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Zur Beurteilung der Situation

21. Mai 1954
Informationsdienst Nr. 2213 zur Beurteilung der Situation

Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft

Industrie und Verkehr

Über die Genfer Konferenz,1 die im Mittelpunkt der politischen Tagesfragen steht, wird nur in geringem Umfang von den Werktätigen diskutiert. Der größte Teil der Stimmen ist positiv und befasst sich mit der Abreise Dulles’2 aus Genf.3 Man wertet diesen Schritt als eine Niederlage der USA, andererseits als Zeichen der wachsenden Kräfte des Weltfriedenslagers. Verschiedentlich erwartet man von der Konferenz Beschlüsse zum Verbot der Wasserstoff- und Atombomben. Ein Hauer aus dem Wismut-Schacht 21 in Annaberg:4 »Da Dulles nicht mehr ein und aus wusste, weil die Kräfte des Friedens immer stärker werden, ist er von der Konferenz abgehauen. Es hat sich gezeigt, dass es mit der Politik der Stärke gar nicht so weit her ist. Das ist eine große Schlappe für die Amerikaner.«5

Negative Stimmen wurden ganz vereinzelt bekannt: Ein Maurermeister aus Magdala, [Bezirk] Erfurt: »Bei der Genfer Konferenz springt nichts heraus. Die ganze Sache ist sinnlos. Auch uns wird die Einheit Deutschlands vorenthalten. Es wird nur immer viel geredet und die oben sitzen, machen doch, was sie wollen.« Ein Tischler aus Weimar, [Bezirk] Erfurt: »Die verhandeln hin und verhandeln her. Mich interessiert das überhaupt nicht. Da kommt doch nichts bei heraus.«

Diskussionen über wirtschaftliche und betriebliche Probleme. Im volkseigenen Braunkohlenwerk Erich Weinert in Deuben, [Bezirk] Halle, wurde am 19.5.1954 die Lohnzahlung nicht rechtzeitig durchgeführt. Einige Hundert Arbeiter mussten mehrere Stunden auf ihr Geld warten, welches negative Diskussionen auslöste. Ein Arbeiter sagte: »Im Kollektivvertrag ist die rechtzeitige Lohnzahlung garantiert. Es ist aber schon oft vorgekommen, dass wir auf unser Geld warten mussten.«

Wiederum werden Stimmen über schlechte Bezahlung der Eisenbahner bekannt. So äußerte ein Eisenbahner aus Röblingen, [Bezirk] Halle: »Der Durchschnittslohn der Eisenbahner von 200 bis 300 DM reicht nicht aus, um eine Familie mit mehreren Köpfen zu ernähren. Dadurch sinkt die Arbeitsmoral und die Arbeitsdisziplin.« Ein anderer Eisenbahner aus dem gleichen Ort: »Viele Eisenbahner wechseln in andere Betriebe über, weil sie mit ihrem niedrigen Lohn nicht auskommen. Wir haben doch am 17. Juni [1953] gearbeitet und zur Regierung gestanden, an einem zweiten 17. Juni werden die Eisenbahner wahrscheinlich an der Spitze der Streikenden gehen.«6

Im Kreis Brandenburg, [Bezirk] Potsdam, tritt des Öfteren unter den Arbeitern und Angestellten in der Industrie Unzufriedenheit auf wegen Nichtaushändigung der FDGB-Ferienschecks. So konnte auch die BGL im VEB Tiefbau Brandenburg, Baustelle Kühlhaus, die Ferienschecks nicht aushändigen, da sie vom Ortsvorstand des FDGB noch keine erhalten hat. Nach Rücksprache mit dem FDGB-Kreisvorstand sind auch dort noch keine Schecks vorhanden.

