Zur Beurteilung der Situation
14. Januar 1954
Informationsdienst Nr. 2068 zur Beurteilung der Situation
Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft
Industrie und Verkehr
Viermächtekonferenz:1 Die Diskussionen über die bevorstehende Viermächtekonferenz stehen weiterhin im Mittelpunkt. Der Wunsch nach Frieden und Einheit Deutschlands sowie die Hoffnung auf eine erfolgreiche Konferenz wird von der Mehrzahl der Arbeiter und Angestellten zum Ausdruck gebracht. So äußerte der Arbeiter der Volkswerft Stralsund, [Bezirk] Rostock: »Alle Arbeiter wollen doch den Frieden. Es wird endlich Zeit, dass wir einen Friedensvertrag erhalten. Dass der Westen nicht an Verhandlungen interessiert ist, sieht man ja, wie er die Stummpolizei2 gegen Arbeiter hetzt. Wir wollen keine faschistischen Organisationen mehr, sondern einen Friedensvertrag, Abzug aller Besatzungstruppen, damit wir in einem einheitlichen, freien und unabhängigen Deutschland leben können. Hoffen wir, dass die Konferenz erfolgreich verläuft.«
Ein Teil der Arbeiter und Angestellten begreift, dass die einzigen richtigen Vorschläge für einen Friedensvertrag, die der SU sind,3 und unterstützt deren Bemühungen. Dies bringen besonders fortschrittliche Arbeiter und Angestellte zum Ausdruck. Ein Schlosser (parteilos, ehemals NSDAP) vom VEB Gießerei und Maschinenfabrik Berlin-Lichtenberg erklärte: »Meinen Fehler während des Faschismus habe ich eingesehen und habe auch am 17.6.[1953] nicht mitgemacht. Jetzt müssen wir als Arbeiter noch mehr zusammenhalten, vor allem müssen wir denen, die den großen Wert der sowjetischen Vorschläge nicht erkennen, den richtigen Weg aufzeigen, denn nur diese bringen uns den wahren Frieden.«
Die Unterschriftensammlung zur Teilnahme deutscher Vertreter an der Konferenz4 wird im Allgemeinen positiv aufgenommen, besonders dort, wo sich Parteigruppen und Massenorganisationen aktiv dafür einsetzen und es verstehen, die Menschen von der Wichtigkeit dieser Aktion zu überzeugen. Ein Arbeiter des VEB Kaltwalzwerk Bad Salzungen, [Bezirk] Suhl, sagte dazu: »Wir fordern, dass Vertreter aus Ost und West an der Konferenz teilnehmen und gehört werden. Wir alle wünschen die Einheit und deshalb gebe ich auch meine Unterschrift.«
Jedoch besteht auch bei einem Teil der Arbeiter und Angestellten eine Interesselosigkeit gegenüber diesen für das deutsche Volk so wichtigen Fragen. Dies zeigt sich z. B. bei der Abgabe der Unterschriften, die ohne Diskussion und innere Anteilnahme gegeben werden. Bei einem größeren Teil der Kumpel der Wismut5 zeigt sich solch eine Interesselosigkeit gegenüber politischen Fragen. So gaben z. B. alle Kollegen der Wismut AG des Schachtes Auerbach, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, ihre Unterschrift für die Teilnahme deutscher Vertreter an der Konferenz. Ein großer Teil jedoch teilnahmslos und ohne sich dazu zu äußern.
