Zur Beurteilung der Situation
8. Februar 1954
Informationsdienst Nr. 2111 zur Beurteilung der Situation
Die Stimmung in der DDR
Nach den Berichten aus den Bezirken sind in der Stimmung der Bevölkerung keine wesentlichen Veränderungen eingetreten.
Feindtätigkeit
Im Bezirk Potsdam wurden 5 000 Hetzschriften der NTS1 aufgefunden sowie 3 000 Flugblätter in der Größe einer Streichholzschachtel mit folgender Beschriftung: Gegen echte Einheit – für brutale Trennung gegen Verständigung – für brutalen Terror.2
Im Bezirk Frankfurt/Oder wurden in einzelnen Fällen Bauern Briefe mit Hetzschriften des »Untersuchungsausschusses freiheitlicher Juristen«3 durch die Post zugestellt. Unter anderem beinhalten die Hetzschriften Ratschläge für die Bauern in Steuerangelegenheiten, um unseren Staat zu schädigen. Weiter eine Hetzschrift mit der Überschrift: Stöbert sie auf aus den dunklen [sic!]. Darin wird die Bevölkerung aufgefordert, die Namen, Adressen, Dienstgrad und Dienststellung von Mitarbeitern des SfS auszukundschaften und dem »UfJ« zu melden.
Im IFA Schlepperwerk Schönebeck, [Bezirk] Magdeburg, wurde eine Hetzlosung angeschmiert mit folgendem Inhalt: Nieder mit Molotow4 es lebe der EVG-Vertrag.5
Der westliche Rundfunk versucht weiterhin, die Bevölkerung in der DDR zu beunruhigen und die feindlichen Elemente zu Provokationen zu ermuntern. RIAS berichtet über angeblich laufende Verhaftungen von Arbeitern in VEB wegen Diskussionen über die Konferenz.6 Der Sender Hamburg spricht von »zunehmenden Protesten der Arbeiterschaft und der Bevölkerung gegen die Haltung der SU auf der Berliner Viererkonferenz«.7
In diesem Zusammenhang redet der Londoner Rundfunk8 von »Nervosität der Ulbricht-Regierung«.9 Außerdem hetzt er mit folgenden Ausführungen gegen die SED: »Auch in Ostberlin und in der Ostzone wollen die Werktätigen in den VEB freie Wahlen.10 An Mauern und Fabrikhallen taucht diese Forderung auf. Als die SED-Agitatoren versuchten, die Forderung der freien Wahlen als faschistische Losung abzustempeln, sind sie von den Arbeitern verprügelt worden. Auf Betriebsversammlungen zur Vorbereitung des IV. Parteitages der SED11 kam es zu Zwischenrufen wie ›freie Wahlen und kein Parteitag‹.« Ähnliche »Meldungen« brachte am 6. Februar auch Radio Paris.12
Die Stimmung im demokratischen Sektor von Groß-Berlin
Von einem großen Teil Arbeiter in den Betrieben, den Angestellten der übrigen Bevölkerung des demokratischen Sektors Berlin wird der Verlauf der Viererkonferenz mit reger Anteilnahme verfolgt. Hierbei zeigt sich in den Diskussionen ein Anwachsen der zweifelnden Stimmen,13 die aufgrund der Ablehnung der letzten Vorschläge des Genossen Molotow14 durch die westlichen Außenminister ein Scheitern der Viererkonferenz voraussagen. So äußerten sich einige Angestellte der Staatsoper, dass man von der Konferenz nicht allzu viel erwarten könne, aber sie glauben, dass wenigstens die Einheit Berlins möglich ist, da es ja in Wien auch gegangen sei. Sie sind sich darüber im Klaren, dass man keine Wunder erwarten kann, hoffen aber, dass wenigstens die Grenzen und Zonenfreiheit als Resultat aus der Konferenz herauskommen. Nach Meinung einiger technischer Angestellter der Staatsoper ist die Konferenz jetzt auf einem toten Punkt angelangt und eine Verständigung sei aussichtslos.