Auf dem Bahnhof Weißenfels, [Bezirk] Gera,7 diskutierten nach einer polizeilichen Untersuchung einer Betriebsstörung verschiedene Arbeiter und Angestellte negativ. So äußerte ein Weichenwärter: »Wenn man heute zum Dienst geht, weiß man nie, ob man wieder nach Hause kommt. Beim geringsten Anlass ist die Polizei da. Das hat es früher nicht gegeben.« Ein Fahrdienstleiter sagte: »Das Ganze ist zu überspannt. Die Leute haben alle gar kein Interesse mehr. Überall hört man nur von Politik, Sabotage und ähnlichem Quatsch.« Ein Geräteverwalter: »Du kannst hernehmen was Du willst, alles ist Mist. Die haben ja gar nichts. Nur Polizei. Mit der Planwirtschaft ist es auch so ein Ding. Die planen bloß immer, und raus kommt nichts dabei.«

Produktionsschwierigkeiten entstanden in einigen Betrieben meist wegen Materialmangel. Im VEB Ketten- und Nagelwerk Weißenfels mangelt es an Bandeisen. Außerdem hat sich die Qualität bei den wichtigsten Drähten für den Export verschlechtert, wodurch erhebliche Produktionsausfälle durch Reparaturen entstehen.8

Im VEB Zemag Zeitz,9 [Bezirk] Halle, besteht ein großer Mangel an Spiralbohrern verschiedener Größe. Alle Verhandlungen zur Beschaffung dieser Bohrer verliefen bisher ergebnislos.10

Der VEB Waschgerätewerk Schwarzenberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, hat für den Zusatzplan 1954 noch kein Material erhalten. Die Kollegen sind darüber verärgert.11

Die bereits mehrmals berichteten Materialschwierigkeiten im VEB Horch Zwickau12 bestehen weiterhin. Dadurch kann der Plan im 1. Halbjahr 1954 nicht erfüllt werden. Täglich verlassen nur ca. zwölf Fahrzeuge das Band.13

Im VEB Wartha, [Kreis] Döbeln, [Bezirk] Leipzig, besteht ein großer Mangel an Kugellagern.14 Dadurch lagern zzt. Halbfertigprodukte im Werte von 12 000 DM im Betrieb. Das zuständige Ministerium wurde hiervon benachrichtigt, jedoch ist keine Abänderung erfolgt.15

Im VEB Porzellanwerk Kloster Veilsdorf, [Bezirk] Suhl, besteht ein großer Kohlenmangel. Das Ministerium für Maschinenbau ist davon unterrichtet. Bisher erfolgte keine Änderung.16

Produktionsstörungen: Am 19.5.1954 ereignete sich im VEB Sodawerk Karl Marx in Bernburg, [Bezirk] Halle, in der Destillation eine Betriebsstörung, wodurch ein Produktionsausfall von 150 t Soda (21 000 [DM]) entstand.

Im Eisenhüttenwerk Thale, [Bezirk] Halle, trat am 20.5.1954 am Schmelzofen im Stahlwerk ein Dammdurchbruch ein. Es entstand ein Verlust von 15 t Stahl.

Im Elektrochemischen Kombinat Bitterfeld ereignete sich am 19.5.1954 im Chlorbetrieb eine Betriebsstörung. Produktionsausfall: 20 000 DM.

Im Kraftwerk Plessa, [Bezirk] Cottbus, fielen am 19.5.1954 zwei Turbinen wegen Fehlschaltung aus. Leistungsausfall: 252 500 kWh.

Handel und Versorgung

Eine unzureichende Versorgung der Bevölkerung mit HO-Fleischwaren besteht weiterhin im gesamten Bezirk Gera, in einigen Kreisen der Bezirke Erfurt, Halle, Cottbus, Karl-Marx-Stadt und Dresden. In Freital, [Bezirk] Dresden, wird in Diskussionen zum Ausdruck gebracht, dass es richtiger wäre, wenn Engpässe zugegeben und der Bevölkerung die Ursache aufgezeigt würde. Dann wäre mehr Verständnis dafür da und das Vertrauen zur Regierung würde nicht getrübt.

