Direkt zum Seiteninhalt springen

Zur Beurteilung der Situation

5. Mai 1954
Informationsdienst Nr. 2198 zur Beurteilung der Situation

Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft

Industrie und Verkehr

Unter den Werktätigen in den Betrieben lassen die Diskussionen über den 1. Mai [1954] weiterhin nach, jedoch stehen sie in einigen Bezirken noch im Mittelpunkt der politischen Fragen. Der größte Teil der Stimmen stammt von Arbeitern und beinhaltet Freude und Anerkennung über den guten Erfolg der Maifeierlichkeiten. Im Zusammenhang hiermit werden Stimmen von westdeutschen Delegierten bekannt, die sich positiv über die Leistungen der Arbeiter unserer volkseigenen Betriebe aussprechen.

Ein Zimmermann aus dem Sägewerk Baruth, [Bezirk] Potsdam: »Der 1. Mai ist für uns Arbeiter schon immer ein besonderer Tag gewesen. Aber gerade in diesem Jahr merke ich, dass sich alle Arbeiter zusammenschließen und entschlossen gegen die Kriegsverträge kämpfen.«1

Ein Betriebsrat aus Westdeutschland, der im VEB Novotex in Greiz, [Bezirk] Gera, mit einer westdeutschen Delegation war: »Wir sind erstaunt, dass wir so offen den Betrieb besuchen und uns frei mit allen Arbeitskollegen unterhalten konnten. Wir hätten nie geglaubt, dass die Arbeiter und besonders die Frauen und Jugendlichen so viel verdienen. Auch die sozialen Einrichtungen innerhalb des Betriebes sind uns etwas Neues.«

Ein Hamburger Arbeiter, der am 1. Mai [1954] im Mineralölwerk Lützkendorf,2 [Bezirk] Halle, war: »Man muss die Leistungen der Kumpels anerkennen, obwohl das Werk durch amerikanische Bomben zu 80 Prozent zerstört war. Wir haben nicht den Eindruck, wie bei uns immer behauptet wird, dass man hier keine freie Diskussion führen kann. Den Eindruck wird aber jeder in Westdeutschland gewinnen.«

Ein westdeutscher Delegierter, der im Betrieb Herko in Sonneberg,3 [Bezirk] Suhl, war, bewunderte die sozialen Einrichtungen des Betriebes. Als eine Kollegin ihren Monatsverdienst bekannt gab, wollten es die westdeutschen Kollegen kaum glauben, da sie durchschnittlich nur 0,83 DM Stundenlohn erhalte. Die westdeutschen Gäste versprachen, ihre Arbeitskollegen über die Erfolge in der DDR zu informieren.

Vereinzelt werden noch Stimmen laut, in denen Verärgerung oder Missbilligung über die Prämierungen ausgesprochen werden. Ein Arbeiter aus dem Kraftwerk Finkenheerd, [Bezirk] Frankfurt/Oder: »Wie kann man bloß einige aus der Verwaltung auszeichnen. Immer wieder verrechnen sie sich mit den Planziffern und machen uns das Leben schwer. Man hat die Prämierungen nach der Nase und nicht nach der Leistung vorgenommen.«

Ein Abteilungsleiter vom Industriewerk Ludwigsfelde, [Bezirk] Potsdam, der prämiert wurde, äußerte: »Wenn meine Leistungen nur 30,00 DM wert waren, verzichte ich auf diese Anerkennung.«

In den volkseigenen Betrieben Bekleidung, IKA Zehdenick4 und Märkische Möbel5 im Kreis Gransee, [Bezirk] Potsdam, erhielten alle Kollegen am 1. Mai [1954] 5,00 DM. Dies rief Unstimmigkeiten unter den Kollegen der anderen Betriebe des Kreises Gransee hervor. Sie verlangten ebenfalls diese Gelder.

Negative Äußerungen wurden nur noch einzelne bekannt. Unter den Arbeitern, die im Stahlwerk Riesa, [Bezirk] Dresden, die durchgehende Arbeitswoche haben, besteht Unzufriedenheit darüber, dass sie den 1. Mai [1954] nicht bezahlt bekommen. Ein Arbeiter äußerte: »Wir sind schon viel schlechter dran als die anderen Arbeiter durch unseren Schichtbetrieb und nun bekommen wir den 1. Mai [1954] noch nicht einmal bezahlt. Das ist unvereinbar mit dem neuen Kurs.«6

Aus dem VEB »Heinrich Rau« in Wildau, [Bezirk] Potsdam, wird bekannt, dass von einem Teil der Kollegen zur Demonstration am 1. Mai [1954] die Transparente im Betrieb zurückgelassen wurden. Man ließ sie mit einem Lastwagen zum Kundgebungsplatz nachbringen.