Bei einem kleineren Teil der Arbeiter und Angestellten werden über einen erfolgreichen Ausgang der Konferenz Zweifel geäußert, da die Besatzungsmächte ja doch kein Interesse an der Einheit Deutschlands hätten.6 Solch zweifelnde Stimmen werden besonders stark aus dem Bezirk Frankfurt/Oder berichtet. Ein Arbeiter (parteilos) aus Olbernhau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, sagte: »Von der Außenministerkonferenz halte ich nicht viel. Wenn die Besatzungsmächte von Ost und West ein Interesse am Frieden mit Deutschland hätten, dann wäre es schon längst zu Verhandlungen gekommen. Die Amerikaner sind dabei die schlechtesten, aber auch die SU müsste in einigem nachgeben.«
Arbeiter im Kombinat Böhlen,7 [Bezirk] Leipzig: »Von der Konferenz erwarte ich keinen Erfolg. Die brauchen ja so einen Zankapfel, um jederzeit einen neuen Krieg beginnen zu können.«
Negative und feindliche Stimmen sind im Verhältnis zu den anderen Stimmen nur im geringen Maße bekannt. Es ist jedoch zu bemerken, dass diese Stimmen jetzt etwas offener als bisher in Erscheinung treten. Die Argumente sind verschiedenartig. Sie richten sich z. B. gegen die SU und DDR, in der Ablehnung der Unterschrift, Forderung nach freien Wahlen usw. Schlosser vom Industriewerk Ludwigsfelde, [Bezirk] Potsdam: »Alle wollen nur aus Deutschland herausholen. Mit den Russen werden wir Ostbewohner sowieso nicht fertig, der ist doch stur.«
Arbeiterin aus der Bau-Union Stalinstadt, [Bezirk] Frankfurt/Oder: »Es hat gar keinen Zweck, Unterschriften zu sammeln, wir haben ja doch den ›Erfolg‹ bei der Rettung des Ehepaares Rosenberg8 miterlebt.«
Arbeiter der Kalk- und Zementwerke Rüdersdorf,9 [Bezirk] Frankfurt/Oder: »Man muss im Osten und Westen eine freie Wahl durchführen und daraus eine gesamtdeutsche Regierung bilden.«
Produktionsschwierigkeiten: treten etwas stärker als bisher in Erscheinung. In den Betrieben entstehen teilweise Produktionsstörungen, die sich auf die Erfüllung des Planes auswirken und die Stimmung der Arbeiter und Angestellten negativ beeinflussen. Die Ursachen dieser Produktionsschwierigkeiten sind verschiedener Art (Fehlen der Produktionspläne und Aufträge sowie Mangel an Rohstoffen und Kohlen). Dazu einige Beispiele:
Das Funkwerk Dabendorf, [Bezirk] Potsdam, hat noch keinen Produktionsplan von der Hauptverwaltung erhalten, dadurch konnte die Produktion 1954 noch nicht anlaufen.
Im Bekleidungswerk Bergen, Kreis Auerbach, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, liegen für 1954 noch keine Aufträge vor. Unter den Arbeitern besteht eine Missstimmung, da sie nicht mehr im Leistungslohn arbeiten können. Dieses findet seine Auswirkungen in der gesellschaftlichen Arbeit.
Das Eisenhüttenkombinat »J. W. Stalin« konnte infolge Erz- und Kohlemangels die letzten zwei Tage den Produktionsplan nicht erfüllen. Die sich mehrenden Zustände wirken sich negativ auf die Stimmung der Arbeiter aus.
Im VEB Textilveredlungswerk Weida, [Bezirk] Gera, besteht großer Rohstoffmangel. Die Abteilung Druckerei musste bereits stillgelegt werden.10 Die Arbeiter äußern, dass auf der einen Seite die Hockauf-Bewegung11 angeregt wird und es auf der anderen Seite an Rohstoffen fehlt. Auch im VEB Textilwerk Wedru Bärenstein, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, bestehen seit November 1953 Materialschwierigkeiten. Dadurch wird die Entfaltung der Hockauf-Bewegung gehemmt. Ein Arbeiter kann jetzt nur noch zwei bis drei Webstühle bedienen, während es früher vier bis fünf waren.
Im VEB Wema Zeulenroda, [Bezirk] Gera, bestehen Materialschwierigkeiten. Man äußert dazu, dass man Anfang des Jahres mit Nebenarbeiten beschäftigt wird, während man dann am Ende des Jahres Überstunden machen muss, um den Plan zu erfüllen.
Im VEB Eilenburger Celluloid-Werk, [Bezirk] Leipzig, traten seit der Übernahme als SAG-Betrieb12 bereits neun Betriebsstörungen auf, die zu erheblichen Planrückständen führten. So müsste der Plan bis 5.1.1954 zu 20,8 Prozent erfüllt sein, wurde aber nur mit 7,5 Prozent erfüllt. Ursache liegt an mangelnder Kohlenzufuhr vom Kohlenplatz zum Kraftwerk.
Seit dem 12.1.1954 musste das Kraftwerk des Elektrochemischen Kombinats Bitterfeld, [Bezirk] Halle, seine Stromlieferungen infolge Kohlenmangel zurückschalten. Dadurch steht der Grafit-Betrieb (wichtiger Betrieb des Kombinats) zzt. still.
Auch im VEB Nagema Schmiedeberg,13 [Bezirk] Dresden, sind Produktionsschwierigkeiten durch Kohlenmangel vorhanden. Tritt keine Änderung ein, so muss in der nächsten Woche die Gießerei die Produktion einstellen.
