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Zur Beurteilung der Situation

16. Januar 1954
Informationsdienst Nr. 2070 zur Beurteilung der Situation

Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft

Industrie und Verkehr

Viermächtekonferenz:1 Die Diskussionen über die bevorstehende Viermächtekonferenz stehen bei den Arbeitern und Angestellten der Industrie im Mittelpunkt. Vom größten Teil wird die Konferenz mit Spannung erwartet und man wünscht, dass die deutsche Frage auf friedlichem Wege geregelt wird, des Weiteren kommt die Hoffnung auf eine baldige Wiedervereinigung Deutschlands zum Ausdruck. Technologe von der Volkswerft Stralsund, [Bezirk] Rostock: »Hoffentlich wird die Frage Deutschlands auf friedlichem Wege abgeschlossen. Gut wäre es, wenn die Regierung noch vor der Viererkonferenz besondere Verbesserungen, wie z. B. eine Preissenkung, vornehmen würde. Dies würde den Westen in eine schwierige Lage bringen.«

Dass die SU der Garant des Friedens ist und sich auch immer für die deutschen Interessen eingesetzt hat und einsetzt, bringt ein Teil der Arbeiter und Angestellten, besonders Genossen und fortschrittliche Kräfte, in ihren Diskussionen zum Ausdruck. Arbeiter (parteilos) von der Zuckerfabrik Prenzlau, [Bezirk] Neubrandenburg: »Nur auf Initiative der SU kommen die vier Großmächte zusammen. Es wurde ja auch höchste Zeit, denn vom Krieg haben wir alle genug.« Im VEB Elbtalwerk Heidenau, [Bezirk] Dresden, verpflichtete sich eine Brigade als Dank für die unermüdlichen Friedensbemühungen der SU, als Mitglieder in die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft einzutreten.

Die von Parteien, Massenorganisationen und fortschrittlichen Kräften organisierten und durchgeführten Sammlungen von Unterschriften für die Teilnahme deutscher Vertreter aus Ost und West an der Berliner Konferenz2 wird von einem großen Teil der Arbeiter und Angestellten begrüßt und unterstützt. Arbeiter und Angestellte des »Otto Brosowski«-Schachtes Eisleben,3 [Bezirk] Halle, haben 5 324 Unterschriften abgegeben. Meister (parteilos) der Warnow-Werft Warnemünde, [Stadt] Rostock: »Es muss alles versucht werden, dass eine Teilnahme deutscher Vertreter aus Ost und West erzwungen wird. Wir Arbeiter sind eine Macht, mit der auch die ausländischen Kapitalisten rechnen müssen.«

Von einem kleinen Teil Arbeiter und Angestellten wird die Abgabe der Unterschriften für die Teilnahme deutscher Vertreter verweigert. Dies sind in der Mehrzahl Menschen, die unserer Entwicklung ablehnend gegenüberstehen bzw. vom Feinde beeinflusst wurden. Lokführer vom Bahnbetriebswerk Lübbenau, [Bezirk] Cottbus: »Es hat doch keinen Zweck zu unterschreiben, die machen doch was sie wollen. Ich gebe meine Unterschrift nicht.« Arbeiter des VEB Greizer Kammgarnspinnereien,4 [Bezirk] Gera: »Ich gebe keine Unterschrift. Von der Unterschrift kann ich nicht leben nur von einer Lohnerhöhung.«

Von einem Teil der Arbeiter und Angestellten ist eine Teilnahmslosigkeit gegenüber den politischen Ereignissen trotz der starken Spannung eines großen Teils der Werktätigen auf die Konferenz festzustellen.5 So steht z. B. ein größerer Teil der Kumpel der Wismut6 dem politischen Geschehen ohne Interesse gegenüber.

