Zur Beurteilung der Situation
20. Januar 1954
Informationsdienst Nr. 2073 zur Beurteilung der Situation
Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft
Industrie und Verkehr
Über die bevorstehende Viermächtekonferenz1 wird in den Betrieben weiterhin diskutiert. Der überwiegende Teil der Werktätigen bringt die Hoffnung zum Ausdruck, dass die Konferenz die Einheit Deutschlands und einen Friedensvertrag beschließt. Das Zustandekommen der Konferenz wird von einem Teil der Kumpel aus dem Wismutgebiet2 als Verdienst der SU angesehen.
Die Unterschriftensammlung zur Teilnahme deutscher Vertreter an der Konferenz wird fortgesetzt,3 wobei die Forderung überwiegend unterstützt wird. Nur vereinzelt ist bekannt geworden, dass eine Unterschrift von Angestellten abgelehnt wurde, da die Entscheidungen sowieso bei den Großmächten liegen würden.4
Zweifelnde Stimmen an einem Erfolg der Konferenz werden weiterhin von allen Teilen der Werktätigen geäußert. Dabei wird oft auf die bisher stattgefundenen Konferenzen hingewiesen,5 die keinen Erfolg brachten.6
Negative Diskussionen zur Konferenz sind nur in geringem Ausmaß bekannt. Darin wird meist zum Ausdruck gebracht, dass alle Großmächte nur aus Deutschland etwas herausholen wollen und deshalb keine Einigung zustande kommen wird. Von Umsiedlern wird immer wieder die Hoffnung ausgesprochen, dass sie nach der Viererkonferenz in ihre ehemalige Heimat zurückkönnen.
Über die Amnestie der durch sowjetische Militärgerichte verurteilten Personen7 sind nur vereinzelt Diskussionen bekannt. Darin wird diese Maßnahme allgemein als gut betrachtet.8
Ein Schweißer in der Bohrabteilung eines Schachtes in Freital,9 [Bezirk] Dresden: »Durch ihren Friedenskampf hat die SU so viele Anhänger, dass die Westmächte nun endlich verhandeln müssen.«
Ein Angestellter der Projektierung Schifffahrt, Betriebsabteilung Berlin: »Wir als Deutsche können sowieso nicht an einem erfolgreichen Verlauf beitragen. Man nimmt uns doch nicht ernst.«
Ein Zugschaffner vom Transit-Verkehr Frankfurt/Oder: »Ich bin gespannt, was bei der Konferenz herauskommen wird, die haben sich schon oftmals getroffen, aber sind sich nie einig geworden.«
Ein Maurer aus Döbern, Kreis Forst, [Bezirk] Cottbus: »Die sollen sich alle rausmachen aus Deutschland, dann werden wir uns schon einig. Es ist aber so, dass niemand gehen will, weil sie aller recht viel herausholen wollen.«
Ein Kraftfahrer vom VEB Lenkgetriebewerk Triptis, [Bezirk] Gera: »Ich hoffe, dass nach der Konferenz in der Frage der Oder-Neiße-Grenze Konzessionen gemacht werden.«10
Ein VP-Meister aus Neschwitz, Kreis Bautzen, [Bezirk] Dresden: »Es ist wirklich eine politische Notwendigkeit, dass diese Leute entlassen werden, da ein Teil von ihnen zu hoch bestraft wurden.«
Missstimmung herrscht unter den Kollegen der Walzstraßen 7 und 21 im VEB Eisenhüttenwerk Thale,11 [Bezirk] Halle, da dort im Verhältnis zu den anderen Walzwerken der DDR die niedrigste Lohnstufe besteht. Des Weiteren in VEB Gaselan Fürstenwalde,12 [Bezirk] Frankfurt/Oder, da für die Lohngruppen V bis VIII die Lohnerhöhung noch nicht mit ausgezahlt wird.13
Entlassungen von 70 bis 100 Belegschaftsangehörigen wurden im VEB Papierverarbeitungswerk Dresden wegen Materialmangel durchgeführt, wodurch die Kollegen beunruhigt sind.14
Wegen Materialmangel muss der VEB Schuhfabrik Güstrow, [Bezirk] Schwerin, die Produktion einschränken, sodass der Dekadenplan nicht erfüllt wird. 25 Kollegen wurden bereits von der Produktion freigestellt.
