Zur Beurteilung der Situation
29. Juli 1954
Informationsdienst Nr. 2273 zur Beurteilung der Situation
Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft
Industrie und Verkehr
Im Mittelpunkt der Diskussionen über politische Tagesfragen steht der erfolgreiche Abschluss der Genfer Konferenz.1 Die uns bekannt gewordenen Stimmen sind positiv. Nach wie vor bringt man in den Diskussionen zum Ausdruck, dass alle strittigen Fragen durch Verhandlungen gelöst werden können und der Abschluss des Waffenstillstandes in Indochina ein Sieg des Weltfriedenslagers darstellt. Gleichzeitig hofft man, dass auf dem Verhandlungswege das Deutschlandproblem gelöst wird. Der Umfang der Diskussionen hat sich gegenüber dem Vortage nicht verändert.
Ein Arbeiter aus dem Stahlbau Brandenburg, [Bezirk] Potsdam: »Die Genfer Konferenz löste bei allen friedliebenden Menschen große Freude aus. Die USA zeigte ihr wahres Gesicht und entlarvte sich selbst durch ihre Kriegspolitik. Ausschlaggebend war auch China bei diesen Verhandlungen. Der Weg, den die Genfer Konferenz beschritten hat, muss für Deutschland auch gangbar sein. Denn die Zeit ist für uns, täglich wird das Friedenslager stärker.«
Ein Arbeiter aus der Gießerei des »Karl-Liebknecht«-Werkes Magdeburg: »Der Außenminister Molotow2 hat den größten Anteil an dem Waffenstillstand in Indochina. Wenn die Arbeiterschaft in der DDR den Friedenskampf so aufnehmen würde wie unsere französischen Arbeiter, wären wir in der Deutschlandfrage schon weiter vorangeschritten.«
Ein Kumpel vom Schacht 6 Oberschlema, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Es ist ein gewaltiger Fortschritt, dass in Genf der Waffenstillstand in Indochina erreicht wurde. Dort hat der amerikanische Druck nichts ausrichten können. Wir in Deutschland müssen daraus die Lehren ziehen, denn es hat sich gezeigt, dass durch Verhandlungen alle Probleme gelöst werden können. Unsere Regierung versucht alles, um eine Einigung herzustellen, dies zeigt der Brief Otto Grotewohls3 an die SPD-Mitglieder.4 Wir alle müssen mithelfen, die Menschen aufzuklären.«
Ganz vereinzelt treten negative Diskussionen zur Genfer Konferenz auf. Ein Arbeiter aus dem EKS,5 [Bezirk] Frankfurt/Oder: »Die Konferenz hat viel zu lange gedauert. Man hat sich mit nebensächlichen Dingen beschäftigt und nicht mit der Einheit Deutschlands. Solange sich damit noch nichts ereignet, interessiert mich nichts.«
Zur neuen Note der Sowjetunion6 an die Westmächte vom 24.7.1954 berichten wir im Anhang.
Über den Besuch des Ministerpräsidenten und Außenministers der Volksrepublik China, Tschu En Lai,7 wurden uns bisher nur sehr wenig Stimmen bekannt. Dabei äußert man sich, dass das Deutsche Volk große und starke Freunde hat, die uns in unserem Kampf unterstützen. In den Diskussionen kommt zum Ausdruck, dass die deutsch-chinesische Freundschaft gefestigt werden muss. Außerdem werden die Verdienste des Ministerpräsidenten Tschu En Lai bei der Genfer Konferenz gewürdigt. Aus Berlin wurden uns ganz vereinzelt Produktionsverpflichtungen anlässlich des Besuches des chinesischen Ministerpräsidenten bekannt. Eine parteilose Arbeiterin aus dem VEB Pappenfabrik Ziegenrück, [Bezirk] Gera: »Ich habe die Zeitung gelesen, wie Tschu En Lai im Berliner Transformatorenwerk war und mit den Arbeitern diskutierte.8 Daraus kann man ersehen, dass wir Deutschen große Freunde haben und in unserem Kampf um die Einheit Deutschlands und die Erhaltung des Friedens bestimmt vom großen China unterstützt werden.«
Ein Arbeiter aus der Schuhfabrik Weißenfels, [Bezirk] Halle: »Der Freundschaftsbesuch des Ministerpräsidenten der Volksrepublik China ist ein mächtiger Beweis für die Festigung der deutsch-chinesischen Freundschaft. Wenn wir uns enger um das Banner des Weltfriedenslagers, an deren Spitze die SU steht, zusammenschließen, so leisten wir einen großen Beitrag für die Lösung unserer eigenen nationalen Frage.«
Ein Angestellter der Reichsbahn in Schwarzenberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Der Besuch Tschu En Lais ist ein Beweis der Völkerfreundschaft zwischen China und unserer Republik. Wenn früher von der gelben Gefahr gesprochen wurde,9 so war es nur deshalb, weil man die Macht des chinesischen Volkes fürchtete. Dass China heute ein entscheidendes Wort in der Politik mitspricht und ein mächtiger Faktor ist, das kam mir erst durch die Genfer Konferenz richtig zum Bewusstsein. Wenn wir diese Politik zu schätzen wissen, dann kann uns Amerika wirtschaftlich und auch politisch nichts mehr anhaben.«
Negative Diskussionen zum Besuch von Ministerpräsidenten Tschu En Lai sind Einzelbeispiele, die selten in Erscheinung treten. Ein Kumpel vom VEB Zinnerzgrube »Ehrenfriedersdorf« Karl-Marx-Stadt: »Dieser Besuch von Tschu En Lai ist genau dasselbe, als wenn Dulles10 nach Westdeutschland kommt.«
Einzelstimmen zu Erklärung des Dr. John,11 Leiter vom Bundesamt für Verfassungsschutz, wurden uns aus Frankfurt und Magdeburg bekannt.12 Eine Stenotypistin vom »Ernst-Thälmann«-Werk Magdeburg: »Meine Eltern wohnen in Westberlin. Ich fahre jeden Sonntag hin. Dadurch konnte ich erfahren, dass man in Westberlin über die Flucht des John in die DDR sehr beunruhigt ist, da John das gesamte Spionagematerial kennt. Ich bin der Meinung, John ist gegangen, da er erkannte, dass der Faschismus in der Bonner Regierung immer mehr um sich greift.«
