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Zur Beurteilung der Situation

19. Mai 1954
Informationsdienst Nr. 2211 zur Beurteilung der Situation

Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft

Industrie und Verkehr

Über politische Fragen wird nur in geringem Umfang diskutiert. Im Mittelpunkt der Diskussionen steht die Genfer Konferenz,1 worüber nur vereinzelt Stimmen bekannt wurden. Sie sind überwiegend positiv. Darin wird auf eine Entspannung der internationalen Lage gehofft. Außerdem befasst man sich mit der Abreise Dulles’2 aus Genf.3 Ein parteiloser Straßenmeister aus Eisenach, [Bezirk] Erfurt: »Seitdem Dulles aus Genf fort ist, macht die Konferenz gute Fortschritte. Der Ami verliert in Asien und Europa immer mehr an Boden. Hoffentlich wird es endlich Frieden geben.«

Verschiedentlich wurde über wirtschaftliche und betriebliche Fragen diskutiert. Eine schlechte Stimmung besteht unter den Kollegen des RAW Brandenburg-West Kirchmöser, [Bezirk] Potsdam, da das Drei-Schichtensystem eingeführt wurde. Einige Kollegen haben sich bereits Atteste besorgt, um keine Nachtschicht durchzuführen. Jugendliche und Sportler diskutieren, dass sie jetzt keinen Sport mehr treiben können.

Kollegen aus dem Stahlwerk Brandenburg, die eine gesundheitsschädliche Arbeit verrichten, erhalten Vollmilch. Jetzt soll die Zahl der Empfänger erhöht werden. Von einer Kommission, die die Verteilung der Milch durchführt, wurden Kollegen, die bisher Milch erhielten, gestrichen und anderen Kollegen, denen sie nicht zusteht, wurde Milch zugesprochen. Darüber besteht eine große Verärgerung.

Im VEB Maxhütte herrscht eine schlechte Stimmung, was, wie bereits gemeldet,4 auf mangelhafte Arbeit der BGL und der BPO zurückzuführen ist. So haben sich z. B. in einer Belegschaftsversammlung nur 100 Kollegen beteiligt, woran normalerweise mindestens 900 bis 1 000 Kollegen hätten teilnehmen müssen.

Über mangelhafte ärztliche Betreuung in der Poliklinik sind die Kollegen vom VEB Transformatorenwerk Berlin-Oberschöneweide verärgert. Sie beanstanden besonders die langen Wartezeiten.

Eine Lohnkürzung müsste bei 70 Angestellten des Braunkohlenwerkes »Franz Mehring« in Senftenberg, [Bezirk] Cottbus, vorgenommen werden, da durch Verletzung des Kollektivvertrages die Lohnsumme überzogen wurde. Dadurch sind die Kollegen sehr verärgert, denn die Kürzungen betragen durchschnittlich DM 70,00.

Im Görlitzer Schlachthof, [Bezirk] Dresden, mussten 15 Arbeiter wegen Produktionskürzungen entlassen werden, wodurch es zu negativen Diskussionen kam. Ein Arbeiter erklärte hierzu: »Wir geben Fleisch an andere Kreise und Bezirke ab, weil wir über und über mit Rohstoffen versorgt sind. Trotzdem erhalten wir keine Genehmigung zur Herstellung von Bockwurst und HO-Wurst, obwohl Bedarf vorhanden ist.«5

Im VEB Plasta, Sonneberg, [Bezirk] Suhl, wird eine Normenüberprüfung vorgenommen, da die qualifizierten Arbeiter in den Lohngruppen 5 bis 8 ihre Norm mit 120 Prozent erfüllen, die ungelernten Arbeiter in den Gruppen 2 bis 5 bis 160 Prozent. Der ehemalige BGL-Vorsitzende sagte dazu: »Um zu einer realen Norm zu kommen, muss man eine Zeitaufnahme bei den schlechtesten und bei einem Durchschnittsarbeiter durchführen.« Er brachte weiter zum Ausdruck, dass die Normensachbearbeiter kapitalistische Methoden anwenden und die Arbeiter ausbeuten wollen.6

