Zur Beurteilung der Situation
9. Mai 1954
Informationsdienst Nr. 2202 zur Beurteilung der Situation
Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft
Industrie und Verkehr
Unter den Werktätigen wird über politische Probleme wenig diskutiert. Die Genfer Konferenz steht im Mittelpunkt der politischen Diskussionen.1 Die uns bekannt gewordenen Stimmen sind meist positiv. Darin wird zum Ausdruck gebracht, dass durch die Abreise Dulles’2 die Widersprüche im kapitalistischen Lager offen zutage getreten sind.3 Allgemein hofft man auf eine Entspannung der internationalen Lage. Ein HO-Verkaufsstellenleiter aus Hildburghausen, [Bezirk] Suhl: »Ich begrüße die Zusammenkunft der fünf Großmächte in Genf zur Regelung der strittigen Fragen im Fernosten, dadurch wird ein Beitrag zum Weltfrieden geleistet.«
Ein Arbeiter aus dem VEB Baumwollspinnerei Falkenau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Dulles hat sich in Genf vollkommen entlarvt, die von der USA ausprobierte Wasserstoffbombe hat nicht den Zweck, die Einschüchterung der Massen, erfüllt, sondern den Protest von Millionen Menschen in allen Ländern hervorgerufen.«4
Ein Kesselmeister im Karl-Marx-Werk in Zwickau (parteilos): »Der Dulles muss ja ziemlich wutentbrannt Genf verlassen haben. Trotz seiner vorherigen Anstrengungen, alle unter einen Hut zu bringen, ist nichts geworden. Selbst England ist mit der Politik Amerikas nicht mehr einverstanden, denn sie wollen den Handel mit China.«
Vereinzelt wurden negative Stimmen zur Genfer Konferenz bekannt. Ein Waldarbeiter (parteilos) aus Markersbach, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Dort kommt sowieso keine Einigung zustande, weil die Russen daneben hausen, aus der Widerspenstigkeit der Russen heraus ist auch Dulles abgereist.« Ein Transportarbeiter aus Werdau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Ich verspreche mir von der Genfer Konferenz nicht viel. Was wird es denn werden, es kommt ein Krieg, der Ami hat noch viel Reserven.«
Handel und Versorgung
Im Bezirk Leipzig bestehen ebenfalls Schwierigkeiten in der ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit HO-Fleischwaren. Zum Beispiel erhält der Kreis Torgau für den Monat Mai [1954] nur 11 Tonnen, das bedeutet eine Kürzung um 66 Prozent. Des Weiteren ist zu verzeichnen, dass im gleichen Kreis seit Ende März Schwierigkeiten in der Abnahme des erfassten Viehes (vorwiegend Schweine) bestehen. Und zwar deshalb, weil der Schlachthof Leipzig nicht nachkommt mit den Schlachtungen. (Es können nur täglich ca. 1 500 Stück geschlachtet werden und geliefert werden aber durchschnittlich 4 000 Stück.)
Im Bezirk Magdeburg wird verschiedentlich über eine unzureichende Warenbereitstellung geklagt. Vorwiegend mangelt es an Hülsenfrüchten, Obstkonserven, Kaffee sowie Textilien aller Art, Industrie- und Haushaltswaren.