Ein Arbeiter aus Frankfurt/Oder: »Ich habe mich über den Übertritt des Dr. John sehr gewundert. Es muss doch etwas sehr Schwerwiegendes vorliegen, wenn eine solche Persönlichkeit aus Westdeutschland flüchtet. Wahrscheinlich wollte er sich noch rechtzeitig ein trockenes Plätzchen sichern, weil er in seiner Funktion am Besten gesehen hat, wohin die Politik Adenauers13 führt.«
Folgende negative Stimme wurde uns zum Schritt von Dr. John bekannt. Ein Arbeiter aus der Zentralwerkstätte des EKS Frankfurt:14 »John ist nur aus dem Grund zu uns herübergekommen, weil er für uns Propaganda treiben soll. Sicherlich ist er schon vor längerer Zeit gekauft worden. Aus eigener Überzeugung wird ein Mensch in solch einer Funktion nicht in die DDR kommen.«
Missstimmung besteht in einigen Betrieben über verschiedene betriebliche Angelegenheiten, wie Lohn- und Gehaltsfragen usw. In der Zuckerfabrik Oberröblingen, Artern und Oldisleben,15 [Bezirk] Halle, zeigen sich Missstimmungen unter den Belegschaften in der Lohnfrage. Da in Oberröblingen die Entlohnungen nach Ortsklasse III,16 während in der Zuckerfabrik Artern und Ortisleben, trotz gleicher Arbeitsbedingungen, die Ortsklasse II maßgebend ist. Aus diesem Grunde ist eine Abwanderung von Fachkräften in andere Industriezweige zu verzeichnen.
Infolge Unzufriedenheit der Intelligenz des chemischen Werkes Buna, [Bezirk] Halle, ist eine verstärkte Abwanderung nach Westdeutschland zu verzeichnen.
Unter den Arbeitern der Bau-Union Eisenach, Baustelle Schleusingen, [Bezirk] Suhl, wird über die Ortsklassen diskutiert. Die Kollegen bringen zum Ausdruck, dass sie doch alle dieselbe Arbeit leisten müssen und unterschiedlich bezahlt werden. Darüber sind die Arbeiter verärgert und bringen zum Ausdruck, dass sie, falls sich in Kürze nichts ändert, ihr Arbeitsverhältnis kündigen werden.
Große Missstimmung hat auf der Werft in Wismar, [Bezirk] Rostock, die Einstellung eines ehemaligen Offiziers als Sekretär beim Werftleiter hervorgerufen. Die Kollegen vertreten die Meinung, dass man aus einem Faschisten nicht plötzlich einen guten Wirtschaftsfunktionär in einem VEB machen kann. Solchen Leuten käme es doch nur auf den Verdienst an.
Unter den Arbeitern der Karbidfabrik im chemischen Werk Buna besteht Missstimmung, weil der Trafo am Ofen I schon dreimal ausgefallen ist. Diese Ausfälle bedeuten erhebliche Produktionsstörungen und Schwierigkeiten für die Brigaden, die im Wettbewerb stehen.
Im VEB Hydrocarbon, Berlin-Blankenburg, sind die Arbeiten zum Teil gesundheitsschädlich. Aus diesem Grunde erhalten die Kollegen täglich einen halben Liter Milch. Die Angestellten des Betriebes einschl. Werks- und techn. Leiter erhalten keine Milch. Vom Werksleiter wurde deshalb der [sic!] Gewährung der Milchzuteilung die Abteilung Gesundheitswesen beim Magistrat, der FDGB und die Volksvertretung angesprochen. Von diesen Stellen wurde zugesagt, dass sie sich für die Erledigung dieser Angelegenheit einsetzen wollen. Es ist aber bisher keine Zusage erfolgt. Darüber sind die Angestellten verärgert, da ja die Ausdünstungen aus den Betriebsräumen sich bis zu der Verwaltung erstrecken.
Im VEB Eisenmanganerzbau Schmalkalden, [Bezirk] Suhl, ist man über ungenügende Transportmittel verärgert. Der Betriebsleiter äußerte dazu: »Wir besitzen nur einen Lkw, welcher zzt. in Reparatur ist. Weil also nicht genügend Transportmittel zzt. zur Verfügung stehen, ist es nicht möglich, das anfallende Erz zu befördern, es muss auf Halden gekippt werden.« Die Arbeiter diskutieren in der Form: »Auf der einen Seite sagt man Produktionssteigerung, damit wir besser leben können, auf der anderen Seite ist die Regierung nicht einmal in der Lage, einen Lkw für eine Grube zu beschaffen, damit das geförderte Erz auch zur Verwendung kommt.«
Die chemische Fabrik Superphosphat Magdeburg17 kann 680 Tonnen Düngemittel nicht herstellen, da es in diesem Betrieb an Arbeitskräften fehlt.
Beanstandete Exportlieferungen: Der VEB Textima Großenhain,18 [Bezirk] Dresden, exportierte Webstühle nach Holland, dort wurde die Qualität dieser Webstühle beanstandet. Die Überprüfung eines nach Holland geschickten Monteurs ergab, dass diese Beanstandungen berechtigt sind. Der Betrieb muss jetzt neue Ersatzteile für diesen Auftrag herstellen und die Kosten selbst tragen.
Ein Kompressorfahrer aus dem Kirow-Werk Leipzig äußerte: »Bei uns stinkt es, viele Kollegen wollen keine FDGB-Beiträge mehr zahlen. Kein Gewerkschaftsfunktionär lässt sich bei uns sehen. Ich selbst kenne die BGL überhaupt nicht. Die sind doch für die Arbeiter da, warum lassen sie sich nicht einmal sehen? Und genauso ist es mit der SED. Die hat doch Nazimanieren angenommen. Sitzungen in der Roten Ecke,19 dort werden Befehle entgegengenommen und ausgeführt. Da kann man sich keine Freunde schaffen. Zum Arbeiter muss man hingehen, Versammlungen in den Hallen abhalten, die Parteilosen heranziehen, aber oft werden sie abgestoßen.« (Es wird überprüft, ob diese Diskussionen größeren Umfang im Betrieb haben.)
