Zur Beurteilung der Situation
27. Januar 1954
Informationsdienst Nr. 2087 zur Beurteilung der Situation
Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft
Industrie und Verkehr
Viermächtekonferenz:1 Ein großer Teil der Werktätigen erwartet mit Spannung und Interesse die täglichen Veröffentlichungen in Presse und Rundfunk über den Verlauf der Konferenz in Berlin. Man erwartet, dass diese Konferenz eine Entspannung der internationalen Lage und eine Lösung des Deutschlandproblems mit sich bringt. Stimmen über die ersten Veröffentlichungen wurden erst wenig bekannt.2 Ein Teil davon begrüßt die Rede des Genossen Molotow3 auf der Konferenz und erkennt darin das Eintreten der SU für einen positiven Verlauf der Konferenz.4
Von anderen wird wiederum zum Ausdruck gebracht, dass man auch die Reden der westlichen Außenminister veröffentlichen müsste.5
Ein Abteilungsleiter aus dem Stahlwerk des VEB Maxhütte Unterwellenborn, [Bezirk] Gera: »Ich bin begeistert über die Art und Weise wie Molotow gesprochen hat. Sein erstes Auftreten zeigte eine positive Entwicklung der Konferenz für die gesamte friedliebende Welt.«
Eine Arbeiterin vom VEB Saxonia Sebnitz,6 [Bezirk] Dresden: »Man soll in Radio und Zeitungen nicht nur die Reden von Molotow bringen, sondern auch die der anderen Außenminister.«
Von einem Teil der Werktätigen wird die Forderung über Teilnahme deutscher Vertreter zu den Fragen über das Deutschlandproblem auf der Berliner Konferenz gestellt.7 Eine Jugendbrigade vom Schacht des Kalikombinates »Ernst Thälmann« Bad Salzungen forderte die Teilnahme deutscher Vertreter an der Konferenz. Diese Forderung bekräftigten sie mit einer Stoßschicht, die sie mit 120 Prozent erfüllen wollen.
Ein Teil der Werktätigen hofft auf ein positives Ergebnis dieser Konferenz, damit die Frage der Einheit Deutschlands auf friedlichem Wege gelöst wird. Ein Angestellter des Bahnhofes Gera: »Es ist ein großer Erfolg, dass die vier Großmächte zusammengekommen sind. Wir wollen hoffen, dass bei dieser Besprechung etwas Gutes herauskommt und das Deutschlandproblem auf friedlichem Wege gelöst wird.«
Ein Teil der Arbeiter und Angestellten, stärker bei der Intelligenz, nimmt in der Frage der Außenministerkonferenz eine abwartende Haltung ein. Zum Teil wird auch eine politische Gleichgültigkeit an den Tag gelegt.8 Ein Arbeiter vom Wismut-Objekt 31:9 »Ob die sich einig werden? Hier heißt es eben nur abwarten was dabei herauskommt.«
Von einem anderen Teil der Arbeiter, Angestellten und Intelligenz werden über ein positives Ergebnis dieser Konferenz Zweifel geäußert. Man bringt dabei im Allgemeinen zum Ausdruck, dass es dabei keine Einigung zwischen der SU und den westlichen Staaten geben kann, da die Differenzen zwischen diesen Ländern zu groß seien.