Landwirtschaft
Zu politischen Tagesfragen wird wenig Stellung genommen. Zum Tag der Befreiung5 wurden nur in ganz geringem Maße Stimmen bekannt. Eine Genossenschaftsbäuerin aus dem Kreis Freienwalde, [Bezirk] Frankfurt: »Die SU hat uns vom Faschismus befreit und uns so viel gegeben, dass jeder jetzt Arbeit und Brot hat. Wir haben allen Grund, den heutigen Tag zu feiern.«
Im Bezirk Frankfurt wurde teilweise unter den Neubürgern6 über den 8. Mai [1954] negativ diskutiert. Ein Landarbeiter vom VEG Nuhnen, Kreis Frankfurt/Oder: »Uns hat man von vielen Dingen befreit. Nicht einmal den Frieden haben wir nach neun Jahren Kriegsende. Sollen wir noch feiern, dass mit uns nur politisch gespielt wird. An den Russengräbern werden Kränze niedergelegt, an unsere Soldatengräber denkt keiner.«
Als im Kreis Beeskow, [Bezirk] Frankfurt, von Angehörigen der Kampfgruppen7 an einem sowjetischen Ehrenmal Kränze niedergelegt wurden, äußerte der Mühlenbesitzer aus Saarbrück,8 [Bezirk] Frankfurt: »Rote Armbinden haben sie auch schon um. Ich bin mit diesem Dreck nicht einverstanden, man sieht schon genügend rot.«
Die vereinzelt bekannt gewordenen Stimmen zur Genfer Konferenz sind überwiegend positiv. Größtenteils wird zur Abreise Dulles’ Stellung genommen und dabei herausgestellt, dass es eine große politische Niederlage für die USA bedeutet. Ein Angestellter (DBD) der MTS Oederan, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Nachdem Dulles die Konferenz verlassen hat, musste die USA eine große politische Niederlage einstecken, was auch vorauszusehen war.«
Der Vorsitzende der LPG »Rotes Banner« in Trinwillershagen, [Bezirk] Rostock: »Dulles hielt es nicht für nötig, sich mit der Volksrepublik China an einen Tisch zu setzen in Berlin.9 Aber in Genf musste er es. Inzwischen ist er bereits getürmt.«
Im Mittelpunkt des Interesses stehen wirtschaftliche Belange, deshalb wird mehr über diese Fragen gesprochen. Verschiedentlich wird über Schwierigkeiten in der Saatgutbeschaffung diskutiert. Ein Bauer aus Altkamp, [Bezirk] Rostock: »Die Saatgutbelieferung ist dieses Jahr wieder sehr schlecht und es macht sehr große Mühe, das Nötige zu beschaffen. Viele Bauern können ihre geplanten Flächen nicht voll auspflanzen, dadurch wird es im Herbst bei der Ablieferung wieder dieselben Schwierigkeiten geben, wie im Vorjahr und man kommt aus dem Schlamassel nicht heraus.«
In einigen Kreisen des Bezirkes Potsdam nimmt die Wildschweinplage größere Ausmaße an. Dazu äußerte ein Bauer aus der Gemeinde Altthymen im Kreis Gransee: »Wenn wir heute die Kartoffeln pflanzen, so können wir gewiss sein, dass am nächsten Tag die Wildschweine alles umgewühlt haben, so wie es bisher mit den anderen Saaten gewesen ist. Wir haben die Kreisleitung der SED, die VP und alle zuständigen Stellen davon benachrichtigt,10 aber bis heute wurde uns noch nicht geholfen. Auf der einen Seite verlangt man von uns, dass wir unser Soll erfüllen und auf der anderen Seite wird nichts unternommen, solche Missstände zu beseitigen.«
Im Kreis Saalfeld, [Bezirk] Gera, bestehen bei den meisten LPG Futterschwierigkeiten. Ursache dafür ist, dass die Lieferungen an Stroh und Heu aus Mecklenburg ausgeblieben sind.
Der Vorsitzende der LPG in Mankmuß, [Bezirk] Schwerin, lehnt das Kartoffelpflanzverfahren ab mit der Begründung, dass Neuerermethoden in der Landwirtschaft nutzlos sind11 (wird von Großbauern beeinflusst). Die LPG-Mitglieder sind mit der Einstellung des Vorsitzenden nicht einverstanden.
Übrige Bevölkerung
Über politische Tagesfragen wird in der übrigen Bevölkerung nach wie vor nur wenig diskutiert. Im Mittelpunkt dieser Gespräche steht die Genfer Konferenz. Hierzu sind meist positive Stimmen zu verzeichnen, worin die Zuversicht auf einen guten Ausgang der Konferenz und das Verbot der Atom- und Wasserstoffbomben zum Ausdruck kommt. Ebenso die Erkenntnis, dass das imperialistische Lager durch seine eigenen Widersprüche immer schwächer wird. Die Patienten der Heilstätte Hohenelse, [Bezirk] Potsdam, brachten in ihren Unterhaltungen zum Ausdruck, dass sie voller Hoffnung auf die Ergebnisse der Konferenz warten und vor allem, dass das Verbot der Atom- und Wasserstoffbomben erreicht wird.
