Zur Beurteilung der Situation
3. Februar 1954
Informationsdienst Nr. 2101 zur Beurteilung der Situation
Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft
Industrie und Verkehr
Die Reden des Außenministers Molotow1 werden weiterhin von einem großen Teil der Werktätigen positiv aufgenommen.2 Ein Arbeiter aus den Chemischen Werken Buna, [Bezirk] Halle: »Molotow setzt sich restlos ein, um eine Klärung zu schaffen. Wir müssen jetzt alles dazu tun, dass eine Delegation von Vertretern aus Ost- und Westdeutschland zur Konferenz zugelassen wird.«3 Ein Schlosser aus dem Bahnwerk Cottbus: »Ich begrüße den Standpunkt Molotows und hoffe, dass durch solch einen Vertreter auf der Konferenz für unsere Interessen doch etwas Gutes herauskommt.«
Die ablehnende Haltung der Westmächte zur Teilnahme deutscher Vertreter an der Konferenz hat weiterhin Proteste unter einem Teil der Werktätigen ausgelöst. Im VEB ABUS Suhl brachten die Kollegen ihre Empörung über die Ablehnung der westlichen Außenminister zum Ausdruck und machten den Vorschlag, eine Entschließung zu verfassen, worin erneut die Forderung auf Zulassung deutscher Vertreter gestellt wird.
Die Brigade der DSF im VEB Feinmesszeugwerk in Suhl erklärte, die deutsche Frage ist eine Angelegenheit der Deutschen selbst. Deshalb fordern wir erneut die Zulassung einer Vertretung aus Ost und West. In allen Betrieben des Mansfeld Kombinats »Wilhelm Pieck« in Eisleben, [Bezirk] Halle, wurden Protestresolutionen gegen die ablehnende Haltung der westlichen Außenminister verfasst und von fast allen Kollegen angenommen.
Ein Teil der Werktätigen spricht sich gegen die Vorschläge des Außenministers Molotow aus. Ein Bergmann aus dem Mansfeld Kombinat »Wilhelm Pieck«, [Bezirk] Halle: »Weshalb wurde auf die Tagesordnung der Punkt gesetzt, dass China an den Verhandlungen teilnehmen soll. Man soll erst einmal über die Deutschlandfrage verhandeln.«4
Ein Angestellter vom Reichsbahnausbesserungswerk Cottbus: »Niemand erwartet von den westlichen Außenministern, dass sie Vertreter von Deutschland hinzuziehen werden, denn Deutschland hat bedingungslos kapituliert und kann den Großmächten keine Vorschriften machen.«
Ein Arbeiter vom Bahnhof Erfurt: »Die Großmächte sollen uns freie und geheime Wahlen machen lassen und wir werden wissen, wen wir zu wählen haben. Dann sind die Roten sowieso durch.«5
Ein Schlosser vom Bahnwerk Hoyerswerda, [Bezirk] Cottbus: »Es wäre besser, wenn man eine Rückführung aller ausgesiedelten Menschen vornehmen würde, damit auch das dort unbebaute Land wieder bebaut wird.«
Über das Memorandum der Regierung der DDR ist der Umfang der Diskussionen allgemein noch gering.6 Meist wird es positiv aufgenommen und als ein Dokument angesehen, in dem die Ziele des deutschen Volkes zum Ausdruck kommen. Ein Arbeiter aus dem VEB »Banner des Friedens« Schuhfabrik Weißenfels, [Bezirk] Halle: »Ich glaube nicht, dass irgend ein Mensch der diese Vorschläge liest, sie nicht aus vollem Herzen begrüßen wird. Erst wenn diese Vorschläge verwirklicht sind, wird es zu einem wirklichen Frieden kommen.«
Vereinzelt kommt zum Ausdruck, dass das Memorandum zwecklos sei,7 da die USA doch machen würden, was sie wollen. Ein Arbeiter vom VEB LOWA in Görlitz, [Bezirk] Dresden: »Das Memorandum hat nicht viel Zweck, denn die Amerikaner machen auf dieser Konferenz ja doch, was sie wollen und die Franzosen und Engländer halten zu ihnen.«
Von einem Teil der Arbeiter und Angestellten wird immer wieder die Frage gestellt, warum nicht die Reden der westlichen Außenminister ebenso veröffentlicht werden, wie die vom Außenminister Molotow.8 Eine Arbeiterin vom »Karl-Marx«-Werk Magdeburg: »Ich habe den Nordwestdeutschen Rundfunk gehört. Dieser gab die Reden aller vier Außenminister wieder. Man bekommt eben von drüben genauere Nachrichten als von unserer Seite. Unsere Mitteilungen sind nur einseitig.«
Missstimmung: Herrscht im Kalikombinat »Ernst Thälmann« in Merkers, im Kombinat »Marx Engels« in Unterbreizbach9 und im Kaliwerk Heiligenroda/Dorndorf, [Bezirk] Suhl, da von der BGL der zweite Entwurf des Betriebskollektivvertrages nicht zur Diskussion gestellt wurde.
