Zur Beurteilung der Situation
20. März 1954
Informationsdienst Nr. 2159 zur Beurteilung der Situation
Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft
Industrie und Verkehr
Betriebliche Fragen stehen weiterhin im Mittelpunkt der Diskussionen. Stimmen über die beabsichtigte Einführung der Wehrpflicht in Westdeutschland treten nur noch gering auf.1 Die Mehrzahl dieser Stimmen, besonders die von Arbeitern und Jugendlichen, lehnen die Wehrpflicht in Westdeutschland ab. Verschiedentlich äußert man, dass in der DDR ebenfalls bald die Wehrpflicht eingeführt wird. In geringer Zahl treten negative bzw. feindliche Stimmen, die sich gegen die SU oder DDR richten, auf. Hier zeigt sich besonders der Einfluss der westlichen Propaganda. Ein Arbeiter aus Haldensleben, [Bezirk] Magdeburg: »Die allgemeine Wehrpflicht in Westdeutschland ist richtig. Dort bekommt die Jugend erst den richtigen Schliff in die Knochen.«
Ein Arbeiter (SED) vom VEB Sägewerk Weggun, [Bezirk] Neubrandenburg: »Die Herren da oben (SED-Kreisleitung) stecken alle unter einer Decke. Die eine bessere Funktion haben, bekommen auch bessere Unterstützung von Verwaltung und Partei, als diejenigen, die nur Arbeiter sind.«
Ein Arbeiter vom VEB Stahlwerk Silbitz, [Bezirk] Gera: »Alle Schichten der Bevölkerung müssen Meinungs- und Handlungsfreiheit haben. Vor 1933 war die Wahl demokratisch, ebenso auch die Wahlen von Adenauer.2«3
Ein Jugendlicher vom VEB Druckwerk Reichenbach, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Bei einem Angriff vonseiten Westdeutschlands darf von unserer Seite nicht geschossen werden, sonst wird das Feuer nur noch größer entfacht.«
Bei einem Teil der Werktätigen zeigt sich eine abwartende und gleichgültige Haltung gegenüber von politischen Fragen. Ein Arbeiter aus Stollberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Das Beste ist, man sagt zu allen Dingen überhaupt nichts, ich habe da meine Erfahrungen. Man muss heute überall vorsichtig sein.«
Zu Ehren des IV. Parteitages der SED4 wurden von einem Teil der Arbeiter Kollektiv- und Einzelverpflichtungen übernommen. Ein großer Teil aller Schichten der Werktätigen erhofft vom IV. Parteitag Vorschläge zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage. Besonders erwartet man eine Preissenkung, die Abschaffung der Lebensmittelkarten. Die Kumpel des Karl-Marx-Werkes Zwickau verpflichten sich, den Quartalsplan mit 106 Prozent vorfristig zu erfüllen. Der VEB Beton-Werk Malliß,5 [Bezirk] Schwerin, verpflichtet sich, 30 000 Mauervollziegel und 5 000 Dachpfannen über den Plan hinaus herzustellen. Die Belegschaft des VEB Energieverteilung West in Falkenberg, [Bezirk] Cottbus, verpflichtet sich, 1 000 freiwillige Arbeitsstunden für das Nationale Aufbauwerk zu leisten.6
Produktionsschwierigkeiten wurden aus einzelnen Betrieben bekannt. Ursache sind Materialmangel und fehlende Pläne. Dadurch entstand teilweise bei den Arbeitern Verdienstausfall, welches sich auf die Stimmung im Betrieb negativ auswirkte. In verschiedenen Schächten der Wismut7 fehlt es besonders an Bohrstangen. Dadurch wird die Arbeit der Kumpels behindert.