In der Konsum-Verkaufsstelle Altenhof, [Bezirk] Neubrandenburg, lagert seit vor Weihnachten 1953 Schokolade (Import), die wegen der zu hohen Preise nicht gekauft wird (ein Teil bereits verdorben). Im Kreis Jüterbog, [Bezirk] Neubrandenburg,17 bestehen ebenfalls Schwierigkeiten beim Verkauf von Schokoladenerzeugnissen. Eine Hausfrau äußerte dazu: »Wer soll die teure Schokolade kaufen, da lassen wir uns lieber für fünf Mark welche von Westberlin mitbringen.«

Im Bezirk Karl-Marx-Stadt mangelt es an Motorrädern und Ersatzteilen. Dieser Zustand wirkt sich nachteilig auf die Stimmung der dafür interessierten Bevölkerungskreise aus.

Landwirtschaft

Nach wie vor ist das Interesse für aktuelle politische Probleme gering. Größtenteils wird darüber nur in den Kreisen des sozialistischen Sektors diskutiert. Über die Genfer Konferenz wird in ganz geringem Maße gesprochen. Ganz vereinzelt wurden Stimmen über die Ächtung der Atom- und Wasserstoffbomben bekannt. Ein Traktorist der MTS Perleberg, [Bezirk] Schwerin: »Diejenigen, die sich mit der Atomwaffe beschäftigen, sind keine Menschen mit klarem Verstand mehr, das sind elende Kreaturen, die der Gewinnsucht verfallen sind. Die Atomstrategen Eisenhower,18 Dulles und Adenauer19 sollen an den Atombomben ersticken und zugrunde gehen, damit die friedliebende Menschheit in Ruhe aufbauen und arbeiten kann.«

Im Mittelpunkt des Interesses stehen wirtschaftliche und persönliche Belange. Zurzeit bewegt die Bauern am meisten die Frage der Düngemittel- und Futterbeschaffung. In Rübenau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, äußerten Bauern über die zzt. durchgeführten Bodenuntersuchungen: »Was nützt die Untersuchung und Mitteilung, welche Düngemittel der Boden braucht, wenn Düngemittel nur auf dem Papier stehen und wir keine bekommen.«

Aufgrund der Futterknappheit ist man in der LPG »Florian Geyer«, Kreis Lübben, [Bezirk] Cottbus, dazu übergegangen, angebaute Getreideflächen als Grünfutter abzumähen. In der Gemeinde Kurtleben,20 [Bezirk] Halle, klagen die Bauern über die ungenügende Zuteilung an Kalk- und Phosphordünger.

In Friedersdorf, Kreis Below, [Bezirk] Frankfurt, lehnt der Rat des Kreises den Weiterbau des Wohnhauses eines Neubauern ab, mit der Begründung, dass kein Bauholz vorhanden sei. Der Neubauer bewohnt mit seiner achtköpfigen Familie eine Küche und eine Stube.

Der Ortsvorsitzende der LDP in Knapendorf, [Bezirk] Halle (Altbauer und gleichzeitig Wirtschaftsleiter des Gemeindegutes), äußerte: »In der Landwirtschaft fehlt es an Fachkräften. Die eingesetzten Neubauern haben nicht viele Kenntnisse in der Landwirtschaft. Dies ist an ihren Ablieferungen und dem Zustand ihrer Wirtschaften zu erkennen. An der Republikflucht der Großbauern im vergangenen Jahr haben wir noch einige Zeit zu kauen.«

Im Bezirk Cottbus ist zu verzeichnen, dass Großbauern in letzter Zeit offener mit negativen Äußerungen hervortreten. Ein Großbauer aus Liebenwerda: »Die Vietnamesen werden den Krieg niemals gewinnen, denn der Ami wird eingreifen«.