Zweifelnde Stimmen über einen erfolgreichen Verlauf der Konferenz treten scheinbar etwas stärker in Erscheinung.7 Man ist der Meinung, dass die Unterschiede zwischen den Großmächten zu groß sind und man sich selbst nicht einmal über das Gebäude einigen kann, in welchem die Konferenz stattfinden soll.8

Im Konstruktionsbüro vom VEB Meteor in Zella-Mehlis,9 [Bezirk] Suhl, wird seit einigen Tagen von den Angestellten Zweifel am Erfolg der Konferenz gehegt, obwohl hier vorher positiv diskutiert wurde. Ingenieur der Mathias-Thesen-Werft Wismar, [Bezirk] Rostock: »Ich verspreche mir nicht viel von der Konferenz, denn die Gegensätze sind zu groß.« Laborant vom Labor des VEB Maxhütte Unterwellenborn, [Bezirk] Gera: »Trotz der großen Bemühungen der SU konnte noch nicht einmal eine Einigung über die Räume getroffen werden. Wenn man sich schon an solchen Kleinigkeiten stößt, wird auf der Konferenz nicht viel herausspringen.«

Negative und feindliche Stimmen sind im Verhältnis zu den anderen Stimmen gering.10 Jedoch treten sie etwas offener als bisher in Erscheinung. Der Inhalt dieser Stimmen bringt in der Hauptsache Hetze gegen die SU und DDR sowie gegen Volkspolen (Oder-Neiße-Grenze) zum Ausdruck.11 Im Einzelnen sind diese Stimmen jedoch verschieden. Dazu einige Beispiele:

Arbeiter (parteilos) vom VEB Jenapharm Jena, [Bezirk] Gera: »Die Russen sollen schon sehen, dass sie verschwinden. Drüben im Westen ist es besser. Die Russen sind ja auch nur zur Konferenz gezwungen worden.«

Arbeiter (Mitglied der SED) vom Reichsbahnausbesserungswerk Wittenberge, [Bezirk] Schwerin: »Wenn die Arbeiterschaft am 17.6.1953 sich mit den Bauern verbündet hätte, dann wäre der ganze Putsch bestimmt verwirklicht worden.«12

Arbeiter im Sachsenwerk Niedersedlitz, [Bezirk] Dresden: »Sollen die jetzt ruhig die Konferenz durchführen. Wenn die drüben ihren Stahlhelm aufziehen, dann können die hier was erleben. Der neue ›Tag X‹13 ist schon lange vorbereitet und angesagt, da wird man nicht mehr lange auf sich warten lassen.«

Arbeiter (parteilos) vom Schacht der Wismut in Marienberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Die Oder-Neiße-Grenze ist das größte Hindernis, welches die Einigung unmöglich macht. Man soll das Volk auch durch eine freie Wahl entscheiden lassen, welche Regierung es will.«

Im Straßenbahnhof Berlin-Weißensee wird unter den Frauen darüber gesprochen, dass sie zur Viererkonferenz Unruhen befürchten und sich daher lieber krankschreiben lassen wollen.

Produktionsschwierigkeiten treten weiterhin in Erscheinung. Den Betrieben entstehen somit Schwierigkeiten in der Planerfüllung und bei den Arbeitern treten finanzielle Verluste ein. Dies führt wiederum zu negativen Diskussionen und wirkt sich auf die gesellschaftliche Arbeit aus. So treten Produktionsschwierigkeiten auf durch zu späte Planauflage im VEB Bergmann-Borsig Berlin, durch Rohstoff- und Materialmangel im Eisenhüttenkombinat »J. W. Stalin«, VEB Motorradwerke Zschopau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, Kleiderwerke Güstrow, [Bezirk] Schwerin, VEB Pappenfabrik Porstendorf,14 [Bezirk] Gera, Kreisbaubetrieb Waren, [Bezirk] Neubrandenburg, und durch Ausfall von Maschinen (Reparatur) im VEB Gusskombinat Brand-Erbisdorf,15 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt.