Schlechte Stimmung aufgrund der Reorganisation besteht bei den Arbeitern der Bau-Union Stalinstadt, [Bezirk] Frankfurt/Oder.14 Die Arbeiter befürchten im Allgemeinen, dass sie dadurch ihre Arbeitsstelle verlieren. Die durchzuführenden kurzen Umbesetzungen werden von den Arbeitern nicht gebilligt und haben zu einer Unlust in der Arbeit geführt. Dazu äußerte ein Bauarbeiter: »Man muss mal mit der Bahn fahren, da kann man die schlechte Stimmung unter den Arbeitern am besten feststellen.« Ein anderer Bauarbeiter äußerte: »Der 2. ›Tag X‹15 schleicht herum, es braucht nur noch ein Funke hereinzufliegen und dann geht das Pulverfass hoch.16 Die hier sind doch pleite und spielen nur mit versteckten Karten. Sehen wir in die Zeitungen, da steht von Entlassungen und Streiks im Westen, aber was hier bei uns los ist, darüber spricht keiner.«
Landwirtschaft
Auch in der Landwirtschaft wird rege über die bevorstehende Außenministerkonferenz diskutiert. Am meisten treten positive Diskussionen (die gesamt gesehen in der Mehrzahl sind) bei dem fortschrittlichsten Teil der Landbevölkerung in LPG, MTS und dergleichen in Erscheinung. So äußerte sich z. B. der Vorsitzende der LPG Lüdersdorf, [Bezirk] Frankfurt/Oder: »Mit großer Hoffnung und Erwartung schauen wir auf die Viermächtekonferenz, da [von dieser] für uns die ganze Zukunft abhängt.« Ein Traktorist der MTS Moisall, [Bezirk] Schwerin: »Der Friedenswille der SU ist unerschütterlich. Wir erhoffen von der bevorstehenden Konferenz, dass sie ein Schritt zur Entspannung der Weltlage ist.«
Neben solchen und anderen hoffnungsvollen Stimmen gibt es eine ganze Reihe zweifelnde Meinungsäußerungen (Hauptargument wie unter Bevölkerung berichtet) und teilweise solche, die ein passives Verhalten zum Ausdruck bringen. Ein Landarbeiter vom VEG Voigthagen,17 [Bezirk] Rostock: »Ich glaube nicht, dass die Konferenz so auslaufen wird, wie wir es uns wünschen, da die ehemaligen Gutsbesitzer und alle, die wir aus der DDR vertrieben haben, mit allen Mitteln versuchen, die Konferenz zum Scheitern zu bringen.« Ein Siedler aus Alt Tucheband, [Bezirk] Frankfurt/Oder: »Von der Konferenz halte ich so und so nichts, mir ist auch egal wer an die Regierung kommt. Die Hauptsache ist, man lässt mich in Ruhe und so wirtschaften wie ich will.«
Zur Forderung, Teilnahme deutscher Vertreter, werden die Unterschriften meist bereitwillig gegeben. Teilweise werden diese jedoch vorwiegend von Großbauern und Pfarrern abgelehnt. Diese Kräfte sind es auch, von welchen meist negative bzw. feindliche Diskussionen geführt werden.
Im Kreis Freiberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, wird von Großbauern und anderen –bürgerlichen – Elementen teilweise sehr stark negativ diskutiert. So ist sehr stark die Meinung vertreten, dass Handwerker, Großbauern usw. eines Tages sowieso liquidiert werden. Als besonders negative Elemente treten ein Landpfarrer und ein Tierarzt in Erscheinung.
Die Finanzlage der LPG Mistorf, [Bezirk] Schwerin (Finanzplan mit 80 000 DM überspannt) gibt Großbauern die Möglichkeit, ihren Einfluss auf die LPG-Mitglieder auszuüben und die Auffassung der »freien Wirtschaft« zu propagieren. Die Verbindungen der Großbauern zur LPG sind so, dass sie über alle Geschehnisse orientiert sind.