Im RAW Meiningen, [Bezirk] Suhl, explodierte am 19.1.1954 im Kesselhaus der große Lokkompressor, wodurch ein Schaden von ca. 100 000 DM entstand. Über die Ursache werden die Ermittlungen noch geführt.
Eine Produktionsstörung entstand in der Kammgarnspinnerei Werk V in Ronneburg,15 [Bezirk] Gera, durch Beschädigung der Kesselanlage. Gesamtschaden ca. 15 000 DM. Die Ursache wird noch ermittelt. Desgleichen im VEB WMW Erlau,16 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, durch Stromausfall. Schaden ca. 10 000 DM (Werkzeugmaschinenwerk).17
Handel und Versorgung
Bis auf örtliche Mängel in einigen Bezirken ist die Versorgung der Bevölkerung zufriedenstellend.
In Schwarzenberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, herrscht ein spürbarer Mangel an Kinderwäsche, besonders für 2- bis 5-Jährige.
In den Kreisen Sangerhausen und Merseburg, [Bezirk] Halle, bemängelt die Bevölkerung, dass es nicht genügend Bettwäsche zu kaufen gibt. Im Kreis Hettstedt, [Bezirk] Halle, beklagen sich viele Menschen über die Preise von Haushaltsgegenständen, Tisch- und Bettwäsche. Zum Beispiel kostete ein Wischtuch im Jahre 1952 3,00 DM, jetzt 6,00 DM.18
Im Kreis Pößneck, [Bezirk] Gera, bestehen Absatzschwierigkeiten bei Margarine Sorte III, die von der Bevölkerung wenig gekauft wird.
Bei der BHZ Nahrungsmittel fehlen Arbeitskräfte und Fahrzeuge. Zuweilen herrscht unter den Transportarbeitern dieser BHZ eine mangelhafte Arbeitsmoral, zuweilen kritisieren sie aber auch berechtigt bestimmte Mängel. Sie werden z. B. oft sonntags zum Entladen von Margarine eingesetzt, die aus der DDR kommt, dabei hat die Berliner Margarinefabrik Absatzschwierigkeiten.
Nachdem in der gestrigen Information über drei Waggons verdorbener Bananen aus Erfurt berichtet wurde,19 wird heute aus Berlin gemeldet, dass sechs Waggons Bananen (30 t) zu niedrigen Preisen verkauft werden mussten, weil sie nahe am Verderben waren.
Landwirtschaft
Etwas stärker als in den vergangenen Tagen wird die Viererkonferenz von allen Schichten der Landbevölkerung diskutiert. Die Ursache hierfür ist die verstärkte Aufklärungstätigkeit, besonders unter den werktätigen Bauern. Die Erfolge spiegeln sich in den größeren Aktionen zur Unterschriftensammlung wider. Immer mehr werktätige Bauern geben der Hoffnung Ausdruck, dass jetzt, nachdem die Tagungsorte bereits festgelegt wurden,20 hierüber Einigung erzielt wurde, auch die Frage der Einheit Deutschlands im positiven Sinne geregelt werden müsste. Auf den Kreisbauerntagen und Wahlversammlungen in den Bezirken Suhl und Karl-Marx-Stadt wurde diese Stimmung durch Annahme von Resolutionen und verstärkte Unterschriftensammlung unterstrichen.