Zur Arbeitseinstellung kam es im Werk II der Nähmaschinenfabrik Altenburg, [Bezirk] Leipzig, am 1.2.1954, da die Werkshalle ungeheizt war. 120 Kollegen verließen ihren Arbeitsplatz. Des Weiteren im VEB Mitteldeutscher Feuerungsbau in Weißenfels, [Bezirk] Halle,10 am 2.2.1954 zwischen 6.00 und 9.00 Uhr, da in den Werkhallen minus 8 Grad herrschen.
Der Kohlenvorrat11 reicht infolge Schwierigkeiten in der Anlieferung von Kohlen in den VEB Kammgarnspinnerei Glauchau, Teppichfabrik Halbmond in Oelsnitz, Motorradwerk Zschopau, Baumwollspinnerei Lengenfeld und Baumwollausrüstungswerk Lengenfeld, Kreis Reichenbach, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, nur noch für einige Tage aus. Ähnlich verhält es sich im VEB Synthesewerk Schwarzheide im [Kreis] Senftenberg,12 [Bezirk] Cottbus, und im Kraftwerk Hirschfelde.
Seit dem 2.2.1954 morgens steht die Produktion der Brikettfabrik des Braunkohlenwerkes »Glück auf« Cottbus,13 da der Kohlenbunker eingefroren ist. Die Tagesproduktion beträgt 16 000 Tonnen Kohle.
Die letzte Walzenstraße des Walzwerkes Burg, [Bezirk] Magdeburg, muss die Produktion einstellen, da die Gaserzeugung beschränkt wurde.
In der Zeit vom 1.2. bis 2.2.1954 traten in den Reichsbahndirektionsbezirken Magdeburg, Cottbus und Halle häufig Zugverspätungen bei Reise- und Güterzügen ein. Die Ursachen hierfür sind überwiegend Störungen durch Frosteinwirkung auf die Wasserpumpen der Loks und die Heizleitungen der Wagen. Zum Beispiel erhielten auf dem Hauptbahnhof Halle 86 Personenzüge vor allem des Arbeiterberufsverkehrs insgesamt 714 Minuten Verspätung.
Handel und Versorgung
Kohlenmangel: Aus den Bezirken Erfurt, Dresden und Halle wird berichtet, dass Stockungen in der Versorgung mit festen Brennstoffen bestehen. So treten im Kreis Eisenach große Schwierigkeiten in der Belieferung mit Kohlen an Krankenhäusern und Schulen auf.14 Der Rat des Kreises Bautzen, [Bezirk] Dresden, ist gezwungen, in den nächsten Tagen eine größere Anzahl von Schulen zu schließen, und das vorhandene Heizmaterial der Industrie zur Verfügung zu stellen.
In einigen Kreisen des Bezirkes Karl-Marx-Stadt gibt es Schwierigkeiten in der Belieferung von Bettwäsche, Badetüchern und Kinderwäsche.
Landwirtschaft
Die Stimmung auf dem Lande hat sich im Wesentlichen nicht verändert.15 Der Verlauf der Viererkonferenz wird von allen Schichten der Landbevölkerung mit Spannung verfolgt, was in den Diskussionen immer wieder zum Ausdruck kommt. Unter einem Teil der Landbevölkerung, hauptsächlich Landarbeiter, werktätige Einzelbauern und Genossenschaftsbauern herrscht eine positive Stimmung zum Verlauf der Konferenz.16 Ein noch größerer Teil jedoch in erster Linie Großbauern und auch Teile der vorgenannten Schichten bezweifelt oder verneint die Einigung der Großmächte in den Fragen des Abschlusses eines Friedensvertrages mit Deutschland.
Die zweifelnden Stimmen sind auf dem Lande im Verhältnis zu den Stimmen der Arbeiter in der Industrie bedeutend stärker. Hierbei ist der negative Einfluss der großbäuerlichen Elemente mit eines der Hauptursachen.