Materialmangel besteht in der Peene-Werft Wolgast, [Bezirk] Rostock, und im VEB Waggon-Bau Bautzen, [Bezirk] Dresden. So sagte ein Arbeiter dieses Betriebes: »Es ist nichts vom Jahr der großen Initiativen zu merken,8 es ist erst das erste Quartal vorüber und es sieht traurig aus. Wie wollen wir das Ziel erreichen, wenn kein Material kommt, die Arbeiter ohne Arbeit sind, aber bezahlt werden müssen. Entweder will man uns an der Nase herumführen oder man versucht absichtlich, die Arbeit ins Stocken zu bringen, um die Arbeiter zu beunruhigen. Es hat keinen Zweck, noch länger im Werk zu arbeiten, es wird ja doch nicht besser.«
Wegen fehlender Pläne sind die Arbeiter in [der] Stahlformgießerei des Stahlwerkes Gröditz, [Bezirk] Dresden, unzufrieden, da es an Arbeit mangelt. Dazu äußerte ein Arbeiter: »Ich bin schon viele Jahre Former, aber solche Zustände hat es noch nie gegeben. Die Presse veröffentlicht dauernd, dass es an wichtigen Ersatzteilen in anderen Betrieben fehlt. Wir sind in der Lage, diese herzustellen, erhalten aber keine Aufträge. Wenn dem ZK der SED diese Missstände bekannt wären, würde bestimmt sofort Abhilfe geschaffen.«
Unzufriedenheit wurde bei Arbeitern einzelner Betriebe bekannt. Ursachen sind Unstimmigkeiten in Lohn- und Normenfragen bei Prämien und über die Verteilung der Ferienplätze des FDGB.
Im Kraftfahrzeugpark der Leipziger Verkehrsbetriebe sind die Kraftfahrer über unterschiedliche Lohnberechnungen missgestimmt. So beträgt der Stundenlohn bei der Kraftverkehrsgesellschaft 1,71 DM und bei den Leipziger Verkehrsbetrieben 1,56 DM.
Im VEB Metallgusswerk Leipzig ist ein kleinerer Teil der Arbeiter über »zu hohe Normen« missgestimmt. Vereinzelt werden Stimmen laut, die besagen, »durch solche Normen kann nur ein neuer 17. Juni [1953] vorbereitet werden«.
Einige Kollegen der Schiffschlosserei in der Elbewerft Boizenburg, [Bezirk] Schwerin, diskutieren weiterhin negativ über die zu hohe Prämie, die der Werkleiter erhalten hat. Sie sind der Meinung, dass dies nur auf Kosten ihrer Löhne geht.
In der Mathias-Thesen-Werft Wismar, [Bezirk] Rostock, sind die Arbeiter unzufrieden, da nicht genügend Ferienplätze zur Verfügung stehen, sie sehen nicht ein, dass vom FDGB-Bundesvorstand eine Erhöhung der Ferienplätze abgelehnt wurde, obwohl nicht einmal ein Zehntel der Belegschaft einen Ferienplatz erhält. Im VEB Werk für Signal- und Sicherungstechnik Berlin stehen für 2 400 Personen 310 Ferienplätze zur Verfügung. Darüber sind die Kollegen unzufrieden.
Betriebskollektivvertrag
Im VEB Spinnerei und Weberei Ebersbach, [Bezirk] Dresden, kam es bei der Rechenschaftslegung des Betriebskollektivvertrages zu heftigen Diskussionen, da die Betriebsleitung aus finanziellen Gründen nicht alle Verpflichtungen erfüllen können [sic!].
Im VEB Ifa Phämomen Werk II in Seifhennersdorf, [Bezirk] Dresden, wird sehr wenig über den Entwurf des Betriebskollektivvertrages diskutiert, da vielen Arbeitern nicht bekannt ist, was der Entwurf enthält, da nur wenige Exemplare desselben vorhanden sind.
In den Rathenower Optischen Werken, [Bezirk] Potsdam, kam es trotz mehrmaliger Aufforderung durch die Betriebsleitung zu keiner Diskussion. Im Anschluss daran wurde von den Kollegen zum Ausdruck gebracht, dass im Entwurf noch Mängel vorhanden sind.
Die Arbeiter der Bau-Union Potsdam lehnten am 17.3.1954 ihren Betriebskollektivvertrag ab, da in den einzelnen Abteilungen des Betriebes dieser noch nicht genügend diskutiert wurde und noch erhebliche Mängel aufweist.