Im Stahlwerk Brandenburg, [Bezirk] Potsdam, findet eine Werbung unter der Losung »Industriearbeiter auf Land!«7 statt, wozu sich wenige Kollegen meldeten. Der AGL-Vorsitzende vom Ofenbau sagte dazu: »Ich war auf dem Lande und habe bei einem Großbauern gearbeitet. Den haben sie leider enteignet. Wenn er wieder hier wäre, ginge ich sofort aufs Land.«

Produktionsschwierigkeiten: In der Polster- und Möbelfabrik Zehdenick, [Bezirk] Potsdam, mangelt es an Sperrholz und Absperrfurnierung. Das zuständige Staatssekretariat wurde davon unterrichtet, hat jedoch keine Hilfe geleistet.8

Bei der Bau-Union Waren in Brieselang, [Bezirk] Potsdam, bestehen Schwierigkeiten in der Belieferung mit Eisenbahnschwellen, Schwellennägeln und Eisenbahnschienen. Dadurch kann der Produktionsplan nicht erfüllt werden.9

Im Transformatorenwerk »Karl Liebknecht« Berlin können im Regelschalterbau viele angefangene Apparate nicht fertiggestellt werden, da in den mechanischen Werkstätten ganze Serien von Guss- und Maschinenteilen falsch bearbeitet werden. Die Schuld hierfür liegt hauptsächlich bei den Meistern und Betriebsingenieuren, die ungenügend kontrollieren.

Auf der Jugendbaustelle Trattendorf, [Bezirk] Cottbus, fehlt es an Maschinen, wodurch die Facharbeiter mit Nebenarbeiten beschäftigt werden müssen. Außerdem treffen die Projektierungszeichnungen zu spät ein, sodass kein Arbeitsvorbereitungsplan angefertigt werden kann.10

In den VEB Möbelwerken Themar, [Bezirk] Suhl, bestehen Materialschwierigkeiten. Es fehlt an Leim, Bänderschrauben sowie an Holz.

Missstand: Im Braunkohlenwerk Holzweißig, [Bezirk] Halle, wird sandige Kohle aus dem Grubenbetrieb in den Abraum gefahren. Darüber sind die Kollegen missgestimmt, weil Tausende Tonnen Rohkohle, welche zur Feuerung in Großbetrieben verwandt werden könnten, verloren gehen. Die Werkleitung erklärte dazu, dass sie diese sandige Kohle zurzeit nicht absetzen kann und sie deshalb in den Abraum fahren muss.11

Handel und Versorgung

In der HO in Binz, [Insel] Rügen, [Bezirk] Rostock, lagern seit Juni 1953 ca. 4 000 Trainingsanzüge im Preis von 46,00 DM. Diese können nicht abgesetzt werden, weil bereits zu 28,00 DM welche im Handel sind.

Verschiedentlich wird über eine ungenügende Warenbereitstellung geklagt, z. B. mangelt es im Bezirk Halle an Möbeln und Dekorationsstoffen. Da die Nachfrage groß ist und der Bedarf nicht gedeckt werden kann, führt es zur Verärgerung der Bevölkerung.

In allen Kreisen des Bezirkes Suhl bestehen erhebliche Absatzschwierigkeiten von Schokoladenerzeugnissen aus dem Import sowie der eigenen Herstellung. Die Handelsorgane begründen es damit, dass die Preise dafür zu hoch sind. (Es besteht die Gefahr des Verderbens.)