Ein Intelligenzler (parteilos) vom VEB NAGEMA Scharfenstein, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Meiner Meinung nach kann etwas Positives kaum herauskommen, da doch die Gegensätze zwischen den Großmächten zu groß sind.«
Ein kleinerer Teil bringt in seinen Gesprächen eine negative bzw. feindliche Einstellung zum Ausdruck. In diesen Diskussionen werden im Allgemeinen freie Wahlen in der DDR, Revidierung der Oder-Neiße-Grenze gefordert bzw. Hetze gegen die SU und DDR betrieben. Die feindlichen Äußerungen über die Oder-Neiße-Grenze werden meist von Umsiedlern aus Schlesien geführt und treten besonders unter den Angestellten der Reichsbahn auf.10
Ein Arbeiter vom VEB Lederfabrik Hirschberg, [Bezirk] Gera: »Warum führen wir denn keine freien Wahlen durch, so wie es die Außenminister Eden11 und Bidault12 auf der Konferenz gefordert haben.«
Ein Arbeiter (Umsiedler) vom Kombinat Espenhain, [Bezirk] Leipzig: »Eine Einigung kommt doch nicht zustande, schon wegen der Oder-Neiße-Grenze.«
Ein Arbeiter der Wismut Karl-Marx-Stadt: »Westzeitungen darf man hier nicht sehen lassen, sonst wird man festgenommen, aber Westdeutschland können wir unsere Zeitungen schicken. Ihr habt ja gar keine Ahnung vom Westen und müsst ja glauben, was man Euch vorsetzt. Gegen die Anstifter eines neuen Krieges kann man eben nichts machen.«
Ein Kumpel vom Wismut-Schacht 65:13 »Die westlichen Außenminister haben sich vor ihrer Ankunft angemeldet, nur der sowjetische Außenminister Molotow traf unangemeldet ein, da er Angst hatte sich anzumelden.«
Ein Ventilationsmaschinist vom Wismut-Schacht 139:14 »Hier geht es nicht um Deutschland, sondern um Sozialismus und Kapitalismus. Es soll lieber heute als morgen Krieg geben. Ich für meinen Teil bin nur ausgebeutetes Objekt, besonders bei der Wismut. Die Funktionäre der Partei sind alles Arschlöcher.«
Ein Angestellter (ehemaliges Mitglied der NSDAP) der Telefonzentrale vom VEB Schott Jena,15 [Bezirk] Gera: »Die SED muss ja vor der Viererkonferenz gewaltige Angst haben. Wenn die Konferenz nicht stattgefunden hätte und der 17. Juni [1953] nicht gekommen wäre, hätte Ziegenbärtchen16 nie einer Lohnerhöhung zugestimmt.17 Wenn Ihr auch den Arbeitern alles vorn und hinten reinsteckt, verdummen könnt Ihr sie nicht mehr. Die Funktionäre leisten ja nur Spitzeldienste. Ihr versucht mit Gewalt, Genossen bei uns reinzubringen. Wenn die Telefonzentrale einmal in die Luft fliegen sollte, können auch die Genossen nichts daran ändern.«18
Über die Durchführung der drei Schweigeminuten in den Betrieben der DDR wurde Folgendes bekannt:19
In der Kraftfahrzeugwerkstatt des Eisenhüttenkombinates »J. W. Stalin« und in der Schuhfabrik Storkow, [Bezirk] Frankfurt/Oder, wurden am 25.1.1954 aus Anlass der Viermächtekonferenz Schweigeminuten durchgeführt.20 In beiden Fällen waren angeblich die verantwortlichen Funktionäre nicht darüber informiert, dass diese Schweigeminuten vom Westen organisiert wurden, sodass es den RIAS-Hörern in diesen Betrieben gelang, diese Pausen durchzuführen. In der Pause wurde von den Arbeitern jedoch positiv über die Konferenz diskutiert.
Im VEB Laborchemie Apolda,21 [Bezirk] Erfurt, wurden Diskussionen über eine 5-Minuten-Arbeitsruhe anlässlich der Berliner Konferenz geführt. Zu einer Arbeitsniederlegung kam es nicht.
Ein Lehrausbilder vom Schwermaschinenbau »Heinrich Rau« Wildau, [Bezirk] Potsdam: »Wann wollen wir aufgrund der Außenministerkonferenz eine Feierstunde durchführen.« (Gemeint sind hier die Schweigeminuten.)
Produktionsschwierigkeiten wurden aus einigen Betrieben bekannt. Die dadurch entstandenen Störungen in der Produktion führten zum Teil zu Verdienstausfällen bei den Arbeitern, welche ihre Stimmung negativ beeinflusste.22 Die Ursachen sind verschiedener Art (Material- und Gasmangel).
Im VEB Waggonbau Bautzen und im VEB Auto-Elektrik Pirna,23 [Bezirk] Dresden, bestehen Materialschwierigkeiten. In der Wälzkörperfabrik Bad Liebenstein, [Bezirk] Suhl, besteht Gasmangel.
Unzufriedenheit unter den Arbeitern wird von einigen Betrieben gemeldet. Die Ursachen sind verschiedener Art (Lohnzahlung, Fehlen von Arbeitsstellen).