Produktionsstörung
Am 19.3.1954 explodierte in der Autowerkstatt Gebhardt in Nordhausen, [Bezirk] Erfurt, eine Sauerstoffflasche. Die Hälfte einer 10 m langen und 4 m breiten Halle wurde zerstört. Dabei wurde ein Arbeiter in Stücke gerissen, ein weiterer Arbeiter wurde schwer und einer leicht verletzt. Ermittlungen werden fortgesetzt.
VP-Werbung: Die VP-Werbungen stoßen bei verschiedenen Kollegen auf Ablehnung.9 Ein Arbeiter (parteilos) vom VEB Cottbuser Wolle: »Die bei der KVP sind, haben nur keine Lust zum Arbeiten und wollen nur viel Geld verdienen. Lasst uns nur mit eurem Zimt in Ruhe.« Ein Mechaniker aus den Rathenower Optischen Werken, [Bezirk] Potsdam: »Ich gehe nicht zur KVP, ich werde mich doch nicht kaputtschießen lassen.« Ein Arbeiter vom Maschinenbau Luckenwalde, [Bezirk] Potsdam: »Ich gehe nicht zur VP, denn dort ist nicht alles so, wie es von den Werbern gesagt wird. Warum desertieren10 denn so viele nach Westberlin?«11
Erkrankungen
Über die bereits berichteten Erkrankungen im VEB Modul Karl-Marx-Stadt wurde weiter bekannt:12 Die Zahl der Erkrankten, die sich im Krankenhaus befinden, hat sich auf 95 erhöht. Durch diesen hohen Krankenstand besteht die Gefahr, dass der Monatsplan dieses Werkes nicht erfüllt werden kann.
Handel und Versorgung
Über schlechte Belieferung der Landgemeinde einiger Kreise werden folgende Beispiele bekannt: In den Kreisen Heiligenstadt und Worbis, [Bezirk] Erfurt, fehlt es besonders an Frauenkleidung, Eimern und Heizgeräten; in den Kreisen Aschersleben, [Bezirk] Halle, und Stadtroda,13 [Bezirk] Gera, ist die Belieferung mit Fischkonserven schlecht; im Kreis Stadtroda, [Bezirk] Gera, fehlen Konfirmandenanzüge, was besonders unter den Bauern heftige Diskussionen auslöst. Im Wismutgebiet bestehen weiterhin Schwierigkeiten in der Versorgung mit Textilien, besonders bei Kammgarnstoffen.
Großer Mangel an HO-Fleischwaren ist im Gräfenhainichen, [Bezirk] Halle, aufgetreten. Für Monat März fehlen noch ca. 6 Tonnen Fleischwaren.
Absatzschwierigkeiten bei Frischfleisch bestehen im VEB Schlachthof Zeitz, [Bezirk] Halle. In der Konsummühle Magdeburg lagern schon längere Zeit 500 Tonnen Mehl, Type 860 und können nicht abgesetzt werden. Ein Teil des Mehls ist bereits verdorben.
Landwirtschaft
Im Mittelpunkt der Diskussionen steht die Frühjahrsbestellung. Es wird verschiedentlich über Mangel an Saatkartoffeln, Düngemittel und Futtermittel geklagt. Im kreiseigenen Betrieb Mittelhof in Wolgast, [Bezirk] Rostock, ist für den Schweinebestand nur noch für zehn Tage Futter vorrätig.