Ein Pfarrer aus dem Kreis Pößneck, [Bezirk] Gera, sagte: »Dulles hat die Konferenz verlassen. Das zeigt, dass die westliche Welt keine Einheit mehr bildet. Somit haben sie die Schlacht verloren. Die Völker verachten die Kriegspolitik und wenden sich von ihren Regierungen ab.«
Ganz vereinzelt wurden dazu auch negative Stimmen bekannt. Der Pfarrer aus Altmittweida, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Die Berliner Konferenz – gleich null –. Die Genfer Konferenz – Dulles hat sie ja bereits wieder verlassen – also Ergebnis wie vorher. Der Grund dafür ist, dass eine Seite für den Frieden [ist], die andere Seite aber auch. Der eine will die unterstützen und der andere verteidigt wieder etwas anderes. Da keiner nachgeben kann und will, ist es ganz natürlich, denn wenn etwas ohne Gott durchgeführt wird, kann kein Ergebnis zustande kommen.«
Über schädigendes Verhalten von KVP-Angehörigen12 wird aus Potsdam Nachstehendes berichtet: Laut Trapo-Meldung13 ist das Verhalten der KVP-Angehörigen im Bahnbereich Oranienburg sehr schlecht. Am 2.5.1954 war im Wartesaal Oranienburg eine Messerstecherei zwischen KVP-Angehörigen, wobei auch negative Äußerungen vonseiten der Beteiligten fielen. Wie z. B.: »Man soll uns das Saargebiet und ebenso Pommern wiedergeben.« Vom Bahnhof Oranienburg fuhren fünf KVP-Angehörige ohne Fahrkarte in Richtung Lehnitz. Außerdem schlugen sie eine Fensterscheibe ein, die sie erst dann bezahlten, als die Transportpolizei einschritt. Eine Krankenschwester aus Borgsdorf verweigert in letzter Zeit den Dienst, mit der Begründung, dass sie schon des Öfteren von KVP-Angehörigen belästigt wurde.
Zum bevorstehenden II. Deutschlandtreffen der Freien Deutschen Jugend14 wurde Folgendes bekannt: Im Kreis Kyritz, [Bezirk] Potsdam, wurden bei der Werbung von FDJlern für das II. Deutschlandtreffen keine Schwierigkeiten bekannt. In diesem Kreis wurden 850 Jugendfreunde geworben und es würden gern noch mehr fahren, wenn mehr Plätze zur Verfügung ständen. Ebenso wurden Erfolge aus dem Kreis Pritzwalk berichtet. Eine Ausnahme bildet der Kreis Gransee, der sein Werbesoll von 750 FDJlern erst mit 150 erfüllt hat. Es soll jedoch die Aussicht bestehen, das Werbesoll bis zum 15.5.1954 noch zu erfüllen.
Negative Stimmung unter den Jugendlichen wurde aus den Kreisen Gransee und Luckenwalde berichtet. In den Gemeinden Gutengermendorf, Buberow, Wesendorf und Gramzow, Kreis Gransee, [Bezirk] Potsdam, haben Jugendfreunde erklärt, dass sie nicht mit zum II. Deutschlandtreffen fahren werden. Die Gründe hierfür sind noch unbekannt. Ebenso lehnen einige Jugendliche aus dem Kreis Luckenwalde die Fahrt nach Berlin ab mit den Worten: »Bei dem II. Deutschlandtreffen wird ja doch nur marschiert und man hat keine richtige Freiheit.«
Die FDJler, welche als Mitglieder von Kulturgruppen zum Deutschlandtreffen fahren (aus dem Kreis Luckenwalde), können es nicht verstehen, dass sie ebenfalls 15,00 DM Teilnehmergebühren zahlen sollen.
Zu den bevorstehenden Volkskammerwahlen äußerten sich Mitglieder der LDPD in Luckenwalde, [Bezirk] Potsdam, dass im Herbst solche Wahlen durchgeführt werden müssten wie im Jahre 1946, also Listenwahlen.15
Organisierte Feindtätigkeit
Hetzschriften des Ostbüros der SPD:16 Neubrandenburg 2 000, Potsdam 3 300, Gera 15 000.
Hetzschriften des Ostbüro der CDU: Neubrandenburg 2 300, Potsdam 12 500.
Hetzschriften der NTS:17 Neubrandenburg 10 000.
Terror: Am 7.5.1954 wurde in der Gemeinde Briesen, [Bezirk] Cottbus, ein Klein-Bauer (Parteisekretär der SED) auf dem Nachhauseweg von zwei Personen überfallen und niedergeschlagen. Er hatte an einer Geburtstagsfeier teilgenommen (diese fand nach einer Gemeindevertretersitzung statt), auf der das Lied »Deutsch ist die Saar«18 trotz seiner Weigerung angestimmt wurde. Daraufhin verließ er die Geburtstagsfeier (Täter konnten ermittelt werden).
Antidemokratische Handlungen und Schmierereien: In Guben, [Bezirk] Cottbus, wurden am 8. Mai [1954] bei der Kranzniederlegung an fünf Kränzen Schleifen mit der Aufschrift »Ruhm und Ehre den Befreiern des Faschismus« festgestellt (die Schleifen wurden sofort entfernt).