Die Stimmung der fortschrittlichen Kräfte auf dem Lande drückt sich aus in Protestresolutionen, die gegen Dulles17 und die anderen westlichen Außenminister verfasst werden, und in der Anerkennung des Memorandums der Regierung der DDR. Die Protestresolutionen sind jedoch noch Einzelerscheinungen.
Die Genossenschaftsbauern der LPG »Neues Leben« Streichwitz, Kreis Fürstenberg, [Bezirk] Frankfurt[/O.], nahmen in einer Protestresolution auf das Schärfste gegen die Ablehnung des amerikanischen Außenministers Dulles Stellung, indem sie fordern, dass unbedingt Vertreter aus Ost- und Westdeutschland bei der Behandlung der deutschen Frage hinzugezogen werden. Weiterhin wird in dieser Resolution gefordert, dass die Vorschläge des sowjetischen Außenministers Molotow18 und der Regierung der DDR auf dieser Konferenz berücksichtigt werden. Ein werktätiger Bauer aus Heinersdorf, [Kreis] Sonneberg, [Bezirk] Suhl, sagte: »Möge dieses Memorandum in der Außenministerkonferenz Anlass sein, dem Willen des deutschen Volkes stattzugeben, damit Deutschland wieder vereint wird.«
Die Reden des Genossen Molotow werden von diesen Kreisen aufmerksam verfolgt und auch richtig eingeschätzt. So sagte ein Tankwart von der MTS Frauenprießnitz, [Bezirk] Gera: »Ich bin von der schlagenden Beweisführung des sowjetischen Außenministers Molotow besonders begeistert, indem er eine Friedenspolitik und die Entspannung der internationalen Lage großartig entwickelt und auf jede krumme Tour der westlichen Außenminister, vor allem des amerikanischen Außenministers Dulles, die treffende Antwort und den richtigen Zunder gibt und sie mit ihrer Heuchelei entlarvt.«
Die negativen Diskussionen behandeln die gleichen Probleme wie an den Vortagen. Die Frage der Oder-Neiße-Grenze, der »freien Wahlen« und der »freien Wirtschaft«, des Scheiterns der Konferenz, der Zwecklosigkeit der Unterschriftensammlung.19 So sagte ein werktätiger Bauer, Umsiedler, aus Auer,20 [Kreis] Apolda, [Bezirk] Erfurt, zu einem Lehrer: »Es kommt doch bald andersrum, dann werde ich dich dahin bringen, wo du hingehörst. Wir werden schon um unsere Heimat kämpfen.«
Ein Mittelbauer wohnhaft Groß Mühlingen, [Bezirk] Magdeburg, sagte: »Auf der Viererkonferenz wird doch nichts herauskommen. Der Russe muss nachgeben oder es gibt einen neuen 17. Juni.«
Ein anderer werktätiger Bauer aus Loburg, [Bezirk] Magdeburg, äußerte: »Wenn Molotow in der Frage der Oder-Neiße-Grenze nicht nachgibt, wird es zu keiner Einigung kommen.«
Ein Landarbeiter des VEG Pessin, [Kreis] Nauen, [Bezirk] Potsdam, äußerte: »In der DDR ist alles Scheiße, wir sprechen so viel von der deutsch-sowjetischen Freundschaft, aber Molotow sagte in seiner Ansprache, die SU wird niemals vergessen, was die Deutschen in der SU angerichtet haben.«
Ein Großbauer aus Kuschkow,21 Kreis Lübben, [Bezirk] Cottbus: »Die Unterschriftensammlung aus Anlass der Berliner Konferenz war eine Wahl der Kommunisten. Wenn ich da unterschrieben hätte, hätte ich ja schon die Kommunisten gewählt. Er sagte weiter, in Reuter22 und Schumacher23 haben wir unsere besten Stützen verloren, und der Militarismus liegt den Deutschen in den Knochen, wir müssen eben marschieren.«
Der Ortsvorsitzende der BHG Moxa24 stellt sich die »freien Wahlen« nach dem Muster Westdeutschlands vor und brachte zum Ausdruck, dass es nicht notwendig ist, Großbauern aus den Vorständen der BHG zu entfernen.
