Zur Beurteilung der Situation
21. Januar 1954
Informationsdienst Nr. 2075 zur Beurteilung der Situation
Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft
Industrie und Verkehr
Über die bevorstehende Viermächtekonferenz1 wird weiterhin in den Betrieben diskutiert. Die größte Zahl der Stimmen ist positiv und drückt den Wunsch aus, dass die Konferenz als Ergebnis die Einheit Deutschlands bringen möge. Ein Techniker im Bauobjekt Tutow, [Bezirk] Neubrandenburg: »Ich hoffe, dass die Verhandlungen in Berlin zu einem vollen Erfolg führen werden, denn es muss doch endlich die Einheit unseres Vaterlandes hergestellt werden.«2
Die Unterschriftensammlung über die Teilnahme deutscher Vertreter an der Konferenz wird in den Betrieben fortgesetzt,3 wobei meist von den Arbeitern und Angestellten die Unterschrift geleistet wird. Ein kleinerer Teil Arbeiter weigert sich zu unterschreiben4 mit der Begründung, dass man doch nicht auf sie hören würde. Ein Arbeiter des VEB Gaselan in Fürstenwalde,5 [Bezirk] Frankfurt/Oder: »Wir haben schon so oft unterschrieben und es ist nichts dabei herausgekommen.«
Die zweifelnden Diskussionen über ein positives Ergebnis der Konferenz halten weiterhin an,6 sind jedoch insgesamt etwas geringer geworden infolge der Einigung über den Konferenzort.7 Darin wird vor allem zum Ausdruck gebracht, dass sich die Großmächte wahrscheinlich wiederum nicht einig werden würden, denn keiner will nachgeben. Vereinzelt wird von Arbeitern befürchtet, dass die Westmächte die Konferenz sprengen könnten.
Ein Arbeiter aus Groß Schwarzlosen, [Bezirk] Magdeburg: »Die Konferenz ist ganz gut,8 aber die werden sich ja doch nicht einig. Sie waren schon oft zusammen, doch keiner will ein Loch zurückstecken.«
Ein Schriftsetzer aus der Druckerei »Karl Liebknecht« in Greiz, [Bezirk] Gera: »Ich zweifle an einer Einigung in Berlin, denn die USA haben gar kein Interesse an einer friedlichen Lösung des deutschen Problems.«
Negative Stimmen sind in geringer Zahl bekannt.9 Teilweise, besonders von Eisenbahnern wird darin gesagt, dass die SU nicht verhandeln wird. Von Umsiedlern wird die Meinung vertreten, dass auf der Konferenz die Oder-Neiße-Grenze behandelt werden muss, woran jedoch alles scheitern wird.
Ein Rangierer vom Reichsbahnamt Nordhausen, [Bezirk] Erfurt: »Die Viererkonferenz bringt keinen Erfolg, da die SU nur immer Forderungen an die Westmächte stellt und nicht gern verhandeln will.«10
Ein Umsiedler aus Kromlau, [Bezirk] Cottbus: »Die Oder-Neiße-Grenze ist nur von der DDR festgelegt worden.11 An dieser Frage wird die Außenministerkonferenz scheitern.«12
Ein Arbeiter aus dem VEB Mechanik Gaselan Berlin:13 »Wenn es der Osten ernst meint, dann soll er einheitliche Wahlen zulassen und nicht immer neue Noten in die Welt hinaussenden.«14
Ein Maurer von der Bau-Union Leipzig – Baustelle Windmühlenstraße: »Die tagelange Verhandlung um den Tagungsort ist ein schlechtes Vorzeichen für die Viererkonferenz, die werden sich nie einig.«
Diskussionen zur Amnestie verurteilter Deutscher durch sowjetische Militärgerichte15 sind in geringer Zahl bekannt geworden. Allgemein wird darin die Amnestie begrüßt. Einerseits wird sie als Vertrauensbeweis der SU zur DDR angesehen. Andererseits wird gesagt, dass die Amnestie vor der Viererkonferenz auf Druck der USA durchgeführt wurde.