Ein Angestellter der Komischen Oper Berlins äußerte: »Die Westminister und Adenauer,15 das sind Leute, die machen alles falsch. Der Adenauer macht auch gar nichts richtig. Molotow hat ja erzählt, die wollen nur Spaltung, Krieg und Deutschland für unbestimmte Zeit besetzen. Nun sind sie sich wieder nicht einig über uns, und die Herren Außenminister gehen wieder für acht Jahre auseinander. Molotow braucht sein Schlesien für etliche Jahre und die anderen brauchen die Ruhr, so werden wir eben von allen Vieren ausgesaugt.«
Dessen ungeachtet zeigten sich jedoch zum Verlauf der Konferenz selbst zu den Vorschlägen des Genossen Molotow, dass Teile der Bevölkerung die Vorschläge positiv beurteilen und in ihrer Bedeutung richtig einschätzen. Die fortschrittlichen Kräfte, in überwiegendem Maße Arbeiter drücken den Wunsch aus, dass im weiteren Verlauf der Konferenz aufgrund der vom sowjetischen Außenminister Molotow gegebenen Basis eine Einigung erzielt wird. Das es ermöglicht wird, schnellstens einen Friedensvertrag abzuschließen und die Voraussetzungen für ein einheitliches friedliches, demokratisches und unabhängiges Deutschland geschaffen werden. Aus einigen Berichten geht hervor, dass gerade jetzt positive Äußerungen, im Berliner Gaswerk und auch anderen Betrieben, zu den sowjetischen Vorschlägen kommen, vertreten von Menschen, die politisch bisher wenig in Erscheinung traten oder sich bisher oft negativ geäußert hatten.16
Ein Bauarbeiter der zzt. auf dem Ostbahnhof arbeitet, äußerte sich folgendermaßen: »Dass er Umsiedler sei, trotzdem aber nicht gewillt ist, seine Heimat durch einen Krieg wiederzugewinnen. Der Abzug der Besatzungstruppen sei ja schon des Öfteren von der Regierung der SU den Westmächten unterbreitet worden. Der Westen geht aber deshalb nicht auf die Vorschläge ein, weil er Absatz-Aufmarsch und Spionagegebiete braucht.«
Im VEB Bergmann-Borsig wurden vom 1.2. bis 5.2.[1954] über 250 Abteilungsbrigaden und Kurzversammlungen durchgeführt, wobei der Vorschlag des Genossen Molotow über die Volksbefragung, EVG oder Friedensvertrag,17 im Mittelpunkt der Diskussion stand. Die Kollegen bekundeten ihre vollste Zustimmung zu diesem Vorschlag. Besondere Freude löste der Vorschlag des Abzugs der Besatzungstruppen schon vor den Wahlen aus.18
Aus dem VEB Bergmann-Borsig äußerte sich der Kollege S.: »Die Vorschläge des sowjetischen Außenministers haben mich tief beeindruckt, besonders die Vorschläge zur Bildung einer provisorischen Regierung aus Vertretern aus Ost- und Westdeutschland sowie der Abzug aller Besatzungstruppen und erst daran anschließend Durchführung freier demokratischer Wahlen. Verwerflich ist, dass die westlichen Außenminister diese Vorschläge ablehnen.«
Die negativen Äußerungen zur Viererkonferenz, hauptsächlich von Elementen geführt, denen ein Scheitern der Konferenz nur recht wäre, behandeln die Frage der freien Wahlen als Schwerpunkt der Diskussion. In diesem Zusammenhang wird die Forderung aufgestellt, alle Reden, auch die der westlichen Außenminister in unserer Presse zu veröffentlichen.
Ein Angestellter der Komischen Oper19 brachte zum Ausdruck, dass der Osten wahrscheinlich Angst habe, dass die Wahrheit über die Viererkonferenz bekannt würde, weil man die Reden der westlichen Außenminister in den Zeitungen nicht abdruckt.
