Zur Beurteilung der Situation
14. Mai 1954
Informationsdienst Nr. 2207 zur Beurteilung der Situation
Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft
Industrie und Verkehr
Über politische Fragen wird im Allgemeinen wenig diskutiert. Von den Werktätigen wird über die Genfer Konferenz wenig gesprochen.1 Größtenteils wird zum Ausdruck gebracht, dass durch die Abreise Dulles’2 von der Konferenz bessere Möglichkeiten zur Entspannung der internationalen Lage gegeben sind.3 Vereinzelt hofft man auf eine Lösung des Deutschlandproblems. Die bekannt gewordenen Stimmen sind meist von Arbeitern und sind überwiegend positiv. Ein FDJler aus der Zuckerfabrik Barth, [Bezirk] Rost[ock]: »Die Genfer Konferenz zeigt, dass man auch ohne Dulles verhandeln kann. Die, die jetzt verhandeln, sind an der Erhaltung des Friedens interessiert und wollen die Entspannung der internationalen Lage.«
Ein Kollege vom VEB Baubetrieb Annaberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Was für Korea und Vietnam möglich ist, dass müsste auch für Deutschland möglich sein, nämlich, dass sich Ost und West an einen Tisch setzen und die Wiederherstellung der Einheit unseres Vaterlandes dadurch vorantreiben.«
Teilweise zweifelt man an einem erfolgreichen Ausgang der Genfer Konferenz. Ein BGL-Vorsitzender (SED) aus Rostock: »Dulles ist von der Konferenz abgeflogen, weil er nicht mit China verhandeln will. Er fürchtet sich vor dem Frieden, denn er bringt für einige Herren nicht genug Profit. Ob man jedoch in Genf etwas zustande bringt, das ist eine andere Frage.«
Missstimmung wird aus einigen Betrieben bekannt. Die Kollegen an der Heißeisenschere im Stahlwerk Brandenburg, [Bezirk] Potsdam, sind unzufrieden, da ihre Normen erhöht werden sollen. Mehrere Wochen wurde hier die Norm bis zu 180 Prozent übererfüllt. Die Arbeiter sind gegen Normenerhöhung, da sie dann einen geringeren Verdienst haben und »verhungern und verrecken müssen«. Solche negativen Diskussionen wurden besonders von einem Arbeiter geführt, der 480 DM verdient. Es wurde erreicht, trotzdem eine Normenerhöhung um 10 Prozent durchzuführen, die ebenfalls noch stark übererfüllt wird.
Im VEB Bau-Union Berlin werden von einer Reihe Brigaden der Wettbewerb um den besten Facharbeiter und um den besten Maurer und Putzer abgelehnt, da man sich »nicht gegenseitig ausspielen will«. Des Öfteren kommt kein Wettbewerb zustande, da es an Zeichnungen mangelt bzw. Unklarheiten über die Fortführung der Bauvorhaben bestehen. Beanstandet wird, dass die Ergebnisse der durchgeführten Wettbewerbe viel zu spät bekannt gegeben werden.
In der Halle 6 des VEB Heinrich Rau in Wildau,4 [Bezirk] Potsdam, wurden technisch begründete Arbeitsnormen eingeführt,5 wodurch der Verdienst der Kollegen, der vorher DM 3,50 bis 3,80 (pro Stunde) betrug, jetzt bei ca. DM 3,00 liegt. Hierüber herrscht große Missstimmung. Eine Betriebsversammlung, die deshalb einberufen wurde, ergab, dass die meisten Kollegen die TAN ablehnen und die Wiedereinführung der alten Lohnberechnung fordern. Man stellte die neuen Normen als Lohnabbau hin. Die BGL unterstütze die Kollegen darin.
Immer wieder werden negative Stimmen über zu niedrige Entlohnung bei der Reichsbahn bekannt. So sagte ein Bahnhofsvorsteher von Brotterode, [Bezirk] Suhl: »Bei der Reichsbahn besteht eine große Fluktuation und fast sämtliche Bahnhöfe haben unbesetzte Planstellen, da zu niedriger Lohn gezahlt wird. Ein Rangierer erhält z. B. nur 260 DM im Monat. Ich verstehe nicht, dass hier nichts geändert wird.«
Im VEB Lengefelder Lederwarenfabrik, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, können seit Beginn des Jahres 1954 die Arbeiter nicht voll beschäftigt werden, sondern müssen wöchentlich zwei bis drei Tage zu Hause bleiben, da eine schlechte Arbeitsorganisation besteht und die Materiallieferungen sehr unregelmäßig erfolgen. Außerdem sind die Normen bei den jetzigen Zuständen so hoch, dass sie oft nur bis zu 40 oder 60 Prozent erfüllt werden. Die Arbeiter sind hierüber sehr unzufrieden.
Im Sachsenwerk Radeberg,6 [Kreis] Dresden, musste wegen Mangel an verschiedenen wichtigen Produktionsteilen (Fach-Kondensatoren u. a.) das Montageband stillgelegt werden. Nur ein Teil der Arbeiterinnen konnte mit Nebenarbeiten beschäftigt werden. In einer Belegschaftsversammlung mit ca. 150 Arbeiterinnen wurde die Weiterzahlung des Grundlohnes + 5 Prozent gefordert.