Siehe Anhang über Industrie
Handel und Versorgung
Missstimmung
Im Kreis Sonneberg lagern schon erhebliche Mengen an Schlachtfetten, die nicht mehr einwandfrei sind, weil die Kellerlagerräume keine ausreichende Kühlung haben. Laut Schreiben vom 15.5.1954 vom Rat des Bezirkes Suhl sollen aber noch 40 Tonnen Schmalz aus Staatsreserven angeliefert werden, die durch diesen Umstand ebenfalls dem Verderb ausgesetzt wären. Die Kollegen vom Kreisrat Sonneberg sind darüber verärgert und sagen, dass man nicht einfach Zuteilungen festlegen kann, sondern die Struktur des Kreises berücksichtigen muss, oder sitzen Leute an den Stellen, die dadurch eine Schädigung herbeiführen wollen.
Die werktätigen Frauen, besonders aus dem Kunstseidenwerk Premnitz, [Bezirk] Potsdam, klagen darüber, dass sie abends nach der Arbeit nie Kartoffeln zu kaufen bekommen. In diesem Zusammenhang äußerten einige Frauen aus Brandenburg, dass die Kartoffeln bewirtschaftet werden müssten, um die Gewähr zu haben, dass jeder welche bekommt.
Mängel in der Verteilung der Frühkartoffeln bestehen im gesamten Bezirk Suhl, in den Gemeinden des Geiseltales, [Bezirk] Halle, und in den Kreisen Brandenburg, Rathenow, [Bezirk] Potsdam. Dagegen lagern in der Gemeinde Roskow, [Bezirk] Potsdam, seit Tagen 300 Ztr. Kartoffeln, die von der VEAB wegen Mangel an Transportmitteln nicht abgefahren werden können.
Margarine fehlt in Drosa, Kreis Köthen, [Bezirk] Halle, und im Kreisgebiet Ilmenau, [Bezirk] Suhl.
Rind- und Schweinefleisch fehlt im Kreis Ilmenau, Fleisch- und Wurstwaren in einigen Kreisen des Bezirkes Magdeburg. In Milde und Kalbe, [Bezirk] Magdeburg, kann sogar das Fleisch auf Marken nicht mehr ausgegeben werden, worüber in der Bevölkerung Unruhe hervorgerufen wurde.
Mangel an Stärkeerzeugnissen und anderen Nahrungsmitteln ist in verschiedenen Kreisen des Bezirkes Schwerin und im Bezirk Rostock zu verzeichnen.
In einigen Kreisen des Bezirkes Suhl besteht seit längerer Zeit Mangel an Benzin. Durch diesen Mangel kann z. B. die VEAB Meiningen, [Bezirk] Suhl, das anfallende Gemüse nur zum Teil transportieren. Die Zuteilung an Benzin in Höhe von 1 000 l wurde im letzten Monat um 300 l gekürzt.
Verdorbene Lebensmittel: In der Käserei Riemer Neubrandenburg20 sind in der Zeit vom 15.4. bis 15.7.1954 insgesamt 1 828 kg Quark verworfen worden. (Zur Herstellung von 1 kg Quark werden mehrere Liter Vollmilch benötigt.)
Landwirtschaft
Über politische Tagesfragen diskutiert die Landbevölkerung nach wie vor nur im geringen Umfang. Zum Abschluss der Genfer Konferenz und zum Besuch Tschu En Lais wird ganz vereinzelt meist positiv hauptsächlich im sozialistischen Sektor gesprochen. Hierzu einige Beispiele.
Ein Kollege der MTS Cospeda,21 [Bezirk] Gera, sagte: »In Genf haben die Staatsmänner bewiesen, dass sie sich in der Frage des Friedens für Indochina geeinigt haben. Daher kann es kein Problem geben, auch das deutsche Problem nicht, was nicht auf dieser Basis gelöst werden könnte.« Ein LPG-Bauer aus Drößnitz, [Bezirk] Gera, sagte: »Es ist gut, dass endlich einmal in der Welt Waffenruhe ist und nicht mehr geschossen wird. Genf hat gezeigt, dass bei gutem Willen viel zu erreichen ist.«
Anlässlich des Besuches Tschu En Lais sagte ein LPG-Bauer aus Plohn, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Der Besuch des chinesischen Außenministers ist ein großer Freundschaftsbeweis. Für uns ist sehr wertvoll, Freundschaft mit einem 800 Millionenvolk zu halten.«
Im Vordergrund der Diskussionen stehen wirtschaftliche Fragen z. B. die Einbringung der Ernte und die damit verbundenen Schwierigkeiten. So werden z. B. immer wieder die Mängel in der Beschaffung von Ersatzteilen für die MTS scharf kritisiert. In den MTS des Bezirkes Halle fehlen Ersatzteile für Mähdrescher und andere landwirtschaftliche Maschinen. Desgleichen im MTS Leitwerk Parchim, [Bezirk] Schwerin, und den MTS des Kreises Putbus, [Bezirk] Rostock. In Putbus besonders Kugellager.
In der MTS Rodensleben, [Bezirk] Potsdam, fehlen Lichtmaschinen an den Traktoren, auch an den neuzugegangenen. Durch diesen Mangel kann die II. Schicht nicht eingesetzt werden. Im Bezirk Karl-Marx-Stadt wird von den Bauern vielfach über den Kräftemangel bei der Ernte geklagt und unbedingt Abhilfe gefordert. In diesem Zusammenhang sagte ein Genossenschaftsbauer aus Oberschaar, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Ich tausche mit keinem Industriearbeiter, denn wir haben Geld genug. Nur das eine ist schlecht, nämlich, dass wir keine Arbeitskräfte haben, und das macht mich fertig.«
In den Gemeinden Plaaz und Spoitgendorf, [Bezirk] Schwerin, werden von den Bauern dringend Steckdosen für Kabelanschluss zum Drusch benötigt. Dem Energiewerk Nord ist dieser Mangel bereits seit Februar bekannt, ohne dass Abhilfe geschaffen wurde.