Ein Großbauer aus Fichtenberg: »Wenn der Russe sich in Vietnam nicht eingemischt hätte, wäre der Krieg schon längst dort beendet. Aber das gleiche Recht, was sich die Russen herausnehmen, werden sich auch jetzt die Amis nehmen.« Des Weiteren äußerte er gegenüber einem anderen Bauern, falls er nicht wieder als Vorsitzender der Nationalen Front21 in Fichtenberg gewählt würde, sollte er seine Arbeit im Vorstand der Nationalen Front aufgeben, weiter sagte er: »Von hinten werden wir dann schießen und ihnen mal zeigen, was eine Harke ist.«

Ein Großbauer aus Schönbach, [Bezirk] Gera (war vor dem 17.6.1953 Mitglied einer LPG), äußerte gegenüber einem Mittelbauern: »Wenn Du noch einmal mit dem Vorsitzenden der LPG im Gasthaus zusammen bist, kannst du was erleben. Die übrigen Bauern im Ort werden dich nicht mehr beachten.«

In einer öffentlichen Gemeindevertretersitzung in Kehrberg, [Bezirk] Potsdam, wurden Diskussionen über die Oder-Neiße-Grenze geführt. Ein Landarbeiter äußerte: »Wir können keinen Friedensvertrag haben, solange wir nicht die Ostgebiete besitzen.« Ein anderer Landarbeiter sagte: »Wir fordern ein einheitliches Deutschland, mit dem Saargebiet, Oberschlesien, Ost- und Westpreußen sowie Pommern.«

Übrige Bevölkerung

Wie bereits berichtet wurde, hat in letzter Zeit bei den wenigen Stellungnahmen der Bevölkerung zum politischen Tagesgeschehen auch das Interesse an der Genfer Konferenz stark nachgelassen. Eine positive Haltung nehmen meist Hausfrauen und Angestellte ein. So erklärte ein Angestellter aus Ammendorf, [Stadt] Halle: »Warum ist denn Dulles nicht in Genf geblieben? Weil es ihm nicht gelang, den Krieg in Vietnam auszuweiten und weil es in Genf nicht nach dem Willen der Kriegstreiber geht, sondern sich hier immer stärker der Wille der Völker den Weg bahnt. Weil es sich erwiesen hat, dass die Einigkeit der westlichen Imperialisten nicht so fest ist, um geschlossen den Wünschen und Forderungen der USA nachzukommen.«

Interesselosigkeit und negative Äußerungen sind meist bei den selbstständigen Handwerkern und selbstständigen Intellektuellen zu verzeichnen. Ein Rechtsanwalt aus Karl-Marx-Stadt z. B. brachte Folgendes zum Ausdruck: »Die Genfer Konferenz geht uns nichts an. Das ist eine Angelegenheit Ostasiens.«

Ein Musiker aus Frankfurt/Oder sagte: »Die ganze Erklärung des englischen Premierministers ist eine Entstellung unserer Presse. Man hat es getan, um vielleicht mit dieser Äußerung, die Churchill22 nicht einmal ernst meinte, Propaganda zu machen.«23

Im Brennpunkt der Diskussionen über wirtschaftliche Fragen steht teilweise der Mangel an HO-Fleischwaren. Eine Hausfrau aus Liebenwerda, [Bezirk] Cottbus, machte hierzu folgende Äußerung: »Das ist wieder einmal eine prima Unordnung. Es gibt kein Fleisch, keine Bockwürste, auch kein Flaschenbier in der HO. Wenn die Bevölkerung darunter leiden soll, sollte man solche Sachen wie Jugendtreffen in Berlin24 gar nicht erst organisieren. Aber es ist ja immer so. Nach außen wollen sie glänzen und wir müssen darunter leiden.«

Zwei Angestellte aus dem VEB Waggonbau Görlitz vergleichen die Lage mit dem 17. Juni 1953 und äußerten sich dazu wie folgt: »Na, ja, es ist ja bald wieder der 17. Juni. Die wirtschaftliche Lage ist wie im vorigen Jahr. Damals wurde auch über Nacht Mehl, Fleisch usw. gesperrt. Es sieht also so aus, als wenn man von den Behörden wieder einen 17. Juni [1953] inspirieren wollte.«