Die parteilose Kollegin K. vom Projektierungsbüro der Schifffahrt sagte zur Viererkonferenz: »Warum werden nicht die freien Wahlen durchgeführt, so wie es die Westmächte vorgeschlagen haben. Die Westmächte erkennen doch die Regierung der DDR sowieso nicht an.
Im Block Süd der Stalinallee20 wird von den Bauarbeitern zum Ausdruck gebracht, dass Dulles21 mit seinem Standpunkt über freie Wahlen recht hat. Außerdem wären unsere Wahlen nicht geheim gewesen. Der Krieg hätte erst eine Wendung genommen, als die USA in den Krieg eintrat. Fast alles, was gegen Deutschland an Waffen eingesetzt war, stammte aus Amerika.«
Von einem Angestellten des technischen Personals der Komischen Oper wurde geäußert: »Habt ihr gelesen, der Dulles ist doch ein Diplomat. Er hat dem Molotow einen Wahlzettel auf den Tisch geknallt, von seinen angeblich freien Wahlen aus der Ostzone. Dulles sagte: ›na, Herr Molotow, sie haben sich schon einmal geirrt, als sie damals England und Frankreich Aggressoren nannten, weil sie Hitlerdeutschland den Krieg erklärten‹. Die Definition über die Aggression von Molotow wurde durch Dulles widerlegt, er hat eben ein Köpfchen.«
In den VEB nahe an der Sektorengrenze wird von den Betriebsangehörigen diskutiert, dass es einen 17. Juni nicht mehr geben wird, davon ist der Arbeiter kuriert. Wir können nur das äußerste gewerkschaftliche Mittel heranziehen, und das wäre ein Generalstreik in ganz Deutschland.22
Stimmen aus Westdeutschland
In den vorliegenden Stimmen aus Westdeutschland kommt überwiegend der Wunsch nach Wiederherstellung der Einheit Deutschlands zum Ausdruck. Die positiven Stimmen davon begrüßen die Vorschläge Molotows und wenden sich gegen die Verleumdungen und Entstellungen der Reden Molotows in der westlichen Presse und im Rundfunk. Eine Hausfrau aus Hannover: »Molotow kommt den anderen doch wirklich bis an die Grenze des Möglichen entgegen und wenn alle den gleichen guten Willen hätten, wäre die Konferenz doch sehr bald beendet. Aber die Zeit arbeitet ja mit, im anderen Deutschland besonders, aber hin und wieder auch in bürgerlichen Zeitungen kann man lesen, dass die SU mit fast allen Ländern Handelsverträge abschließt. Das gibt manchen zu denken.«
Ein Jugendlicher aus Niedersachsen: »Eine solche Konferenz findet nicht jeden Tag statt. Hier im Westen sind die Verleumdungen über Molotows Reden bei Presse und Rundfunk auf Hochtouren. Da die Westmächte an einer Entspannung im Weltmaßstab gar nicht interessiert sind, setzen sie die deutsche Frage an die erste Stelle der Tagesordnung.23 Wir wissen ja, dass die Vorschläge der SU richtig sind.«
In gleicher Anzahl sind Stimmen bekannt, die sich für eine Einheit in westlichem Sinne aussprechen, im selben Sinne Wahlen fordern und antisowjetische Einstellung erkennen lassen. Nach ihrer Meinung ist die Haltung der SU die Ursache dafür, wenn keine Einigung zustande kommt. Ein Angestellter aus Bienenbüttel, Niedersachsen: »Von der Viererkonferenz halte ich nicht viel, denn es kommt gar nichts zustande. Die Russen sagen nicht viel, aber ›njet‹ sagen sie immer. Freie und geheime Wahlen wollen sie ja nicht, denn sonst würde es trübe aussehen. In allen Sendern bei euch hört man nur immer dasselbe über die Einheit Deutschlands. Das wollen wir auch. Wir verstehen aber eins nicht, keiner will etwas vom Krieg wissen. Wir wollen auch den Frieden mit Russland, aber nicht unter der Russenknute stehen.«