Ein Arbeiter vom VEB Holzwerk Hermsdorf,16 [Bezirk] Gera: »Es ist ein Ausdruck des großen Vertrauens der SU gegenüber der DDR, wenn man über 6 000 Menschen, die in Strafanstalten waren, freilässt.«
Ein Arbeiter aus dem Chemischen Werk Buna, [Bezirk] Halle: »Die politischen Gefangenen wurden nur auf Druck der Amerikaner herausgelassen. Man will dadurch einen Erfolg bei der Viererkonferenz für die DDR herausholen.«
Missstimmung besteht im VEB Westglas Haselbach,17 [Bezirk] Suhl, da wegen Reduzierung der Produktionsauflage für 1954 70 bis 170 Arbeiter entlassen werden sollen;18 im VEB Westglas Altenfeld in Ilmenau,19 [Bezirk] Suhl, da der Lohn der Lohngruppe VI, worunter die meisten Arbeiter fallen, nicht erhöht werden soll; im Thomas-Müntzer-Schacht in Sangerhausen,20 [Bezirk] Halle, da die versprochenen Prämien für die Hochleistungsschichten, die anlässlich des Geburtstages des Präsidenten21 gefahren wurden, nicht ausgezahlt werden.
Mangel an Kohlen besteht im VEB Nagema Schmiedeberg,22 [Bezirk] Dresden, wodurch der Betrieb in den nächsten Tagen die Produktion einstellen muss.
Materialmangel besteht in den VEB Lederfabriken Schneeberg,23 Annaberg24 und Schlettau,25 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, wo insgesamt ca. 300 Arbeiter beschäftigt sind. Der Materialvorrat reicht nur noch bis zum 21.1.1954.
Rohstoffmangel besteht in den VEB »Palla«, Woll- und Seidenweberei Meerane (Kombinat), [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, und im VEB »Einheit« Glauchau (Textilwerk), wodurch im Februar 1954 Arbeiter entlassen werden müssen.26
Infolge Unwetters ist beim Molkereineubau in Kyritz, [Bezirk] Potsdam, die Mittelwand abgerutscht, wodurch ein Schaden von ca. 100 000 bis 120 000 DM entstand.
Landwirtschaft
Die Hauptfrage auf dem Lande ist die Viererkonferenz. Ein großer Teil der Landbevölkerung, hauptsächlich werktätige Bauern, äußern sich hierzu durchaus positiv und bekunden dies durch Abgabe ihrer Unterschrift zur Teilnahme deutscher Vertreter an der Konferenz. Neben der überwiegend zuversichtlichen Stimmung gibt es aber eine Menge zweifelnder Stimmen, die an einen erfolgreichen Ausgang der Konferenz nicht glauben.27 Bestärkt und beeinflusst werden diese Stimmungen durch negative Diskussionen, die durch feindliche und großbäuerliche Elemente hineingetragen werden.
Durch Gerüchte versucht der Gegner besonders die werktätigen Bauern davon abzuhalten, Verträge mit den MTS abzuschließen. Ein Teil der werktätigen Bauern der Gemeinde Froska,28 [Bezirk] Halle, lehnen es ab, mit der MTS für das Jahr 1954 Verträge abzuschließen. Vermutlich wollen sie erst die Viererkonferenz in Berlin abwarten. Im Bereich der MTS Bad Frankenhausen, [Bezirk] Halle, äußerten sich die Bauern hierzu folgendermaßen: Dass die MTS im Jahre 1954 keine Staatszuschüsse mehr bekommt und dadurch die Preise der MTS steigen29 werden.
Im Kreis Merseburg, [Bezirk] Halle, befürchten werktätige Bauern, dass nach der Viererkonferenz, wenn die Einheit Deutschlands besteht, die Möglichkeit gegeben ist, dass sie ihre Betriebe nicht mehr behalten dürfen, da die Großbauern wieder eingesetzt werden und die Felder an sich reißen.