Landwirtschaft

Für politische Tagesfragen besteht nach wie vor ein geringes Interesse. So wird z. B. über die Genfer Konferenz nur ganz vereinzelt diskutiert. Ein LPG-Bauer aus Knüppeldamm, [Bezirk] Neubrandenburg: »Vonseiten der Sowjetunion wird auf der Genfer Konferenz alles unternommen, um den Frieden in der Welt zu erhalten. Wenn alle die Vorschläge der SU unterstützen, müssen schließlich auch die Westmächte nachgeben.«

Unter der Landbevölkerung werden überwiegend Gespräche über wirtschaftliche und persönliche Belange geführt. Ein Bauer aus Königsfeld, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Die Bauern haben Angst, etwas über politische Fragen zu sagen, weil gleich alles aufgeschrieben wird. Wenn aber etwas über wirtschaftliche Dinge gesagt wird, das wird nicht notiert und auch nicht abgeändert.«

Ein Neubauer aus Crossen, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Man kommt sich vor, als würde man von früh bis abends verkohlt. Erst hieß es, wir bekommen Bauernreform-Land geschenkt, jetzt sollen wir es bezahlen.12 Ich zahle keine Bauernreformrate. Außerdem schreibt man immer, dass wir Industriewaren erhalten sollen, aber nichts tut sich.«

Des Öfteren ist die unzureichende Futtergrundlage Gegenstand der Diskussionen. Ein Melker vom VEG Kunnerwitz, [Bezirk] Dresden: »Ich muss mit zwei Fuhren Grünfutter zwei Tage auskommen. Diese Menge verfütterte ich früher bei der gleichen Viehzahl an einem Tage. Wenn wir genügend Futter hätten, würde ich das Doppelte an Milch herausholen.«

In einer Bauernversammlung in Rauschwitz, [Bezirk] Dresden, wurde die Frage der Futtermittelbeschaffung zur Diskussion gestellt. Der Referent erklärte dazu: »Die Futtermittel kommen aus China und dazu benötigten wir Schiffe, und die werden anderweitig gebraucht.« Die Bauern waren mit dieser Erklärung nicht einverstanden und sagten, dass die Regierung in dieser Situation etwas unternehmen muss, um eine Überbrückung zu schaffen.

Aufgrund des Futtermangels sind in der Gemeinde Lindchen, [Bezirk] Cottbus, einige Bauern dazu übergegangen, ihr Vieh mit Heidekraut zu füttern. Dadurch stellten sich bei einigen Tieren die ersten Zeichen allgemeiner Entkräftung und Knochenweiche ein.

Übrige Bevölkerung

Aus den wenigen Diskussionen zu den politischen Tagesfragen, in deren Vordergrund die Genfer Konferenz steht, ist aus den meist positiven Stellungnahmen zu ersehen, dass die Bevölkerung teilweise immer mehr die Rolle und Schwäche der aggressiven USA erkennt. Hierzu ein Beispiel: Eine parteilose Lehrerin aus Eichstädt, [Bezirk] Potsdam, sagte: »Wenn das Deutschlandproblem in Genf auch nicht auf der Tagesordnung steht, sollten doch alle Deutschen diese Konferenz aufmerksam verfolgen. Alle Erfolge, die im Interesse des Friedens in Ostasien erreicht werden, wirken sich auch unmittelbar auf uns aus. Die politische Flucht Dulles aus Genf beweist die sich ständig auswirkende Isolierung der Politik der USA. Es ist den Atomstrategen nicht gelungen, kurz vor der Genfer Konferenz den Krieg in Vietnam durch die USA auszudehnen. Wir müssen den Abtransport der Atomkanonen aus Westdeutschland fordern.«13

Ein geringer Teil der Bevölkerung betrachtet die Konferenz von der skeptischen Seite aus. So erklärte z. B. ein Rentner aus Liepe, [Bezirk] Frankfurt: »Es ist ja klar, gerade in der jetzigen Jahreszeit lässt es sich in Genf sehr schön leben. Besonders aber in so großer Gesellschaft, wo einmal alle zusammen sind. Mit Rücksicht darauf, dürfte der Urlaub aller dort entsandten Diplomaten erheblich verlängert werden, ob sie sich einigen, ist dann die andere Frage.«

Wie bereits berichtet wurde, treten die Diskussionen über die Verknappung der HO-Fleischwaren teilweise immer stärker in Erscheinung. Eine Gewerbetreibende aus Leipzig äußerte sich dazu wie folgt: »Ich bin gespannt, wann es bei uns einmal besser wird. Man spricht immer so viel vom Jahr der großen Initiative,14 aber dabei geht es immer weiter abwärts. Jetzt gibt es so gut wie kein Fleisch in der HO

Aus den Kreisen der Kirche und über ihren Einfluss wird Folgendes berichtet: Der Pfarrer aus Lauscha, [Bezirk] Suhl, hat den Konfirmanden verboten, in der Schule das Gedicht ›Die Weber‹15 zu lernen. Er drohte den Kindern mit dem Entzug der Konfirmation, wenn sie dieses Gedicht lernen.