Im Konsum Aschersleben, [Bezirk] Halle, behauptet eine Angestellte: »Dass es das letzte Mal ist, dass sie HO-Fleischwaren verkauft. Ab nächste Woche gibt es keins mehr. Es ist alles alle.«

Über den Einfluss der Kirche in einigen Gemeinden berichten die Bezirke Potsdam, Erfurt, Neubrandenburg und Schwerin. Im Kemnitz, [Bezirk] Potsdam, wirbt der Pfarrer mit Totoscheinen, die er bis zu 250 Stück an die Gemeindemitglieder verteilt, um sie dadurch als Kirchenanhänger zu gewinnen.

In Spornitz, [Bezirk] Schwerin, hat der Pfarrer die Werbung für den evangelischen Frauenbund25 und die Junge Gemeinde verstärkt. Frauen, die noch vor kurzer Zeit aktiv für den DFD gearbeitet haben, arbeiten jetzt für die Kirche.

Der Pastor aus Wolkwitz, [Bezirk] Neubrandenburg, äußerte sich anlässlich einer Sammlung zum Deutschlandtreffen: »Was, sie wollen sammeln? Unsere Regierung ist nicht für den Frieden, sie will den Krieg.«

In Guthmannshausen und Dornheim, [Bezirk] Erfurt, organisieren die Pfarrer26 die Paketsendungen aus Westdeutschland.27

Organisierte Feindtätigkeit

Hetzschriftenverbreitung

NTS:28 Gera und Schwerin einige, Erfurt 3 000, Neubrandenburg 250, Görlitz 75, Frankfurt 40, Rostock 35, Potsdam 140.

SPD:29 Erfurt und Potsdam je 20, Neubrandenburg 70, Görlitz 350, Rostock und Schwerin einige.

CDU: Görlitz 500, Potsdam 2 180.

KgU:30 Neubrandenburg 55, Frankfurt 35, Görlitz, Rostock und Potsdam einige.

In tschechischer Schrift: Neubrandenburg 180, Görlitz einige, Potsdam 115.

Weiße Tauben: Halle 500.

Unbekannter Herkunft: Potsdam einige Exemplare, Görlitz ein Karton mit nicht ausgelösten Zeitzündern.

Inhalt: Hetze gegen das II. Deutschlandtreffen, Aufforderung der Jugend, nach Westberlin zu kommen, Hetze gegen Molotow,31 Hetze gegen die Wahlen in der ČSR,32 Hetze gegen die Regierung in der DDR, Hetze gegen den IV. Parteitag,33 Aufforderung zum Langsamarbeiten.

Am 19.5.1954 wurde ein Viehbrigadier aus Frömmstedt, [Bezirk] Erfurt, wegen unerlaubten Waffenbesitzes von der Abteilung (K) inhaftiert.34 In der Vernehmung gab er zu, den Wachhund der LPG »Neues Deutschland« vorsätzlich vergiftet zu haben.

Ein Dreher aus dem VEB Rudisleben, [Bezirk] Erfurt, wurde fristlos entlassen, weil er betrunken zur Arbeit kam und die Kollegen zum Streik aufhetzte.

Am 20.5.1954 wurde an einem IFA-Pionier der MTS Mustin im Groß Upahl, [Bezirk] Schwerin, der Umschalthebel entwendet und sämtliche Leitungen am Magneten vertauscht. Dieselben Beschädigungen wurden vor einiger Zeit an einer Raupe durchgeführt.

Die Grenzpolizei beobachtete an der D-Linie Untertiefengrün-Hirschberg,35 [Bezirk] Gera, wie am 19. und 20.5.1954 der Gegner 200 Ballons in Richtung der DDR aufsteigen ließ. In einem Fall waren es zwei amerikanische Soldaten.