Ein Großbauer aus Wolteritz, [Bezirk] Leipzig, äußerte: »Ich bin gegen die Regierung, sie vertritt nicht die Interessen der Bauern, blockiert die Arbeitskräfte. Ich werde mir merken, wer mithilft mich kaputt zu machen.« Deshalb verweigerte er auch die Unterschrift zur Teilnahme einer deutschen Delegation an den Berliner Verhandlungen.30
Zur Frage der aus der Haft entlassenen politischen Häftlinge erklärte ein Landarbeiter aus Zittau, [Bezirk]/Dresden: »Wenn da 6 000 solcher schwerer Burschen herauskommen, werden wir wohl doch in den Tagen, wo die Außenministerkonferenz in Berlin tagt, allerhand erleben können. Ich kann es nicht verstehen, warum man gerade jetzt die Häftlinge entlässt, wo wir nun endlich einmal auf dem Wege sind, einem gerechten Friedensvertrag entgegenzugehen.« Soweit über diese Frage auf dem Lande diskutiert wird, ist die Diskussion positiv, wird die Maßnahme der Sowjetregierung begrüßt.
Im Bezirk Potsdam und Magdeburg bestehen bei den MTS Schwierigkeiten in der Ersatzteilbeschaffung, was zur Unzufriedenheit der in den MTS beschäftigten Arbeiter führte.31 Desgleichen gibt es in der Gemeinde Horstwalde, [Bezirk] Potsdam, bei den werktätigen Bauern Unzufriedenheiten über schlechte Belieferung mit landwirtschaftlichen Maschinen.
Auf der MTS-Leitstation Gardelegen, [Bezirk] Magdeburg, auf der 125 Arbeiter beschäftigt sind, herrscht teils eine schlechte Stimmung, da vom Typ Ifa Pionier32 dringend Verteilerkappen für Verteiler benötigt werden. Für Typ 653/55 Elektro Karl-Marx-Stadt ist jetzt das staatliche Kreiskontor Magdeburg zur Beschaffung verantwortlich. 30 dieser Verteiler können nicht bearbeitet werden, da man nicht in der Lage ist, Verteilerkappen zu beschaffen. Dies trifft auch für andere Ersatzteile zu. Die Verteilerkappen sind aus Igelit mit vier eingebauten Kupferstiften. Die Belieferung derselben erfolgt schon seit fünf Monaten nicht mehr.
Die Bauern der Gemeinde Horstwalde, [Bezirk] Potsdam, führen darüber Klage, dass die Maschinen, die sie vor 1½ Jahren auf der Leipziger Messe gekauft haben, bis heute noch nicht in ihrem Besitz sind. Diese Maschinen sollten die Grundlage zur Bildung einer LPG sein. Dieser Mangel hat zur Folge, dass der Vorsitzende der Nationalen Front,33 der Einkäufer dieser Maschinen ist, von der Gemeinde verspottet wird.
Da in Westberlin vom 29.1. bis 7.2.195434 die »Grüne Woche« stattfindet,35 wurde bekannt, dass großbäuerliche Elemente beabsichtigen, daran teilzunehmen. Zwei Großbauern aus Angern, [Bezirk] Magdeburg, beschlossen nach einem gemeinsamen Gespräch, nach Berlin zur »Grünen Woche« zu fahren.
In der LPG Ziegendorf,36 [Bezirk] Magdeburg, herrscht eine schlechte Arbeitsmoral, deren Ursache darin zu suchen ist, dass die Arbeitseinheiten nicht richtig berechnet und ungerecht verteilt werden. Der Vorsitzende sowie der Buchhalter haben sich zu viel Arbeitseinheiten angeschrieben bzw. ausgezahlt. Und zwar in der Höhe, für die guten Genossenschaftsbauern zwei Monate arbeiten müssen. Durch gute Aufklärung konnte erreicht werden, dass einige Feldbaubrigaden, die die Absicht hatten, die Arbeit niederzulegen, noch davon abgehalten werden [konnten].