Aus Wüstermarke, [Bezirk] Cottbus, wird berichtet, dass die gut vorbereiteten Veranstaltungen zum II. Deutschlandtreffen zum größten Teil ausfielen,16 weil die Kirche an diesem Tage einen zusätzlichen Gottesdienst durchführte, der sehr stark besucht wurde.

Organisierte Feindtätigkeit

Hetzschriftenverbreitung

NTS:17 Potsdam 7 650, Halle und Karl-Marx-Stadt einige Exemplare, Suhl 4 000, Dresden 400.

CDU:18 Potsdam 2 500, Cottbus 2 500, Dresden 1 700.

SPD: Potsdam 5 500, Gera und Halle einige Exemplare, Karl-Marx-Stadt 350, Dresden 500.

In tschechischer Sprache: Neubrandenburg 155, Halle 900, Karl-Marx-Stadt 120, Erfurt 150, Dresden größere Anzahl, Rostock 40.

Verschiedene Hetzschriften: Cottbus 5 000.

KgU:19 Cottbus einige Exemplare.

»Freie Junge Welt«:20 Dresden 110, Neubrandenburg 50.

Am 17.5.1954 warf ein Großbauer aus Heyda, [Bezirk] Dresden, 5 Hetzschriften, die er auf seinem Feld gefunden hatte, auf den sowjetischen Schießplatz.

Vom 27. bis 29. Mai 1954 findet in der Waldbühne in Westberlin eine große Tagung der »Zeugen Jehovas« statt,21 die vom Bibelforscher Frost22 geleitet wird.

Am 17.5.1954 fielen im Kraftwerk Plessa, [Bezirk] Cottbus, die Maschinen I und II aus. Ursache: Fehlschaltung-Überlastung. Maschine wurde nach ½ Stunde wieder in Betrieb gesetzt. Maschine II ist noch außer Betrieb.

In der Konsumbäckerei Lychen, [Bezirk] Neubrandenburg, wurden Kuchenstücke in Form eines Hakenkreuzes23 verkauft.

Vom 15. bis 16. Mai 1954 wurden in Velten, [Bezirk] Potsdam, 20 Plakate zum Deutschlandtreffen abgerissen.

Vom 15. bis 16. Mai 1954 wurden vom sowjetischen Ehrenmal in Kleinmachnow, [Bezirk] Potsdam, zehn Kränze entwendet und die Schleifen zerrissen.

Auf einem Artikel der FDJ-Wandzeitung des Betriebsbahnwerkes Seddin, [Bezirk] Potsdam, wurde mit Öl ein großes W angeschmiert.24

In Luckenwalde, [Bezirk] Potsdam, ist festgestellt worden, dass drei Waldbrände durch Brandsätze an Ballons, durch Brandblättchen und durch Talglicht verursacht wurden. Dies wurde z. B. in Schöneiche, [Bezirk] Potsdam, festgestellt. Am Waldesrand wurde ein Talglicht etwas eingegraben, neben welchem die Reste eines Brandsatzes lagen, gefunden. Das Talglicht war mit Reisig gegen den Wind geschützt.

Hetzschriften gegen die FDJ

In der als »Junge Welt« getarnten Hetzschrift vom 11. Mai 1954 versucht der Gegner unter anderem besonders Einfluss auf die Vorbereitungen zum II. Deutschlandtreffen zu gewinnen, um diese Arbeit auch besonders in finanzieller Hinsicht zu stören.