Übrige Bevölkerung
Zu politischen Tagesfragen verhält sich ein großer Teil der Bevölkerung uninteressiert, sodass die Diskussionen darüber sehr gering sind. Vereinzelt wird noch über den erfolgreichen Abschluss der Genfer Konferenz gesprochen und der Waffenstillstand in Indochina als erneuter Sieg des Weltfriedenslagers begrüßt. Man hofft daher, dass nun auch die deutsche Frage bald gelöst wird. Meistens äußern sich Angestellte hierzu. Hierzu folgende typische Meinung: Ein Angestellter aus Karl-Marx-Stadt: »Ich bin von der Kraft des Weltfriedenslagers überzeugt, welche[s] besonders durch die Teilnahme Chinas an der Konferenz gestärkt wurde. Ich hoffe aber auch, dass das deutsche Problem auf dieser Basis gelöst werden kann und wird.«
Über die Note der Sowjetregierung an die Westmächte wird ebenfalls nur sehr wenig diskutiert, worüber im Anhang berichtet wird.
Über unterschiedliche Preise für Obst und Gemüse wird von der Bevölkerung aus Wismar geklagt. In Rostock z. B. war zu verzeichnen, dass in einem HO-Geschäft die Blaubeeren ein halbes Kilo zu DM 1,35 und in einem anderen an dem selben Tage zu DM 1,70 ein halbes Kilo verkauft wurden.
Massenerkrankungen: Am 26.7.1954 wurde in den Ferienheim Hoheneck, Bad Frankenhausen, Kreis Artern, [Bezirk] Halle, Mittagessen an die westdeutschen Feriengäste verabreicht. Nach dem Essen sind 70 Prozent der Gäste erkrankt. Die Ursache war der Genuss von holländischen Erbsenkonserven. Untersuchungen ergaben, dass das Weißblech der Dosen oxidiert hatte.
Organisierte Feindtätigkeit
Hetzschriftenverteilung
SPD-Ostbüro:22 Rostock 350, Dresden 22.
KgU:23 Karl-Marx-Stadt 1 400.
UFJ:24 Potsdam 37.
FDJ-Ostbüro: Erfurt 12.
»Freie Junge Welt«:25 Cottbus 400 (alt – II. Deutschlandtreffen).
Versch[iedener] Art: Frankfurt 10 000.
In tschechischer Sprache: Dresden 21.
Die Hetzschriften wurden in den meisten Fällen sichergestellt und gelangten nicht in die Hände der Bevölkerung.
Antidemokratische Tätigkeit: Im Stahlwerk Riesa, [Bezirk] Dresden, wurde eine Hetzlosung gegen die SED festgestellt.
Diversion: In der MTS Götz, Kreis Brandenburg, [Bezirk] Potsdam, wurde in den Tank eines Traktors ca. ein Pfund Zucker geschüttet.
Terror
Der LPG-Vorsitzende in Bühlow, Kreis Spremberg, [Bezirk] Cottbus, wurde von einem Großbauern tätlich angegriffen, sodass er sich in ärztliche Behandlung begeben musste. Der Großbauer äußerte weiterhin: »Die Kolchosen schlag ich noch kaputt und den Kolchosendirektor tot«.26
Vermutliche Feindtätigkeit
Nachdem im Bezirk Frankfurt die Verurteilung der Schädlingsgruppe vom VEG Polßen27 im Allgemeinen als zu gering betrachtet worden war, treten jetzt Jugendliche mit Unterschriftensammlungen auf, um eine Milderung der Urteile zu erreichen, besonders im Kreis Angermünde. Besonders setzte sich auch der Pfarrer ein.
Einschätzung der Situation
In allen Bevölkerungskreisen ist die Teilnahme am politischen Geschehen noch gering. Dabei steht der Erfolg der Genfer Konferenz weiterhin an erster Stelle bei den überwiegend positiv geführten Gesprächen.
Zur Note der SU vom 24.7.1954 wird durchweg positiv Stellung genommen, aber bisher ebenfalls nur im geringen Umfang.
Diese Ereignisse werden vielfach in Verbindung mit dem Deutschlandproblem besprochen und haben die Hoffnungen auf Fortschritte in dieser Frage verstärkt.
Wirtschaftliche Fragen und teilweise Schwierigkeiten stehen weiter im Mittelpunkt, wobei die bestehenden Mängel verschiedentlich Unzufriedenheit hervorrufen.
Anlage 1 vom 29. Juli 1954 zum Informationsdienst Nr. 2273
Anhang über Industrie
Produktionsschwierigkeiten bestehen in einigen Betrieben wegen Materialmangel usw. Im VEB Thale,28 [Bezirk] Halle, sind infolge ungenügender Kachellieferungen aus dem VEB »Ziegelwerk Wittenberg« Schwierigkeiten in der Planerfüllung aufgetreten.
In den Kraftwerken der Buna-Werke,29 [Bezirk] Halle, gibt es Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Laufschaufeln für die Turbinen-Reparatur.
Im Mansfeld Kombinat »Wilhelm Pieck« ist es trotz aller Bemühungen noch nicht gelungen, die dringend benötigten Förderwagen-Bänder zu beschaffen.
Im Stahlwerk Frankleben, [Kreis] Merseburg, [Bezirk] Halle, treten durch das Fehlen von Mittelgussaufträgen Schwierigkeiten in der Planerfüllung auf. Weiterhin ist das Werk gezwungen, trotz Reklamationen bei der Maxhütte,30 Roheisen mit anhaftendem Formsand einzusetzen, darunter leidet das Ofenfutter.
Im VEB Blechwalzwerk Olbernhau ist die Materialzufuhr unterbrochen und somit die Planerfüllung gefährdet.