Stimmung der übrigen Bevölkerung
Viermächtekonferenz: Wie aus vorliegendem Material ersichtlich ist, wird die bevorstehende Viermächtekonferenz allgemein mit einer gewissen Spannung erwartet. In den Meinungsäußerungen wird immer wieder die Hoffnung auf erfolgreichen Verlauf der Konferenz und Entspannung der gegenwärtigen Lage zum Ausdruck gebracht, nur wenige Menschen äußern Gleichgültigkeit. So sagte z. B. eine Hausfrau aus Niederrödern,18 [Bezirk] Dresden: »Ich kümmere mich sonst nicht um Politik, doch die bevorstehende Viererkonferenz verfolge ich mit Interesse. Ich will hoffen, dass dort etwas Gutes für uns herauskommt. Man ist schließlich auch daran interessiert, dass es keinen Krieg wiedergibt.«
Neben solchen Stimmen, die aus allen Schichten der Bevölkerung am stärksten in Erscheinung treten, gibt es eine ganze Reihe Diskussionen, in welchen die ständigen Bemühungen der SU, teilweise die Kraft des Weltfriedenslagers, hervorgehoben werden. Hier handelt es sich meist um fortschrittlich eingestellte Personen sowie Mitglieder unserer Partei oder anderer demokratischer Parteien und Massenorganisationen. Dafür ein Beispiel: Ein Angestellter aus Leipzig (SED): »Ich vertraue auf die sowjetischen Freunde und hoffe, dass in Berlin endgültig Klarheit geschaffen wird. Ich sehe in der Kraft der Arbeiterklasse die Zukunft.«
Ein nicht geringer Teil der Bevölkerung äußert Zweifel an einer Einigung der vier Großmächte. Die Argumente sind hier unterschiedlich. Als Hauptpunkte treten in Erscheinung: »Es wurden schon sehr viele Konferenzen ohne Ergebnis durchgeführt.19 – Die Gegensätze der beiden Lager sind zu groß, um sich einigen zu können. – Der Amerikaner hat kein Interesse für den Frieden.« So äußerte z. B. ein Angestellter vom Fernmeldeamt Schwerin: »Ich habe wenig Hoffnung auf eine Einigung, da die Meinungen Ost und West zu stark voneinander abweichen.« Solche und ähnliche Beispiele wurden aus allen Schichten der Bevölkerung bekannt.
Diskussionen mit der Forderung, Teilnahme deutscher Vertreter aus Ost und West, wurden gleichfalls meist von fortschrittlichen Kräften bekannt. Die Unterschrift zu dieser Forderung wird aber von der großen Mehrheit der Bevölkerung einschließlich Landbevölkerung bereitwillig gegeben.
Bekannt gewordene Beispiele zeigen, dass die Unterschrift von einem geringen Teil, vorwiegend aus bürgerlichen und kirchlichen Kreisen sowie ehemaligen Umsiedlern, abgelehnt wird. Aufgrund der unterschiedlichen Argumente erscheint es notwendig, dies an mehreren Beispielen zu zeigen.
In Beiersdorf, [Bezirk] Dresden, verweigert ein großer Teil der CDU-Mitglieder und Kirchenanhänger die Unterschrift. (Negativen Einfluss übt der Vorsitzende der CDU aus.)
In Döbigau20 und Klingenberg, [Bezirk] Dresden, lehnen die Angehörigen der »Zeugen Jehova«21 die Unterschrift ab. Dies tritt auch in anderen Bezirken in Erscheinung.
Der Inhaber einer Drogerie in Herrnhut, [Bezirk] Dresden (ehemals faschistischer Offizier): »Man sollte sich lieber um die Eingesperrten in der Ostzone kümmern.«
Eine Hausfrau aus Finsterwalde, [Bezirk] Cottbus: »Ich gebe meine Unterschrift erst dann, wenn die Ostgebiete wieder uns gehören und ich in meine Heimat zurückkehren kann.«
Im Kreis Schwarzenberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, wurde teilweise die Unterschriftensammlung mit dem Bemerken zurückgewiesen: »Was nützt uns die ganze Politik, wenn wir nicht einmal das einfache Wasser haben (schon länger wird dort über Wasserknappheit diskutiert).«
Die Frau des Organisten der Kirche Greiz: »Für die Kommunisten gebe ich meine Unterschrift nicht.« Ihr Mann brachte zum Ausdruck: »Adenauer22 will den Frieden und drei von den Vieren sind sich auch einig, nur der vierte nicht.«
Bezeichnend ist, dass feindliche Äußerungen und Hetze gegen die DDR und SU offener hervortreten. Auch hier erscheint es notwendig, mehrere Beispiele anzuführen.