Unzufriedenheit über angeblich zu niedriger Löhne wird von Arbeitern der Abteilung Transport und des Kesselhauses im VEB »7. Oktober« Berlin-Weißensee16 geäußert. Von einem Teil der Arbeiter wird offen eine Erhöhung der Löhne gefordert.17 Wenn die Forderungen nicht erfüllt werden, wollen sie ihre Kündigung einreichen. Diese Stimmung hat bereits auf die Abteilung Fräserei übergegriffen. Desgleichen besteht Unzufriedenheit über Lohnangelegenheiten in der Hauptwerkstatt und im Kraftwerk des Elektrochemischen Kombinates Bitterfeld, [Bezirk] Halle.

In der Bau-Union Stalinstadt hält die äußerst schlechte Stimmung weiterhin an.18 Die Diskussionen über die Reorganisierung19 (Umbesetzung zu anderen Baubetrieben) beherrscht alle anderen Gespräche. Insgesamt müssen 3 000 Personen versetzt werden. Ein Teil der bereits versetzten Arbeiter kam wieder nach Stalinstadt zurück, da man bei den neuen Baubetrieben zzt. keinen Bedarf an neuen Arbeitskräften hatte. Dies verstärkt jedoch die negative Stimmung in der Bau-Union Stalinstadt. Trotz dieser Schwierigkeiten erklärte der Werkleiter am 7.1.1954, zwei Vertretern des ZK gegenüber, dass die Umbesetzung reibungslos vor sich gehe. Diskussionen zu dieser Umbesetzung werden u. a. folgende geführt: Ein Eisenflechter, Abteilung Betonbau, erklärte: »Die Stimmung ist wie kurz vor dem 17. Juni 1953.20 Hoffentlich kommt der neue 17. Juni nicht am 25.1.1954.21 Es hat ja doch keinen Zweck, die knallen die Arbeiter ja doch zusammen.« Solche und ähnliche Diskussionen werden von verschiedenen Arbeitern zum Ausdruck gebracht.22

Schwierigkeiten in der Personenbeförderung treten im Omnibus-Verkehr zwischen Falkenstein und Auerbach/Vogtland, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, stark in Erscheinung. Die KVG ist nicht in der Lage, alle Arbeiter und Angestellten im Berufsverkehr zu befördern.23 Besonders zeigte sich dies am 12.1. und 13.1.1954. Dadurch entstand bei einem großen Teil der Arbeiter und Angestellten Arbeitsausfall bis zu 1½ Stunden.

Landwirtschaft

Viermächtekonferenz: Unter der Landbevölkerung wird weiterhin über die bevorstehende Viermächtekonferenz diskutiert. Die bekannt gewordenen Meinungsäußerungen haben in der Mehrzahl einen positiven Inhalt. Die Erwartung und Hoffnung auf einen günstigen Verlauf der Konferenz und friedliche Lösung der Deutschlandfrage werden immer wieder zum Ausdruck gebracht.24 Eine Kleinbäuerin aus Probsthain, [Bezirk] Leipzig: »Ich hoffe, dass es in den Verhandlungen zu einer Einigung kommt. Von dem Zweiten Weltkrieg und seinen Folgen haben wir genug. Unsere Söhne wollen wir nicht in einen Dritten Krieg schicken.« Solche und ähnliche Diskussionen werden aus allen Schichten der Landbevölkerung bekannt.

Neben diesen hoffnungsvollen Stimmen gibt es eine nicht geringe Anzahl Personen, die an einem positiven Verlauf bzw. an einer Einigung der vier Großmächte zweifeln.25 Zu den bereits bekannten Argumenten: Haben sich noch nie geeinigt – die Gegensätze sind zu groß – USA will gar keinen Frieden – kommen neue, wie nachfolgendes Beispiel zeigt: Ein Neubauer aus Wilmsdorf, [Bezirk] Rostock: »Die vier Mächte werden sich ja nicht einmal über den Tagungsort einig, noch viel weniger werden sie sich bei der Konferenz einig werden.«

Vereinzelt treten auch solche Meinungen in Erscheinung, die mit einem neuen Krieg rechnen. Ein Mittelbauer aus Witzendorf, [Bezirk] Gera: »Wenn man die Zeitung liest, kann man an eine Einigung nicht glauben. Dass es zum Kloppen kommt, daran glaube ich schon eher. Der Krieg zwischen Ost und West wird kommen.«