In einer Bauernversammlung in […]utenheim,25 [Bezirk] Leipzig, traten mehrere Großbauern mit der Forderung auf, nach sogenannter freier Wirtschaft und erklärten, dass unter solchen Verhältnissen die westdeutschen Bauern besser leben als die Bauern in der DDR.
Die Aktivität der Wühltätigkeit der großbäuerlichen Elemente kommt auch noch an anderen Beispielen zum Ausdruck. So versuchen jetzt häufig Großbauern durch Versprechungen und sogenannte Ratschläge an Einfluss in den LPG zu gewinnen bzw. selbst in ihnen Mitglied zu werden. Ein Großbauer aus Benndorf, [Bezirk] Leipzig, richtete ein Schreiben an die dortige LPG mit der Bitte um Aufnahme als Mitglied. Er wollte 20 Hektar Boden an die LPG verkaufen und einen Teil dieses Erlöses zur Unterstützung der LPG zur Verfügung stellen.
Ein Großbauer aus Dörtendorf,26 [Bezirk] Gera, organisierte zum 31.1.1954 eine Fahrt zur »Grünen Woche« nach Westberlin,27 an der 30 Bauern der Gemeinden Staitz, Dörtendorf, Göhren, Döhlen, Merkendorf,28 …29 und Niederbensdorf,30 Kreis Zeulenroda, teilnehmen sollten. Ein Autobus stand zur Verfügung. Durch Agitationseinsatz der SED-Kreisleitung wurde diese Fahrt jedoch verhindert.
In der Gemeinde Neuendorf,31 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, ist die Wildschweinplage noch sehr groß und richtet schweren Schaden an. So hat z. B. ein Rudel dieser Schweine bei einem Bauern eine Kartoffelmiete, die mit gutem Erdreich und Stroh versehen war, aufgebrochen, wodurch 100 Doppelzentner Kartoffeln erfroren sind. Die Bauern fordern, dass endlich eine intensive Bekämpfung dieser Schädlinge erfolgt.
Die MTS des Bezirkes Frankfurt/Oder haben mit Ersatzteilschwierigkeiten zu kämpfen, was unter den Arbeitern zu negativen Diskussionen führt. Dies muss zur Folge haben, dass Maschinen und Traktoren der MTS und VEG im Frühjahr nur in geringer Anzahl eingesetzt werden können.
Stimmung der übrigen Bevölkerung
Ein großer Teil der übrigen Bevölkerungsschichten verhält sich – wenn auch im Stillen auf ein für uns positives Ergebnis hoffend – noch immer passiv und abwartend, teilweise sogar interesselos. Letzteres scheint vor allem bei Hausfrauen der Fall zu sein und gipfelt zuweilen in der sehr gefährlichen Meinung, die z. B. von einigen Hausfrauen in einem Milchgeschäft in Osterwick im Kreis Halberstadt, [Bezirk] Magdeburg, vertreten wurde: »Uns ist es gleich, ob Adenauer32 oder Pieck33 an der Regierung ist, die Hauptsache ist, dass kein Krieg kommt und dass die Einheit Deutschlands hergestellt wird. Damit wir mit unseren Verwandten in Westdeutschland wieder zusammenkommen können.«
Ebenso stark sind auch die Stimmen, die bewusst die Vorschläge des sowjetischen Außenministers und das Memorandum unserer Regierung unterstützen, verbreitet. Aber nicht alle von denen erkennen und verurteilen offen die Winkelzüge der westlichen Diplomaten. Beispiele von Protesten gegen die ablehnende Haltung der Westmächte sind nur spärlich vorhanden.