Die Genfer Konferenz7 steht in einigen Bezirken im Mittelpunkt der politischen Diskussionen. In den bekannt gewordenen Stimmen kommt verschiedentlich zum Ausdruck, dass man auf Entspannung der internationalen Lage hofft. In diesem Zusammenhang begrüßt man die Teilnahme Chinas an der Konferenz. Die Diskussionen werden meist von Arbeitern geführt, weniger von Angestellten und Intelligenzlern.

Ein Werkleiter im VEB Feinprüf Schmalkalden, [Bezirk Erfurt], äußerte: »Wir haben großes Interesse daran, dass eine Entspannung der internationalen Lage auf dieser Konferenz zustande kommt. Es kann und darf deshalb keinen ehrlichen deutschen Patrioten geben, welchem gleichgültig ist, was aus Korea oder Vietnam wird, sondern jeder muss alle Kräfte dafür einsetzen, dass dort der Frieden zustande kommt. Das Beispiel Korea soll uns Deutschen die Augen öffnen, soll uns Kraft und Mut geben, dass [das], was das koreanische Volk erkämpft hat, auch für das deutsche Volk von Bedeutung ist.«

Ein Elektriker des Mischbinderwerkes Karl-Marx-Stadt: »Wenn alle Teilnehmer von dem Willen getragen sind, sich zu einigen, kann ich diese Konferenz nur begrüßen. Ich erwarte, dass die Teilnehmer einen Weg finden, um über alle Fragen zu verhandeln. Ich als Arbeiter möchte nur im Frieden arbeiten.«

Ein Angestellter aus dem VEB Waschgerätewerk Schwarzenberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Der Außenminister der Sowjetunion hat auf der Berliner Außenministerkonferenz den Anlass dazu gegeben, dass die Genfer Konferenz Wirklichkeit wurde.«8

Durch die Abreise des amerikanischen Außenministers kommt klar zum Ausdruck, dass Amerika und die anderen imperialistischen Staaten kein Interesse an der friedlichen Lösung des Deutschlandproblems und der Wiederherstellung des Friedens in der Welt hat.9 Das Zustandekommen der Genfer Konferenz zeigt aber, dass das Friedenslager in der Welt gewachsen und stark ist.

In der Farbenfabrik Wolfen-Bitterfeld, [Bezirk] Halle, diskutiert man über den Verlauf der Genfer Konferenz und hier wird hervorgehoben, dass besonders die Teilnahme Chinas ein großer Erfolg der Friedenspolitik sei. Die Kollegen äußerten, dass auch auf diesem Wege die Deutschlandfrage gelöst werden könnte.

Verschiedentlich hat die Abreise Dulles’10 unter den Arbeitern positive Diskussionen ausgelöst. Ein Arbeiter aus Frankfurt: »Jetzt auf einmal geht es, dass die Vertreter der Volksregierung Indochinas eingeladen werden. Damit sind schon mehr Friedensstaaten als bisher vertreten. Der Ami soll da bleiben, wohin er gefahren ist. Mit England und Frankreich wird Molotow11 schon einig werden.«

Ein Arbeiter aus dem VEB Möbelstoffwerk Hohenstein,12 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Ich hätte nie erwartet, dass Dulles so schnell den Rückzug antritt. Mir wird nun langsam klar, dass das Recht auf der Seite des Weltfriedenslagers ist.«

Ein Kollege aus einem VEB in Suhl: »Die Einberufung der Genfer Konferenz hat die Stärke des Friedenslagers gezeigt. Die Abreise von Dulles zeigt, dass die Kräfte des Friedens stärker als die der Kriegstreiber sind. Dulles kann mit seinen Vorschlägen nichts erreichen, weil er für die Herren des USA-Großkapitals Aufträge zu erfüllen hatte. Ich vertrete die Meinung, dass nunmehr endlich einmal den Menschen die Augen geöffnet werden, die immer noch glauben, dass die USA eine friedliche Politik betreiben.«