Im VEB Fortschritt-Werk Berlin-Lichtenberg24 konnte am 22.1.1954 kein Lohn ausgezahlt werden. Der Restlohn konnte von ihnen erst am 23.1.1954 in Empfang genommen werden. Die Ursachen liegen an einer schlechten Lohnbuchführung.
Bei Bauarbeitern des Flugplatzes Parchim, [Bezirk] Schwerin, besteht Unzufriedenheit, da man ihnen nach Einstellung der Arbeiten vom FDGB aus neue Arbeitsstellen versprach, dieses Versprechen aber bis jetzt nicht einhielt.
Handel und Versorgung
Die Inventurausverkäufe sind in den Bezirken der DDR angelaufen und werden von der Bevölkerung begrüßt.
Bei den Berliner DHZ bestehen Transportschwierigkeiten, die die Auslieferung der Waren an den staatlichen, genossenschaftlichen und privaten Handel erschweren.
In Karl-Marx-Stadt bestehen Abnahmeschwierigkeiten von Margarine, was zu Produktionsherabsetzungen führte.
Aus dem Bezirk Rostock wird gemeldet, dass die Kreishygienekommission alle Margarine, die länger als 18 Tage lagert, aus dem Handel entfernt, obwohl Untersuchungen ergeben haben, dass im Winter die Margarine länger lagern kann.
Landwirtschaft
Unter den werktätigen Bauern ist ein großer Teil hoffnungsvoller und zuversichtlicher Stimmen in Bezug auf die Berlin Konferenz zu finden. Mit Spannung wartet man auf die ersten Ergebnisse. Die fortgeschrittensten Kräfte auf dem Lande erkennen die große Rolle der SU auf dieser Konferenz. Traktorist der MTS Perleberg, [Bezirk] Schwerin: »Molotow hat die Deutschlandfrage mit in den Vordergrund gestellt. Ich freue mich vor allem darüber, dass er die Rüstungsproduktion in den imperialistischen Ländern und die Bildung der sogenannten Verteidigungsstützpunkte auf fremden Territorien angegriffen hat. Hoffentlich wird auf dieser Grundlage weiter diskutiert, damit ein dauerhafter Frieden gesichert ist.«
Aus einer Reihe LPG und MTS werden Selbstverpflichtungen anlässlich der Außenministerkonferenz gemeldet.
Auf dem Lande ist ein großer Teil25 zweifelnder Stimmen vorhanden. Die zweifelnden Stimmen unter den Großbauern haben sich verstärkt. Diese Stimmen jedoch haben negative und feindliche Tendenzen.26 Ein Großbauer und Gastwirt – Mitglied der CDU – aus Zethlingen,27 [Kreis] Kalbe, [Bezirk] Magdeburg: »An einen positiven Ausgang der Außenministerkonferenz glaube ich nicht, denn die Russen werden nicht nachgeben, weil sie ganz Deutschland für sich haben sollen.«
Unter den negativen und feindlichen Meinungen tritt immer noch sehr stark die Forderung nach Revision der Oder-Neiße-Grenze auf, insbesondere unter ehemaligen Umsiedlern. Ein LPG-Bauer (ehemaliger Umsiedler) aus Buchholz, [Kreis] Röbel, [Bezirk] Neubrandenburg: »Ich bin erst dann für die Viermächteverhandlungen, wenn die Oder-Neiße-Grenze fällt.«
Die negativen und feindlichen Stimmen sind vor allem in Kreisen der Großbauern zu finden. Ein Großbauer aus Klietz, [Kreis] Havelberg, [Bezirk] Magdeburg: »Wenn sich die Westmächte nicht durchsetzen, wird eine Massenflucht der Bauern nach dem Westen einsetzen.« Ein Großbauer aus Langenchursdorf, [Kreis] Hohenstein-Ernstthal, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Die werden sich wundern, welcher Wind auf der Viererkonferenz weht und wie sie klein beigeben müssen. Es kann sein was will, mein Grund und Boden kann nur durch eine westliche Demokratie erhalten werden.«
Aber auch unter einem Teil Mittelbauern finden sich feindliche Stimmen. Ein werktätiger Bauer aus Fürstenwalde, [Bezirk] Frankfurt/Oder: »Am besten wäre es, wenn wir wieder eine freie Wirtschaft hätten, dann würde wieder alles normal werden.«
Im Kreis Fürstenwalde, [Bezirk] Frankfurt/Oder, wurden in drei Gemeinden die Kirchenglocken aus Anlass des Beginns der Außenministerkonferenz geläutet, Ursache: Desinformation.28
Stimmung der übrigen Bevölkerung
Viermächtekonferenz: Von einem großen Teil aus allen Schichten der Bevölkerung wird zum Ausdruck gebracht, dass von der Außenministerkonferenz eine Entspannung der internationalen Lage und entscheidende Schritte zur Lösung des Deutschlandproblems erwartet werden. Besonders Hausfrauen sind an der Erhaltung des Friedens interessiert. Mit einer gewissen Spannung werden die Ergebnisse der täglichen Verhandlungen erwartet.