Weiterhin wurden Beispiele gemeldet, wonach in einigen Betrieben Missstimmung wegen Prämienzahlungen zum 1. Mai [1954] besteht. Darüber wird im Anhang berichtet.
Produktionsschwierigkeiten bestehen bei verschiedenen Betrieben, wegen Materialmangel. Im VEB Leitungswerk Plauen, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, besteht ein großer Mangel an Schlämmkreide. Die Gummiaderfertigung muss, wenn keine Änderung eintritt, am 18.5.1954 deshalb stillgelegt werden. Der Lieferbetrieb, Vereinigte Gerätewerke Saßnitz,7 kommt seinen Verpflichtungen nicht nach.
Im VEB Schuhfabrik »Banner des Friedens« in Weißenfels, [Bezirk] Halle, fehlen Pappkartons. Da Pappe frei erhältlich ist, war es nicht möglich, den gesamten Bedarf vertraglich zu binden.
Im VEB Leipziger Kugellagerfabrik besteht schon längere Zeit ein Engpass an Kugeln und anderem Material, da die Lieferbetriebe VEB »Fraureuth«8 und VEB Bad Liebenstein9 seit Beginn des Jahres die Lieferverpflichtungen nicht einhalten.
Im VEB Walzkörper Bad Liebenstein, [Bezirk] Suhl, besteht ein Mangel an Importmaterial, besonders an Materialien für kleinere Anmessungen zur Herstellung von Kugeln.
Missstände: Im VEB Fichtel und Sachs in Reichenbach,10 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, wurde ein Materiallager festgestellt, in welchem Materialien untergebracht waren, die von der Gütekontrolle als verworfen galten. Dadurch sollte die Höhe der Ausschussquote verschleiert werden. Folgende Materialien wurden festgestellt: 80 000 Fahrradnaben, an denen bereits verschiedene Arbeitsprozesse vorgenommen wurden; 50 000 Vorderachsen, die bereits alle Arbeitsgänge durchgemacht haben (Bereits beim Gewindeschneiden wurden von der Gütekontrolle Materialrisse festgestellt, jedoch wurde die Produktion nicht gestoppt.); 7 889 einfache Zahnkränze, die ein falsches Maß hatten.
Handel und Versorgung
Immer wieder wird aus den Bezirken über eine unzureichende Versorgung der Bevölkerung mit HO-Fleischwaren berichtet. Darüber werden des Öfteren Diskussionen geführt. Zum Beispiel sagte ein Arbeiter aus Sörnewitz, [Bezirk] Dresden: »Durch den neuen Kurs wurden uns 87 Wurstsorten versprochen und jetzt haben sie gar nichts mehr. Diesen ganzen Schwindel glaube ich nicht mehr.«11
Verschiedentlich wird über eine ungenügende Warenbereitstellung geklagt. So fehlt es z. B. in einigen Kreisen des Bezirkes Suhl an Bettwäsche, Industriewaren und in dem Kurort Frauenwald mangelt es an Weizenmehl Type 405, Tee, Hülsenfrüchten, Käse, Fischwaren sowie an Apfelsinen und Zitronen. Darüber herrscht Verärgerung und es wird die Meinung vertreten, dass es in den Kurorten an solchen Waren nicht fehlen dürfe.
Bei der Versorgung der Werkküchen der Betriebe Aschersleben, [Bezirk] Halle, wird über eine ständige Zuteilung an Büchsenfleisch geklagt. Des Weiteren mangelt es an genügend Kartoffeln und es kommt deshalb des Öfteren zu Gerichten aus Teigwaren, was Unzufriedenheit auslöst.