Zu der unzureichenden Futtergrundlage äußerte ein Bauer aus Lübbinchen, [Bezirk] Cottbus: »Das größte Übel ist jetzt die Futtergrundlage. Das Futter, was geliefert wurde, war nur ein Tropfen auf den heißen Stein.« Ebenso klagen Bauern im Bezirk Magdeburg über Futtermangel. Dazu äußerte ein Neubauer aus Loburg: »Ich gebe bald meine Wirtschaft ab, weil ich nicht mehr sehen kann, wie das Vieh im Stalle hungern muss.«
Im Kreis Weißenfels bestehen Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Saatkartoffeln. Es fehlen noch 3 117 dz. Im MTS-Bereich Brehna, [Bezirk] Halle, benötigen einige Bauern ebenfalls noch Saatkartoffeln, aber sie können keine Gegenlieferungen aufbringen. In der LPG »Frieden« Saubach, [Bezirk] Halle, fehlen 500 Ztr. und in Klötze, [Bezirk] Magdeburg, 1 850 dz Saatkartoffeln.14
Bei einer nochmaligen Bedarfsermittlung des Staatlichen Kreiskontor Pritzwalk, [Bezirk] Potsdam, wurde festgestellt, dass auch 61 Waggons Düngemittel fehlen. Durch den Mangel an Düngemittel kommt es vereinzelt zu negativen Diskussionen. Ein Bauer aus Luske,15 [Bezirk] Magdeburg: »Schon seit Jahren wird die Düngerverteilung nicht richtig geplant. Man müsste doch aus den Fehlern lernen, aber die LPG und VEG bekommen den ganzen Dünger und wenn wir Bauern unseren 50-prozentigen Dünger bekommen, dann zu einem Zeitpunkt, wo bereits die Ernte vor der Tür steht.«
Aus Kreis Annaberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, und einigen Kreisen des Bezirkes Frankfurt klagen einige Bauern, dass die Eier nicht mehr nach Stückzahl, sondern nach Gewicht bezahlt werden. Sie büßen dadurch am Stück fünf Pfennig ein. In einer Versammlung im Bezirk Frankfurt wurde einem Bauer zugestimmt, als er forderte, dass die Eier wieder nach Stückzahl bezahlt werden sollen.
In einigen Kreisen des Bezirkes Leipzig wirkt sich bei der Frühjahrsbestellung die Krähenplage ungünstig aus. Darüber äußerte ein Bauer aus Borna: »Die Aussaat hat gar keinen Zweck, denn die Krähen vernichten die ganze Saat.«
Teilweise wird über Arbeitsmangel [sic!] geklagt. Ein Bauer aus Kuhschnappel, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, äußerte dazu: »Die MTS unterstützt uns bei der Feldarbeit. Das nützt uns nichts, wir brauchen Arbeitskräfte für die Arbeiten auf dem Gehöft. Die gibt es aber nicht, das wird sich auf die Hektarerträge im kommenden Jahr auswirken.«
Über die Entwicklung der LPG: In Wittstock, [Bezirk] Potsdam, gründeten 71 Landarbeiter und -innen eine LPG. Sie umfasst 622 ha Land. Ebenfalls wurden in den Gemeinden Betzin, [Bezirk] Potsdam und Schenkenberg, [Bezirk Neubrandenburg], LPG gegründet.
Über politische Fragen wurden nur vereinzelte negative Stimmungen bekannt. Sie beinhalten Hetze gegen die DDR und die Sowjetunion. Ein Großbauer aus Ermsleben, [Bezirk] Halle: »Der neue Kurs ist nicht für uns,16 darum wird uns nicht anders übrig bleiben, als zu türmen.«
In Kleinbodungen, [Bezirk] Erfurt, sagte ein Großbauer, als er das Nationale Aufbauprogramm17 unterstützen sollte: »Lasst mich mit eurem nationalen Aufbauprogramm in Ruhe, ich gebe keinen Pfennig Beitrag für die Nationale Front.«18 In einer Versammlung der Nationalen Front Pölitz, [Bezirk] Schwerin, wurden vereinzelte negative Diskussionen geführt. So erklärte ein Bauer: »Wenn ich könnte, wie ich wollte, würde ich noch heute die Russen mit dem Knüppel hinauswerfen. Jeder Deutsche, der mit der Oder-Neiße-Grenze einverstanden ist, ist ein Schweinehund.«
Bevölkerung
Im Mittelpunkt der Diskussion stehen weiterhin wirtschaftliche und persönliche Belange. In einem Kollegium, an dem 70 Ärzte teilnahmen, kam zum Ausdruck, dass der FDGB den Zahnärzten keinerlei Unterstützung zukommen lässt. Insbesondere betrifft das die Ferienreisen. So steht jetzt zum Beispiel schon fest, dass für Juli und August kein Ferienplatz für die See mehr vorhanden ist (parteiloser Arzt aus Suhl).