Meinungsäußerungen über den ersten Verhandlungstag wurden nur in geringem Maße bekannt.
Eine Hausfrau aus Teschow,29 [Bezirk] Rostock: »Die jetzt begonnene Konferenz muss unter allen Umständen zu einem Erfolg führen. Ich bin einmal ausgebombt und will das nie wieder erleben.«
Von fortschrittlichen Kräften wird Vertrauen zu den Fähigkeiten des Genossen Molotow sowie zu seinen ersten Vorschlägen zum Ausdruck gebracht. So sagte ein Angestellter der HO-Bezirksverwaltung Neubrandenburg: »Ich bin der Meinung, dass sich Molotow gegenüber den Westmächten noch durchsetzen wird. Auch eine gesamtdeutsche Delegation kann und wird noch geschaffen werden. Die Konferenz hat ja erst begonnen.«
Ein Arbeiter aus Pößneck, [Bezirk] Gera: »Die ersten Vorschläge des sowjetischen Außenministers sind eindeutig und tiefgründig. Jeder klardenkende Mensch muss diesen zustimmen. Unsere Aufgabe muss es sein, in den Tagen der Konferenz noch aktiver für die Einheit Deutschlands und die Erhaltung des Friedens einzutreten.«
Neben solchen positiven und hoffnungsvollen Stimmen gibt es eine nicht geringe Zahl von Meinungsäußerungen, die ihrem Inhalt nach an einen erfolgreichen Verlauf bzw. an einer Einigung der vier Außenminister zweifeln.30 Zu den bereits in den Vortagen aufgezeigten Argumenten, die aus allen Schichten der Bevölkerung, auch von fortschrittlichen Kräften, meist jedoch aus bürgerlichen Kreisen bekannt wurden, kommen neue. So sagt z. B. ein Handwerker aus Neustrelitz, [Bezirk] Neubrandenburg: »Ich höre beide Seiten, RIAS und Berlin I und hieraus ziehe ich meine Schlussfolgerungen. Vonseiten der SU wird die Teilnahme Chinas an der Konferenz gefordert, worauf die Westmächte nicht eingehen.31 Die Westmächte fordern gesamtdeutsche Wahlen, darauf lässt sich die SU nicht ein.«32
Solche und ähnliche Äußerungen treten neu in Erscheinung. In diesem Zusammenhang wird auch die Frage aufgeworfen, warum nur die Erklärungen Molotows in Presse und Rundfunk veröffentlicht werden, nicht aber die der drei westlichen Außenminister.
Zu den gering in Erscheinung getretenen negativen bzw. feindlichen Stimmen, meist aus kirchlichen und bürgerlichen Kreisen sowie ehemaligen Umsiedlern, werden neue Argumente bekannt, die sich auf die erste Besprechung der Außenminister beziehen.
In einer Versammlung der CDU in Dessau, [Bezirk] Halle, wurde zum Ausdruck gebracht, man solle sich keine Illusionen machen, Deutschland sei nicht der Hauptpunkt dieser Konferenz. Man höre nur immer über eine westliche Verteidigungsgemeinschaft,33 aber nie ein Urteil über Russlands Satellitenstaaten. Deutschland sei das beste Bollwerk gegen den Kommunismus. Es wäre kein Zufall, wenn eine Preissenkung käme, um vor der Konferenz zu glänzen.
