gestrigen Rede gezeigt, welche Ziele die Westmächte, besonders aber Adenauer, verfolgen. Der Kampf ist nicht abgeschlossen. Unsere Aufgabe muss es sein, die Menschen aufzuklären, die noch immer nicht begreifen.«

Stärker treten in der Berichtsperiode wirtschaftliche Fragen, die mit der Frühjahrsbestellung im Zusammenhang stehen, in den Vordergrund. Beschaffung von Düngemitteln, Saatgut, besonders Saatkartoffeln, Ersatzteile für landwirtschaftliche Maschinen und Geräte. Oft macht sich auch eine Futterknappheit bemerkbar. In den Gemeinden Weitersroda und Pferdsdorf, [Bezirk] Suhl, wurde z. B. zum »Tag der Bereitschaft«26 von den werktätigen Bauern geäußert, dass es an vielen Ersatzteilen, wie Wagenreifen, Schraubstollen, Eggenzinken, Pflugscharen usw., fehlt.

Ein Mittelbauer aus Wiesa, [Bezirk] Dresden: »Ich habe noch für eine Woche Heu und Stroh zum Füttern, was ich dann nehmen soll weiß ich nicht. Meine Rinder sind bald zum Umfallen. Ich kann nicht verstehen, dass sich unsere Regierung in der Futterbeschaffung nicht einschaltet.«

Ein Kleinbauer aus Rosengarten, [Bezirk] Rostock: »Im Herbst haben sie uns die letzten Kartoffeln weggenommen und im Frühjahr sollen wir zusehen, woher wir die Saatkartoffeln bekommen. Wenn man keine hat, kann man auch keine in die Erde bringen. Wie soll man aber dann sein Soll erfüllen, wer nicht erfüllt, wird bestraft. Man sollte sich in den obersten Verwaltungen einmal darüber Gedanken machen.«

Auch die negativen bzw. feindlichen Stimmen, die in geringerem Maße in Erscheinung traten, sind etwas zurückgegangen. Großbauern, teilweise Mittelbauern und solche Elemente, die unter deren Einfluss stehen, richteten ihre feindlichen Äußerungen meist gegen die Vorschläge des Genossen Molotow. Obwohl die Argumente (meist Hetze gegen SU und DDR) sehr unterschiedlich waren, standen die Forderungen nach »freien Wahlen«, »freier Wirtschaft« und Revidierung der Oder-Neiße-Grenze (besonders bei Umsiedlern) im Vordergrund. Nach Abschluss der Konferenz zeigt sich, dass besonders Großbauern in ihren Meinungsäußerungen sehr zurückhaltend sind. Demgegenüber versuchen diese Elemente ihren Einfluss unter Klein- und Mittelbauern zu verstärken. Die zzt. stärker in Erscheinung tretenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten (Düngerversorgung, Beschaffung von Saatkartoffeln usw.) werden von diesen Elementen teilweise für ihre Wühlarbeit ausgenutzt. Ein Großbauer aus Ecklingen,27 [Bezirk] Erfurt: »Die Vorschläge Molotows haben alle Hintertüren, um das kommunistische System auf ganz Deutschland zu verbreiten. Warum soll erst eine provisorische Regierung gebildet werden, die Wahlen können ruhig die Besatzungsmächte durchführen helfen.«

Bei einem Agitationseinsatz in Steckby, [Bezirk] Magdeburg, kam zum Ausdruck, dass die Bevölkerung der Gemeinde wünscht, dass die Bezeichnung »Großbauer« verschwindet und die Großbauern als Mittelbauern behandelt werden.28

Ein Großbauer aus Ottenhain, [Bezirk] Dresden: »Man soll Raufutter beschaffen, die werktätigen Bauern wissen bald nicht mehr, wie sie ihr Vieh füttern sollen. Es kommt noch so weit, dass ein großer Teil der Kühe wegen Unterernährung verreckt.«

Im Kreis Pritzwalk, [Bezirk] Potsdam, versuchten Großbauern, Land an LPG zu verpachten oder zu verschenken, um mit einer geringeren Hektarfläche in die LPG aufgenommen zu werden.

In mehreren LPG und MTS wurden Kollektiv- und Einzelverpflichtungen angenommen oder zu Wettbewerben aufgerufen. Anlass zu diesen Selbstverpflichtungen und Wettbewerben waren: »Tag der Bereitschaft«, IV. Deutscher Bauerntag29 und der bevorstehende IV. Parteitag der SED. So wurde z. B. im Kreis Oelsnitz, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, ein Kampfplan erarbeitet, indem sich alle LPG verpflichteten, die Getreide- und Hackfruchternte um 20 Prozent pro ha zu steigern.

Die MTS Hildburghausen, [Bezirk] Suhl, hat alle MTS des Bezirkes zum Wettbewerb aufgerufen. Ziel des Wettbewerbes: vorfristige Frühjahrsbestellung, Erhöhung der Leistung, bessere Bodenbearbeitung und gute agronomische Beratung der Bauern.

