Zur Beurteilung der Situation
22. März 1954
Informationsdienst Nr. 2160 zur Beurteilung der Situation
Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft
Industrie und Verkehr
Im Mittelpunkt der Diskussionen stehen weiterhin betriebliche Fragen. Noch im geringen Maße auftretende Stimmen über die beabsichtigte Einführung der Wehrpflicht in Westdeutschland sind in der Mehrzahl,1 besonders bei Arbeitern und Jugendlichen positiv. Sie lehnen darin die Einführung der Wehrpflicht ab, da damit die Gefahr eines neuen Krieges verstärkt wird. In geringer Zahl werden negative bzw. feindliche Stimmen bekannt, die sich im Allgemeinen gegen die SU oder DDR richten. Hier zeigt sich besonders der Einfluss westlicher Propaganda. Eine Arbeiterin vom VEB Vereinigte Wäschefabrik Auerbach, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Es hat ja keinen Zweck, etwas zu lesen und zu hören, ich glaube sowieso nicht das, was uns erzählt wird.« Bei einem Teil der Werktätigen zeigt sich eine abwartende und gleichgültige Haltung zu politischen Problemen.
Zu Ehren des IV. Parteitages der SED2 werden von einem Teil der Werktätigen Kollektiv- und Einzelverpflichtungen übernommen. Ein größerer Teil aller Schichten unserer Werktätigen erhofft vom IV. Parteitag Vorschläge zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage. Besonders wird eine Preissenkung und die Abschaffung der Lebensmittelkarten erwartet.
Die Kollegen der großen Schmiede (700 Beschäftigte) des VEB Ernst Thälmann in Magdeburg verpflichten sich, eine Sonderschicht zu leisten und den Erlös dem Aufbau der Stadt Magdeburg zur Verfügung zu stellen. Im VEB Steinkohlenwerk Freital, [Bezirk] Dresden, verpflichtete sich die Brigade Krüger, eine Sonderschicht zu fahren. Der Erlös soll dem Bau eines Stalin-Denkmales in Freital dienen.
Ein Arbeiter (parteilos) von VEB Torgelow,3 [Bezirk] Neubrandenburg: »Ich erwarte vom IV. Parteitag der SED Beschlüsse, die eine wesentliche Verbesserung der Lebenslage zur Folge haben werden.« Im Eisenwerk Calbe, [Bezirk] Magdeburg, werden von einigen Arbeitern Diskussionen geführt, dass auf dem IV. Parteitag der SED das Wehrgesetz für die DDR beschlossen wird. Des Weiteren wurden Meinungen laut, dass vom IV. Parteitag der SED der Vorschlag unterbreitet werden soll, die Lebensmittelkarten für eine bestimmte Vergütungsgruppe aufzuheben.
Produktionsschwierigkeiten wurden aus einzelnen Betrieben der Bezirke Neubrandenburg, Rostock, Cottbus, Karl-Marx-Stadt und Suhl bekannt. Ursache: Materialmangel. Dadurch entstand teilweise bei den Arbeitern Verdienstausfall, welches zu einer negativen Stimmung in diesen Betrieben führte. So fehlt Material im VEB Simson-Werk Suhl (Erfüllung des Planes gefährdet). Im VEB Tuchfabrik Malchow, [Bezirk] Neubrandenburg, im VEB Lederwerk Guben, [Bezirk] Cottbus (50 Prozent der Beschäftigten können nicht beschäftigt werden) und verschiedenen Schächten der Wismut.4
Infolge der auftretenden Schwierigkeiten in den Werften von Rostock, wo es den Arbeitern an Arbeit mangelt, ist jetzt eine Parole im Umlauf, besonders bei den Arbeitern der Isolier- und Kältetechnik, Baustelle Mathias-Thesen-Werft Wismar, dass alle Frauen, deren Männer arbeiten, entlassen werden sollen, da nicht mehr so viel Arbeit vorhanden sei und der Ministerrat soll sich schon mit so einer Verordnung beschäftigen.