Im VEB Oberlausitzer Baumwollspinnerei Neusalza, [Kreis] Spremberg, [Bezirk] Dresden, fehlt es an Zwölfer-Vigogneschussgarn.31 Zurzeit stehen bereits 42 Webstühle für Hemdenflanell still. Außerdem ist im Betrieb ein Planrückstand von 100 000 qm Stoff zu verzeichnen. Das Garn wurde bisher von verschiedenen Firmen angeliefert und wies zum Teil sehr schlechte Qualität auf.
Produktionsstörung
Am 28.7.1954, gegen 3.00 Uhr ist im Kombinat Espenhain die Förderungsbrücke ausgefallen. Von 36 Wagen, welche die Förderbrücke abstützten, sind zwei Wagen entgleist und wurden ca. 90 m neben den Gleisen geschleift, ehe diese Störung bemerkt wurde. Durch den Ausfall dieser Förderbrücke sind 2/3 des Abraumes stillgelegt. Die Reparatur der Brücke wird ca. acht Wochen in Anspruch nehmen, sodass mit einem sehr großen Produktionsausfall gerechnet werden muss. Von drei verantwortlichen Genossen des Kombinats Espenhain wurde die Vermutung ausgesprochen, dass sich der Hauptdirektor und der technische Direktor aufgrund dieses Verfalles nach dem Westen abgesetzt haben. Die beiden Personen sind nach Lauchhammer, [Bezirk] Cottbus, gefahren, um Maßnahmen zur schnellen Reparatur der Förderbrücke einzuleiten. Von Lauchhammer sind sie sofort nach Berlin weitergefahren.
Am Thomas-Müntzer-Schacht,32 [Bezirk] Halle, hat sich das Förderseil um 35 cm gezogen. Die Ursache ist noch nicht geklärt. Produktionsausfall: zwei Stunden.
In der »Karl-Liebknecht«-Hütte33 ist der Ofen III ausgefallen. Die Reparatur beträgt ca. drei Wochen.
Anlage 2 vom 28. Juli 1954 zum Informationsdienst Nr. 2273
Mängel in der Landwirtschaft
In der MTS Damsdorf, [Bezirk] Potsdam, sind zwei Traktoren wegen Motorenschaden ausgefallen. Die Motoren werden in das vertraglich gebundene Werk für Motoreninstandsetzung zur Reparatur gebracht. Einer davon bereits am 23. Juni ds. J., der aber bis heute noch nicht repariert ist. Der zweite Motor mit einem Kurbelwellenbruch wurde im Betrieb gar nicht angenommen, weil dort noch 48 Motoren mit gleichen Schäden repariert werden müssen. Die Traktoristen sind damit nicht einverstanden und sagen: »Wenn die Ernte schnell und ohne Verlust eingebracht werden soll, müssen auch die Voraussetzungen dafür geschaffen werden.«
In verschiedenen Orten des Bezirkes Suhl ist die Durchführung der Druschperiode noch nicht gesichert. In der Bereitstellung von Druschsätzen treten noch Schwierigkeiten auf. So z. B. im Kreis Bad Salzungen, wo von den für das III. Quartal 1954 anzuliefernden Maschinen erst eine eingetroffen ist.
Am 14.5.1954 wurden vom Tierarzt aus Bad Salzungen, [Bezirk] Suhl, Impfungen der Schweine in den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften durchgeführt. In Bad-Liebenstein, Ortsteil Wolfsberg, trat am 26.7.1954 nach der zweiten Impfung Folgendes auf: Die 69 Schweine, die geimpft wurden, bekamen Geschwülste hinter dem Ohr, wo die Impfstelle ist. Ein kleineres Schwein von 20 kg ist verendet, vier Schweine wurden dem Schlachthof zugeführt, wurden aber wegen Innereienvereiterung verworfen. 40 weiteren Schweinen wurden die Geschwülste aufgeschnitten. Nach Rücksprache mit dem Kreistierarzt ist dieser Impfstoff speziell für die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften hergestellt worden.
In der LPG Nielebock, Kreis Genthin, [Bezirk] Magdeburg, ist bei den gegen Rotlauf geimpften Schweinen die Schweinepest ausgebrochen. Dies ist bereits der dritte Fall.
Anlage 3 vom 29. Juli 1954 zum Informationsdienst Nr. 2273
Gefälschte Schreiben
1) An Rechtsanwälte und Notare werden auf Briefbogen des »Ministeriums der Justiz – der Minister« unter der Nummer 3176 E – 2 – gefälschte Schreiben gesandt, wonach ihre Zulassung als Rechtsanwalt und Bestellung als Notar widerrufen wird. Als Begründung wird angegeben: »Aufgrund der getroffenen Feststellungen …« Unterschrift: »Dr. Benjamin«.34
2) An die Kreissekretariate der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft35 werden gefälschte Schreiben mit dem Absender »Zentralvorstand der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft« gesandt. In diesem Schreiben wird mitgeteilt, dass im Verlag 30 000 Exemplare der Zeitschrift »Freundschaft in Aktion«36 lagern würden. Die Kreissekretäre sollen mit den Grundeinheiten Rücksprache nehmen und dort Stellungnahmen fordern, worin »sowohl die geschilderten Missstände als auch Wege zur Aufdeckung des republikfeindlichen Verhaltens von verschiedenen Angestellten des Postzeitungsvertriebes behandelt« werden sollen.
3) In einem weiteren gefälschten Schreiben des Zentralvorstandes der Gesellschaft für DSF werden gegebene Anweisungen widerrufen. Über den Bezug von Schmalfilmen wird geschrieben, dass Anforderungen künftig an die Zweigstelle des Progress-Filmvertriebes37 in Berlin zu richten sind. Der Termin für den »Prämienwettbewerb für die ›Presse der Sowjetunion‹« wird geändert und es wird dazu in der Fälschung berichtigt, dass für einen neugeworbenen Abonnenten nicht 0,50 DM, sondern 5,00 DM Prämie ausgesetzt sind. Am Schluss der Fälschung heißt es: »Wir hoffen, dass die ausgesetzten Werbeprämien sowie die Sondervergünstigung eines kostenlosen dreimonatigen Bezuges einen besonders großen Erfolg herbeiführen.«
4) Mit dem fingierten Absender der »Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe – Zentralverband«38 werden an Gemeinderäte gefälschte Schreiben über »Mindestabnahmegewicht bei Kälbern« gesandt. In dem Schreiben wird ein Artikel aus dem »Freien Bauern«39 zitiert, wonach ein Bauer gegen die Verordnung über das Mindestabnahmegewicht bei Kälbern protestiert habe.40 Es heißt dazu, dass dieser Artikel abgedruckt worden sei, um die Stimmung der Bauern zu dieser Frage zu erkunden.