Von fortschrittlichen Kräften der MTS, LPG, VEG, Kleinbauern, Angestellten der VdgB (BHG), Bürgermeistern usw., vereinzelt auch von Mittelbauern, werden in Diskussionen die ständigen Bemühungen und die Hilfe der SU hervorgehoben. Von diesen Kräften wird auch meist die Forderung, Teilnahme deutscher Vertreter, gestellt. So äußerte z. B. ein Kleinbauer aus Nadrensee,26 [Bezirk] Neubrandenburg: »Wenn alle Großmächte so denken würden wie die SU, hätten wir schon längst einen Friedensvertrag.«

Die Unterschriftensammlung für die Teilnahme deutscher Vertreter zeigt allgemein gute Ergebnisse. In drei Gemeinden des Kreises Cottbus ist z. B. eine 100-prozentige Beteiligung zu verzeichnen.27 Teilweise werden die Unterschriften ohne jegliche Teilnahme gegeben, teilweise aber auch verweigert. Hier treten meist Großbauern und Pfarrer sowie solche Personen, die unter deren Einfluss stehen, oder mit der Entwicklung in der DDR nicht einverstanden sind, in Erscheinung.

Bezeichnend ist, dass mit den verstärkten Diskussionen über die Viermächtekonferenz feindliche Elemente offener in Erscheinung treten.28 Da die Argumente und Handlungen meist unterschiedlich sind, erscheint es notwendig, mehrere Beispiele anzuführen, obwohl diese verhältnismäßig nur gering in Erscheinung treten.

Der Sohn eines Großbauern aus Langen Brütz, [Kreis] Schwerin, äußerte bei der Abgabe seiner Unterschrift: »Die gesammelten Unterschriften werden anders ausgelegt. (RIAS bringt in seinen Hetzreden sinngemäß, dass nicht die Unterschriften, sondern der 17.6.[1953] gewertet wird).«

In Badrina, [Bezirk] Leipzig, wollten einige werktätige Bauern in die LPG eintreten. Jetzt äußern diese: »Wir wollen erst den 25.1.[1954] abwarten.«

Eine Einzelbäuerin äußerte: »Wer weiß, ob es nach dem 25.1.[1954] überhaupt noch eine LPG gibt.«

Ein Brigadier der LPG Leezen, [Kreis] Schwerin, wurde von einer Person wie folgt angesprochen: »Ihr mit Eurer Kolchose29 werdet bald zum Teufel gehen, in Hamburg wohnt ein gewisser Herr von …, der leitet schon alles in die Wege. Du müsstest Dich schämen, in diesem Kolchoshaufen mitzuarbeiten.«

In Insel, [Bezirk] Magdeburg, wurden in einer Gaststätte Arbeitsverträge mit der MTS abgeschlossen. Anschließend wurden noch einige Glas Alkohol getrunken. Plötzlich sprang der MTS-Beirat auf und rief: »Haben wir Kommunisten unter uns?« Die Antwort war: »Nein«. Darauf ging dieser auf den Genossen Sekretär der BPO der MTS, der abseits saß, zu und forderten diesen auf, das Parteiabzeichen abzunehmen. Da dieser dies entschieden ablehnte, wurde ihm gedroht: »Wenn Du mich anschwärzt haue ich Dich zusammen, oder wir machen es einmal im Dunkeln.«30

Gefahr einer Fleischstauung: Im Kreis Gransee, [Bezirk] Potsdam, werden von den Bauern wegen angeblich schlechter Futtergrundlage sehr stark tierische Produkte abgeliefert, wodurch die Gefahr einer Fleischstauung besteht.

Rückstände von 800 t Braunkohlebriketts, die der BHG im Kreis Herzberg, [Bezirk] Cottbus, nicht geliefert wurden, führen zu einer gewissen Missstimmung der Bauern. Viele bäuerlichen Betriebe hatten im 4. Quartal 1953 freie Spitzen abgeliefert,31 haben aber noch keine Kohle erhalten. Diesbezüglich wandte sich die BHG an die Dienststelle des SfS.