Unzufriedenheit unter Arbeitern einzelner Betriebe besteht in Fragen der Prämierung, über Verteilung der Ferienplätze und durch schlechtes Verhalten verantwortlicher Angestellter. So ist man im Werk III Leisnig, [Bezirk] Leipzig, des VEB Spinnereimaschinenbau Karl-Marx-Stadt mit der Zahlung von hohen Prämien an die Intelligenz nicht einverstanden. Ein Arbeiter dieses Werkes erklärte: »Wir Arbeiter haben genau denselben Anteil an der Planerfüllung wie unsere Wirtschaftsfunktionäre. Wir ziehen aber immer den Kürzeren. Uns Arbeiter speist man mit kleinen Geldbeträgen ab und die anderen bekommen Hunderte von Mark ausgezahlt, warum hat die Regierung noch keinen Weg gefunden, diese Ungerechtigkeit zu verändern.« Ähnliche Diskussionen traten auch im VEB Halbmond Teppichfabrik Oelsnitz, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, auf über die Auszahlung der letzten Quartalsprämie von 1953, wo leitende Angestellte mehrere Hundert DM und Arbeiter im Durchschnitt 20,00 bis 30,00 DM erhielten.
Über die geringe Zuteilung von Ferienplätzen ist man im VEB Textilwerk Einheit in Glauchau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, verärgert. Dieser Betrieb erhielt bei einer Belegschaftsstärke von 2 200 Personen 150 Plätze zugeteilt. Ebenfalls unzufrieden über die zu geringe Zuteilung von Ferienplätzen ist man im Gummiwerk Riesa, [Bezirk] Dresden.
In der Zeche, Fabrik 96 der Wismut in Freital, [Bezirk] Dresden, besteht unter den Kumpels eine schlechte Stimmung. Ursache ist das Verhalten eines Obermeisters, der bei jeder Gelegenheit mit Entlassung droht. Die Kumpel äußern dazu, dass die Parteigruppe und Gewerkschaft ihre Arbeit nur vom Schreibtisch aus verrichtet und sich zu wenig um die Kumpel kümmern. Die Funktionäre »würden nur etwas feststellen und dann gibt es eins auf den Deckel, ohne dass man die näheren Umstände betrachtet«. Dadurch sei ein Zustand eingetreten, wo kein Kumpel sich [nicht] mehr getraut, was zu sagen, da er befürchtet, entlassen zu werden.
Schlechte Stimmung unter der Intelligenz: In den Leuna-Werken »Walter Ulbricht« wurden vor Kurzem zwei Intelligenzler wegen aktiver Beteiligung am 17.6.1953 fristlos entlassen. Aufgrund dessen ist die Stimmung unter den Angestellten schlecht, man befürchtete weitere Entlassungen.
VP-Werbungen: Die Werbungen zur Volkspolizei führen bei verschiedenen Arbeitern zu negativen Diskussionen und man lehnt einen Eintritt teilweise ab.5 Dazu einige Beispiele: Ein Jugendlicher aus Seifhennersdorf, [Bezirk] Dresden: »Ich bin für ehrliche Arbeit, aber nicht für das Herumlungern, wie das bei der Volkspolizei der Fall ist. Ich habe bei der KVP einen Schwager, welcher Hauptmann ist und dieser vertritt dieselbe Meinung, er wollte lieber heute als morgen der VP den Rücken drehen.«
Ein Arbeiter vom Präszionemaschinenwerk in Schmölln,6 [Bezirk] Leipzig: »Ich kann hier im Betrieb ebenso viel verdienen, vielleicht noch mehr als bei der Volkspolizei und habe dabei hier ein viel sorgenfreieres Leben.«
Handel und Versorgung
Im Bezirk Magdeburg und im Wismutgebiet mangelt es an Textilien und Haushaltswaren wie Ober- und Unterbekleidung, Kammgarnwollstoffe, Baumwollgewebe, Bett- und Tischwäsche, Wassereimer, Emaillegeschirr. Bei der Konsumverwaltung in Bismark, [Bezirk] Magdeburg, bestehen Absatzschwierigkeiten bei Nährmitteln, wodurch ein Teil Dauerbackwaren und Puddingpulver nicht mehr genießbar sind.
Im Kreis Schleiz, [Bezirk] Gera, ist die Eier- und Fischversorgung unzureichend. Im Kreisgebiet von Nauen, [Bezirk] Potsdam, wird von der Bevölkerung darüber negativ diskutiert, dass Mangelwaren (z. B. Kochtöpfe, Wassereimer, Inlette) im Austausch gegen Kartoffeln abgegeben werden. Im Bezirk Cottbus fehlt Wäsche für Kleinstkinder.
Landwirtschaft
Über politische Tagesfragen wird nur ganz vereinzelt diskutiert. Im Mittelpunkt der Diskussionen steht die Frühjahrsbestellung. Verschiedentlich wird über Mangel an Saatkartoffeln und über die unzureichende Futtergrundlage geklagt. Aus dem Bezirk Gera wird berichtet, dass im Kreis Eisenberg ca. 2 500 dz, in Rudolstadt ca. 320 dz und in Saalfeld ca. 2 000 dz Saatkartoffeln fehlen. In Kreis Hohenmölsen, [Bezirk] Halle, müssen noch 2 477 dz Saatkartoffeln aufgebracht werden. Es sind aber keine Austauschprodukte vorrätig.