Etwas häufiger als in den Vortagen tritt die Forderung nach Veröffentlichung der Reden der westlichen Außenminister in unserer Presse auf. Träger dieser Parole sind zum Teil notorische RIAS-Hörer, zum anderen objektivistisch eingestellte Angestellte und Intellektuelle, vereinzelt auch Mitglieder unserer Partei. Eine Einwohnerin aus Zittau, [Bezirk] Dresden: »Ich höre nur die Nachrichten von den Westsendern, denn diese beruhen auf Wahrheit. Bei uns werden die Reden der westlichen Außenminister ja nicht veröffentlicht.«
In der Kreisverwaltung Pritzwalk, [Bezirk] Potsdam, vertraten von zwölf miteinander diskutierenden Angestellten fünf die Meinung, dass man auch die Ansprachen der westlichen Außenminister veröffentlichen müsse. Ein Genosse vom Kreisrat Werdau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Ich habe die Reden Molotows eingehend studiert. Die sind sehr gut. Ich interessiere mich aber auch für die Ausführungen der westlichen Außenminister und würde diese gern einmal ausführlich in der Zeitung lesen, damit man sich ein klares Bild machen kann.«
Die offen auftretenden negativen Meinungen sind verhältnismäßig gering. Sie haben meist die Forderung nach »freien Wahlen« und nach der Revidierung der Oder-Neiße-Grenze u. a. zum Inhalt. In einer Versammlung des DFD in Neuferchau, [Kreis] Klötze, [Bezirk] Magdeburg, vertraten von …34 Vorstandsmitgliedern des DFD fünf nachfolgende Meinung: »Die sollen alle machen, dass sie aus Deutschland herauskommen und die Oder-Neiße-Grenze abschaffen, damit wir wieder nach Hause kommen.«
Der überwiegende Teil der CDU-Mitglieder im Kreis Schwarzenberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, vertritt die Meinung, dass man erst Wahlen durchführen müsse, um dann eine Regierung bilden zu können.
Ein Handwerksmeister aus Saalfeld, [Bezirk] Gera: »Die sollen erst einmal gesamtdeutsche freie Wahlen durchführen, wie es der Ami und der Engländer will, und aufgrund des Wahlergebnisses eine Regierung bilden, dann können sie sich mit an den Verhandlungstisch setzen. Bei einer gesamtdeutschen Wahl wird sowieso die SED den Kürzeren ziehen.«
Ein Altwarenhändler aus Geisa, [Kreis] Bad Salzungen, [Bezirk] Suhl: »Ich bin für die Einheit und Freiheit, wo ich wieder freien Handel treiben kann und mich niemand bevormundet. Hoffentlich kommt die Einheit und der EVG-Vertrag wird bald angenommen.«35
Ein Einwohner aus Frankfurt/Oder: »Die Russen sind zum Schluss doch nicht mit den Vorschlägen der Westmächte einverstanden und kommen dann immer mit irgendeinem Vorwand, worauf die Westmächte nicht eingehen können. Also ist doch der Russe derjenige, der keine Einheit will.«
Aktiv tritt nach wie vor die Kirche in negativer Richtung auf.36 Aus einigen Kreisen des Bezirkes Karl-Marx-Stadt wurde gemeldet, dass Pfarrer in ihren letzten Sonntagspredigten ungefähr auf gleicher Linie hetzten, indem sie u. a. die Gläubigen vor der Philosophie besonders vor dem Marxismus warnten und sie aufforderten, für die »Gefangenen« zu beten. Gleichlautende Meldungen liegen auch aus den Bezirken Neubrandenburg und Schwerin vor.
Organisierte Feindtätigkeit
Flugblätter wurden nur vereinzelt in den Bezirken Suhl, Erfurt, Karl-Marx-Stadt, Leipzig und Rostock gefunden.37 Im Bezirk Leipzig hat sich die Versendung von Hetzschriften auf dem Postwege verstärkt. Die bereits im gestrigen Bericht erwähnten Hetzbriefmarken sind wieder im Bezirk Gera und Erfurt aufgetaucht.38
Antidemokratische Hetze durch Anschmieren feindlicher Losungen und Hakenkreuzen, Singen faschistischer Lieder u. Ä. wurde in einzelnen Fällen aus den Bezirken Potsdam, Cottbus, Dresden und Gera gemeldet.
Terror: Am 1.2.1954 wurde in Mildenberg, [Kreis] Gransee, [Bezirk] Potsdam, ein VP-Angehöriger von vier unbekannten Tätern überfallen und niedergeschlagen. Die Banditen benutzten vermutlich einen Schlagring.
Bettelpakete erhalten fortwährend Einwohner aus Criewen, [Kreis] Angermünde, [Bezirk] Frankfurt[/O.], aus Westberlin geschickt.39 Alle diese Empfänger hatten bei der ersten Paketprovokation persönlich Pakete in Westberlin geholt.
Vermutliche Feindtätigkeit
In Schneeberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, kursiert ein Gerücht, vor allem in Geschäften, wonach in Kürze eine Währungsreform komme und das Geld verfalle.40
Einschätzung der Situation
In der Stimmung zur Konferenz sind seit gestern keine wesentlichen Veränderungen festzustellen. Die anhaltende Kälte und der teilweise Kohlenmangel führen zu verstärkten Störungen in der Produktion, im Verkehr, in Verwaltungen, Schulen usw.