Die feindlichen Einstellungen und Diskussionen, die durch großbäuerliche Elemente hineingetragen werden und auch Kreise der werktätigen Bauern erfassen, behandeln die Forderung nach »freier Wirtschaft«, »mehr Freiheit für die Entwicklung der Eigeninitiative«, sowie »Steigerung der Preise für die Sollablieferung« und »Herabsetzung der Preise für freie Spitzen«,21 »Beschaffung von Arbeitskräften für die Landwirtschaft«.22
Ein Einwohner aus Wölfis, [Bezirk] Erfurt, äußerte: »Diese Konferenz ist nicht nur für uns Deutsche allein von großer Bedeutung, sondern auch für die ganze Welt. Von dieser Konferenz wird es abhängen, ob sich die internationale Lage entspannt.«
In einer Versammlung der Nationalen Front23 in Rossau, [Kreis] Osterburg, [Bezirk] Magdeburg, nahmen 60 Einwohner teil. Von diesen stimmten nur 20 für die Resolution an die Viermächtekonferenz,24 der Stimme enthielten sich hauptsächlich großbäuerliche Elemente, die unter anderem äußerten: »Die Konferenz wird bestimmt gut verlaufen und dann wird sich auch bei uns sehr viel ändern. Wir werden dann wieder eine ›freie Wirtschaft‹ bekommen.«25
Auf den Kreisbauerntag in Merseburg, [Bezirk] Halle, der am 17.1.1954 stattfand, äußerte ein Bauer wie folgt:26 »Als wir Bauern hörten, dass das Jahr 1954 zum Jahr der großen Initiative gemacht werden soll,27 haben wir uns darüber Gedanken gemacht. Wenn dies geschehen soll, so ist es eine Notwendigkeit, dass uns Bauern mehr Bewegungsfreiheit für die Entfaltung unserer Eigeninitiative gegeben wird. Man sollte nicht immer alles von oben herunter bestimmen. Durch die Befehlswirtschaft ist den werktätigen Bauern teilweise die Arbeitsfreude genommen worden. Es ist eine Missstimmung aufgetreten, die teilweise zum Hass übergegangen ist. Wir stellen die Forderung: Die Preise für die freien Spitzen zu senken, die Preise für die Sollablieferung zu erhöhen und ausreichend qualifizierte Arbeitskräfte für die Landwirtschaft zu beschaffen.«28
Im Bezirk Schwerin bestehen Schwierigkeiten in der Ersatzteilbeschaffung für Traktoren und Geräte der MTS.
In dem Gemeindebetrieb Pütte, [Kreis] Stralsund, [Bezirk] Rostock, beabsichtigen Arbeiter, in den Streik zu treten, da sie für Monat Januar noch keinen Lohn erhalten haben.29
In der LPG Neuhof, [Kreis] Lübz, [Bezirk] Schwerin, sind ca. 300 bis 400 Ztr. Kartoffeln erfroren. Die Kartoffeln wurden nicht winterfest eingelagert.
Stimmung der übrigen Bevölkerung
Im Allgemeinen ist festzustellen, dass der größte Teil der übrigen Bevölkerung große Hoffnungen auf die Viererkonferenz setzt, wenn auch in diesen Kreisen die zweifelnden Stimmen in stärkerem Maße hervortreten als unter den Arbeitern der Industrie.30 Die Aufklärungseinsätze der Nationalen Front zeigten jedoch allgemein gute Ergebnisse. Weiterhin sind gute Ergebnisse in der Unterschriftensammlung zu verzeichnen. Nur selten werden Unterschriften verweigert.31 Verschiedene Bezirke melden Ablehnung der Unterschriften durch Anhänger der »Zeugen Jehova«.32
Besonders positive Stimmen zur Viererkonferenz kommen von Hausfrauen, die sich durch die Konferenz die Erhaltung des Friedens erhoffen.33 Neben fortschrittlichen Stimmen gibt es unter Teilen der Umsiedler auch Meinungen darüber, dass Adenauer34 ihnen die Rückkehr in ihre alte Heimat bringen werde,35 die Viererkonferenz durch die Ablehnung der SU jedoch diesen Wunsch nicht verwirklichen könne.
Wie heute festgestellt wurde, treten Mitglieder der CDU in Diskussionen zur Viererkonferenz fast nicht hervor und dann nur mit skeptischen Bemerkungen. In der NDPD (Grevesmühlen) gab es reaktionäre Diskussionen über die SU. Die bekannt gewordenen Stimmen von Mitgliedern der LDP und DBD sind überwiegend positiv. Die Intelligenz verhält sich im Wesentlichen abwartend und ausweichend.36 Jedoch gibt es auch hier positive Meinungen. Über die Entlassungsaktion der von unseren Freunden Verurteilten, liegen noch wenig Meldungen über Diskussionen vor. Diese aber sind im Wesentlichen positiv.