In diesem Zusammenhang machen sich stärker Diskussionen, besonders unter den Hausfrauen, bemerkbar, wonach man vom IV. Parteitag eine Verbesserung der Lebenslage, Preissenkung bzw. Abschaffung der Lebensmittelkarten erwartet. Verschiedentlich wird die Befürchtung ausgesprochen, dass eine Angleichung an die HO-Preise erfolgt, wenn die Lebensmittelkarten wegfallen. Eine Hausfrau aus Frankfurt äußerte: »Die Preise in der HO für Fett- und Fleischwaren sind noch viel zu hoch. Ich erwarte vom kommenden Parteitag der SED, dass dort der Regierung Beschlüsse unterbreitet werden, die unsere Lebenslage verbessern helfen. Eigentlich müsste es auch möglich sein, die Lebensmittelkarten wegfallen zu lassen. Unsere Erfolge und die Exporte müssten dies gewährleisten.«
Nur vereinzelt wird über die Einführung der Wehrpflicht in Deutschland diskutiert. Die uns bekannt gewordenen Stimmen sind meist positiv. Eine Hausfrau aus Gielow, [Bezirk] Neubrandenburg: »Das Wehrgesetz in Westdeutschland wäre ja hinfällig, wenn alle jungen Menschen sich zusammenschließen würden und den Wehrdienst verweigern.«
Nur ganz vereinzelt wurden negative bzw. feindliche Meinungsäußerungen bekannt. Ein Schaffner aus Pasewalk, [Bezirk] Neubrandenburg, äußerte zu einem Traktoristen: »Der Held der MTS Usedom, [Bezirk] Neubrandenburg,19 kann sich schon jetzt einen Baum aussuchen, an dem er hängen wird, da es in Kürze anders kommt.«
Ein Viehhändler aus Großlehna, [Bezirk] Leipzig, äußerte sich zur Aufklärung der Nationalen Front: »Für Euren Staate und Eure Arbeit, die unproduktiv ist, habe ich kein Interesse, keine Zeit und kein Geld, lasst uns mit diesen Dingen in Frieden.«
Ein Lehrer aus Osterburg, [Bezirk] Magdeburg, Mitglied der SED, äußerte beim Unterricht in der Berufsschule: »Walter Ulbricht20 ist der Hauptschuldige am 17.6.1953, die Bonbonträger,21 das sind die Schurken, die in den Verwaltungen sitzen, die müssen wir herausschmeißen.«
In Wismar, [Bezirk] Rostock, wird das Gerücht verbreitet, dass der Verkauf von Bohnenkaffee nur deshalb gesperrt wurde, weil die HO-Gaststätten ihr Soll im Verkauf von Bohnenkaffee nicht mehr erfüllen.
Organisierte Feindtätigkeit
Hetzschriften des SPD-Ostbüros:22 Potsdam 20 000, Karl-Marx-Stadt 300, Suhl 800. Inhalt: Hetze gegen SED, Regierung, führende Funktionäre, »langsam arbeiten«.
Hetzschriften der NTS:23 Neubrandenburg 3 000, Potsdam 400, Dresden 370, Frankfurt 270, Karl-Marx-Stadt 36, Gera 17. Inhalt: Hetze gegen die SU, Aufforderung zum Desertieren.24
Hetzschriften der KgU:25 Potsdam 2 500, Frankfurt 320, Karl-Marx-Stadt 15, Dresden 10, Neubrandenburg 6. Inhalt: Hetze gegen SED, SfS, Namen von Angehörigen des SfS.
Hetzschriften des CDU-Ostbüros: Cottbus 6 800, Potsdam 6 000. Inhalt: Hetze gegen die Viermächtekonferenz.26 Des Weiteren wurden in den Bezirken Halle und Gera vereinzelt Flugblätter der NTS und des SPD-Ostbüros gefunden. Der größte Teil der oben aufgeführten Hetzschriften wurde mit Ballons eingeschleust.