Im Grenzort Lauchröden,23 [Bezirk] Erfurt, wird von einem Teil der Bevölkerung diskutiert, dass am 25.1.1954 die Einheit Deutschlands auf westlicher Grundlage hergestellt würde.24
Ein Lehrgangsteilnehmer der Betriebsleiterschule in Wellnitz,25 [Bezirk] Rostock, hetzte in einer Gastwirtschaft gegen unsere demokratischen Einrichtungen und Massenorganisationen. Zur Unterschriftensammlung äußerte er: »Ihr habt Euer Todesurteil unterschrieben.«
Der Verkaufsstellenleiter einer Privatfirma in Görlitz, [Bezirk] Dresden, stürzte, als einige Betriebe zur Kundgebung vorbei marschiert kamen, aus dem Geschäft und schrie: »Das ist ja alles bloß Zauber. Ihr marschiert ja nur auf Befehl.« Weiterhin äußerte er: »Ich bin auch für den Frieden, aber nicht für so einen wie hier.«
Ein Arbeiter aus Magdeburg: »Die im Westen wollen keinen Kommunismus oder Sowjetmethoden einführen, wie es hier im Osten der Fall ist. Hier herrscht nur Knechtschaft.«
Organisierte Feindtätigkeit
Flugblätter wurden verstärkt im Bezirk Halle (7 500) und vereinzelt in den Bezirken Frankfurt/Oder, Cottbus, Potsdam, Karl-Marx-Stadt und Dresden gefunden.
Postwurfsendungen wurden vereinzelt in den Bezirken Cottbus, Potsdam, Leipzig, Dresden und Erfurt gefunden.
Hetzzettel (Maschinenschrift) wurden am 12.1.1954 in verschiedenen Straßenbriefkästen der Post in Erfurt, mit der Forderung zum 25. Januar 1954 »sofortiger Rücktritt der Regierung Grotewohl26 und Genossen« usw. gefunden.
Überfälle: Am 13.1.1954, 4.17 Uhr, wurde der Leiter des Operativstabes des VPKA Nebra, [Bezirk] Halle, innerhalb des Dienstgebäudes von unbekannten Tätern niedergeschlagen.
Vermutlich organisierte Feindtätigkeit
Explosion: Am 13.1.1954, 5.55 Uhr, entstand im VEB Braunkohlenwerk/Brikettfabrik Großkayna, Werk Beuna,27 [Bezirk] Halle, eine Explosion. Das Kühlhaus der Brikettfabrik wurde vollständig zerstört. Weiterhin sind Brandherde sowie erhebliche Zerstörungen im Trockenhaus zu verzeichnen. Sieben Personen wurden schwer, darunter drei lebensgefährlich verletzt, zehn Personen wurden leicht verletzt. Sachschaden und Produktionsausfall sowie Ursache stehen noch nicht fest.28
Produktionsstörung: Am 11.1.1954 gab der Dispatcher der Streichgarnspinnerei Crimmitschau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, die Anweisung, alle Maschinen langsam laufen zu lassen. Diese Anweisung wurde auch durchgeführt.
Gerüchte: In Meißen, [Bezirk] Dresden, wird das Gerücht verbreitet, dass die Besatzungsmacht neues deutsches Geld drucken lässt, welches im Westen nicht angenommen würde. Dies habe als Unterscheidungsmerkmal eine kleine rote Nummer eingedruckt und das Wappen mit der Wertbezeichnung sei etwas größer.
In Stalinstadt, [Bezirk] Frankfurt/Oder, wurde das Gerücht verbreitet, dass Häuser geräumt werden, dass Transporte aus der SU mit Frauen und Kindern kommen. Diese Leute sollen, wenn es mal zu einer Wahl kommt, unter die Wähler gehen, damit ein gutes Wahlergebnis zustande kommt.
Stimmen aus Westberlin
Zur Viererkonferenz: CDU-Mitglied aus Westberlin: »Bei der Konferenz werden nur unwesentliche Dinge besprochen und dann wird die Konferenz auf längere Zeit vertagt, inzwischen wird ein großer Aufstand starten und danach wird der Russe von ganz allein das Feld erstmalig bis zur Oder räumen.«
Von Bewohnern der Westsektoren von Berlin wird verschiedentlich offen geäußert, dass der Aufstand schon fest organisiert sei und der Stahlhelm29 einen entscheidenden Beitrag dabei leisten soll.
Über die S-Bahn: Die Nachtdepesche vom 12.1.1954 berichtet u. a.: »… wenn überdies nicht bald Facharbeiter anstelle der nur politische Qualitäten mitbringenden S-Bahnfunktionäre die wichtigsten Posten besetzen, wird die Verkehrssicherheit der S-Bahn immer mehr abnehmen.«30
Einschätzung der Situation
Bis auf jetzt etwas offener in Erscheinung tretende feindliche Argumente zur Viermächtekonferenz und die etwas stärker festzustellenden Schwierigkeiten beim Anlaufen der Produktion für 1954 ergeben sich keine weiteren Veränderungen in der Lage.