Eine Hausfrau aus Borna, [Bezirk] Leipzig, sammelte freiwillig 57 Unterschriften für die Außenministerkonferenz. Von den angesprochenen Frauen übernahmen fünf Frauen Selbstverpflichtungen für 20 freiwillige Aufbaustunden.
Der 1. Kreisvorsitzende der CDU in Strasburg, [Bezirk] Neubrandenburg: »Die Meinung vieler CDU-Mitglieder ist, dass nicht unbedingt Deutsche an der Verhandlung in Berlin teilnehmen müssen, sondern man soll abwarten, was sich auf den Verhandlungen ergibt.«
Der Vorsitzende des Kreisverbandes der CDU in Perleberg, [Bezirk] Schwerin: »Mögen die Verhandlungen in Berlin noch so lange dauern, sie werden doch zu keinem positiven Ergebnis kommen.«
Einige Professoren und Dozenten der pädagogischen Fakultät der Humboldt-Universität Berlin äußern sich nicht zur Viererkonferenz, trotzdem sie angesprochen wurden, sie wollen nichts von Politik hören. Von einer Reihe Angehöriger der Intelligenz (Akademie der Künste) besteht die Tendenz des Abwartens. Man will sich nicht vor der Konferenz öffentlich festlegen.
Ein entlassener ehemaliger Gefangener, dessen Ehefrau nach Westdeutschland verzogen ist und der eine Fahrkarte nach dort bekommen sollte, lehnte dies ab mit der Begründung, dass er im Westen nichts verloren habe und am Aufbau in der DDR mithelfen wolle.
Organisierte Feindtätigkeit
Flugblatttätigkeit geringer in den Bezirken Rostock, Potsdam, Halle, Leipzig, Erfurt, Gera, Suhl, stärker in den Bezirken Neubrandenburg, Frankfurt/Oder, Cottbus, Magdeburg, Dresden und in Berlin. Die im gestrigen Bericht37 erwähnten Stimmzettel, die von der SPD vertrieben werden,38 wurden wieder vereinzelt in den Bezirken Suhl, Erfurt und Dresden und in größeren Mengen im Bezirk Frankfurt/Oder gefunden.39
Einen Überfall verübten in der Nacht zum 16.1.1954 vier, später ermittelte und festgenommene Personen, auf den Bürgermeister von Samswegen, [Kreis] Wolmirstedt, [Bezirk] Magdeburg.
Am 17.1.1954 in den Abendstunden wurde bei vier parteilosen Einwohnern von Hohen Neuendorf, [Kreis] Oranienburg, [Bezirk] Potsdam, von unbekannten Tätern durch die Fenster geschossen. Die Geschosse hatten ein Kaliber von 7,65. Größerer Schaden entstand nicht.
Ein Brand vernichtete in der Nacht zum 19.1.1954 in Bernau, [Bezirk] Frankfurt/Oder, die Scheune eines werktätigen Bauern. Die beiden Brandstifter wurden festgenommen.
Die »freikirchliche Gemeinde« in Dippoldiswalde, [Bezirk] Dresden, veröffentlicht in einem Schaukasten eine Zeitschrift ihrer Sekte, in der August Bebel40 verleumdet wurde.
Vermutliche Feindtätigkeit
Gerüchte: Im Kreis Schmölln, [Bezirk] Leipzig, kursiert das Gerücht, dass nach dem 25.1.1954 eine Währungsreform durchgeführt werde.41 Es wurden bereits Angsteinkäufe bemerkt. In Berlin kursiert ein Gerücht, wonach noch vor der Außenministerkonferenz eine Preissenkung durchgeführt werden soll.42
Einschätzung der Situation
Die Diskussionen über die Viermächtekonferenz verstärken sich weiterhin auf dem Lande. Im Gegensatz zu den Arbeitern in der Industrie zeigen sich unter der übrigen Bevölkerung jetzt mehr Stimmen, bei denen Zweifel an einem erfolgreichen Verlauf der Konferenz zum Ausdruck kommen. Weitere Veränderungen in der Lage sind noch nicht festzustellen.