Stimmung der übrigen Bevölkerung
Bei einem großen Teil der Bevölkerung stiegen die Hoffnungen auf einen erfolgreichen Verlauf der Viererkonferenz, da die Vorbesprechungen gut abgeschlossen wurden. Ein anderer Teil sieht in der langen Dauer der Verhandlungen über die Festlegung des Tagungsortes ein Zeichen für die Unmöglichkeit der Verständigung über die wichtigsten politischen Probleme. Ein Angestellter des Kreisgerichtes Großenhain (LDP): »So sehr viel erwarte ich nicht von der Außenministerkonferenz, wenn man jetzt schon so viel Zeit braucht, um den Tagungsort festzulegen.«
Ein Teil bringt zum Ausdruck, dass die SU gewisse Zugeständnisse machen müsse, damit die Konferenz nicht auffliegt. Ein Angestellter der staatlichen Handelsorgane: »Schließlich muss man sich doch ein bisschen nach dem Westen richten. Wir werden es ja in Berlin sehen, dass der russische Vertreter letzten Endes manches Zugeständnis machen muss, wenn die Viererkonferenz nicht auffliegen soll.«
In verstärktem Maße verbreiten Pfarrer die Meinung über die Sinnlosigkeit einer Viererkonferenz. Ein Pfarrer aus Leipzig: »Der Frieden bedeutet für einen Christen etwas ganz anderes als das man es nur in einer politischen Zielsetzung sieht. Friedenskonferenz, Friedensversammlungen und Parlamente haben überhaupt keinen Sinn.« Ein Pfarrer aus Delitzsch sagte in einer Predigt, dass die Viererkonferenz keinen Erfolg bringen werde.
Neben positiven Beispielen treten nach den heutigen Informationen größere Teile der Handwerker und privaten Geschäftsleute negativ in Erscheinung.37 Ein Kürschnermeister (CDU) aus Wernigerode: »… und außerdem soll die Konferenz vertragt werden. Es ist immer dasselbe, die Russen haben wieder was anderes vor, sonst hätten sie die Konferenz nicht verschoben.« Ein Sattlermeister (parteilos) aus Bad Lausick, [Bezirk] Leipzig: »Was nutzt uns die Konferenz. Die Vertreter Westdeutschlands kommen doch sowieso nicht infrage, denn diese Vertreter werden doch vom Osten bestimmt. Die Unterschriftensammlung ist noch zu früh gewesen. Damit wird nur die Durchführung der Konferenz gestört.«
In den Kreisen der Intelligenz ist noch vorwiegend eine schwankende und abwartende Haltung festzustellen.38 Ein Professor an der Humboldt-Universität [Berlin] lehnte seine Beteiligung an der Unterschriftensammlung ab mit der Bemerkung, dass er seine Verbindungen zu den ausländischen Wissenschaftlern nicht verlieren wolle. Der Chefarzt (parteilos) eines Krankenhauses in Eisenberg, [Bezirk] Gera: »Es wäre zu schön, um wahr zu sein, aber die Gegensätze sind zu groß, als dass man sich einigen würde. Im Übrigen ist es mir gleich, denn es geht uns jetzt ganz gut.«
Die Stimmen zu den Haftentlassungen sind überwiegend positiv. Ein Lehrer (LDP) aus Genthin, [Bezirk] Magdeburg: »Ich glaube, dass dieses ein gutes Vorzeichen für die bevorstehende Konferenz ist. Damit zeigt doch die SU, dass sie die Konferenz zu einem Erfolg werden lassen will.«
Organisierte Feindtätigkeit
Flugblatttätigkeit geringer in den Bezirken Potsdam, Erfurt, Frankfurt/Oder, Schwerin, Karl-Marx-Stadt und Dresden, stärker in den Bezirken Cottbus und Magdeburg.
Die bekannten SPD-Stimmzettel39 wurden vereinzelt in den Bezirken Dresden und Karl-Marx-Stadt, in größerer Anzahl in den Bezirken Cottbus und Magdeburg gefunden.
Im Kreis Genthin, [Bezirk] Magdeburg, wurde am 20.1.1954 in den Nachmittagsstunden ein Flugzeug beim Abwerfen von Flugblättern, darunter auch Stimmzettel, beobachtet.
In Briefkästen des Postamtes Berlin W 940 wurden 585 Briefe mit Hetzschriften41 des »Untersuchungsausschusses Freiheitlicher Juristen« vorgefunden.42
Im Kreis Lobenstein, [Bezirk] Gera, wurde am 20.1.1954 beobachtet, wie 120 Ballons jenseits der Demarkationslinie losgelassen wurden.
Terror: Am 19.1.1954 wurde im Kreis Fürstenwalde, [Bezirk] Frankfurt/Oder, ein Volkspolizist von einem unbekannten Täter tätlich angegriffen.