Bevölkerung

Eine ähnliche Entwicklung wie in der Industrie und auf dem Lande zeigt sich unter der übrigen Bevölkerung. Bereits mit Beginn des 3. Tagesordnungspunktes ließ das Interesse der Bevölkerung wesentlich nach. Dies zeigt sich besonders in kleinbürgerlichen Kreisen, Handwerkern, Geschäftsleuten und Intellektuellen. Ein größerer Teil der Bevölkerung diskutierte noch positiv über die Vorschläge des Genossen Molotow und verurteilte die ablehnende Haltung der Westmächte in allen Fragen. Meist waren es Hausfrauen, die ein besonderes Interesse an der Erhaltung des Friedens zeigten. So sagte z. B. eine Hausfrau aus Leipzig: »Die Verhandlungen beweisen doch, dass die Westmächte an der Erhaltung des Friedens nicht interessiert sind. Molotow hat genügend Vorschläge gebracht, warum werden diese Vorschläge, die uns den Frieden garantieren, nicht angenommen.«

Nach Abschluss der Konferenz macht sich in allen Schichten der Bevölkerung eine gewisse Enttäuschung und politische Uninteressiertheit bemerkbar, da in der Deutschlandfrage keine Einigung erzielt wurde. Nur noch wenige, meist fortschrittliche und politisch aufgeklärte Personen, diskutierten am Ende der Berichtsperiode über die Viermächtekonferenz. Von diesen Kräften wurde hervorgehoben, dass die Konferenz ein Erfolg war, da die Politik der Westmächte entlarvt und sie zum Weiterverhandeln (Fünfmächtekonferenz) gezwungen wurden. So sagte ein Angestellter der DHZ in Eberswalde, [Bezirk] Frankfurt/Oder: »Die Viererkonferenz war trotz allem ein Erfolg. In wenigen Wochen kommen sie wieder zusammen und ich hoffe, dass die Genfer Konferenz doch zu einem Erfolg führen wird. Wenn auch nicht direkt für uns, so doch für die Erhaltung des Weltfriedens.«

Negative und feindliche Meinungsäußerungen, die meist aus kleinbürgerlichen Kreisen bekannt wurden, traten in der Berichtsperiode nur gering in Erscheinung. In den sehr unterschiedlichen Meinungsäußerungen (meist Hetze gegen die DDR und SU) trat besonders die Forderung nach »freien Wahlen« hervor. Von ehemaligen Umsiedlern wurde besonders die Revidierung der Oder-Neiße-Grenze gefordert.

Ein Arzt aus Letschin, [Bezirk] Frankfurt/Oder: »Eine neue Ordnung ist ganz gut, aber was bringt sie uns? Der Eden-Plan ist der beste. Nimmt man ihn an, wird Ruhe und Frieden geschaffen werden. Eine neue Weltanschauung, ganz gleich wie sie sich nennt, bedeutet genauso Krieg wie die neue Weltanschauung, die Hitler Nationalsozialismus nannte.«

Ein Lederwarenhändler aus Wernigerode, [Bezirk] Magdeburg: »Was steckt Russland seine Nase überall hinein. In allen Ländern wiegelt es seine Kommunisten gegen die Regierungen auf. Wenn wir ein einheitliches Deutschland haben wollen, ist erst einmal notwendig, dass wir wirkliche freie Wahlen haben und nicht solche wie bisher.«

Ein Kreissekretär der CDU aus dem Bezirk Dresden. »Wenn solche Wahlen wie 1950 in der DDR wieder durchgeführt werden sollen, machen die CDU-Abgeordneten nicht mehr mit.«30

Eine Hausfrau aus Ziegra, [Bezirk] Leipzig: »Man kann doch nicht die richtige Meinung sagen. Es werden so viele Leute eingesperrt in der DDR. Es ist gerade wie bei den Nazis.«

Während des Gegenwartsunterrichtes31 in der Berufsschule in Weißwasser, [Bezirk] Cottbus, äußerte ein Maurerlehrling: »Adenauer verschachert Westdeutschland nur auf 50 Jahre, unsere Regierung dagegen Schlesien für immer.«32

Eine Schülerin äußerte: »Am 17.6.[1953] wurde die freie Meinungsäußerung der Arbeiter durch Panzer und Bajonette unterdrückt.«

Feindtätigkeit

Die Anzahl der in die DDR eingeschleusten Hetzschriften ist in der 2. Februarhälfte größer geworden. Insgesamt wurden 1 197 500 Hetzschriften sichergestellt. Demgegenüber in der 1. Februarhälfte (1.–15.2.[1954]) nur 60 000. Diese Hetzschriften wurden meist durch Ballons eingeschleust und fast ausschließlich noch gebündelt sichergestellt. Schwerpunkte bilden die Bezirke Potsdam (1 008 200), Berlin (100 000), Frankfurt/Oder (44 000), Cottbus (30 500) und Dresden (10 100). Der größte Teil dieser Flugblätter wurde vom NTS,33 der SPD,34 KgU,35 VOS36 herausgegeben.

NTS: Zersetzung und Aufforderung zum Desertieren, Hetze gegen SU und Genossen Molotow.

SPD: Hetze gegen Funktionäre von Partei, Regierung, sowie SfS und VP. »Langsamarbeiten« – Hetze gegen die Vorschläge des Genossen Molotow – »freie Wahlen«.

KgU: Hetze gegen Funktionäre der Partei und Regierung und SfS – »Sinnvoller Widerstand«.

VOS: Hetze gegen SU und DDR.

Weiterhin wurden Hetzschriften mit ähnlichem Inhalt von verschiedenen »Komitees«, z. B. »Komitee für freie Wahlen«, »Komitee für Einheit und Frieden« usw. herausgegeben.

Antidemokratische Schmierereien und Handlungen (Hakenkreuze, Losungen »freie Wahlen«, Zerstörung von Plakaten usw.) wurden vereinzelt aus den Bezirken Leipzig, Rostock, Cottbus, Dresden, Gera und Erfurt berichtet.

Terrorhandlungen wurden in zwölf Fällen bekannt, davon sechs aus dem Bezirk Leipzig. In jedem Falle richten sich diese gegen Mitglieder bzw. Funktionäre unserer Partei. Bei den Betroffenen handelt es sich um zwei Funktionäre der SED, zwei Funktionäre der Nationalen Front,37 zwei Funktionäre der FDJ, drei VP-Angehörige, einen Leiter der MTS, einen Vorsitzenden der LPG und einen sowjetischen Offizier.

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