Stimmung der übrigen Bevölkerung

Viermächtekonferenz: Unter der Bevölkerung steht die bevorstehende Außenministerkonferenz im Mittelpunkt des Interesses. Mit einer gewissen Spannung und Hoffnung auf Einigung der vier Großmächte werden die Verhandlungen erwartet. In den bekannt gewordenen Meinungsäußerungen, die ihrem Inhalt nach, in der Mehrzahl als positiv zu werten sind, wird immer wieder die Hoffnung zur friedlichen Lösung der Deutschlandfrage, aus allen Schichten der Bevölkerung, zum Ausdruck gebracht. So äußerte z. B. ein Ingenieur aus Warnemünde, [Bezirk] Rostock: »Ich hoffe, dass nun der 25.[1.1954] eine Einigung bringt, trotzdem die Gegensätze sehr groß sind. Das Deutschlandproblem kann nicht noch weiterhin verschoben werden.«

Neben einer gewissen Zurückhaltung in den Meinungsäußerungen (z. B. werden wenig Stimmen aus bürgerlichen Kreisen bekannt) und einer gewissen Passivität sind die zweifelnden Stimmen nicht gering. Dem Anschein nach gegenüber den Vortagen sogar etwas stärker geworden. Argumente wie unter Landwirtschaft berichtet.

Aus dem Bezirk Suhl wird bekannt, dass die Stimmung in den Kreisen Bad Salzungen und Meiningen bisher so war, dass der größte Teil der Bevölkerung mit Hoffnung und Spannung auf die Außenministerkonferenz wartete. Jetzt wird sehr stark zum Ausdruck gebracht, dass dies doch nur wieder Theater sei, denn man einigt sich nicht einmal über den Tagungsort, wie soll man dann noch Hoffnung haben.

Von einem Teil der Bevölkerung, meist fortschrittliche Kräfte und Mitglieder unserer Partei, werden die ständigen Bemühungen und die Hilfe der SU sowie die Weltkraft des Weltfriedenslagers aufgezeigt. Desgleichen wird von diesen Kräften die Teilnahme deutscher Vertreter aus Ost und West gefordert. Ein Angestellter aus Altenburg, [Bezirk] Leipzig: »Die Ausführungen Malenkows32 über das Verhältnis der SU zu den USA33 sind zweifelsohne geeignet, eine gute Atmosphäre für die Viermächteverhandlungen in Berlin zu schaffen.«

Zur Forderung, Teilnahme deutscher Vertreter, zeigte die Unterschriftensammlung allgemein gute Ergebnisse.34 Die Unterschriften werden meist von allen Schichten der Bevölkerung bereitwillig gegeben. Nur ein geringer Teil, meist aus bürgerlichen und kirchlichen Kreisen und solche Personen, die eine feindliche Einstellung zur Regierung der DDR und SU zeigen, verweigern diese. Teilweise wird auch eine schlechte Mitarbeit der Blockparteien berichtet. Die Mitarbeit der Blockparteien im Kreis Wernigerode, [Bezirk] Magdeburg, ist sehr schlecht. In Blankenburg z. B. nahmen CDU und LDP die Unterschriftenliste nicht an, die NDPD schickte diese wieder leer zurück.35 Ein Rentner aus Stöckheim,36 [Bezirk] Magdeburg, lehnt die Unterschrift ab und äußert: »Hitler hätte noch viel mehr in den KZ umbringen müssen, es sind noch gar nicht genug gewesen.« Ein Ofensetzer aus Schleife, [Bezirk] Cottbus, – ehemaliger Umsiedler: »Ich unterschreibe nicht, ich arbeite nur dafür, dass wir wieder in unsere Heimat zurückkommen.«

Über die Verpflichtung, nicht mehr den Westsektor zu betreten, die die Angestellten des Magistrats, der Stadtbezirke, unterschreiben sollen, werden rege, zum Teil negative Diskussionen geführt.37 Von sämtlichen Amtsärzten, bis auf einen, wurde die Unterschrift verweigert.