Landwirtschaft
Unter der Landbevölkerung wird nach wie vor wenig über politische Tagesfragen diskutiert. Zur Genfer Konferenz wurden nur noch ganz vereinzelt Stimmen bekannt. Ein Arbeiter der MTS Weißkollm, [Bezirk] Cottbus: »Durch die Abreise Dulles’ ist eine Uneinigkeit unter den Westmächten entstanden. Dadurch werden die friedlichen Kräfte imstande sein, ihre Forderungen durchzusetzen.«
Nachfolgende Stimmen sind typisch für die Einstellung vieler Groß- und Mittelbauern. Ein Großbauer aus Rothenberga, [Bezirk] Erfurt: »Trotzdem Russland und China in Genf eng zusammenhalten, wird diese Konferenz doch im Sande verlaufen. Mich interessiert das alles nicht und ich kümmere mich um Politik überhaupt nicht mehr.« Ein Mittelbauer aus Gräfenwarth, [Bezirk] Gera: »Die sollen nur bald aufhören, mit ihren Konferenzen, denn etwas Gescheites kommt sowieso nicht dabei heraus. Außerdem interessiert mich jetzt die Frühjahrsbestellung. Wenn wir so viel Zeit hätten wie die, die weiter nichts zu tun haben, als Konferenzen einzuberufen, dann hätten wir schon lange nichts mehr zu essen.«
Im Mittelpunkt des Interesses stehen wirtschaftliche und persönliche Belange, deshalb wird mehr über diese Fragen gesprochen. Anlässlich einer Anbauplankontrolle in Schönbrunn, [Bezirk] Gera, äußerte eine Großbäuerin: »Ihr seid alle zu faul zum Arbeiten und kommt nur zum Kontrollieren, kommt lieber heraus und helft uns arbeiten.«
In einzelnen Kreisen des Bezirkes Dresden sind Bauern verärgert, weil jetzt schon das Abgabesoll für Äpfel festgelegt wurde. Dazu äußerte ein Bauer aus Halbau, Kreis Löbau: »Wenn dann die Apfelernte nicht gut ausfällt, müssen wir das Soll mit anderen Produkten abdecken und wissen nicht, wie wir es erfüllen sollen.«
Die Bauern im Kreis Dresden lehnen den Anbauplan von Heil- und Gewürzpflanzen ab, da die seit Jahren versprochene Preisverordnung noch immer nicht vorliegt. Darüber wurde in einer Bauernversammlung im 9. Stadtbezirk Dresden wie folgt diskutiert: »Früher haben die Drogenfirmen die Verträge selbst mit uns abgeschlossen und haben dann zur Erntezeit die Arbeitskräfte selbst gestellt, sodass wir lediglich nur unser Feld für den Anbau zur Verfügung gestellt haben. Heute jedoch ist keine Spur von Unterstützung vorhanden und es liegen nicht einmal die Preise fest.«
Aus dem Bezirk Potsdam wird berichtet, dass Bürgermeister in den Landgemeinden über bürokratische Arbeit der übergeordneten Stellen klagen. Zum Beispiel sagte ein Bürgermeister aus dem Kreis Pritzwalk, dass er im Monat April vom Rat des Kreises 120 Rundschreiben erhalten hat. Er ist der Meinung, dass man dadurch keine fruchtbringende Arbeit leisten kann, wenn man so einen Wulst von Papieren bewältigen muss.
Negative bzw. feindliche Stimmen wurden nur ganz vereinzelt bekannt. Ein Bauer aus Hornshagen, [Bezirk] Neubrandenburg: »Ich war nach dem Zweiten Weltkrieg in Russland. Ich kenne die Verhältnisse dort genau. Was ich gesehen habe, war kein Aufbau, sondern Abbau. Wenn es bei uns so weitergeht, gehen wir auch bald mit Säcken um die Füße gewickelt.« Ein Bauer aus Rothenberga, [Bezirk] Erfurt: »Wenn bei uns das System so durchgeführt wird, wie es Stalin wollte, da gehen wir alle unter und müssen verhungern. Ich war während der Kriegszeit in Russland und habe gesehen, dass die Russen schlechter leben, als wir hier in der DDR.«
Übrige Bevölkerung
In der übrigen Bevölkerung haben sich die Stellungnahmen nicht wesentlich verändert. Nach wie vor wird nur wenig über politische Tagesfragen diskutiert. Im Mittelpunkt des Interesses steht weiterhin die Genfer Konferenz, die in der Mehrzahl positiv beurteilt wird wie nachstehendes Beispiel zeigt: Ein selbstständiger Handwerker aus Quedlinburg, [Bezirk] Halle: »Die Aussicht besteht, dass der schmutzige Krieg in Indochina auf dem Verhandlungswege schnellstens beendet werden kann und [da] sich sogar Churchill12 dafür einsetzt, werden die USA sich nicht durchsetzen können, da Dulles eine Niederlage nach der anderen erleidet.«
Teilweise ist die Bevölkerung von einem guten Ausgang der Konferenz nicht überzeugt und äußert sich dazu negativ. Ein Rentner aus Schwedt, [Bezirk] Frankfurt/Oder: »Leider sieht es in der Welt nicht nach Frieden aus, denn Konferenzen haben bisher noch keine Erleichterungen gebracht. Ich nehme an, dass auch nach der Konferenz alles beim Alten bleibt. Was die Russen erobert haben, wollen sie auch behalten.«
Die bereits berichtete Unzufriedenheit über die Verknappung der HO-Fleischwaren ist weiterhin der Diskussionsstoff eines beträchtlichen Teiles der Bevölkerung, wie anhand folgender Beispiele aufgezeigt wird. Ein Einwohner aus Niederlehme, [Bezirk] Potsdam: »Es gibt bei uns kaum Fleisch und Wurst. Man muss schon mit trocken Brot zur Arbeit gehen. Das ist bloß wegen dem Deutschlandtreffen, weil sie dafür schon jetzt alles speichern.«13
Ein Angestellter der HO Lebensmittel in Zittau, [Bezirk] Dresden, äußerte sich wie folgt: »Ich kann nicht verstehen, dass so wenig Fleisch zugeteilt wird, obwohl sämtliche Kühlhäuser voll sind. Ich kann es mir nur so erklären, dass bald eine Preissenkung kommt.«
Im Konsum Köthen, [Bezirk] Halle, beträgt die Verbrauchsnorm der HO-Fleischwaren im Monat Mai die Hälfte des durchschnittlichen Monatsverbrauchs.
In Berlin wird von einem Teil der Bevölkerung das unzureichende Angebot an Frischfleisch bemängelt und in Verbindung mit dem Deutschlandtreffen gebracht.