Am 16.1.1954 wurde bei einem Maskenball der Parteisekretär der Gemeinde Zarrendorf, [Kreis] Grimmen, [Bezirk] Rostock, von drei negativen Elementen niedergeschlagen. Durch eine Augenverletzung verlor er das Sehvermögen auf einem Auge.
Drohung mit feindlichen Aktionen im Zusammenhang mit der Viererkonferenz werden – wenn auch vereinzelt – immer wieder festgestellt. So kam es bei der Ausgabe der neuen Personalausweise in Altlandsberg, [Kreis] Strausberg, [Bezirk] Frankfurt/Oder, zu Störungen durch einige provokatorische Elemente. Zwei von ihnen, die durch das Schnellkommando festgenommen wurden, drohten mit Racheaktionen am 25.1.1954.43
Ein republikflüchtiger ehemaliger Arbeiter der Keula-Hütte im Kreis Weißwasser,44 [Bezirk] Cottbus, schrieb an ehemalige Arbeitskollegen, dass am 17. Juni [1953] nur der »Polterabend« gewesen sei, und dass die »Hochzeit« in aller Kürze stattfinde.
In der Bahnhofsgaststätte in Rietschen, [Kreis] Weißwasser, [Bezirk] Cottbus, führte ein negatives Element provokatorische Reden, in denen er ähnliche Gedanken von einem zweiten 17. Juni zum Ausdruck brachte.
Bei einer Diskussion über Lohnangelegenheiten im Zusammenhang mit dem Betriebskollektivvertrag im Forschungslabor des Kombinates Böhlen45 forderte ein CDU-Mitglied die Werkleitung in provokatorischer Weise auf, die Lohndifferenzen zu klären und drohte mit einem Sitzstreik.46
In Landgemeinden des Bezirkes Leipzig wurden Personen beobachtet, die als Agitatoren einer kirchlichen Sekte von Haus zu Haus gehen und versuchen, die Bewohner von der Viererkonferenz abzulenken und ihnen die dogmatischen Lehren der Bibel anzupreisen.47
Am 19.1.1954 versuchten zwei unbekannte Personen, zwei Zeiss-Spezialisten48 nach Westdeutschland zu locken.
Ein Pfarrer in Frankenheim,49 [Kreis] Meiningen, [Bezirk] Suhl, führte eine Geldsammlung für eine Haftentlassene durch. Der Geldbetrag soll am Sonntag in der Kirche übergeben werden.
In Teupitz, [Kreis] Königs Wusterhausen, [Bezirk] Potsdam, kursieren unter Schulkindern und zum Teil auch unter Eltern Kettenbriefe. Für das Abschreiben und Weitergeben der Briefe sind Belohnungen im Werte von 250 Ansichtskarten und Brettspielen ausgesetzt, die in Westberlin abzuholen sind.
Vermutliche Feindtätigkeit
Brände: Am 19.1.1954 brannte eine Scheune der LPG in Qualitz, [Kreis] Bützow, [Bezirk] Schwerin, nieder.
In Martinfeld, [Kreis] Heiligenstadt, [Bezirk] Erfurt, brannten am 19.1.1954 zwei Scheunen und zwei Stallungen eines Mittelbauers und eines Handwerkers nieder. Schaden 40 000 DM.
Am 20.1.1954 brannten in Letzendorf, [Kreis] Gera, die Gehöfte zweier Mittelbauern. Schaden 40 000 DM.
Ein Gerücht kursiert im Leuna-Werk »Walter Ulbricht«. Danach sollen in den nächsten Tagen 1 000 Arbeiter entlassen werden, was auf die Übergabe des Betriebes in Volkseigentum zurückzuführen sei50 bzw. auf den Werkdirektor,51 der für die Arbeiter nichts übrig habe.
Einschätzung der Situation
Aufgrund der westlichen Propaganda ist während der Viererkonferenz mit verhältnismäßig starkem Besuch der »Grünen Woche« in Westberlin durch Großbauern und auch anderen Bauern aus der DDR zu rechnen.52
Die in geringem Umfang geführten Diskussionen über die Haftentlassungen sind überwiegend positiv.
Der Versuch, die Bevölkerung vom Kampf um die Einheit abzuhalten, macht sich bei einem Teil der Prediger immer mehr bemerkbar.
Sonst sind keine wesentlichen Veränderungen in der Lage festzustellen.