In einem Gespräch äußerte ein Lehrer der Oberschule Oschersleben, [Bezirk] Magdeburg: »Die SU zeigt nicht die geringste Absicht, die DDR-Regierung zum Rücktritt zu veranlassen.« Darauf antwortete ein anderer Lehrer (CDU): »Freie Wahlen ist die Voraussetzung zur Einheit Deutschlands.«
Eine Postangestellte aus Roggendorf, [Bezirk] Schwerin (SED): »Die Russen wurden gezwungen, an der Konferenz teilzunehmen, die Russen müssen nachgeben, es werden freie Wahlen kommen, die Kommunisten, die heutige SED wird verschwinden.«
Ein Pfarrer aus Tiefurt, [Bezirk] Erfurt: »Jetzt vollzieht sich das Gericht Gottes und die SED wird aufhören zu bestehen. Wenn der Russe bei der Viererkonferenz nicht von den Potsdamer Beschlüssen34 abgeht, gibt es in Kürze Krieg.«
Drei Minuten Schweigepause wurden in der 9. Klasse der Oberschule Berlin-Weißensee sowie in der 6. Klasse der 10. Schule und »Wilhelm Pieck«-Schule Berlin durchgeführt.
Wie aus dem Bezirk Frankfurt/Oder berichtet, wird über die Fahrkartensperre nach Berlin viel von der Bevölkerung diskutiert.35 Teilweise wird zum Ausdruck gebracht, dass man Gelegenheit haben müsste, den hohen Staatsbesuch persönlich zu sehen. Ähnliche Diskussionen36
Organisierte Feindtätigkeit
Der Bezirk Cottbus bildet den Schwerpunkt der Flugblatttätigkeit,37 ca. 200 Flugblätter der Ostbüros38 und der NTS39 wurden gefunden. In Potsdam, Halle, Karl-Marx-Stadt, Dresden, Frankfurt/Oder und Schwerin nur vereinzelte Flugblatttätigkeit (Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Juristen,40 KgU,41 Stimmzettel des SPD-Ostbüros42 und Freiheitsrat43). In allen anderen Bezirken wurden keine Flugblätter gefunden.
Am 25.1.1954 wurden in der LPG Selmsdorf, [Bezirk] Rostock, des Nachts sämtliche Kühe losgelassen und die Türen aus den Angeln gehoben.
Die sowjetische Besatzung eines Schwimmkranes, der von der Mathias-Thesen-Werft Wismar gebaut wird, stellte am 25.1.1954 in einer Stauferbüchse an der Hauptmaschine Metallspäne fest. Der Arbeiter [Name] wurde von einem sowjetischen Matrosen darauf aufmerksam gemacht, er entfernte trotzdem das Fett nicht aus den Stauferbüchsen.
Am 23.1.1954 führte ein Mitglied der Betriebsleitung Laborchemie-Apolda,44 [Bezirk] Erfurt, im angetrunkenen Zustand in einer HO-Gaststätte provokatorische Reden und erklärte: »Am 17.6.1953 wurde der Wille der Arbeiter unterdrückt. Als Ihr zu feige ward, haben wir für Deutschland gestanden und ich habe nach 1945 drei Monate gesessen.«
Einschätzung der Situation
Bei einem großen Teil der Bevölkerung ist das Interesse an den täglichen Meldungen über den Konferenzverlauf sehr stark. Wesentliche Veränderungen in der Lage sind nicht festzustellen.
Anlage vom 27.1.1954 zum Informationsdienst Nr. 2087
Anhang: Stimmen aus Westberlin
Die erste Fahrt der Außenminister der vier Großmächte zum Kontrollratsgebäude45 am 25.1.1954 löste in Westberlin Diskussionen aus, indem zum Ausdruck gebracht wurde, dass die »Russen« keine Angst hätten, weil sie ohne Begleitung kämen. Gegenüber den Kolonnen der westlichen Außenminister wurde geäußert, dass diese sich ohne der riesigen Begleitung gar nicht dahin getrauen würden.
AEG Brunnenstraße: Im oben genannten Betrieb wurde nur in einigen Abteilungen, in denen die Meister besonders reaktionär eingestellt sind, die drei Minuten Schweigepause durchgeführt. Von dem größten Teil der Arbeiter wurde diese Durchführung nicht ernst genommen und sie fragten, wer soll das bezahlen? Oder ist dies die neue Arbeitszeit?