In Kreis Merseburg, [Bezirk] Halle, klagen Bauern über die unzureichende Futterzuteilung. Des Weiteren, dass es öfters vorkommt, wenn sie ihre Futterzuteilung bei der BHG abholen wollen, dass keine vorrätig ist. Im Kreis Niesky, [Bezirk] Dresden, sind durch die Futterknappheit bereits zwölf Kühe an Unterernährung verendet. Der Mangel an Futtermitteln führt verschiedentlich zu negativen Diskussionen. So z. B. äußerte ein Mittelbauer aus Pöllwitz, [Bezirk] Gera: »Der Staat ist schuld, dass wir so wenig Futter für unser Vieh haben. Den LPG wirft man das Futter hin und wir bekommen nichts.« In einigen Kreisen des Bezirkes Karl-Marx-Stadt wurde festgestellt, dass Bauern Schweinmastverträge abschließen, ohne die Futtergrundlage dabei zu berücksichtigen. Vereinzelt wurden bereits Saatkartoffeln verfüttert und neue beim Rat des Kreises angefordert.
In dem neuangelegten Schweinedorf des VEG »Löbnitz«, Kreis Staßfurt, [Bezirk] Magdeburg, fehlt es an einer Wasseranlage. Die Investmittel für den Bau einer Futterküche sind erschöpft. Wenn keine Abhilfe geschaffen wird, besteht die Gefahr, dass Seuchen ausbrechen. Trotz mehrmaliger Rücksprache mit den zuständigen Stellen wurde noch keine Abhilfe geschaffen.
In Kreis Zittau, [Bezirk] Dresden, bemühen sich Groß- und Mittelbauern, so viel wie möglich Fleisch aufs Soll und im freien Verkauf abzugeben. Sie befürchten, dass mit dem IV. Parteitag eine weitere Verbesserung der Lebenslage erfolgt und sie dann nur noch den halben Preis dafür bekommen.
Zu Ehren des IV. Parteitages kommt es auch unter der Landbevölkerung zu Verpflichtungen. So z. B. verpflichteten sich werktätige Bauern des Kreises Schwarzenberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, 5 200 kg Milch, 2 313 kg Schweinefleisch, 1 522 kg Rindfleisch, 200 kg Kalbfleisch, 982 Stück Eier, vier Schweine und ein Rind für den freien Verkauf zur Verfügung zu stellen.
Es wurden vereinzelte negative Stimmen bekannt, vorwiegend über wirtschaftliche Fragen. In der Gemeinde Schulzendorf, [Bezirk] Frankfurt, äußerte ein Bauer: »Die Wirtschaft in der DDR geht immer mehr bergab. Sogar die Braunkohlen gibt es jetzt auf Karten. Das ist ein Zeichen, dass es bald gar keine Kohle mehr geben wird.« Eine Bäuerin aus Mitzner,7 [Bezirk] Neubrandenburg: »Die Steuern sind viel zu hoch, auch das Soll kann keiner aufbringen. Im Radio wird dauernd von einer Besserung gesprochen, aber zu merken ist davon gar nichts.«
In Watzkendorf, [Bezirk] Neubrandenburg, wurde in einer Versammlung der Parteisekretär von einem Bauern aufgefordert, seine Diskussion zu beenden, sonst fliege er zum Fenster hinaus. In einer Versammlung äußerte ein Einwohner aus Demmin, [Bezirk] Neubrandenburg: »Der stellvertretende Ministerpräsident Walter Ulbricht8 hat selbst gesagt auf einer Tagung im Frühjahr 1953, dass die Bauern, die ihr Soll nicht erfüllen, Gelegenheit haben, in Waldheim darüber nachzudenken.«9 In der Gemeinde Wünsch, [Bezirk] Halle, sammelte ein Großbauer 28 Unterschriften wegen des zu hohen Solls.
Aus dem Bezirk Magdeburg wird berichtet, dass in der Schweinemästerei Ochtmersleben bei einem Schweinebestand von 3 110 Stück die Schweinepest ausgebrochen ist. Bis jetzt sind ca. 110 erkrankt und 20 verendet (auch ist nur noch für fünf Tage Futter vorrätig). Im Bezirk Gera hat sich die Hühnerpest weiterverbreitet, sodass bei einzelnen Bauern der ganze Hühnerbestand abgeschlachtet werden musste.