In der Warnow-Werft Warnemünde, [Stadt] Rostock, wurde am 7.5.1954 von unbekannten Tätern in einem Umkleideraum ein Hakenkreuz an die Wand geschmiert und darunter »Hitler – Mein Kampf« geschrieben. Und am gleichen Tag auf der Kommandobrücke des Frachters »Stralsund« in der Mathias-Thesen-Werft Wismar, [Bezirk] Rostock, ebenfalls ein Hakenkreuz geschmiert.
Am 4.5.1954 wurde einem VP-Angehörigen in Rostock ein handgeschriebenes Flugblatt in den Briefkasten gesteckt. Text: »Jagt die Russen aus Deutschland, dann wird Frieden sein«. – gezeichnet A. Hitler.
Ein Drohbrief von der KgU19 erhielt der Leiter der Dienststelle des SfS in Gräfenhainichen, [Bezirk] Halle, mit der Aufforderung, schnellstens vom SfS Abstand zu nehmen.
Gefälschte Schreiben erhielten die FDJ-Kreisleitungen des Bezirkes Neubrandenburg. Inhalt: »Sie werden aufgefordert, Funktionäre zwecks Besprechungen über das Deutschlandtreffen am 13.5.1954 um 15.00 Uhr nach Neustrelitz, Hohen Zieritzer Straße 37 zu entsenden. Sie sollen eine Meldung über noch fehlende Kleidung und Ausrüstungsgegenstände (für das Deutschlandtreffen) mitbringen, da die Möglichkeit einer sofortigen Versorgung besteht, und wenn erforderlich, auch kostenlos erfolgt.«
Am 7.5.1954 wurden von einem Traktoristen der MTS Löwen, [Bezirk] Schwerin, auf der Straße zwei Brandkörper gefunden. Neben dem einen war ein kleiner Brandherd, den er sofort löschte (der andere Brandkörper nicht ausgebrannt).
Am 8.5.1954 geriet die Holzbrücke der Chaussee Trebbin, [Bezirk] Potsdam, Richtung Thyrow in der Mitte in Brand. Dadurch wurde eine Telefonleitung angeschmort (vermutlich Brandstiftung – Täter unbekannt).
Am 8.5.1954 brach in einer Kaserne der Roten Armee in Döberitz, [Bezirk] Potsdam, ein Brand aus (Feuerwehr der Stadt Potsdam, Nauen und Staaken am Brandherd).
Einschätzung der Situation
Die Beteiligung an den Kranzniederlegungen und Veranstaltungen zum »Tag der Befreiung« war dieses Jahr in den meisten Bezirken und Städten besser als im Vorjahr.
Anlage 1 vom 8. Mai 1954 zum Informationsdienst Nr. 2202
Berichterstattung zum 8. Mai 1954
Zu den Kranzniederlegungen zu Ehren des 8. Mai 1954 haben bisher neun Bezirke berichtet. In diesen Bezirken waren keine besonderen Vorkommnisse. Außer dem Bezirk Neubrandenburg haben sich allgemein die Teilnehmerzahlen vergrößert. Hierzu einige Beispiele:
In der Bezirksstadt Gera beteiligten sich 7 000 Personen, im Vorjahr 5 500 Personen.
In der Bezirksstadt Dresden 6 000, im Vorjahr weniger; in Erfurt 2 800; in der Bezirksstadt Magdeburg 10 000, 1953 8 000; in der Bezirksstadt Leipzig 25 000, 1953 5 000; in Karl-Marx-Stadt 2 500 (schlechtes Wetter), 1953 war die Teilnehmerzahl geringer.
In den Kreisstädten des Bezirkes Neubrandenburg insgesamt 28 000 Personen im Vorjahr ca. 52 000. In allen Städten nahmen keine Schulkinder in diesem Jahr teil. In einigen Städten des Bezirkes Erfurt ist die Teilnehmerzahl gegenüber dem Vorjahre zurückgegangen; z. B. haben in Eisenach 1953 1 500 Personen und 1954 800 Personen an der Kranzniederlegung teilgenommen. In Weimar waren es 1953 2 000 Personen und 1954 800.