Organisierte Feindtätigkeit
Hetzschriftenverteilung
NTS:14 Potsdam 1 310, Halle 100, Karl-Marx-Stadt 25, Dresden einige Exemplare, Gera 4 500, Neubrandenburg 80, Berlin 10 000 Stück.
NGO:15 Potsdam einige Exemplare, Halle einige Exemplare.
SPD-Ostbüro:16 Potsdam 120, Karl-Marx-Stadt 80, Cottbus 6 500, Dresden 3 500 Stück.
»Aktionseinheit der FDJ«: Potsdam einige Exemplare, Dresden einige Exemplare.
CDU-Ostbüro: Potsdam einige Exemplare, Halle 80, Dresden 50 Stück.
UFJ:17 Halle einige Exemplare.
KgU:18 Halle 75 Stück.
Colloquium:19 Halle einige Exemplare.
Mit Flaschenpost: Bibelsprüche in sechs Sprachen. [Name, Vorname], Rostock einige Exemplare.
In tschechischer Schrift: Karl-Marx-Stadt 80 Stück.
Unbekannter Herkunft: Karl-Marx-Stadt 40, Berlin 8 000.
SU: Cottbus einige Exemplare.
In Form »einer DM«: Dresden einige Exemplare.
Inhalt: Hetze gegen den IV. Parteitag,20 Propaganda für den 17. Juni, Hetze gegen FDJ, Propaganda für EVG.21
Antidemokratische Handlungen
Dresden: Auf der Strecke der Friedensfahrer 28 Nägel verstreut.22
Zittau, [Bezirk] Dresden: Durch aufgefundenen Phosphor erlitt ein Kind schwere Verbrennungen.
In der MTS Ebersdorf, [Bezirk] Gera, wurde wiederholt auf die Fensterscheiben der MTS ein Totenkopf gemalt.
In Gaußig, [Bezirk] Dresden, wird das Gerücht verbreitet, keine Heringe zu kaufen, da diese durch die Wasserstoffbombenversuche der Amerikaner vergiftet seien.23
In der LPG Herwigsdorf, [Bezirk] Dresden, wurde das Vieh trotz Verbot mit verfaulten Rübenschnitzeln gefüttert.
Vermutliche Brandstiftung
In Grünewalde, [Bezirk] Cottbus, ein Waldesgroßbrand am 12.4.1954. Ursache und Schaden noch nicht bekannt.
Am 11.5.1954, 21.00 Uhr, warfen unbekannte Täter in Eichwalde, Kreis Königs Wusterhausen, einen faustgroßen Stein in das Zimmer eines SED-Genossen, während einer dort stattfindenden Sitzung.
Der UFJ verbreitet eine Hetzschrift mit dem Titel: »Der Plan-Verstoß«.24 Darin wird die technische Intelligenz besonders in der volkseigenen Wirtschaft zur Sabotage aufgefordert. Sie soll sich dazu in der sogenannten Selbsthilfe organisieren und deren Sabotageanweisungen durchführen.25 Unter anderem wird Folgendes verlangt: Fernhalten von politischen Veranstaltungen und Publikationen. Nichtbeteiligung an Selbstverpflichtungen, Verbesserungsvorschlägen, Erfindungen, Entwicklungs- und Projektierungsarbeiten, Wettbewerben und Normenerhöhungen. Zurückhaltung bei »nicht lizenziertem« Nachbau und Rekonstruktionen. Keine Teilnahme an Herstellung von Ausrüstungen für die rote Armee und die Volkspolizei.
Einschätzung der Situation
Über die Genfer Konferenz wird nicht mehr so stark, aber überwiegend positiv gesprochen. Die Churchill-Rede ist jetzt mehr bekannt geworden und wird allgemein begrüßt.26
Im Zusammenhang mit der Friedensfahrt wird immer noch viel über die Materialmängel diskutiert.27
Über die ungenügende Fleischversorgung macht sich weiterhin Unzufriedenheit bemerkbar.
Anlage 1 vom 14. Mai 1954 zum Informationsdienst Nr. 2207
Missstimmung aus Betrieben wegen Prämienzahlung zum 1. Mai 1954
Aus einigen Betrieben wurde bekannt, dass unter den Arbeitern immer noch Missstimmung wegen der Prämienzahlung zum 1. Mai [1954] besteht. Im VEB Kabelwerk Berlin-Köpenick ist seit dem 1. Mai [1954] ein Teil der Kollegen verärgert, weil ihre Vorschläge zur Auszeichnung von Bestarbeitern nicht berücksichtigt wurden. Der Arbeitsdirektor, der die endgültige Entscheidung über Prämien trifft, war der Ansicht, dass erst die Kollegen entschädigt werden müssten, die im Winter im Freien gearbeitet haben. Die Kollegen sind der Meinung, dass diese Arbeiter schon längst Prämien haben könnten, und dass nicht jetzt die Arbeiter, die gute Leistungen vollbracht haben, dafür zurückstehen müssen.