In geringem Maße wurden uns pessimistische Stimmen bekannt, diese sind meist von politisch weniger aufgeklärten Arbeitern. Ein Kollege aus der Schwachgasanlage des VEB Gasversorgung in Magdeburg: »Ich habe kein Vertrauen, dass auf dieser Konferenz ein Friedensvertrag mit Korea zustande kommt. Das haben wir ja am besten an unserem Beispiel sehen können, denn auch in der Berliner Konferenz gingen die Amerikaner und ihre Anhänger nicht auf die Vorschläge zur Deutschlandfrage vonseiten des Außenministers Molotow ein.«

Ein Reichsbahnarbeiter aus Frankfurt: »Was man in Genf anstellt, ist nur Hinhaltepolitik. Genauso wenig wie man sich über Deutschland einig werden kann, ebenso werden sie dort wieder auseinandergehen. Da haben alle Demonstrationen keinen Zweck. Obwohl wir am 1. Mai [1954] ›EVG – Nee‹ geschrieben haben, wird die EVG doch kommen. Wir werden nicht danach gefragt, denn die Politiker entscheiden ohne uns.«

Zur Vorbereitung des II. Deutschlandtreffens der FDJ13 wurden aus dem Bezirk Erfurt folgende Stimmen bekannt. Eine Arbeiterin aus dem VEB Westglaswerk in Gräfenroda fordert in einer Diskussion, dass eine bessere Auswahl der Delegierten vorgenommen werden muss als bisher. Sie sagte: »Wenn jeder mit zum Deutschlandreffen fährt, auch solche, die bisher nichts für den Verband getan haben, dann bleibe ich zu Hause. Es macht keine Freude, die Undiszipliniertheit vieler Jugendlicher mit anzusehen.«

Die Einzeichnung in die Teilnehmerlisten geht in den Kreisgebieten Heiligenstadt und Worbis, [Bezirk] Erfurt, sehr schleppend voran.

Einige Jugendliche erhielten bereits Einladungen von der Kirche für verschiedene Treffen der christlichen Jugend in Westdeutschland, die zu Pfingsten stattfinden sollen.

Missstimmung wegen zu niedriger Lohneinstufung besteht unter den Kollegen der Gütekontrolle im VEB Röhrenwerk »Anna Seghers« Suhl. Nach ihrer Meinung müssten sie aufgrund ihrer Verantwortung mindestens eine Lohnstufe höher kommen.

Produktionsschwierigkeiten entstanden in einzelnen Betrieben. Im Kreis Parchim, [Bezirk] Schwerin, bestehen Schwierigkeiten im Ausbau der Baracken für Verwaltungen, da es an Grauguss für Öfen mangelt, der bereits vor einigen Monaten vom VEB Grauguss Ueckermünde geliefert werden sollte.14

Der VEB Stern-Radio Rochlitz, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, sollte im Monat April vom Rundfunkwerk Leipzig 12 000 Lautsprecher erhalten. Bis zum 3.5.1954 wurden jedoch nur 3 000 Stück geliefert. Das zuständige Ministerium wurde hiervon unterrichtet, hat jedoch bisher noch nicht geholfen.15

Im VEB Stärkefabrik Kyritz, [Bezirk] Potsdam, kann die Produktionsauflage für Weizenstärkemehl nicht erfüllt werden, da es an technischen Einrichtungen und Arbeitskräften mangelt. Außerdem sind sämtliche Kredite und Mittel für den Aufkauf von Weizenmehl erschöpft. Vom Ministerium für Nahrung-Genuss,16 das hiervon unterrichtet ist, ist bisher noch keine Klärung erfolgt.

Produktionsstörungen: In der Nacht vom 3. zum 4.5.1954 fielen in der Spinnerei II des Kunstseidenwerkes Premnitz, [Bezirk] Potsdam, 50 Maschinen für 2½ Stunden aus, da eine Viskosepumpe durch Zahnradbruch zum Stillstand kam.17

Im VEB Eisenhüttenwerk Thale, [Bezirk] Halle, Abteilung Behälter- und Apparatebau ist eine Schlagschere zum Schneiden von Kesselblechen ausgefallen, da man mit den Messern Stahl geschnitten hat.