Ein Arbeiter aus Legden-Wehr: »Was meinst du zu der Viererkonferenz? Heute steht ja in der Zeitung, dass der Iwan sich auf freie Wahlen einlassen will, hoffentlich klappt das, dann haben ja die Ostgenossen ausgedient. Davor haben die ja auch mächtig Angst. Wenn es bloß erst so weit ist, dann haben wir auch ein bisschen mitzureden. Wenn wir dann unseren Einzug in Dufahl [sic!] halten, musst du kommen und ausführen helfen, was wir uns früher schon mal vorgenommen hatten, nämlich abrechnen.«
Stimmen aus Westberlin
Neben positiven Stimmen, in denen die sowjetischen Vorschläge unterstützt oder schlechthin Hoffnungen auf eine günstige Lösung gehegt werden, und zweifelnden, die aber für uns Partei ergreifen …
Ein ehemaliger SA-Mann: »Ich glaube, dass es Molotow ehrlich meint, nicht uns zuliebe, sondern weil sie in der SU keinen Krieg wollen. Der Vorschlag über eine Volksabstimmung ist zumindest diskutabel. Von mir aus können sie alle Vier gehen. Denn alle Vier leben auf unsere Kosten. Ich habe drüben in der SU in der Gefangenschaft nur vernünftige Leute kennengelernt.«
Ein Zigarrenhändler aus Waidmannslust erhofft von der Viererkonferenz einen Erfolg. Wie er sagt, will er nicht mehr gezwungen sein, wie bisher minderwertige und teure Tabakwaren aus Westdeutschland zu beziehen, sondern er will auch aus dem Osten Waren einkaufen. Er ist dafür, dass Vertreter aus Ost und West auf der Konferenz gehört werden.
Ein Arbeiter: »Seit 14 Tagen tagt nun schon die Konferenz. Ich glaube kaum, dass etwas zustande kommt. Die Amis wollen ja bis zum Jahre 2003 in Deutschland bleiben.24 In Ostberlin fehlt es an Arbeitern, und in Westberlin ist jeder zweite arbeitslos.«
Ein jugendlicher Arbeiter: »Molotow ist ein erstklassiger Diplomat. Ich bedauere sehr, dass er alleine dasteht. Hoffentlich gelingt es ihm, sich bei den anderen drei durchzusetzen, damit wir endlich zur Einheit und zu einem Friedensvertrag kommen.«
… werden Stimmen laut, die in Kriegspsychose verfallen.
Zwei Arbeiter: »Die Vier werden sich nicht einig. Noch zwei Tage, dann fliegt die Konferenz auf. Was das bedeutet, kann man schon im Voraus sagen: Erst einmal vollkommene Abriegelung Westberlins, noch schlimmer als die Blockade.25 Das lassen sich aber die Westmächte nicht gefallen und dann sind wir mitten im Krieg. Das Osterfest erleben wir nicht mehr in Frieden.«
Negative Stimmen enthalten meist RIAS-Argumente und sind oft sehr aggressiv. Ein Gastwirt: »Die bestehenden Gegensätze zwischen den Westmächten und dem Bolschewismus können nur dadurch beseitigt werden, dass man die Russen aus Ostdeutschland rausschmeißt. Die ganze Konferenz hat keinen Sinn, weil es durch Verhandlungen nie zu einem einigen Deutschland kommen wird. Teilnahme von deutschen Vertretern und die Bildung einer provisorischen Regierung lehne ich ab.«
Einige Arbeiter sagten auf der Krankenkasse in der Seestraße: »Der Westen gibt nicht nach und der Osten auch nicht. Die gehen bald auseinander und der Zustand bleibt derselbe. Wenn am 17. Juni [1953] der Russe nicht gekommen wäre, hätten wir schon die Einheit, und anders wird es auch nicht gehen. Wir müssen mit Gewalt die Einheit erkämpfen. Die Pankower26 wissen ganz genau, dass sie nicht gewählt werden.«
Einige Arbeiter in der Dynamoabteilung bei Siemens und Halske nehmen gegen die Ausführungen Molotows zu freien demokratischen Wahlen scharf Stellung und betonen, die Westmächte müssten mehr auftrumpfen.