In dieser Absicht schreibt man wörtlich: »versuchen die Beauftragten der FDJ … wenigstens DM 15,00 für die Fahrkarte einzutreiben. Wir raten euch, liebe Jugendfreunde, nicht voreilig die Brieftasche zu zücken. Mit der FDJ-Führung lässt sich nämlich handeln. Und es gibt heute schon Jungen und Mädel, denen eine kostenlose Reise zugesichert wurde. Also abwarten, nichts bezahlen und zu nichts verpflichten! Am Ende kriegt ihr vielleicht noch etwas dazu, wenn ihr Euch dazu herablasst, den Funktionären eine Fahrkarte abzunehmen.«

Drohbriefe an SfS

Die KgU versucht durch Drohbriefe an Mitarbeiter (auch weiblich) des SfS, zum Beispiel an solche, die im Kreis Prenzlau, [Bezirk] Neubrandenburg, arbeiten, das SfS zu zersetzen. Man argumentiert, dass sich das SfS »nicht um die Gesetze der Menschlichkeit kümmern würde«. Dazu heftet man Auszüge aus dem Bonner Strafgesetzbuch bei, die dies beweisen sollen. Gleichzeitig teilt die KgU dem Empfänger mit, dass seine Personalien bei der KgU registriert sind und versucht mit Drohungen (»spätere Bestrafung«), die Mitarbeiter des SfS vom Kampf gegen die Verbrecher abzubringen.

Hetze der Westpresse

Die Westpresse, z. B. »Der Tag«25 vom 16. Mai 1954 macht weiterhin Stimmung für den »Widerstand der Arbeiter gegen die vom ZK der SED geforderte 10- bis 15-prozentige Normenerhöhungen«. Dabei beruft sich die Zeitung auf erlogene »Berichte«, besonders über Zunahme des »Widerstandes« und der »Arbeite-langsam-Methode«.26

Weiterhin versucht die Westpresse, wie z. B. der »Telegraf«27 vom 16. Mai 1954, die westdeutschen Bauern davon abzuhalten, in die DDR überzusiedeln. Dabei wird die Aufforderung unserer Regierung als »Bauernfang« bezeichnet.28 Hauptsächlich wird mit der hohen Zahl republikflüchtig gewordener Bauern gegen die Übersiedlung in die DDR argumentiert.29

Anlage 1 vom 19. Mai 1954 zum Informationsdienst Nr. 2211

Landwirtschaft

Nachfolgend einige Beispiele über bestehende Mängel und Schwierigkeiten im sozialistischen Sektor in der Landwirtschaft.

Aus dem Kreis Meißen, [Bezirk] Dresden, wurde berichtet, dass die MTS häufig bei neugelieferten Maschinen Reparaturen durchführen müssen, noch bevor sie zum Einsatz kommen. Von den Herstellungsbetrieben werden Begleitschreiben mitgeschickt, mit dem Vermerk, dass noch Reparaturen an verschiedenen Teilen durchgeführt werden müssen.30

Die LPG Zeestow, [Bezirk] Potsdam, benötigt einen Kuhstall, in dem das ganze Vieh untergebracht werden kann, um dadurch eine bessere Kontrolle über die Futtermittel zu haben. Der Rat des Kreises erklärte, dass für Bauten bis zu 20 000 DM keine Lizenz benötigt wird. (Die Kosten des Baues liegen bei 15 000 DM.) Nachdem mit dem Bau begonnen werden sollte, wurde vom Rat des Kreises mitgeteilt, dass sie keine Geldmittel bekommen können, da sie keine Lizenz beantragt haben.

In der LPG Luckow, [Bezirk] Neubrandenburg, herrscht unter den Mitgliedern eine schlechte Stimmung, weil sie pro Arbeitseinheit 6,37 DM erhielten und im vergangenen Jahr 7,00 DM. Außerdem haben sie ihre Naturalien für 1953 nicht bekommen.