Bevölkerung
Im Vordergrund der Diskussionen stehen weiterhin wirtschaftliche und persönliche Belange. In diesem Zusammenhang wird besonders von Hausfrauen darüber diskutiert, dass man vom IV. Parteitag eine weitere Verbesserung der Lebenslage, Preissenkung bzw. Abschaffung der Lebensmittelkarten erwartet. Ein Rentner (parteilos) aus Annaberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, äußerte: »Alle hoffen, dass nach dem IV. Parteitag der SED eine größere Preissenkung kommt, welche uns der Einheit Deutschlands wieder ein Stück näherbringt.«
Eine Hausfrau aus Frankfurt/Oder vergleicht die Lebenslage im Westen mit der der DDR: »Ich verstehe die Menschen nicht, die immer sagen, im Westen ist es besser, dann sollen sie doch rübergehen, aber das tun sie auch nicht. Ich kann nur sagen, jetzt leben wir besser, früher haben Mann und Frau gearbeitet und konnten sich trotzdem nichts anschaffen, heute haben wir uns schon so viel angeschafft, an das wir früher nicht gedacht hätten.«
Vereinzelt wird über die Einführung der Wehrpflicht in Westdeutschland diskutiert. Die uns bekannt gewordenen Stimmen sind meist positiv. Eine Hausfrau aus Frankfurt/Oder äußert sich: »Allmählich scheinen die Menschen in Westdeutschland zu begreifen, wohin der Weg Adenauers10 führt. Westdeutschland steht vor einem neuen 1933. Auch kann man im Westen mit der Propaganda gegen den Osten nicht mehr so auftreten, denn viele Menschen sind jetzt aus Westdeutschland in der DDR gewesen und haben jetzt selbst gesehen, dass hier niemand in Lumpen geht, sondern dass hier der Wohlstand zunimmt. Ja, die Wahrheit setzt sich durch.«
Ein Jugendlicher aus Westdeutschland, der sich der Wehrpflicht entzog und laut Regierungserklärung in der DDR um Asyl bat,11 äußert sich positiv, dass er sofort Arbeit bekam. Er brachte u. a. zum Ausdruck, dass noch viele Jugendliche die Absicht haben, aber aufgrund der Hetze in Westdeutschland nicht das notwendige Vertrauen zur DDR aufbringen.
Nur vereinzelt wurden negative bzw. feindliche Meinungsäußerungen bekannt, die sich meist gegen die DDR und SU richten. Ein Rentner aus Pöllwitz, [Bezirk] Gera, äußerte sich wegen seiner geringen Rente: »Wer hat die Sozialversicherungskassen leer gemacht? Die Kapitalisten bestimmt nicht, sondern die jetzt dran sind, man kann ja in den Betrieben sehen, wie die Arbeiter heute ausgebeutet werden. Das ist meiner Meinung nach kein Arbeiterstaat.«
Eine Hausfrau aus Neustedt, [Bezirk] Halle,12 sagte: »In der Staatsordnung bei Hitler wurde gelogen und jetzt bei der Staatsordnung bei Pieck13 wird noch mehr gelogen. Wenn man zusammenstellt, was aus der DDR in die Sowjetunion geschleppt worden ist, würde sich schon manch einer im Grabe herumdrehen.«
Einzelbeispiele: Des Weiteren wird uns aus Wismar, [Bezirk] Rostock, bekannt, dass die ausländischen und westdeutschen Kapitäne, die [in] die Häfen in der DDR einlaufen, Klagen wegen der hohen Hafen- und Lotsengebühren führen. So müssen sie z. B. beim Einlaufen in Wismar einen Lotsen mehr bezahlen, als in Bremen durch den Nordostseekanal, wo sie sieben Lotsen benötigen.
Laut statistischen Unterlagen beim Rat des Kreises Naumburg, [Bezirk] Halle, Abteilung Arbeit, gibt es 400 Jugendliche, die noch keine Lehrstellen bzw. Beschäftigung haben.
Organisierte Feindtätigkeit
Hetzschriftenverteilung
SPD-Ostbüro:14 Schwerin 6 000, Karl-Marx-Stadt 290, Dresden 70, Potsdam 12. Inhalt: Hetze gegen die Regierung, SED, langsam arbeiten, freie Wahlen.
KgU:15 Potsdam 10 000, Frankfurt/Oder 22, Karl-Marx-Stadt 12. Inhalt: Freie Wahlen, Freilassung der politischen Gefangenen.