Zur Änderung werden die Bauern aufgefordert, gegen diese Maßnahme ebenfalls zu protestieren. Es heißt: »Es darf nicht alles unwidersprochen hingenommen werden, sonst nimmt die Normenschraube kein Ende.« Bezug nehmend auf die Hochwasserkatastrophe41 wird darauf hingewiesen, dass jetzt die Zeit am geeignetesten [sic!] ist, »durch Einsprüche und Proteste eine immer größer werdende Bedrängung des werktätigen Bauern abzuwenden«.
Das Schreiben verfolgt ganz und gar das Ziel, unsere werktätigen Bauern gegen unsere Regierung zu beeinflussen, unter dem Deckmantel, dass sie dabei von der VdgB unterstützt würden. Das kommt auch in dem letzten Satz zum Ausdruck, wo man fordert, sich selbst zu helfen und »nicht immer auf die Hilfe von oben« zu warten.
5) Gefälschte Schreiben mit dem Absender der HVDVP und einem Dienstsiegel wurden an verschiedene Privatpersonen und auch VPK-Ämter gesandt, mit der Aufforderung, bestimmte Personen zu beobachten bzw. festzunehmen. Bei den namentlich genannten Personen handelt es sich in den meisten Fällen um verantwortliche Funktionäre einer Gemeinde bzw. eines Kreises.
6) Im Bezirk Schwerin werden vornehmlich an Funktionäre gefälschte Schreiben gesandt, worin diese aufgefordert werden, zur Untersuchung in das Krankenhaus Schwerin-Görries zu kommen, da sie beschuldigt würden, geschlechtskrank zu sein. Bei den Fälschungen handelt es sich um vervielfältigte Maschinenschreiben. Der Poststempel ist in allen Fällen die Stadt Güstrow.
7) Mit dem Absender »DHZ Maschinen und Fahrzeuge Rostock bzw. Güstrow, [Bezirk] Neubrandenburg«. werden an Betriebe und MTS gefälschte Schreiben mit der Aufforderung gesandt, einen Einkäufer zwecks Einkaufs größerer Zuteilungen von Schrauben, Muttern, Leitungskabeln usw. zu entsenden. Es werden Kontingente bis zu 10 000 DM angeboten. Nachdem verschiedene Einkäufer schon bei den DHZ vorgesprochen hatten, wurden die Schreiben als Fälschungen erkannt.
Anlage 4 vom 29. Juli 1954 zum Informationsdienst Nr. 2273
Auswertung der Westsendungen
Industrie
Immer wieder richtet sich die Hetze der Westsender gegen die Planwirtschaft der DDR. Unter Ausnutzung zeitweilig auftretender Produktionsschwierigkeiten in einzelnen Betrieben wird gehetzt, dass durch die Planung die gesamte Wirtschaft in der DDR sich verschlechtere. RIAS spricht darüber in einer seiner letzten Sendungen und es heißt dort, dass in den Jahren 1946 und 1947 die Industrieproduktion im Osten Deutschlands höher lag als im Westen; aber nach Beginn des Zwei-Jahresplanes habe sich das gewaltig verändert.42 Die Forderungen der Westsender richten sich dabei bei den Sendungen über die Planung in der DDR immer wieder auf »Senkung der Planauflagen« und »größere Bewegungsfreiheit für die Betriebsleiter«, um die Werktätigen der DDR zu beeinflussen, diese Forderungen ebenfalls zu stellen.
Landwirtschaft
In einer Sendung über die Ernte der DDR heißt es im RIAS, dass »die Getreideernte noch nie so gefährdet war wie in diesem Jahr«. Nach kurzen Worten über die Wetterbedingungen wird dann gehetzt über schlechte Maschinen, Arbeitskräftemangel und »Unfähigkeit der Regierung«.
Zur Frage der Arbeitskräfte heißt es, dass zahlreiche unqualifizierte Hilfskräfte nichts nützen, es sollten solche Arbeiter ausgesucht werden, die mit landwirtschaftlichen Arbeiten vertraut sind. Bei der Werbung sollten ihnen ein Sonderurlaub nach der Ernte oder eine höhere Lebensmittelkarte für das ganze folgende Jahr gewährt werden. Die letzte Forderung ist ganz dazu angetan, die Arbeiter zu beeinflussen, einen Landeinsatz von diesen Bedingungen abhängig zu machen.
Volkswahlen43
In Vorbereitung der Volkswahlen verstärkt sich in den letzten Tagen die Hetze gegen die Volkskammer der DDR. In einem Interview des Senders »Freies Berlin« wird gesagt, dass die einzelnen Fraktionen keinerlei Einfluss auf die zur Abstimmung kommenden Gesetze hätten, da die Vorlagen gedruckt von der Regierung kämen und bisher noch nie etwas an einem Gesetz geändert wurde. Es wird gehetzt, dass selbst die Stärke des Beifalls vorher festgelegt wird.
Der Beschluss des zentralen Blocks der antifaschistisch-demokratischen Parteien und Massenorganisationen zur Aufstellung einer gemeinsamen Wahlliste wurde bisher in der Westpresse ohne Kommentar wiedergegeben,44 nachdem bereits vor einiger Zeit gehetzt worden war, dass »wieder Einheitslisten wie 1950«45 aufgestellt würden, um die Wahl bestimmter Parteien zu verhindern.
RIAS benutzt die Ausführungen [von] Dr. Hans Loch46 in »Der Morgen«47 über die Vorbereitung und Durchführung der Volkswahlen zu der üblichen Hetze gegen die LDPD, die ihre Rolle als liberale und demokratische Partei aufgegeben habe.