Folgende negative Stimmen wurden uns bekannt: Ein Bauer aus Teistungen, [Bezirk] Erfurt: »Ich kann es wirklich nicht verstehen, dass wir einen solchen Tag feiern, wo wir einst den Krieg verloren haben. Nach dem Ersten Weltkrieg hätte es so etwas bestimmt nicht gegeben.« Einige Arbeiter aus dem Gaswerk Apolda, [Bezirk] Erfurt: »Man soll erst einmal die deutschen Helden aus dem Zweiten Weltkrieg ehren. Erst dann kommen die sowjetischen Soldaten an die Reihe. Die deutschen Soldaten sind auch für ihre Heimat gefallen.«
Über die VII. Internationale Radfernfahrt20 für den Frieden wurden uns keine Vorkommnisse und oder Stimmen bekannt.
Organisierte Feindtätigkeit
Hetzschriften des SPD-Ostbüros: Potsdam 147, in den Bezirken Karl-Marx-Stadt, Halle und Dresden einige.
Hetzschriften der KgU: Karl-Marx-Stadt 1 022.
Hetzschriften der NTS: Karl-Marx-Stadt 4 040, Erfurt 1 000, Potsdam 205, Halle und Dresden einige.
Flugblätter in tschechischer Sprache wurden in Karl-Marx-Stadt 470, in Dresden einige gefunden.
Am 7.5.1954 machte sich eine unbekannte Person an einem Traktor der LPG-Melaune, [Kreis] Görlitz, [Bezirk] Dresden, zu schaffen. Beim Versuch der Festnahme durch einen VP-Helfer wurde dieser niedergeschlagen. Der unbekannte Täter flüchtete.
Antidemokratische Schmierereien: Am 7.5.1954 wurde in einem Emblem des IV. Parteitages,21 das an der Oberschule in Rauschenbach, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, hing, ein Hakenkreuz eingeritzt. Am 7.5.1954 wurde an der Außenmauer des Lokschuppens des Bahnbetriebswerkes Seddin, [Bezirk] Potsdam, ein großes W angemalt.22 In Kyritz, [Bezirk] Potsdam, wurde am 8.5.1954 an das Haus der Handwerkskammer ein Hakenkreuz angemalt.
Antidemokratische Handlungen: In der Nacht vom 7. zum 8.5.1954 wurden in Weimar zwei rote Fahnen von Jugendlichen heruntergerissen. Am 8.5.1954 wurden in Brandenburg, [Bezirk] Potsdam, zwei rote Fahnen von unbekannten Tätern heruntergerissen.
Besondere Vorkommnisse
Aus Berlin und Potsdam wird berichtet, dass heute riesige Menschenmengen aus der DDR nach Westberlin einkaufen fuhren. Am Bahnhof Gesundbrunnen mussten zeitweilig Geschäfte wegen Überfüllung geschlossen werden. An diese Bewohner der DDR wurden Hetzschriften verteilt.
Nachmeldung: An der Kranzniederlegung zu Ehren des 8. Mai 1954 beteiligten sich in Berlin am Treptower Ehrenmal ca. 10 000 Personen. Besondere Vorkommnisse wurden nicht bekannt.
Anlage 2 vom 9. Mai 1954 zum Informationsdienst Nr. 2202
Stimmen zur VII. Internationalen Radfernfahrt für den Frieden
Zur VII. Internationalen Radfernfahrt für den Frieden wurden vereinzelt Stimmen bekannt. Darin wird meist über die Fahrt als sportliches Ereignis gesprochen, selten über die politische Bedeutung. Die Materialfehler bei der DDR-Mannschaft rufen weiterhin Diskussionen hervor.23 Ein Arbeiter aus Fürstenberg, [Bezirk] Frankfurt/Oder: »Es ist schön, dass wir gerade heute am Tage der Befreiung die Fahrer aus allen Ländern friedlich nebeneinander sehen können. Hoffen wir, dass unsere Mannschaft bei der Endausscheidung noch etwas zu bestellen hat.«
Ein Fräser im VEB Blema [Aue, Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Das Ereignis der Radfernfahrt lasse ich mir nicht entgehen. Ich glaube bestimmt, dass der Betrieb während der Durchfahrt nicht arbeiten wird. Wenn es keinen Urlaub gibt, rücke ich so aus.«
Ein Arbeiter aus dem Karl-Marx-Werk in Zwickau: »Die polnischen Fahrer haben bisher eine große Leistung vollbracht, die deutsche Mannschaft hat große Schwächen gehabt, doch hoffen wir alle, dass unsere Mannschaft aufholen wird. Als Sieger wird bestimmt die sowjetische Mannschaft hervorgehen.«
Ein Reichsbahnarbeiter aus Frankfurt/Oder: »Immer wieder haben unsere Pannen, wie überall in unserer Wirtschaft. Entweder ist unser Material schlecht, oder es wird Sabotage verübt.« Ein Kollege aus dem VEB Borstenkombinat Schönheide, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Die vielen Materialschäden sind wohl darin zu suchen, dass alle anderen Länder über bessere Materialien verfügen als wir.«
Der Fahrer Gustav Adolf Schur24 führte aus, dass die neuen Schläuche, welche die deutsche Mannschaft ausprobiert, schuld an den vielen Reifenschäden sind. Der Gummi dehnt sich und der Reifen fällt von der Felge.