Beim VEB Bau Berlin-Mitte sind die Kollegen der Meinung, dass die Prämien nicht gerecht verteilt worden sind. Einige Kollegen sagen: »Es erhalten immer die gleichen die Prämien. Es ist nicht anders als früher, die Bonzen spicken sich gegenseitig, das Pferd, das den Hafer verdient, bekommt ihn nicht.« Es wurde der Vorschlag gemacht, die hohen Prämien zu teilen, sodass mehr Kollegen eine Prämie erhalten und wenn es nur DM 10,00 oder DM 20,00 sind.
Von den Kollegen der Baustelle Stalinallee 108–114 beteiligten sich nur wenige an der Maidemonstration, da sie über die Prämienverteilung verärgert sind. Einige Bauarbeiter sagten: »Alle, die die Prämie eingesteckt haben, sind dieselben, die sie im vorigen Jahr auch bekommen haben. Es wird hier auch immer so bleiben, wenn die Zusammensetzung der Bauleitung nicht geändert wird. Der größte Teil kommt vom VEB Wohnungsbau und die halten zusammen und geben sich selber Prämien.«
Im VEB Deutsche Werkstätten Hellerau,28 [Stadt] Dresden, diskutierten einige Arbeiter, dass nur Genossen zum 1. Mai [1954] mit Prämien ausgezeichnet wurden. Ein Arbeiter bekäme nur DM 10,00. Es sei dann kein Wunder, wenn ein zweiter 17. Juni [1953] in Erscheinung tritt.
Anlage 2 vom 14. Mai 1954 zum Informationsdienst Nr. 2207
Landwirtschaft
Nachfolgend einige Beispiele über bestehende Mängel in der Landwirtschaft.
Durch die mangelhafte Zuteilung von Futtermittel durch die VEAB an die einzelner VEG im Bezirk Dresden entstanden große Verluste in der Schweinemast. Zum Beispiel konnte das VEG Langenwolmsdorf 1½ Monate lang den Schweinebestand (1 600 Stück) nur mit Kleie und Wasser füttern. Dadurch verendeten 33 Schweine. (Für das II. Quartal sind Futtermittelscheine vorhanden, die aber von der VEAB Pirna nicht beliefert werden können, da nichts vorrätig ist.)
Verschiedentlich beklagen sich Einzelbauern darüber, dass die LPG besser mit Düngemitteln versorgt werden. Zum Beispiel sagte ein Bauer aus Großbardau, [Bezirk] Leipzig: »Ich bin nicht damit einverstanden, dass in der Düngemittelversorgung gerade die LPG immer bevorzugt werden, denn gerade wir in unserer Gegend brauchen für den Boden viel Dünger, damit wir die Erträge steigern können.«
An Saatkartoffeln mangelt es im Kreis Borna, [Bezirk] Leipzig. Es fehlen nach ungefährer Schätzung noch ca. 540 Tonnen In der BHG Wurzen, [Bezirk] Leipzig, lagern zzt. 600 Zentner Saatkartoffeln, die nur freigegeben werden, wenn eine Gegenlieferung an Speisekartoffeln erfolgt. Da aber die Bauern über keine verfügen und dafür andere Produkte eintauschen wollen, wurde der Rat des Kreises um Freigabe gebeten, was aber nicht erfolgte.
In der Gemeinde Ragow, [Bezirk] Potsdam, mangelt es ebenfalls an Saatkartoffeln. Vom Rat des Kreises wurde Saatgut versprochen, aber bis heute wurde keins geliefert. Deshalb sahen sich die Bauern gezwungen, Futterkartoffeln für die Aussaat zu verwenden.
Die LPG »Karl Goldmann« in Gröbzig, [Bezirk] Halle, benötigt dringend Arbeitskräfte. Um diesen Arbeitskräftemangel noch zu erhöhen, versuchen die Groß- und Mittelbauern, die ebenfalls Arbeitskräfte benötigen, durch Zahlung des Tarifes der LPG und zusätzlicher Naturalien die Arbeitskräfte von der LPG abzuziehen oder Neueinstellungen zu verhindern.
Anlage 3 vom 13. Mai 1954 zum Informationsdienst Nr. 2207
VII. Internationale Radfernfahrt für den Frieden
Karl-Marx-Stadt: Auf dem Stalinplatz und an den Durchfahrtsstraßen von Karl-Marx-Stadt befanden sich Tausende von Zuschauern, die die Friedensfahrer begeistert begrüßten. Am offiziellen Start in Karl-Marx-Stadt hatten sich ebenfalls zahlreiche Zuschauer eingefunden. In den Kreisgebieten von Flöha und Freiberg, wo die Fahrer durchkamen, waren ebenfalls schon lange Zeit vor Ankunft der Sportler die Straßen dicht umlagert.
Dresden: Von der Bevölkerung des Bezirkes Dresden, die in großer Anzahl anwesend war, wurde den Fahrern ebenfalls zugejubelt. Oft wurde begrüßt, dass die Fahrer der DDR jetzt in einer besseren Position sind.
Besondere Vorkommnisse: Am 11.5.1954 wurden in Dresden A 47 auf der Fahrtstrecke Glasscherben über die ganze Straßenbreite verstreut gefunden. Am 12.5.1954 wurden auf der gleichen Straße bis zur Stadtgrenze Heidenau vereinzelt Glasscherben festgestellt. Die Strecken wurden sofort geräumt.