Vermutliche Feindtätigkeit

In Burg, [Bezirk] Cottbus, wurden Rinder gegen Maul- und Klauenseuche geimpft. Obwohl die Impfung schon vor längerer Zeit stattgefunden hat, ist der Milchverlust (bis 10 Liter) geblieben. Bei sachgemäßer Impfung ist nur ein kleiner Verlust für kurze Zeit zu verzeichnen, jedoch nicht bei allen Tieren, während hier sämtliche Kühe dieses Merkmal aufweisen.

Im VEB Eisengießerei Aue, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, Werk III, wurde durch Lösen eines Bolzens im Kolbenlager der Kompressor beschädigt und ein Schaden von 4 000 [DM] verursacht. Es besteht der Verdacht einer vorsätzlichen Handlung.

Der Bezirk Potsdam meldet am 20.5.1954 einen Waldbrand größeren Ausmaßes und zwei Waldbrände mit geringerem Schaden. Die Ursache wurde noch nicht festgestellt.

Westberlin

In Westberlin diskutieren SPD-Mitglieder über den Landesparteitag ihrer Partei und brachten unter anderem ihr Missfallen über die Wiederwahl Neumanns36 zum Ausdruck. Sie bezeichnen die Wahl Neumanns und Brandts37 als Vorsitzende als abgekartetes Spiel.

Des Weiteren herrscht unter den SPD-Mitgliedern über das Fernbleiben Ollenhauers38 am Parteitag eine Missstimmung. Sie hatten sich von seiner Teilnahme viel versprochen, denn er hatte angekündigt, sein in Bonn gehaltenes Referat in Berlin zu wiederholen.39

Anlage 1 (o. D.) zum Informationsdienst Nr. 2213

Landwirtschaft

Nachfolgend einige Beispiele über bestehende Mängel und Schwierigkeiten im sozialistischen Sektor in der Landwirtschaft.

Der MTS Berga, [Bezirk] Gera, wurden von den angeforderten Mähdreschern (29) nur sieben geliefert. Dadurch können die abgeschlossenen Verträge nicht eingehalten werden. Außerdem sollte die MTS eine Kartoffellegemaschine erhalten, die aber nicht geliefert wurde. Daraufhin wandten sie sich an die Bezirksverwaltung der MTS in Gera und bekamen den Bescheid, dass sie sich in Brühlo,40 [Kreis] Brandenburg, selbst eine holen sollten. Dieser Aufforderung kamen sie nach und mussten feststellen, dass dort reichlich Maschinen vorhanden waren. Die Kollegen der MTS sind empört, dass bei den Herstellungsfirmen die dringend benötigten Maschinen herumstehen und nicht an die MTS geliefert werden.

Die LPG Ziegendorf, [Bezirk] Schwerin, erhielt von der Deutschen Saatgut-Gesellschaft Parchim Kleesamen geliefert. Eine Probesaat ergab, dass nicht Klee, sondern Brennnesseln aufgingen.

Die LPG Friedrichshof, [Bezirk] Schwerin, liefert nicht alle Milch ab, sondern verkauft sie unberechtigterweise an Dorfbewohner.

Der Leiter der örtlichen landwirtschaftlichen Betriebe in Augzin,41 [Bezirk] Schwerin, ist unfähig, den Betrieb zu leiten, es herrscht eine schlechte Arbeitsorganisation vor. Der Rat des Kreises hat davon Kenntnis, hat jedoch noch nichts dagegen unternommen.

Die Schweinepest ist ausgebrochen. In den örtlichen landwirtschaftlichen Betrieb Haßleben, [Bezirk] Neubrandenburg (Gesamtbestand von 32 Schweinen notgeschlachtet) und in der LPG Gerswalde, [Bezirk] Neubrandenburg (Bestand: 45 Stück – sechs verendet).