Ein Fahrer aus einem kapitalistischen Land kritisierte, dass er und seine Sportfreunde getrennt von ihren Dolmetschern in Görlitz untergebracht waren. In Volkspolen wäre ihre Betreuung besser gewesen.
Anlage 3 vom 9. Mai 1954 zum Informationsdienst Nr. 2202
Stimmung über den 8. Mai [1954]
Zu Ehren des 8. Mai [1954] wurden in allen Bezirken Kranzniederlegungen und Veranstaltungen durchgeführt. Dabei sind keine besonderen Vorkommnisse aufgetreten. Die Beteiligung der Bevölkerung an den Maifeierlichkeiten ist meist höher gewesen als im Vorjahr. Dazu folgende Beispiele:
In Burg, [Bezirk] Magdeburg, nahmen 6 000 Personen teil, 1953 4 500.
In Genthin, [Bezirk] Magdeburg, nahmen 3 000 Personen teil, 1953 2 500.
In Havelberg, [Bezirk] Magdeburg, nahmen 840 Personen teil, 1953 800.
In Salzwedel, [Bezirk] Magdeburg, nahmen 2 100 Personen teil, 1953 1 700.
In Parchim, [Bezirk] Schwerin, nahmen 2 000 Personen teil, 1953 1 000.
In Perleberg, [Bezirk] Schwerin, nahmen 1 500 Personen teil, 1953 1 600.
Im Bezirk Frankfurt nahmen 26 000 Personen teil, 1953 ca. 20 000.
Verschiedentlich wurden negativen Äußerungen zum 8. Mai [1954] bekannt. Eine Hausfrau aus Neustrelitz: »Man sollte lieber für ausreichend Fleisch sorgen und nicht so viel Geld für den sogenannten Tag der Befreiung ausgeben.« Einige Studenten aus der medizinischen Fakultät in Greifswald, [Bezirk] Rostock: »Wir brauchen nicht mitzumarschieren. Wir sind doch nicht befreit worden.«
Ein Kollege aus dem Postamt Pritzwalk, [Bezirk] Potsdam, äußerte anlässlich einer Sammlung für Kränze zum 8. Mai [1954]: »Feste wollen sie machen, sollen sie sie doch allein bezahlen.«
Verschiedene Arbeiter im Privatbetrieb Scharobe & Co. in Forst, [Bezirk] Cottbus: »Der 8. Mai [1954] ist für uns kein Befreiungstag, das Einzige, wovon man uns befreit hat, ist das, was wir nicht mehr besitzen.«
Ein Arbeiter von der DHZ Leder in Doberlug, [Bezirk] Potsdam: »Ich möchte bloß wissen, warum man bei der Roten Armee Kränze niederlegt und sie ehrt. Solange man nicht auch die deutschen Soldaten ehrt, beteilige ich mich nicht daran.«
Eine Arbeiterin aus Fürstenberg, [Bezirk] Frankfurt: »Was ist denn schon viel zu feiern, wir werden nicht mitmarschieren, sondern ich denke heute an meinen Vater, der nicht zurückgekommen ist und an das, was wir 1945 verloren haben.«
Zur Beteiligung an der Kranzniederlegung am Ehrenmal Berlin-Schönholz wurde uns berichtet, dass ca. 5 000 Personen anwesend waren.
Westberlin
Seit den frühen Morgenstunden des gestrigen Tages wurden die Bahnhöfe Lehrter Bahnhof und Tiergarten von Stupo25 besetzt. Delegationen, die mit Kränzen und Sträußen zum Ehrenmal wollten, wurden am Verlassen des Bahnhofes gehindert. Kranzdelegationen, die am 8. Mai [1954] zum sowjetischen Ehrenmal im Tiergarten26 wollten, wurden nur in Stärke bis zu 25 oder 30 Personen durchgelassen. Alle übrigen Zufahrtsstraßen sind hermetisch abgeriegelt.