Anlage 5 vom 28. Juli 1954 zum Informationsdienst Nr. 2273
Stimmung zur Note der Sowjetregierung an die Westmächte
Über die neueste Note der SU an die Westmächte wurde bisher unter der Bevölkerung nur in ganz geringem Umfang diskutiert. Vielfach ist die Note noch unbekannt. Sämtliche Meinungen sind positiv. Darin wird meist zum Ausdruck gebracht, dass dies ein erneuter Beweis der Verständigungsbereitschaft der SU und ihrer laufenden Bemühungen um die Erhaltung des Friedens ist. Diese neue Note in Verbindung mit dem erfolgreichen Ausgang der Genfer Konferenz weckt verstärkt Hoffnungen auf eine Einigung der Großmächte über gemeinsame Bestrebungen, den Frieden zu sichern. Gleichfalls erörtert man, dass man damit Verhandlungen über die Deutschlandfrage näherkommt. Meistenteils äußerten sich Arbeiter aus volkseigenen Betrieben hierzu, im geringen Maße wurden Stimmen von fortschrittlichen Angestellten bekannt.
Ein Hauer aus dem Schacht 31 in Johanngeorgenstadt, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Die SU setzt sich immer wieder für den Frieden ein und macht konkrete Vorschläge. Wenn die anderen sich auch dazu einverstanden erklären, dann kann mit etwas gutem Willen auch die Einheit Deutschlands hergestellt werden. Wir müssen den Vorschlag der SU voll unterstützen und allen Menschen erklären.«
Ein Angestellter aus der HO Fürstenwalde, [Bezirk] Frankfurt/Oder sagte: »Die sowjetische Note beweist wieder einmal deutlich den Willen um die Verständigung zwischen den Völkern. Für uns Deutsche ist es wiederum eine Mahnung, noch näher aneinanderzukommen. Jetzt liegt es am Amerikaner, zuzustimmen, denn sonst erleidet er eine große Schlappe. England und Frankreich wollen kein militarisiertes Deutschland.«
Ein Polierer (parteilos) aus dem Möbelwerk Zeulenroda, [Bezirk] Gera: »Ich glaube, dass die Note der Sowjetregierung, in der die Sowjetunion den Westmächten den Vorschlag für eine europäische Konferenz unterbreitet, wo über die kollektive Sicherheit beraten werden soll, ebenfalls wie in Genf, ein Erfolg für die Staaten des Friedens werden wird. Man kann sagen, dass die Sowjetunion immer für eine friedliche Verständigung ist und nichts unversucht lässt, den Weltfrieden zu garantieren. Hoffentlich schlagen die Westmächte den sowjetischen Vorschlag nicht ab, damit auch Deutschland bald wieder ein Ganzes wird.«
Eine Rentnerin aus Magdeburg: »Es ist allen Menschen ein Bedürfnis, im Frieden zu leben und zu arbeiten. Hoffentlich erreicht die neue Note der Sowjetregierung eine bessere Verständigung mit den Weststaaten als bisher.«
Ein Arbeiter (parteilos) aus dem VEB Gummi- und Textilwerk Blankenburg, [Bezirk] Gera: »Nach dem Sieg des Weltfriedenslagers in Genf begrüße ich die Note der Sowjetregierung zur kollektiven Sicherheit in Europa. Möge die Konferenz aller europäischen Staaten, zu der die UdSSR aufruft, recht bald stattfinden und möge auf dieser Konferenz der Grundstein für einen dauerhaften Frieden gelegt werden.«
Eine parteilose Arbeiterin aus dem VEB Berger Pößneck, [Bezirk] Gera: »Wenn man die Note der Sowjetregierung an die Westmächte mit dem Vorschlag für eine Europakonferenz über die kollektive Sicherheit liest, so kann man nur sagen, dass die Sowjetunion alles einsetzt, um den Frieden zu erhalten und auch um die Einheit Deutschlands wieder herzustellen.«
Ein Kollege aus dem Schacht 352 in Gera sagte: »Die SU versucht aber auch alles, um den Frieden zu erhalten, sie lässt sich nicht beeinflussen. Ich habe große Hoffnungen, dass auch bald über Deutschland noch einmal verhandelt wird und wir endlich einen Friedensvertrag erhalten.«
Ein Punktschweißer aus Meißen, [Bezirk] Dresden: »Hier beweist sich wieder die Stärke des Friedenslagers und man hofft nun bald, eine Verständigung zur Einheit Deutschlands zu erzielen.«
Ein Angestellter aus dem Konsumkreisverband in Nordhausen, [Bezirk] Erfurt: »Molotow ist ein gerissener Politiker. Kaum ist die Genfer Konferenz vorbei, wo die USA eine Schlappe erlitten haben, bringt er schon wieder neue Vorschläge. Die neue Note wird bei allen Menschen in Europa Anklang finden. Molotow lässt dem Dulles gar keine Zeit zum Luftholen und überlegen.«
Anlage 6 vom 29. Juli 1954 zum Informationsdienst Nr. 2273
Stimmung zur Note der Sowjetregierung an die Westmächte vom 24. Juli 1954
Über die neueste Note der Sowjetregierung an die Westmächte wird allgemein sehr wenig diskutiert, meist auf Befragen. Einem großen Teil der Bevölkerung ist sie noch gar nicht bekannt. So sagte z. B. ein Arbeiter aus dem Lonzawerk, [Bezirk] Cottbus (SED): »Ich habe bis jetzt noch keine Zeit gefunden, die neue Note der Sowjetregierung zu studieren.« Im Kraftwerk Trattendorf, [Bezirk] Cottbus, wissen viele Kollegen von der neuen Note überhaupt noch nichts.