Stimmen zur Friedensfahrt: Ein Einwohner aus Flöha, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Wenn unsere Fahrer in der heutigen Etappe kein Pech haben, können sie eventuell etwas machen. Ihr Rückstand ist ja nur auf das schlechte Material zurückzuführen.«
Eine Hausfrau aus Freiberg: »Wie können sie unseren Fahrern auch solch schlechtes Material geben. Mir kommt das so vor, als wolle man hier Sabotage treiben. Das Material in der DDR ist noch viel zu schlecht, um solche Belastungsproben auszuhalten.«
Einige Produktionsarbeiter aus dem VEB Kalksandsteinwerk Niederlehme, [Bezirk] Potsdam: »Was ist in diesem Jahr bloß los? Laufend haben unsere Reifenschäden. Das ist ihre eigene Schuld, warum kaufen sie auch Reifen aus der ČSR. Im vergangenen Jahr hatten sie Reifen aus Westdeutschland, da hatten sie weniger Schäden.«
Anlage 4 vom 14. Mai 1954 zum Informationsdienst Nr. 2207
Stimmen zur Churchill-Rede
Auch am heutigen Tage wurden nur vereinzelt positive Stimmen zur Erklärung Churchills über die britisch-sowjetischen Beziehungen bekannt. Die Äußerungen stammen meist von Genossen unserer Partei sowie von anderen fortschrittlichen Menschen, die Kenntnis von den beiden Artikel über die TASS-Erklärung im »Neuen Deutschland«29 und der »Täglichen Rundschau« haben. Überwiegend wird zum Ausdruck gebracht, dass Churchill als Feind der SU bekannt ist, und dass sich trotz seiner Erklärung nichts an seiner eigentlichen Einstellung geändert hat. Seine Haltung wird bestimmt durch den Druck des englischen Volkes und durch die Veränderungen des Kräfteverhältnisses im internationalen Maßstab zugunsten des Weltfriedenslagers.30
Ein Angestellter (SED) von der Konsum-Genossenschaft Weißenfels, [Bezirk] Halle: »Die Rede Churchills ist für das Weltfriedenslager von großer Bedeutung sowie ein mächtiger Erfolg. Ich bin der Meinung, dass der Druck vonseiten der Werktätigen Englands erfolgte. Churchill wurde gewissermaßen dazu gezwungen, mit der SU in friedliche Verhandlungen zu treten.«
Ein Taxi-Fahrer aus Suhl: »Churchill hat schon immer eine falsche Politik betrieben und man kann ihm auch diesmal nicht ganz trauen. Die breite Masse Englands ist für eine Verständigung Englands mit der SU und er muss deshalb eine große Wendung machen, um dem Volk gerecht zu werden.«
Ein Angestellter vom Rat des Bezirkes Frankfurt/Oder: »Churchill ist ein schlauer Fuchs in der Politik. Wenn es nach ihm ging, würde er keine Annäherung an die SU oder Volks-China suchen. Sein Volk zwingt ihn aber dazu, weil sie den verhängnisvollen Weg der USA ablehnen.«
Ein Einwohner aus Erfurt: »Ja, Churchill ist ein alter Fuchs. Ich traue ihm nicht. Wenn er sich für freundschaftliche Beziehungen mit der SU ausspricht, so glaube ich, hat ihn das englische Volk dazu gezwungen.«
Ein Rentner aus Magdeburg: »Churchill muss sich nur dem Druck der Massen beugen. Dieses geht klar durch die Abreise Dulles’ aus Genf hervor. Die Masse hat erkannt, dass die Regierung Amerikas keinen Frieden will.«
Verschiedentlich wird die Meinung vertreten, dass die Erklärung des englischen Ministerpräsidenten zeigt, dass sich England durch die aufgezwungene Politik der USA in einer schlechten wirtschaftlichen Lage befindet, die es erforderlich macht, dass sich England nach dem Osten orientiert, um die bestehenden Handelsverträge zu erweitern. Dadurch wird die Spaltung innerhalb des imperialistischen Lagers vertieft. Die Arbeiter vom VEB »Aktivist« Berlin:31 »England ist ganz einfach gezwungen, mit der SU Handelsbeziehungen zu unterhalten und daraus resultiert die Erklärung Churchills. Er hat hier im Interesse der Kapitalisten Englands gesprochen.«
Ein Arbeiter aus dem Sprengstoffwerk Gnaschwitz, [Bezirk] Dresden: »Die Engländer sehen jetzt, dass sie von dem amerikanischen Imperialismus nichts Gutes zu erwarten haben. Sie sehen ihre Felle davonschwimmen. Deshalb versuchen sie, sich an die SU anzulehnen, denn sie erwarten dadurch im Außenhandel größere Geschäfte.«
Ein Arbeiter aus dem VEB […]32 Frankfurt: »Churchill, der sonst immer die SU hasste, hat sie jetzt als große Friedensmacht hingestellt. Der Ami steht bald ganz allein da. Das französische Volk fordert Schluss mit dem Krieg in Vietnam und das englische Volk will wirtschaftlich besser leben. Diese Spaltung wird noch weitergehen.«