Anlage 2 vom 21. Mai 1954 zum Informationsdienst Nr. 2213

II. Deutschlandtreffen der FDJ

Ein Teil der bekannt gewordenen Stimmen, die überwiegend von organisierten Jugendlichen, weniger aus der übrigen Bevölkerung stammen ist positiv. Dazu folgendes Beispiel. »Ich freue mich schon jetzt auf das große Jugendtreffen in Berlin. Wir werden dort wieder mit vielen Jugendlichen aus dem Westen unserer Heimat zusammenkommen und auch Jugendliche aus anderen Ländern werden dabei sein. In Berlin wird man die Stärke der Jugend sehen.«

Ein kleiner Teil spricht sich negativ über das Treffen aus. So sagte z. B. ein Arbeiter von der Baustelle Wünsdorf, Bau-Union Potsdam: »Ob das viele Geld mit dem Erfolg in Einklang zu bringen ist, ist fraglich. Dafür sollte man lieber die Preise senken und bessere Waren produzieren.«

Ablehnende Diskussionen zur Teilnahme beinhalten des Öfteren, dass der Betrag für die Teilnahme (15,00 DM) zu hoch sei. Ein Jugendlicher vom Landmaschinenwerk Barth, Kreis Ribnitz, [Bezirk] Rostock: »Ich bin der Meinung, wenn man die Fahrt auch noch bezahlen soll, dann fahre ich nicht, denn dafür noch Geld ausgeben, das kann ich mir nicht leisten.« Einige Jugendliche aus Hausdorf, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, haben deshalb ihre Teilnahme zurückgezogen.

Weiterhin werden Jugendliche vonseiten der Eltern, anderer Personen oder durch andere Veranstaltungen von der Teilnahme abgehalten. Hierzu einige Beispiele: Eine Jugendfreundin aus den vereinigten Kliniken D. Steinmüller Nordhausen, [Bezirk] Erfurt, wurde das Arbeitsverhältnis gekündigt, weil sie sich zur Teilnahme am II. Deutschlandtreffen eingezeichnet hat. Ein Kaufmann aus Döllstedt, [Bezirk] Erfurt, sagte zu seiner jugendlichen Hausangestellten: »Wenn du mit zum Deutschlandtreffen fahren willst, entlasse ich dich sofort.«

In den Gemeinden Frankendorf42 und Storbeck, [Bezirk] Potsdam, lehnen die FDJler die Teilnahme mit folgender Begründung ab: »Wir fahren zu Pfingsten nicht mit, wir haben ein Pokalspiel im Fußball zwischen unseren beiden Dorfmannschaften.«

Der Bürgermeister der Gemeinde Grubo, Kreis Belzig, [Bezirk] Potsdam, hat für Pfingsten eine Kulturveranstaltung organisiert und dazu die gesamte Gemeinde eingeladen. Nun möchte die Jugend an dieser Veranstaltung teilnehmen und verzichtet auf das Deutschlandtreffen.

In der Gemeinde Baek, [Bezirk] Schwerin, wird die Arbeit speziell in der Vorbereitung zum II. Deutschlandtreffen von der Reitergemeinschaft der GST erschwert.43 Wenn z. B. die FDJ-Versammlungen angesetzt werden, dann führt die Gemeinschaft ebenfalls ihre Zusammenkünfte durch.

Am 23.5.1954 findet in Heiligenstadt ein Kreisjugendtreffen statt. Zur gleichen Zeit soll nach Angaben kirchlicher Kreise ein Katholisches Jugendtreffen in Erfurt durchgeführt werden. Es besteht also die Gefahr, dass zu viele Jugendliche vor allem aus den ländlichen Gemeinden an diesem katholischen Jugendtreffen teilnehmen, wodurch der Verlauf des Kreisjugendtreffens gehemmt wird.

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    22. Mai 1954
    Analyse vom 1. Mai 1954 bis 15. Mai 1954 [Nr. 9/54]

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    20. Mai 1954
    Informationsdienst Nr. 2212 zur Beurteilung der Situation