Die meisten Stimmen stammen von Arbeitern aus volkseigenen Betrieben, im geringeren Umfang von Angestellten. Vereinzelt äußern sich auch Hausfrauen und Geschäftsleute sowie Angehörige der NDPD. Aus der Landwirtschaft wurden keine Stimmen bekannt. Mehrere Kumpel vom Wismut-Schacht 12 in Oberschlema, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Die SU lässt nichts unversucht, um den Frieden in der Welt herzustellen und wenn die Westmächte tatsächlich den Frieden wollen, wie sie immer reden, dann ist die Note der Sowjetunion die Grundlage dazu. Auch kann dann in Deutschland wieder die Einheit hergestellt werden.«
Ein Arbeiter aus Stalinstadt: »Die Kriegshetzer werden schwere Arbeit haben, denn totzuschweigen sind die sowjetischen Bemühungen um die Erhaltung des Friedens nicht mehr.«
Ein parteiloser Flaschenprüfer vom VEB Wasser-Sauerstoffwerk Schwarzenberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Ich begrüße die Note der SU, denn dadurch wird erneut unter Beweis gestellt, dass die Sowjetregierung überall für die Erhaltung des Friedens eintritt.«
Mitglieder der NDPD aus dem Kreis Parchim, [Bezirk] Schwerin, brachten in Diskussionen zum Ausdruck, dass man an der Note wieder einmal die Friedensliebe der Sowjetunion erkennen könne.
Ein Einwohner aus Schwarzheide, [Bezirk] Cottbus (parteilos): »Ich begrüße diesen Schritt der SU, der wiederum ein Beweis der Anstrengungen zur Entspannung der internationalen Lage darstellt. Ich befürchte nur, dass die Bonner Regierung sich hierzu negativ verhalten wird.«
Ein Arbeiter vom VEB Lederfabrik Hirschberg, [Bezirk] Gera: »Diese Note der Sowjetunion muss doch endlich ziehen. Bei der Genfer Konferenz mussten die Westmächte ja auch nachgeben. Ich bin der Meinung, dass ihnen letzten Endes nichts anderes übrig bleibt, als über das Deutschlandproblem zu beraten.«
Ein parteiloser Angestellter aus den VEB Elbtalwerk Heidenau, [Bezirk] Dresden: »Ich hoffe, dass die neue Sowjetnote nicht ohne Wirkung bleiben wird. Der Ausgang der Genfer Konferenz hat mich darin gestärkt, dass es bei gutem Willen der Beteiligten möglich ist, auch in Europa eine friedliche Lösung der strittigen Probleme zu finden.«
Ein Angestellter aus dem VEB Wasser- [und] Sauerstoffwerk Schwarzenberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt (SED): »Die Note zeigt erneut, dass die SU die Macht ist, die alle Anstrengungen zur Lösung der deutschen Frage unternimmt, damit der Kriegsbrandherd in Europa beseitigt wird. Sie muss mit derselben Konsequenz Beachtung finden, wie man zur Genfer Konferenz einig wurde.«
Eine Hausfrau auf Frankfurt/Oder: »Hoffen wir, nach der neuesten Note der Sowjetunion, dass auf der nächsten Zusammenkunft endlich die Deutschlandfrage gelöst wird. Es fällt mir immer wieder auf, dass derartige Vorschläge von der Sowjetunion kommen. Die USA haben eben kein Interesse am Frieden.«
Ein Wäschereibesitzer aus Treuenbrietzen, [Bezirk] Potsdam (NDPD): »Die Waffenruhe in Vietnam ist ein weiterer Erfolg der Friedenskräfte. Wir Deutschen müssen noch beharrlicher als bisher für den Frieden eintreten, dann erhalten wir auch die Einheit.«
Eine Hausfrau aus Lauchhammer Ost, [Bezirk] Cottbus: »Mit großer Sehnsucht warten wir auf die Wiedervereinigung Deutschlands. Wir hatten den Mut schon aufgegeben, aber aufgrund der neuen Note haben wir wieder neue Hoffnungen geschöpft. Auch unsere Regierung wird alles daransetzen, um die Einheit Deutschlands wieder herzustellen.«
Ein Angestellter im Sanatorium Warmbad-Annaberg (SED): »Die Note der Sowjetunion zeigt den einzig richtigen Weg zur Sicherung des Friedens. Der Abschluss eines kollektiven Sicherheitsvertrages wäre nötig, wenn der gute Wille vorhanden wäre, denn die Genfer Konferenz hat dies doch erneut bestätigt.«
Eine Arbeiterin aus dem VEB Kranbau Eberswalde, [Bezirk] Frankfurt/Oder: »Die Sowjetunion greift jetzt nach den Erfolgen in Genf zum richtigen Zeitpunkt die Kriegshetzer an. Die müssen einen Schlag nach dem anderen erhalten. Die Menschen in den westlichen Ländern werden sich die Ablehnung ihrer Regierung auf solche Noten auf die Dauer nicht gefallen lassen.«
Eine Arbeiterin aus dem Gerätewerk Dessau, [Bezirk] Halle: »Besonders für uns Frauen würde die Schaffung eines Systems der kollektiven Sicherheit eine große Beruhigung sein, denn damit wäre die Angst vor einem neuen Krieg genommen, der die Frauen und Mütter am härtesten trifft. Trotz der großen Gegensätze ist in Genf eine Einigung erzielt worden und es müsste viel eher möglich sein, Europa zu gemeinsamen Beratungen zusammenzubekommen.«
Ein Großhändler aus Karl-Marx-Stadt: »An dem Abschluss der Genfer Konferenz erkennt man, dass die Beharrlichkeit der Sowjetunion zu einem großen Erfolg geführt hat. Deshalb wird die neue Note eine internationale Entspannung herbeiführen.«
Ganz vereinzelt wurden pessimistische Meinungen geäußert, wonach »der Notenwechsel umsonst« sei. Solche Meinungen wurden bisher aus Frankfurt/Oder berichtet. Hierzu folgende typische Beispiele:
Ein Arbeiter aus Fürstenwalde, [Bezirk] Frankfurt/Oder: »Eine Note nach der anderen wird hin- und hergeschickt, ohne Erfolg zu haben. Eine Note mehr oder weniger, darauf kommt es nicht mehr an. Ich lese mir die Noten nicht mehr durch, denn es steht doch nur immer dasselbe drin.«