Der Kaderleiter (SED) im VEB Textilveredlungswerk Greiz, [Bezirk] Gera: »Man weiß nicht, wie man bei Churchill dran ist. Scheinbar muss die englische Regierung verstärkt Anschluss an die SU suchen, da die Widersprüche im imperialistischen Lager immer größer werden.«
Ein Schlosser aus einem Privatbetrieb in Großenhain, [Bezirk] Dresden: »Ob Churchill seine Ausführungen zur Tat werden lässt, bleibt abzuwarten. Allerdings ist der Engländer ein Geschäftsmann und braucht die Ostgebiete zum Absatz seiner Waren. Dadurch würde die englische Wirtschaft einen Aufschwung nehmen. Mit Amerika kann England nichts werden, da die ihre Partner mit Waren überschwemmen.«
Einige vertreten die Ansicht, dass Churchill wahrscheinlich erkannt hat, dass er seine Position nur halten kann, wenn er eine Politik betreibt, die im Interesse des englischen Volkes liegt. Ein Arbeiter vom VEB Glasfabrik Kostehnau,33 [Bezirk] Cottbus: »Ich bin der Meinung, dass Churchill in seiner Rede nicht die Wahrheit gesagt hat, sondern diese Erklärung nur abgab, um die englische Arbeiterschaft zu beruhigen. In dieser kurzen Zeit hat der Kriegstreiber Churchill seine Einstellung zur SU nicht geändert.«
Eine Jugendliche aus Jüterbog, [Bezirk] Potsdam: »Die Rede Churchills hat einen richtigen Keil in die USA-Politik getrieben. Durch die Politik der USA sieht Churchill seine Felle wegschwimmen und versucht seine verkrachte Politik ins gute Licht zu stellen, damit die Arbeiterklasse in England keinen revolutionären Aufschwung nimmt.«
Eine Angestellte des Kunstseidenwerkes Premnitz, [Bezirk] Potsdam: »In der Stellungnahme Churchills zeigt sich, dass er erkannt hat, dass er im Moment seine Position nur aufrechterhalten kann, wenn er die Interessen des Volkes vertritt. Er ist ein alter Diplomat und zieht den Nutzen aus der jeweiligen Situation. Wir kennen diesen politischen Doppelzüngler aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges. Ich begrüße aber trotzdem seine Haltung, weil sie uns dient.«
Anlage 5 vom 13. Mai 1954 zum Informationsdienst Nr. 2207
Über die Vorbereitungen zum II. Deutschlandtreffen der FDJ
Uns wurden folgende Stimmen zum Deutschlandtreffen der FDJ bekannt. Im Kreis Hildburghausen wurden einige Jugendliche von der Liste gestrichen, da das Soll erfüllt war. Dazu äußerte sich ein Jugendlicher aus Seidingstadt, [Bezirk] Suhl: »Wenn ich nicht mitfahren darf, so könnt ihr mein FDJ-Mitgliedsbuch gleich mitnehmen.«
Bei den Werbungen der Teilnehmer im Bezirk Cottbus taucht immer wieder das Argument der Geldknappheit auf. Eine Jugendfreundin aus der LPG Sonnewalde, [Kreis] Finsterwalde, [Bezirk] Cottbus: »Wir möchten gerne mitfahren, aber wir haben kein Geld.«
Ein Jugendlicher, beschäftigt bei der Bau-Union an der Autobahn Güldendorf, [Bezirk] Frankfurt: »Ich will meine Ruhe haben. Lasst die 150-prozentigen für mich fahren. Die können nachher bestimmt ganz schön erzählen und auf die Pauke hauen.«
Jugendliche aus den Glashütter Uhrenbetrieben in Dippoldiswalde, [Bezirk] Dresden, äußerten: »Das Deutschlandtreffen ist gut, da können wir wenigstens wieder mal nach Westberlin fahren und einkaufen.«
Lehrlinge eines Privatbetriebes in Freital, [Bezirk] Dresden: »Wir haben nach Pfingsten Facharbeiterprüfung. Über Pfingsten müssen wir uns vorbereiten und werden nicht mit nach Berlin fahren.«
Im Konsum Radeberg, [Bezirk] Dresden, diskutierten FDJlerinnen: »Wir fahren nicht mit nach Berlin. Es wird wieder wie am 15.8.1951 und man schlägt uns zusammen.«34
Ein Zahnarzt aus dem Ambulatorium Jöhstadt, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, äußerte bei einer Sammlung für das II. Deutschlandtreffen Folgendes: »Ich will mit dem Zeug nichts zu tun haben. Mich geht das nichts an. Ich lehne alles, was mit Politik verbunden ist, grundsätzlich ab.«
Ein Brigadier einer Jugendbrigade in Gera lehnt es ab, am Gesamtdeutschen Jugendkongress in Berlin teilzunehmen.35 Als Begründung gibt er an, dass er Fußball spielen müsse.
Die FDJ-Kreisleitung Güstrow vernachlässigt die Kulturgruppen im Kreisgebiet. So z. B. hat die Tanzgruppe des VEG Vogelsang und der Chor der Post in Güstrow, die mit bei den Bezirksbesten an der Spitze liegen, noch keinen Bescheid, ob sie nach Berlin fahren können oder nicht.