Ein SPD-Genosse aus Wittenau: »Ich bin gegen die Teilnahme von deutschen Vertretern. Eine provisorische Regierung lehne ich ab, weil ich den russischen Kommunismus in Deutschland nicht haben will. Den Abzug der Besatzungstruppen kann ich auch nicht gutheißen, dann könnten die Russen ihren Einmarsch zur Besetzung ganz Deutschlands besser durchführen.«
In breiten Kreisen der Westberliner Universität wird die Meinung vertreten, man müsse erst Wahlen durchführen, um eine gesamtdeutsche Regierung bilden zu können, die allein an Friedensverhandlungen teilnehmen könne.
Anlage (o. D.) zum Informationsdienst Nr. 2111
Stimmen aus der Bevölkerung zum Vorschlag des sowjetischen Außenministers vom 4.2.1954
Zum Vorschlag des Genossen Molotow auf Abzug der Besatzungsmächte vor freien demokratischen Wahlen sind verhältnismäßig wenig Stimmen bekannt geworden, wovon die meisten positiv ausfallen. Vereinzelt werden in diesem Zusammenhang Zweifel darüber geäußert, dass der Vorschlag von den Westmächten angenommen werden wird.
Nachfolgend bekannt gewordene Stimmen:
Eine Arbeiterin vom VEB Trikotagenwerk Glauchau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Ich begrüße mit Freuden den Abzug aller Besatzungstruppen und hoffe, dass die Vorschläge des sowjetischen Außenministers Molotow angenommen werden. Wir brauchen keinen EVG-Vertrag, keine Stahlhelmorganisationen27 und faschistische Parteien.«
Ein Arbeiter vom VEB Ankerwerk Schmalkalden, [Bezirk] Suhl: »Der Vorschlag Molotows ist sehr richtig. Es genügt eine Kontrollkommission in Deutschland. Die Parlamente der DDR und Westdeutschlands werden dazu berufen, eine gesamtdeutsche provisorische Regierung zu bilden und demokratische Wahlen vorzubereiten. Dabei müsste aber die Redefreiheit garantiert sein.«
Ein Werkmeister aus Annaberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Der Vorschlag Molotows bezüglich des Abzugs sämtlicher Besatzungstruppen ist sehr gut. Aber ich bin der Meinung, dass durch die Engstirnigkeit der westlichen Vertreter alles scheitern wird.«
Ein Brigadier aus den Chemischen Werken Buna, [Bezirk] Halle: »Wenn die Besatzungstruppen Deutschland heute verlassen, ist morgen der Bürgerkrieg da und die Menschen schlagen sich gegenseitig tot.«
Ein Schweißer von der Peene-Werft Wolgast, [Bezirk] Rostock: »Der Vorschlag Molotows über den Abzug der Besatzungstruppen noch vor den Wahlen ist schön und gut. Man spricht so schön, aber ich habe meine Bedenken, denn das Potsdamer Abkommen28 ist nicht die richtige Verhandlungsbasis.«
Ein Abteilungsleiter vom VEB Deutsch-Russische Transit-Gesellschaft Rostock:29 »Ich kann den Vorschlag auf Abzug aller Besatzungstruppen vor den Wahlen nur begrüßen. Dann wäre eine Möglichkeit gegeben, mit dem Westen besser zusammenzuarbeiten. Hoffentlich setzt sich die sowjetische Delegation durch.«
Der Leiter der Lackfabrik der Leuna-Werke »Walter Ulbricht«, [Bezirk] Halle: »Über Molotows Vorschlag, dass die Besatzungstruppen vor gesamtdeutschen Wahlen abziehen sollen, bin ich sehr erschreckt. Ich bin der Meinung, dass es dann bei den Wahlen zu Krawall und harten Auseinandersetzungen kommen würde.«