Im Kreis Strasburg, [Bezirk] Neubrandenburg, mangelt es in einigen VEG an Futtermitteln für die Viehaufzucht. Der Leiter des VEG Großen Luckow äußerte, »wir haben 5 000 dz Futtergetreide auf Übersoll geliefert. Dafür wurden uns Futtermittel versprochen, die uns aber bis heute noch nicht geliefert wurden. Im nächsten Jahr werden wir kein Übersoll wieder liefern, damit unser Viehbestand nicht darunter leiden muss.«

An Futter mangelt es auch im VEG Derenburg, [Bezirk] Magdeburg. Sie können in der Mast pro Schwein nur noch […]31 kg füttern. Es wird nur Roggenkleie geliefert. Dadurch besteht die Gefahr, dass große Verluste auftreten. Laut Viehaufstockungsplan sollen noch mehr Schweine zur Mast gelangen, was von den Belegschaftsmitgliedern als unvernünftig angesehen wird. Die Ehefrau des BGL-Vorsitzenden erklärte: »Mit solch einer Wirtschaftsführung kann man kaum Menschen überzeugen, dass in der DDR eine Überlegenheit in der Politik zu sehen ist.«

Anlage 2 vom 19. Mai 1954 zum Informationsdienst Nr. 2211

Stimmung in der LDP

Auf der Kreiskonferenz der LDP in Pankow am 5.5.1954 sprach ein Angestellter der Stadtsparkasse Pankow zur Diskussion und führte unter anderem Folgendes aus: »Weshalb kümmern sich die Massenorganisationen eigentlich um Politik. Das ist Sache der Parteien, aber die haben ja außer der SED nichts zu sagen. Die SED behauptet, sie sei die führende Partei der Arbeiterklasse, das stimmt nicht. In Unterhaltungen in der Eisen- und Straßenbahn hört man, dass die SED keine Resonanz bei den Arbeitern hat und die Arbeiter die SED nicht als ihre Partei anerkennen. Man soll doch mal Parteilistenwahlen durchführen,32 dann wird es sich bestätigen, dass die SED nicht die Stimmen der Arbeiter bekommt. Die SED würde dann nicht die stärkste Partei sein und könnte somit nicht alle Ansprüche stellen wie jetzt. Vieles würde sich dann ändern. Auch in Pankow würde dann die LDP wieder einen verantwortlichen Sitz im Rat erhalten.«

Ein Diplom-Ingenieur vom VEB Kraftwerkbau Pankow, BGL-Mitglied in diesem Betrieb, führte unter anderem aus: »Dem Diskussionsbeitrag meines Vorredners kann ich nur beipflichten, vor allem in der Frage, dass die SED keine Resonanz bei den Arbeitern hat. Ich habe gesehen, wie am 1. Mai [1954] viele Arbeiter vorzeitig den Demonstrationszug verlassen haben, ohne am Vorbeimarsch an der Tribüne am Marx-Engels-Platz teilzunehmen. Es werden immer dieselben Fehler gemacht, besonders in der SED. Die Regierung mag das Beste wollen und planen, jedoch werden Befähigte nicht an die Stelle gesetzt, wie es sein müsste. Die SED und BPO trägt durch ihre schlechte Arbeit auch noch dazu bei. In dem Betrieb, in dem ich arbeite, wurde die Vereinbarung getroffen, den Donnerstag für die BGL freizuhalten und an diesem Tage keine Parteiversammlungen abzuhalten. Diese Vereinbarung wird von der BPO nicht eingehalten, sodass die BGL kaum zur Beratung zusammenkommen und Missstände im Betrieb nicht beseitigen kann. Die Haltung der BPO könnte fast als Sabotage angesehen werden, da große Missstände im Betrieb die Produktion hemmen. Wenn das nicht bald geändert wird, kann es nicht besser werden und der Betrieb kann schon jetzt seine Auslandsverpflichtungen nicht erfüllen.«

Im Anschluss daran erklärte ein Lehrer aus dem Bezirk Pankow: »…, dass der FDGB immer weniger für seine Mitglieder tut.« In seiner Schule wären in diesem Jahr nur vier Ferienplätze zur Verfügung, während im vorigen Jahr noch 16 Plätze zur Verfügung standen.

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