Am 3.5.1954 kam es in der Elektrogasreinigungsanlage des Braunkohlenwerkes Nachterstedt,18 [Bezirk] Halle, zu einer Kohlenstaubverpuffung. Schaden ca. 25 000 DM. Die Untersuchungen über die Ursache werden noch geführt.

Am 4.5.1954 fuhr auf dem Bahnhof Belzig, [Bezirk] Potsdam, wegen vorzeitiger Fahrstraßenauflösung durch den Weichenwärter ein Personenzug auf eine Rangiermaschine, wodurch 18 Personen leicht und drei schwer verletzt wurden.

Am 3.5.1954 stießen im Kreis Hoyerswerda, [Bezirk] Cottbus, zwei Kohlenzüge zusammen. Schaden: ca. 100 000 DM, die Untersuchungen dauern an.

Handel und Versorgung

Der VEAB Neuruppin, [Bezirk] Potsdam, wurde eine Eiersortiermaschine von der Fa. VEB Berliner Schneidemaschinenwerk geliefert, die die Eier nach Gewicht sortiert. Jedoch werden die Untergewichtseier nicht auf das Band sortiert, sondern die Maschine zerquetscht die Eier von der Seitenwand her. Diese können dann nicht mehr verwendet werden, da die Eimasse durch die Maschine läuft und mit Öl und Fett durchsetzt wird. Bisheriger Schaden: ca. 12 000 Stück. Die Nachfrage bei der Firma ergab, dass noch andere VEAB den gleichen Fehler gemeldet haben. Es wurde noch kein Zeitpunkt angegeben, um diesen Schaden zu beheben.

Landwirtschaft

Zu politischen Problemen wird unter der Landbevölkerung wenig Stellung genommen. Die nur noch ganz vereinzelt geführten Diskussionen über den 1. Mai [1954] sind überwiegend positiv. Meist wird zum Ausdruck gebracht, dass dieses Jahr der 1. Mai allgemein gut vorbereitet sowie eine bessere Beteiligung an den Demonstrationen und Veranstaltungen als im Vorjahr zu verzeichnen war. Der Leiter der MTS Ludwigsfelde, [Bezirk] Potsdam: »Der 1. Mai war dieses Jahr sehr gut. Noch nie hat sich die Einwohnerschaft von Ludwigsfelde so viel Mühe gemacht, den 1. Mai [1954] auszugestalten.«

Ein Traktorist (parteilos) der MTS Nonnendorf, [Bezirk] Potsdam: »Wir hatten allen Grund, den 1. Mai [1954] zu feiern, denn uns geht es unter unserer Arbeiterregierung gut. Mein Bruder in Westdeutschland muss von früh bis spät arbeiten und verdient nur einen kläglichen Lohn.«

Negativ trat Folgendes in Erscheinung: Der Vorsitzende (parteilos) der LPG Eyba, [Bezirk] Gera, wurde aufgefordert, zur Demonstration die Fahne der deutsch-sowjetischen Freundschaft zu tragen. Er weigerte sich und tippte sich statt einer Antwort an die Stirn. Ein Großbauer aus Mochau, [Bezirk] Leipzig, verbot seinen Landarbeitern, die bei ihm wohnen, die Gebäude auszuschmücken, sowie die rote Fahne zu hissen.

Diskussionen über die Genfer Konferenz werden nur in ganz geringem Umfang geführt, überwiegend positiv. Ein Arbeiter der MTS Kospoda, [Bezirk] Gera: »Es ist ein positives Zeichen, dass der amerikanische Außenminister eine Abfuhr bekommen hat, insbesondere auch von England, welches am Handel mit China interessiert ist.«

Nach wie vor stehen im Mittelpunkt des Interesses wirtschaftliche Probleme. Größtenteils gibt der Mangel an Futtermittel und die unzureichende Zuteilung an Düngemittel Anlass zu Diskussionen. Dabei kommt es auch zu negativen Äußerungen. In einer Bauernversammlung in Endschütz, [Bezirk] Gera, sprach ein Tierarzt über die Ursache und Entstehung von Tierseuchen. Dazu äußerte ein Großbauer: »Nicht die Bauern sind an der falschen Fütterung bzw. dem Auftreten der Tierseuchen schuld, sondern die Regierung, da sie aus den Bauern das Letzte herausholt, sodass für die Tiere nicht genug Futtermittel übrig bleiben.«