NTS:16 Berlin 350, Frankfurt 350, Dresden 240, Karl-Marx-Stadt 27. Inhalt: Hetze gegen die Sowjetunion.
CDU-Ostbüro: Potsdam 6 000. Inhalt: Hetze gegen die Viermächtekonferenz.17
Ausschuss für freie Wahlen: Frankfurt/Oder 580.
FDP: Halle 5. Inhalt: Hetze gegen Regierungsmitglieder.
Vereinzelt wurden Hetzschriften der SPD und NTS in Gera gefunden.
In Berlin wurden 200 Hetzschriften gefunden. Aufschrift: Wir fordern freie Wahlen und keine Volksabstimmung.18
Der größte Teil der oben aufgeführten Hetzschriften wurde mit Ballons eingeschleust und gebündelt gefunden.
Hetzbriefe: Folgende Hetzbriefe des UfJ19 wurden sichergestellt: Frankfurt/Oder 8, Potsdam 3, Dresden 3 (Hetze gegen LPG, Sonderwarnliste), Rostock 1 (Hetze gegen die Reichsbahn), Magdeburg 1 (Hetze gegen SfS).
Antidemokratische Schmierereien: In Rostock wurden vereinzelt Hakenkreuze angeschmiert.
Ein gefälschtes Schreiben erhielt am 19.3.1954 der Rat des Kreises Waren, [Bezirk] Neubrandenburg (Absender Bauernbank in Berlin), worin eine Beurteilung über einen Genossen vom Rat des Kreises gefordert wird.
Eine gefälschte Anweisung erhielten am 19.3.1954 die Arbeiter der Volkswerft Stralsund, [Bezirk] Rostock, von einer unbekannten Person, wonach der Logger 4188,20 der anlässlich des IV. Parteitages fertiggestellt werden soll, aus der Halle gezogen werden soll, obwohl er noch nicht fertig ist.
Im Wismut-Schacht 257 in Annaberg wurden zwei Patronen und eine Sprengkapsel unter einem Stein versteckt gefunden. Beim Drauftreten wären sie explodiert.
Vermutlich organisierte Feindtätigkeit
In einer HO-Verkaufsstelle in Fürstenberg, [Bezirk] Frankfurt/Oder, wurden zwei Stecknadeln in zwei Würstchen gefunden. Die Wurst wird im VEB Stern Berlin-Weißensee hergestellt.
In der Nacht vom 19.3. zum 20.3.1954 brach im VEB Radio- und Gehäusebau in Wurzbach, [Bezirk] Gera, ein Brand aus. Der Schaden beträgt ca. 1 000 DM. Die Ursache wird noch ermittelt.
Westberlin
Stimmung in der Stummpolizei:21 Stummpolizisten führen erregte Diskussionen über die zu erwartenden Preiserhöhungen für Kohlen, Post, Milch, Brot und Margarine.22 Ein Hauptwachtmeister äußerte sich dazu: »Kinder, das Beste ist, wir hauen hier aus Berlin ab, es wird immer ungemütlicher hier.« Bei diesen Diskussionen wurde festgestellt, dass eine allgemeine Unzufriedenheit vorhanden ist, dass sich jedoch niemand getraut, den Namen des Schuldigen (Adenauer) auszusprechen.
Versammlung der SPD – Betriebsgruppe Senatsverwaltung für Volksbildung in Westberlin. Von 132 Mitgliedern waren 40 bis 50 anwesend. Viele der Mitglieder sind bemüht, dass ihnen in der Verwaltung nicht die Mitgliedschaft zur SPD nachgesagt werden kann (deshalb geringer Besuch). Der erste Vorsitzende [Name] sprach über die Viermächtekonferenz und zeigte auf, dass schon das Zustandekommen ein Erfolg war. Die Mitglieder sollten nicht kleinmütig werden oder in den Fehler verfallen, auf eine gewaltsame Lösung zu dringen. [Name] bedauerte, dass die Führung sich für die Aufgabe des Sozialismus und Marxismus entscheidet, nur um einige bürgerliche und Mittelstandswähler zu gewinnen, dabei aber vergessen, dass viele Arbeiter für die SPD verloren gehen. Die Entwicklung im Westen verlangt von jedem heute ein klares Bekenntnis für oder gegen den Sozialismus, da man eines Tages dafür auf die Barrikaden wird steigen müssen.23
Einschätzung der Situation
Gegenüber den Vortagen ist keine wesentliche Veränderung zu verzeichnen.