Gefälschte Rundschreiben: Im Bezirk Schwerin wurden an verschiedene Kreisleitungen der SED gefälschte Rundschreiben von der SED-Opposition27 geschickt. Inhalt: Hetze gegen den IV. Parteitag der SED.
Im Bezirk Rostock erhielt eine FDJ-Kreisleitung eine gefälschte Einladung zu einer Vorbereitungsbesprechung über das II. Deutschlandtreffen in Berlin.28 Im Bezirk Schwerin erhielt die LPG »Frohe Zukunft« in Grambzow ein gefälschtes Rundschreiben von der BHZ Metallurgie Rostock. Darin wird die LPG aufgefordert, Haushaltswaren und landwirtschaftliche Geräte von der BHZ Rostock abzuholen.
Schmierereien: Im Bezirk Potsdam und Halle wurden einige Hetzlosungen angeschmiert. Inhalt: »Nieder mit Pieck,29 erkämpft den Frieden.«
Hetzbriefe: Postsendungen mit der Hetzschrift »Der Tag«30 wurden im Bezirk Rostock 1, Neubrandenburg 1 und Potsdam 31 sichergestellt. Im Bezirk Erfurt wurden 2 Postsendungen der KgU sichergestellt; Hetzbriefe des UfJ31 wurden in Neubrandenburg 2 (an die Techniker und Wirtschaftler der Sowjetzone), Potsdam 1 (Sonderwarnliste), Dresden 1 (Inhalt: Die VdgB soll keine Zwangseintreibungen in der Landwirtschaft vornehmen) [sichergestellt].
Diversion: Bei der Reparation [sic!] eines Schlauches im VEG im Kreis Haldensleben, [Bezirk] Magdeburg, wurde festgestellt, dass zwischen dem Schlauch und der Decke 20 kleine Eisenteile lagen. Der Herstellerbetrieb ist, wie am Schlauch ersichtlich, das »Ernst-Thälmann«-Werk in Lübtheen/Mecklenburg.32
Am 18.3.1954 wurde an einem Kriegsdenkmal des Ersten Weltkrieges in Nossen, [Bezirk] Dresden, von unbekannten Personen ein Kranz niedergelegt.
Vermutlich organisierte Feindtätigkeit
Am 18.3.1954 brannte die Schiffswerft in Aken, [Bezirk] Halle, zu 80 Prozent nieder. Der Schaden beträgt 29 [000] bis 30 000 DM. Die Ursache wird noch ermittelt.
Am 20.3.1954 brannte in Wittstock, [Bezirk] Potsdam, ein Holzschuppen (gegen 1.10 Uhr); gegen 3.15 Uhr brach bei der SED-Kreisleitung ein Brand aus, der sich vom Dachstuhl bis zum ersten Stock ausdehnte. Die Parteidokumente und andere Materialen wurden sichergestellt. Vermutlich handelt es sich um Brandstiftung.
Einschätzung der Situation
In Industrie, Landwirtschaft und übrige Bevölkerung stehen betriebliche, wirtschaftliche und persönliche Dinge im Vordergrund der Diskussion. Stärker tritt in Erscheinung, dass man vom IV. Parteitag der SED eine weitere Verbesserung der Lebenslage erwartet.
In Industrie und Landwirtschaft werden teilweise zu Ehren des bevorstehenden IV. Parteitages Wettbewerbe abgeschlossen und Selbstverpflichtungen übernommen. Aus einigen Betrieben in verschiedenen Bezirken werden Produktionsschwierigkeiten berichtet. Arbeiter äußern Unzufriedenheit, da sie dadurch finanzielle Nachteile haben.
In der Landwirtschaft fehlt es an Saatkartoffeln, Dünger und Futter für das Vieh. Feindliche Äußerungen wurden nur vereinzelt bekannt.
Berichtigung
Im Bericht vom 19.3.1954,33 Seite sieben, Zeile 13 steht: … verschiedentlich wird der Wunsch ausgesprochen … es muss aber heißen: … verschiedentlich wird die Befürchtung ausgesprochen …