In verschiedenen Kreisen des Bezirkes Karl-Marx-Stadt herrscht unter den Bauern eine schlechte Stimmung wegen der Futterknappheit. Sie kommen zur VEAB und fordern eine ausreichende Zuteilung, da ihr Vieh schon abgemagert ist. Dazu äußerte ein Mittelbauer aus Königshain: »Die da oben müssen keine Ahnung haben von uns auf dem Lande. Man soll Vieh schaffen, aber man gibt uns nicht das nötige Futter, in Westdeutschland gibt es so etwas nicht.«19

In der Gemeinde Zschaitz, [Bezirk] Leipzig, klagen Bauern darüber, dass sie bei Umbruch der Wiesen als Ackerland keinen Dünger erhalten. Dazu äußerte ein Mittelbauer: »Wir können das Land nicht mit Kartoffeln bebauen, wenn wir keine Zuteilung an Düngemittel erhalten.«

Ein Mittelbauer aus Thiendorf, [Bezirk] Dresden: »Früher haben wir fast doppelt so viel Stickstoffdüngemittel auf die Felder geschmissen als heute. Dass die Phosphordüngemittel zurzeit nicht ausreichen, ist uns verständlich, da die Werke in Westdeutschland liegen. Aber Stickstoffdüngemittel sind seit jeher in den Leuna-Werken hergestellt worden, sodass eine höhere Produktion möglich sein müsste.«

Im Kreis Neuhaus, [Bezirk] Suhl, besteht ein großer Mangel an Ferkeln. Es werden 1 200 Stück benötigt.

Von den MTS und örtlichen landwirtschaftlichen Betrieben: Der MTS Straach, [Bezirk] Halle, mangelt es an Binderersatzteilen. Es fehlen besonders Kreuzgelenke.

Die MTS Tessenow, [Bezirk] Schwerin, erhielt zwei landwirtschaftliche Maschinen (Maulwürfe).20 Nach 6-stündiger Arbeitszeit fiel der eine bereits wegen Kurbelwellenschaden aus und der andere zeigt ebenfalls Produktionsfehler und kann nicht voll eingesetzt werden (Lieferbetrieb: IFA-Werk Schönebeck/Elbe).

Dem örtlichen landwirtschaftlichen Betrieb Jesendorf, [Bezirk] Schwerin, sind 140 t Saatkartoffeln in der Miete erfroren, wegen mangelhafter Kontrolle des Betriebsleiters. Er überlässt alles dem Selbstlauf, duldet keine Kritik der Landarbeiter, lehnt Versammlungen ab sowie die Wahl einer BGL (die Landarbeiter erwarten eine sofortige Hilfe).

In mehreren Gemeinden des Kreises Eilenburg, [Bezirk] Leipzig, wird von Bauern über die Wildschweinplage geklagt. Dadurch, dass Felder direkt an die Waldbestände grenzen, werden laufend Schäden verursacht. (Das eingesetzte Jagdkommando ist zu schwach. Für drei Kreise stehen nur neun Jagdgewehre zur Verfügung.)21

Die Schweinepest ist in einem Bauerngehöft in Berlin-Müggelheim ausgebrochen. Bisher [wurden] drei Mastschweine, fünf Sauen, 20 Ferkel und sechs Läufer notgeschlachtet.

Am 2.5.1954 brach in der Gemeinde Weißewarte, Kreis Tangermünde,22 [Bezirk] Magdeburg, ein Waldbrand aus. Circa 80 Morgen sowie die neuangelegte Schonung sind verbrannt. Schaden: ca. 3 000 DM. Ursache: wahrscheinlich durch Raucher.

Übrige Bevölkerung

Im Allgemeinen werden in der übrigen Bevölkerung wenige Gespräche über politische Tagesfragen geführt. Teilweise spricht man noch über den guten Eindruck, den der 1. Mai [1954] hinterlassen hat. Die Beispiele dafür sind dieselben wie an den Vortagen.