Anlage vom 19.1.1954 zum Informationsdienst Nr. 2073
Information über die Propaganda der Westsender zur Viererkonferenz
Der westliche Rundfunk versucht die Bedeutung der Unterschriftensammlung zu ignorieren und als Zwangsmaßnahmen der SED auszulegen. Der RIAS argumentierte am 9.1.1954: »Entweder unterschreiben die von den SED-Agitatoren Heimgesuchten überhaupt nicht, oder sie unterschreiben, weil es leider so üblich ist in der DDR. Man verspricht sich dabei nichts von langen Diskussionen mit linientreuen Aufklärern. Auch hier hat man seine Erfahrungen sammeln können. Da gab es nach dem 17. Juni [1953] Minister, die in die Betriebe gingen und freie Aussprachen forderten und Redefreiheit garantierten. Wieviel diese Garantien der Minister wert waren, zeigte sich einige Wochen später, als Arbeiter verhaftet wurden, die frei und offen bei diesen Versammlungen gesprochen haben.«
Um Zweifel über das Ergebnis der Unterschriftensammlung in die Bevölkerung zu tragen, verbreitete der Hamburger Rundfunk am 8.1.1954: »Die Unterschriften werden in den Betrieben und durch die Hausvertrauensleute gesammelt. Also da schon zum Teil doppelt … Die Hauptsache es hat jeder unterschrieben. Natürlich freiwillig.«
Vonseiten der Kirche wird versucht die Bedeutung der Stimme der Volksmassen als unwichtig hinzustellen, um große Aktionen der Bevölkerung für einen erfolgreichen Abschluss der Viererkonferenz zu vermeiden. Hamburger Rundfunk43 am 11.1.1954 – Erklärung des Bischof Dibelius:44 »Die evangelische Kirche hat keine großen Erwartungen und Hoffnungen, weil die Deutschen den Entscheidungen äußerlich ohnmächtig zusehen müssen.«
In einem Kommentar der katholischen Kirche wurde am 15.1.1954 erklärt: »Alle Menschen blicken in diesen Tagen nach Berlin und empfinden schmerzlich wie wenig es von ihnen abhängt, dass Frieden wird.«
Zur Beeinflussung der Bevölkerung bedient sich der RIAS weiter der Hetze gegen die Oder-Neiße-Grenze. Am 12.1.1954 wurde erklärt: »In der Konferenz von Teheran, Jalta und Potsdam ist ausweislich der Protokolle zwar von einer Entschädigung Polens für die an seiner Ostgrenze an die Sowjetunion abgetretenen Gebiete besprochen, der Umfang jedoch nicht näher bestimmt worden.«45 In den weiteren Ausführungen wird dargelegt, dass Stalin in Potsdam von der westlichen Neiße, auch Görlitzer oder Lausitzer Neiße genannt, gesprochen hat, während Churchill46 glaubte, man spräche über die ostwärtige Neiße, die bei Freiwaldau47 entspringt.48 Unter anderem wird erklärt: »Man ist gegenwärtig bestürzt, wie es zu einer solchen Meinungsverschiedenheit kommen konnte.« Anschließend wird versucht, mit geschichtlichen »Begründungen«49 zu argumentieren.
Der westliche Rundfunk, z. B. Hamburg,50 meldet am 12.1.1954, dass die Bundesregierung die deutschen Anliegen für die Viererkonferenz wie folgt zusammenfasste:
1. Freie gesamtdeutsche Wahlen
2. Bildung einer verfassungsgebenden Nationalversammlung
3. Schaffung einer gesamtdeutschen Regierung mit völliger Handlungsfreiheit.
Um die Hintermänner des 17. Juni [1953] zu decken und die Enthüllungen über die Vorbereitung neuer Provokationen zu verschleiern, verbreitet der RIAS am 12.1.1954: »Wir wollen die Augen nicht vor der Tatsache verschließen, dass die unterjochte Zonenbevölkerung nach der Niederschlagung ihres Aufstandes das Wort prägte: Der 17. Juni [1953] sei erst der Polterabend gewesen, die Hochzeit folge noch nach.« »Es geht einzig und allein darum, die guten Kräfte in der Zone zu erhalten.« Es wird erklärt, dass die Vorbereitung eines Aufstandes »weder im Interesse der Westmächte noch im Interesse der Zonenbevölkerung selbst liegt«.