Im Bezirk Halle wird von den Jugendlichen stark kritisiert, dass keinerlei FDJ-Kleidung, gleich welcher Art vorhanden ist, wo man doch schon vor einem Jahr das II. Deutschlandtreffen eingeplant hat. Alte Kleidung ist bei den Jugendlichen nicht mehr vorhanden.
Wie uns aus Erfurt berichtet wird, ist den Jugendlichen teilweise die Teilnehmergebühr von DM 15,00 zu hoch, dies ist besonders bei Jugendlichen, die in Privatbetrieben arbeiten, zu verzeichnen.
Über den Stand der Werbung zum II. Deutschlandtreffen können wir keine Gesamteinschätzung geben, da uns nur Einzelbeispiele bekannt wurden. Im Kreis Köthen, [Bezirk] Halle, ist das Teilnehmersoll von 1 000 FDJlern erfüllt. Darüber hinaus möchten noch gern mehrere Jugendliche mitfahren, hierzu bedarf es aber der Genehmigung der Bezirksleitung der FDJ in Halle. Der Kreis Demmin, [Bezirk] Neubrandenburg, hat ein Soll von 1 250 Teilnehmern. In die Teilnehmerlisten haben sich bisher 1 023 FDJler eingezeichnet. In der Gemeinde Oberweißbach, [Kreis] Neuhaus, [Bezirk] Suhl, haben sich 36 Jugendfreunde eingezeichnet und nur zehn Freunde dürfen mitfahren, darüber sind die Jugendfreunde sehr enttäuscht.
In der Quartierbeschaffung treten noch Schwierigkeiten auf. Hierzu zwei Beispiele: Der Objektleiter der HO-Gaststätte, Hauptstraße 21 im Bezirk Pankow äußerte, dass eine Unterbringung von Jugendlichen in dieser Gaststätte nicht möglich ist. Die Gäste dieses Restaurants müssen, um zur Toilette zu gelangen, dann durch den Raum, der als Quartier für die Jugendlichen vorgesehen ist.
Der Inhaber der Gaststätte, Berliner Straße 39 (Bezirk Pankow) zeigte eine bestimmte Interesselosigkeit dem Deutschlandtreffen gegenüber und bringt zum Ausdruck, dass er noch nicht weiß wie die Betreuung und Verpflegung vor sich geht. Dieser Betrieb ist ein Familienbetrieb und er könne niemand für die Betreuung der Jugendlichen zur Verfügung stellen. Weiterhin wäre noch nicht bekannt, wie es organisatorisch aussieht, vor allem in der Frage der Beschaffung von Stroh.
In einer Sitzung des Magistrats, die sich mit den Vorarbeiten zum Deutschlandtreffen beschäftigte, wurde kritisiert, dass das Org.-büro der FDJ noch keinen Veranstaltungsplan herausgegeben hat, damit die Abteilung Kultur beim Magistrat ihre entsprechenden Dispositionen treffen kann.
RIAS gegen II. Deutschlandtreffen
In einer Sendung »Jugend spricht zur Jugend« vom 8.5.1954 wendet sich der RIAS an die Jugend und versucht ihnen einzureden, dass die Geldsammlungen, die von der FDJ für das II. Deutschlandtreffen durchgeführt werden, ziemlich ergebnislos verlaufen, damit will er erreichen, dass die Jugendlichen nicht sammeln gehen. Dort heißt es: »Es mag möglich sein, dass sich hier und dort noch Freunde und Genossen finden lassen, die den Mut haben, mit der Sammelliste von Haus zu Haus zu gehen und von Werkbank zu Werkbank zu traben.« Am Schluss der Sendung wird aufgefordert, die Sammlung nicht zu unterstützen, weiterhin heißt es: »Die FDJ-Führung ist im Augenblick am empfindlichsten zu treffen, wenn man ihr kein Geld gibt.«
Der RIAS brachte am 10.5.1954 in der Sendung »Jugend spricht zur Jugend« eine »Lektion Geschichte für FDJ-Funktionäre, die nach Berlin fahren wollen«. Der wesentliche Inhalt sind plumpe Verleumdungen, in denen die Schuld an der Spaltung Berlins der SU, der Partei und FDJ-Führung zugeschoben wird. Außerdem werden die FDJler wieder aufgefordert, zu Pfingsten nach Westberlin zu kommen. Denn, so sagt der RIAS: »Jeder FDJ-Funktionär und alle Mitglieder, die die Sektorengrenze überschritten, distanzieren sich dadurch nicht nur von den Pfingstrummel, sondern offen von den Spaltern Berlins.«
Im Zusammenhang mit dem II. Deutschlandtreffen brachte RIAS am gleichen Tage noch eine Sendung mit längeren Ausführungen über die Finanzlage der FDJ und über die Finanzierung des II. Deutschlandtreffens. Ziel dieser Sendung ist, die FDJler von der regelmäßigen Beitragszahlung, von der Zahlung der Teilnehmerbeiträge und von der Beteiligung an der Geldsammlung für Pfingsten abzuhalten und damit die Durchführung des Deutschlandtreffens zu gefährden. Um Bedenken zu zerstreuen, behauptet RIAS, man würde die FDJler im entscheidenden Augenblick auch ohne Spenden und Teilnehmerbeiträge mitnehmen.