Für die Genfer Konferenz macht sich vereinzelt ein größeres Interesse bemerkbar, dass überwiegend in positiven Stimmen zum Ausdruck kommt. Im Vordergrund steht die Hoffnung auf die Entspannung der internationalen Lage. Weiterhin nimmt man zur Uneinigkeit der Westmächte und zur Abreise Dulles’ Stellung. Ein Arbeiter aus Halle: »Die Teilnahme der Außenminister der Volksrepublik China und Korea ist als bedeutende Tatsache hervorzuheben. Mögen diese Verhandlungen den langersehnten Frieden bringen und zur Entspannung der Weltlage führen.«

Ein Schuhmachermeister (parteilos) aus Rittersgrün, Kreis Schwarzenberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Dulles hat nun die Konferenz verlassen, um wieder neue Schlechtigkeiten auszuhecken.«

Ein selbstständiger Schneidemeister aus Rossow, Kreis Pasewalk, [Bezirk] Neubrandenburg: »Die Außenminister Frankreichs und Englands werden durch den Protest der friedliebenden Völker einsehen müssen, dass sie eine verkehrte Politik betreiben. Das englische und französische Volk will den Frieden und nicht für eine Handvoll Kapitalisten verbluten.«

Zum Teil wurden auch uninteressierte und zweifelnde Stimmen bekannt. Eine Hausfrau (parteilos) aus Frankfurt/Oder: »Wir leben jetzt schon besser und werden auch weiterhin noch bessere Lebensumstände bekommen. Also kann es uns auch nicht interessieren, was die in Genf über andere Länder, die uns wenig angehen und weit entfernt liegen, beschließen.«

Ganz vereinzelt wurden negative und feindliche Äußerungen bekannt. Ein Arbeiter aus Grünhainichen, Kreis Flöha, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Die Konferenz in Genf ist ein Kasperltheater. Ein so fortschrittlich entwickeltes Volk, wie die Amerikaner, wird sich doch von dem rückständigen Volk wie China nicht bestimmen lassen.« Eine Hausfrau aus Halle äußerte: »Der amerikanische Außenminister Dulles reist in diesen Tagen wieder nach Amerika. Dieser Mann hat den Schwindel von Molotow erkannt. Es wird nun so weit kommen, dass wir eine russische Kolonie werden.«

Verschiedentlich wurden auch über wirtschaftliche Fragen – teilweise negativ – diskutiert. In einer Hausversammlung in Görlitz, [Bezirk] Dresden, wurde Folgendes diskutiert: »Wo bleibt eure Preissenkung. Die besagten Betriebe gehen unentgeltlich in deutsches Eigentum über.23 Wo gehen jetzt die Milliarden hin? Walter Ulbricht24 hat voriges Jahr gesagt, 1954 kommt eine große Preissenkung.25 Dann habt ihr gesagt, die Karten werden abgeschafft.26 Jetzt gibt es schon wieder weniger Butter. Was soll man da noch glauben.«

In einigen Konsumverkaufsstellen in Großenhain, [Bezirk] Dresden, wurde von Hausfrauen über die Fett- und Butterversorgung im Monat Mai [1954] Folgendes zum Ausdruck gebracht: »Wir sind nicht damit einverstanden und es soll wohl wieder so werden wie vor dem 17.6.1953.«

Ein Privatunternehmer aus Naumburg, [Bezirk] Halle, klagt, dass der neue Kurs schon wieder zum alten würde, durch Benachteiligung der Privatbetriebe bei der Zuteilung von Rohstoffen. Volkseigene Industrie, HO und Konsum hätten in allem den Vorzug.

Aus Kreisen der Kirche wird Folgendes bekannt: Ein Pfarrer aus Lenzen, Kreis Ludwigslust, [Bezirk] Schwerin, erklärte, dass die Zeitungen Lügen über Bischof Dibelius27 verbreiten.28 Dibelius habe schon zu Hitlers Zeiten prophezeit, dass sich das, was nicht an Gott glaube, nicht lange halte und dass die fortschrittlichen Pfarrer von der Kirchenbehörde ausgeschlossen worden seien.