Organisierte Feindtätigkeit

Flugblätter wurden in Berlin (10 000), in den Bezirken Halle (5 000), Cottbus (5 000) und Potsdam (2 900) sichergestellt. Vereinzelte Flugblätter wurden im Bezirk Neubrandenburg, Dresden und Karl-Marx-Stadt gefunden.

Postwurfsendungen wurden vereinzelt im Bezirk Erfurt festgestellt.

Stimmen aus Westberlin

Aus Kreisen der West-CDU wurde über die Vorbereitung zur Viermächtekonferenz Folgendes bekannt: Die Engländer sollen mit den Amerikanern und Franzosen in einer Vorbesprechung folgende Punkte beraten haben, die angeblich die Voraussetzung der Viererkonferenz bilden.

1. Aufhebung der Telefonsperre zwischen Ost und West

2. Pressevertrieb aller Zeitungen und Zeitschriften zwischen Ost und West

3. Abschaffung der Sektorenkontrollen38

Einschätzung der Situation

Die Zweifel an einem erfolgreichen Verlauf der Viermächtekonferenz haben sich verstärkt. Sonst ist die Lage gegenüber den Vortagen unverändert.

Anlage vom 15.1.1954 zum Informationsdienst Nr. 2070

Anhang mit Westberliner Stimmen zur Außenministerkonferenz

Im Wartesaal des Bahnhofes Zoo unterhielten sich ca. zehn Arbeiter und Taxifahrer über die Viererkonferenz. Einer von ihnen sagte: »Wenn sie sich am 25. Januar [1954] nicht einigen, dann müssen wir uns mit einem Knüppel vor das Konferenzzimmer stellen und keinen herauslassen bis sie sich geeinigt haben. Die sollten uns mal mit hineinlassen, wir würden uns in einer Stunde einigen.« Er fand die Zustimmung aller, die mit am Tisch saßen. In der weiteren Unterhaltung kam zum Ausdruck, dass sie unbedingt eine Einigung auf der Konferenz erhoffen.

Auf dem Arbeitsamt in der Charlottenstraße wurden von Arbeitslosen folgende Meinungen geäußert: »Wir wären dem Russen sehr dankbar, wenn er sich voll und ganz für den Frieden und die Einheit Deutschlands einsetzt. Der Amerikaner hat kein Interesse daran und verdient ja nur am augenblicklichen Zustand.« – »Ich glaube nicht, dass eine Verständigung der Viererkonferenz zustande kommt, weil keiner nachgeben will.« – »Es ist nur zu begrüßen, dass endlich wenigstens die Hoffnung auf eine Vereinigung Deutschlands vorhanden ist.« – »Wenn Russland und die Alliierten bei der Viererkonferenz alle ein bisschen nachgeben, haben wir im Februar 1954 den Frieden und die Einheit Deutschlands. Ich würde mich sehr darüber freuen.« – »Jetzt hört und sieht man auch über den Rundfunk, dass wenigstens von Russland und der DDR alles getan wird, um den Frieden und die Einheit für uns herbeizuführen.«

An anderer Stelle unterhielten sich drei Angehörige der West-BVG, von denen zwei der SPD angehören. Übereinstimmend sagten sie: »Wir begrüßen es, dass die Verhandlungsbereitschaft der vier Großmächte soweit gediehen ist, und wenn der gute Wille vorhanden ist, können wir in einem halben Jahr die Einheit haben. Wir Deutsche sind es nicht, die die Spaltung wollen.«