Ein Angestellter der MTS Oettersdorf, [Bezirk] Gera: »Ich persönlich bin der Meinung, dass alle ausländischen Truppen Deutschland verlassen sollen und dann werden wir unsere Wahlen schon durchführen.«
Ein Arbeiter von der MTS Lobenstein, [Bezirk] Gera: »Ich bin gespannt, ob der Vorschlag des sowjetischen Außenministers Molotow angenommen wird. Jeder ehrliche und vernünftige Deutsche muss sich doch dafür einsetzen.«
Ein Kollege von der MTS Oschersleben, [Bezirk] Magdeburg: »Ich kann mir schlecht vorstellen, dass die Besatzungstruppen vor der Wahl abziehen, denn die Gegensätze zwischen uns und drüben sind doch ziemlich groß. Nach meiner Meinung müssten die vier Siegerstaaten jeder ein Wahlgesetz vorlegen und das Volk entscheidet durch eine Volksbefragung, welcher Wahlvorschlag angenommen wird.«
Ein LPG-Bauer aus Kehnert, [Bezirk] Magdeburg: »Nur Verbrecher gegen das deutsche Volk können Molotows Vorschlag ablehnen. Wir können unsere Wahlen ohne fremde militärische Beeinflussung durchführen.«
Eine Angestellte vom Rat des Bezirkes Neubrandenburg: »Der Vorschlag des Außenministers Molotow ist gut. Er will damit begründen, dass die Wahlen ohne Beeinflussung fremder Mächte durchgeführt werden können.«
Ein Angestellter vom Wohnungsamt in Anklam, [Bezirk] Neubrandenburg: »Der Vorschlag Molotows über Abzug der Besatzungstruppen vor Durchführung gesamtdeutscher Wahlen entspricht dem Willen von Millionen Deutschen.«
Eine Oberschwester vom Landambulatorium Röbel, [Bezirk] Neubrandenburg: »Wenn man die Leiden des Krieges kennengelernt hat, muss man, um den Frieden zu erhalten, den Vorschlag auf Abzug der Besatzungstruppen vor Durchführung freier Wahlen unbedingt anerkennen.«
Ein Kreissekretär der CDU in Waren, [Bezirk] Neubrandenburg: »Ich bin der Meinung, dass die Einheit Deutschlands so zustande kommen kann, wie sie Molotow in seinem Vorschlag am 4.2.1954 aufzeigte.«
Bürgermeister von Schwarzenberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Der neue Vorschlag Molotows ist gut, aber dass die Westmächte diesem Vorschlag zustimmen, vor allem dem Abzug der Besatzungstruppen vor den Wahlen, glaube ich nicht.«
Ein Sattlermeister aus Saalburg, [Bezirk] Gera: »Ich bin gespannt, was aus dem Vorschlag Molotows, noch vor den Wahlen aus Deutschland die Besatzungstruppen abzuziehen, herauskommen wird. Dass die Westmächte wieder ablehnen, kann ich schon im Voraus sagen, denn der Ami lebt in Deutschland ganz gut.«
Ein Fuhrunternehmer aus Brotterode, [Bezirk] Suhl: »Ich bin der Meinung, dass die Besatzungsmächte noch hierbleiben können, denn sie hindern uns ja nicht. Dafür könnte man erst eine provisorische Regierung bilden und danach die Wahlen durchführen.«
Ein Gastwirt aus Borau, [Bezirk] Halle: »Der Abzug aller Besatzungstruppen vor den Wahlen könnte den Russen so passen. Aber die Amis wissen schon, was sie wollen, sie werden nicht rausgehen.«
Ein Stellmacher aus Saalfeld, [Bezirk] Gera: »Molotow soll lieber die Vorschläge der Westmächte annehmen, damit gesamtdeutsche Wahlen durchgeführt werden können. Nach den Wahlen wird sich dann schon alles Weitere ergeben.«