Bei der Einweihung der Kirche am 2.5.1954 in Seilershof,29 Kreis Gransee, [Bezirk] Potsdam, unterzeichnete Bischof Dibelius die Liste zur Ächtung der Atom- und Wasserstoffbombe.30 In der darauffolgenden Predigt sagte er, dass die Kirche selbstverständlich gegen Atom- und Wasserstoffbomben sei, weil sie gegen alle Bomben ist, aber auch gegen Maschinenpistolen, MG und Tanks.31

Ein Pfarrer in der Glauchauer Kirche in Halle32 sagte: »In der Nazizeit gab es Leute, die die Kirche bekämpften und die gibt es auch heute noch. Sie bemühen sich, die Gläubigen vom Kreuze abzudrängen. Doch sie sind auf dem Wege, unsere Welt zugrunde zu richten.«

Über das II. Deutschlandtreffen wurde Nachstehendes bekannt: Anlässlich der Vorbereitung des II. Deutschlandtreffens wurden innerhalb der FDJ Selbstverpflichtungen übernommen. Die Mitglieder der sechs Jugendbrigaden der Baustelle Rappbode-Talsperre in Wendefurth,33 [Bezirk] Magdeburg, wollen Sonderschichten zum II. Deutschlandtreffen fahren, bis sie 4 000,00 DM zusammenhaben, um einer starken westdeutschen Delegation die Teilnahme am Deutschlandtreffen zu ermöglichen.

Im Kreis Bützow, [Bezirk] Schwerin, versuchen gegnerische Elemente Jugendliche von der Teilnahme am Deutschlandtreffen in Berlin abzuhalten.

In den FDJ-Grundeinheiten Katelbogen, Niendorf, Zeppelin, Schlockow u. a. Gemeinden lehnen die Mitglieder es ab, am Deutschlandtreffen teilzunehmen, weil sie die Auffassung vertreten, dass die FDJ nach Westberlin marschieren soll. Sie erklärten wörtlich, dass sie sich die Augen nicht blau schlagen lassen wollen.34

Organisierte Feindtätigkeit

Hetzschriften des Ostbüros der SPD:35 Erfurt 3 290, Potsdam 1 120, Gera 1 000, Halle 500, Neubrandenburg 260, Dresden 100, Karl-Marx-Stadt 25.

Hetzschriften der NTS:36 Suhl 50 000, Karl-Marx-Stadt 17 000, Gera 10 000, Neubrandenburg 2 200, Halle 200, Dresden 60.

Hetzschriften in tschechischer Schrift: Karl-Marx-Stadt 240, Dresden …37

Die aufgeführten Hetzschriften (deren Inhalt bereits bekannt ist), wurden zum überwiegenden Teil durch Ballons, teilweise durch Flugzeuge, eingeschleust und meist durch Suchkommandos sichergestellt.

Im Bezirk Erfurt wurden in Postbriefkästen 60 mit Schreibmaschine geschriebene Hetzzettel gefunden. In diesen Hetzschriften wurde gegen die Spende zum Deutschlandtreffen, gegen den FDGB und gegen die HO gehetzt.

Antidemokratische Schmierereien und Handlungen wurden aus folgenden Bezirken berichtet. Schwerin und Potsdam je zwei Fahnen abgerissen.

Im Zellstoffwerk Pirna, [Bezirk] Dresden, wurde ein Plakat mit dem Bild führender Funktionäre beschädigt.

In der Nacht vom 2. zum 3.5.1954 wurde das Bild eines führenden Funktionärs an der Volkswerft Stralsund auf den Kopf gestellt und beschmiert.

In der Nacht vom 1. zum 2.5.1954 wurde an der Anschlagtafel in Ursprung, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, ein Zeitungsausschnitt mit Hitlerbildern angebracht. Darunter stand geschrieben: »Das kommt bald wieder, aber dann.«

Einschätzung der Situation

Zum Teil sind noch Gespräche vorherrschend im Zusammenhang mit dem 1. Mai [1954], überwiegend positiv.

Das Interesse an der Genfer Konferenz macht sich in den Städten wieder stärker bemerkbar, dabei wird die Politik der USA immer mehr durchschaut.

In der Landwirtschaft macht sich weiterhin der Mangel an Dünger und besonders an Futter bemerkbar.

Die Verbreitung feindlicher Flugblätter mit Ballons hält in starkem Umfang an.

  1. Zum nächsten Dokument Zur Beurteilung der Situation

    6. Mai 1954
    Informationsdienst Nr. 2199 zur Beurteilung der Situation

  2. Zum vorherigen Dokument Zur Beurteilung der Situation

    4. Mai 1954
    Informationsdienst Nr. 2197 zur Beurteilung der Situation