In einem kleinen Lokal unterhielten sich einige Arbeiter. Sie meinten, dass die Westmächte mit einer einheitlichen Meinung auftreten werden und dass die SU kleine unbedeutende Zugeständnisse im Hinblick auf die Schaffung der Einheit Deutschlands machen werde, die SU werde aber von ihrer bisherigen Linie nicht grundsätzlich abweichen, die gegen die Einheit Deutschlands gerichtet sei. Einer von diesen Arbeitern erhielt die Unterstützung auch der anderen, als er sagte: »Die SU wird die SED in Deutschland fallenlassen, wenn sie dadurch einen großen wichtigen außenpolitischen Erfolg im Interesse der Sicherung ihres eigenen Landes erringen wird.«

In einer Unterhaltung von SPD-Genossen wurden folgende Meinungen geäußert: »Die Viererkonferenz ist zu begrüßen, weil endlich einmal die Gelegenheit geboten wird, Deutschland die Freiheit zu geben, auf die wir seit acht Jahren warten. Leider werden die Russen unter allen Umständen versuchen, ihre Macht besonders herauszustellen, weil sie Angst haben müssen, dass sie die von ihnen unterdrückten Gebiete und dadurch einen Stützpunkt in Europa verlieren.« – »Man müsste den Westmächten für ihre Initiative dankbar sein, die sie ergriffen haben, um Deutschland endlich den Platz zu geben, den es in Europa beanspruchen darf und muss.«

Im Berliner Bremsenwerk fand eine Aussprache mit den im Werk beschäftigten Westberliner Arbeitern statt. Von den ca. 50 Kollegen waren 29 anwesend. Zwei von ihnen sprachen sich positiv über die Viererkonferenz aus. Die übrigen äußerten keine eigene Meinung. Sie hegten den Verdacht, dass eventuell »Spitzel« unter ihnen seien, und dass sie durch Verrat zum Verlust ihres Geldumtausches kommen könnten. Aus dem gleichen Grunde lehnten sie auch die Unterschrift unter eine Resolution ab.

Ein Westberliner Kolonialwarenhändler meinte, dass die Konferenz erfolgreich verlaufen werde. Man könne schon am Beispiel Korea sehen, wo keiner geglaubt hätte, dass der Konflikt auf dem jetzt eingeschlagenen Wege sich hätte lösen lassen, und doch sei der Krieg in Korea beendet worden.39 Die SU meine es ehrlich mit ihren Angeboten, denn sie brauche ihre Truppen im eigenen Lande für andere Aufgaben, und die Soldaten wollten ebenfalls in ihre Heimat zurück.

Ein Staatsanwalt sagte: »Aus Anlass der Viererkonferenz wird von beiden Seiten sehr viel Propaganda gemacht, und die Konferenz wird doch ohne Erfolg ablaufen. Die Westmächte werden ihren Stützpunkt Westberlin und Westdeutschland nicht aufgeben, und die SU wird auch nicht nachgeben. Die politischen Verhältnisse der vier Großmächte werden sich noch weiter zuspitzen, und eines Tages wird es zum Krieg kommen.« Die Angestellten seines Arbeitsbereiches unterstützen seine Meinung.

Ein katholischer Priester äußerte: »Was machen wir uns Gedanken über die Viererkonferenz, sie platzt ja doch. Die Russen werden auf der Konferenz solche Forderungen stellen, die die Westmächte nicht anerkennen können. Dadurch wird es zum Bruch dieser Konferenz kommen und wir behalten weiter ein getrenntes Deutschland.«

Ein Verwaltungsangestellter vom Bezirksamt Spandau, Mitglied der FDP: »Die Russen werden die Viererkonferenz wieder zum Scheitern bringen. Wir müssen erstmal eine Wahl in ganz Deutschland haben. Das wird der Russe mit seiner Ostzonenbevölkerung nicht zulassen.«

Aus dem sogenannten Flüchtlingslager am Karlsbad40 wurde bekannt, dass öfters gut gekleidete Personen kommen und die Republikflüchtigen auffordern, während der Viererkonferenz zu demonstrieren. Sie sollen Plakate mit folgenden Losungen tragen: »Hilfe für die hungernde Ostzone« – »Die Russen sollen abziehen« – »Befreiung vom bolschewistischen Joch« –.

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