Zur Beurteilung der Situation
13. März 1954
Informationsdienst Nr. 2153 zur Beurteilung der Situation
Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft
Industrie und Verkehr
Im Mittelpunkt der Diskussionen stehen weiterhin betriebliche Fragen. Ein größerer Teil der Werktätigen diskutiert über die beabsichtigte Einführung der Wehrpflicht in Westdeutschland.1 Die Mehrzahl, besonders Arbeiter und Jugendliche, spricht sich gegen die Einführung der Wehrpflicht in Westdeutschland aus. Sie erkennen, dass dadurch die Gefahr eines neuen Krieges erhöht wird und sie jedoch nicht »ihr Leben auf den Schlachtfeldern lassen wollen«. Ein großer Teil der Kollegen der Kontrollabteilung des VEB ABUS Schmalkalden,2 [Bezirk] Suhl, lehnt den EVG-Vertrag3 und die Einführung der Wehrpflicht ab, da dies ein Schandvertrag und ein Werkzeug zur Vorbereitung eines neuen Weltkrieges ist. Ein neuer Weltkrieg würde jedoch unermessliches Elend und Leid für die Völker Europas bringen.
Ein Teil der Werktätigen äußert, dass die Regierung der DDR jetzt ebenfalls Gegenmaßnahmen ergreifen wird. Diese Stimmen haben etwas zugenommen. Verschiedentlich wird auch die Meinung vertreten, dass die Regierung jetzt die VP verstärken muss, um einen genügenden Schutz unserer Republik zu schaffen. So äußerten eine Anzahl Arbeiter der Baustelle Wünsdorf, [Bezirk] Potsdam: »Nachdem das Wehrgesetz in Westdeutschland eingeführt wurde, wird es nicht mehr lange dauern, dann haben wir ebenfalls ein Wehrgesetz.«
Ein weiterer Teil, besonders Angestellte und Intelligenz, verhält sich abwartend und gleichgültig zu politischen Problemen. Ein Teil der Arbeiter im Eisenhüttenkombinat »J. W. Stalin« bringt zum Ausdruck, dass alle politischen Aktionen für die deutsche Einheit und den Frieden nichts nützen, wenn der Ami nicht will. »Sie sollen uns damit in Ruhe lassen.«
Ein kleinerer Teil der Werktätigen äußert sich in negativer bzw. feindlicher Form, wobei besonders der Einfluss der westlichen Propaganda zum Ausdruck kommt. Inhalt: meist Hetze gegen SU und DDR, Forderung nach »freien Wahlen«, Revidierung der Oder-Neiße-Grenze, Vergleiche zwischen der Wehrpflicht in Westdeutschland und der KVP4 u. Ä.
Ein Arbeiter vom VEB Stahlbau Niesky, [Bezirk] Dresden: »Ihr könnt mir nichts erzählen, der Russe schleppt genausoviel raus wie der Ami und es wird auch niemand glauben, dass uns der Russe beim Aufbau hilft.«
Ein Arbeiter aus Stöckey, [Bezirk] Erfurt: »Unsere Regierung hat nichts für das werktätige Volk übrig, denn nach neun Jahren gibt es immer noch Lebensmittelkarten. Es würde uns ja besser gehen, wenn Molotow5 nicht versucht hätte die russische Politik auf der Berliner Konferenz durchzusetzen.6 Russland ist schuld, dass wir noch gespalten sind.«
Ein Arbeiter (parteilos) vom VEG Görlsdorf, [Bezirk] Cottbus: »In unseren Versammlungen darf man nicht viel sagen, sonst kommt die grüne Minna vorgefahren und holt einen gleich ab,7 dann sitzt man hinter Gittern im Paradies.«
Im VEB Möbelbeschläge Luckenwalde, [Bezirk] Potsdam, wird von verschiedenen Kollegen die Oder-Neiße-Grenze nicht anerkannt. Ebenfalls negativ über die Oder-Neiße-Grenze wird von einigen Kollegen im VEB Waggonbau LOWA und im VEB Stahlbau Niesky, [Bezirk] Dresden, gesprochen.
Ein Arbeiter vom VEB Zellstoff Trebsen, [Bezirk] Leipzig: »Die Söldnerarmee und unsere VP ist das Gleiche. In Westdeutschland leben die Arbeiter ebenfalls besser als bei uns, wir müssen abwarten.«
Zu Ehren des IV. Parteitages der SED8 werden von einem Teil der Arbeiter Kollektiv- und Einzelverpflichtungen übernommen. Ein größerer Teil der Arbeiter erwartet vom Parteitag Vorschläge zur Verbesserung des wirtschaftlichen Lebens und hofft besonders auf eine Preissenkung und den Wegfall der Lebensmittelkarten. Negative Elemente benutzen dies, um Gerüchte über den Wegfall der Lebensmittelkarten in Umlauf zu setzen.
Im VEB Armaturenwerk »Karl Marx« Magdeburg baten 54 Jugendliche um Aufnahme als Kandidat der SED. Im VEB Schwermaschinenbau »Karl Liebknecht« Magdeburg wurden Verpflichtungen über Leistung von 2 400 Aufbaustunden und 140 Sparverträge für den Aufbau der Stadt übernommen.
Die Gesteinsbrigade Lebig (alle parteilos) vom »Karl-Liebknecht«-Werk Oelsnitz, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, verpflichtete sich, die Gesteinsauffahrung von 60 auf 80 m zu erhöhen.
Ein Arbeiter vom Elektrostahlgusswerk Leipzig: »Im Juni dieses Jahres fallen die Lebensmittelkarten weg und es soll eine andere Preisregelung kommen. Die Preise werden dann höher sein und Rentner können sich wohl kaum noch Butter kaufen.«
Produktionsschwierigkeiten wurden aus einzelnen Betrieben bekannt. Ursachen sind: Material-, Ersatzteil-, Auftrags- und Kohlemangel sowie schlechtes Material. Diese Störungen führen zum Teil zu Verdienstausfall bei den Arbeitern, welche wiederum die Stimmung negativ beeinflusst.
Materialmangel besteht: Im VEB Kinderwagenwerk Zeitz, [Bezirk] Halle, im VEB Mifa-Werk Sangerhausen,9 [Bezirk] Halle, im VEB Lederwaren Lengenfeld, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, im VEB Halbmond Teppichfabrik Oelsnitz, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, und im Bauhof Pritzwalk, [Bezirk] Potsdam.
Ersatzteile fehlen: Im Braunkohlenwerk (Abraum) Deuben, [Bezirk] Halle, im Wismut-Schacht 13 Aue und 78 Annaberg,10 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt.
Auftragsmangel besteht bei der Brikettfabrik Beuna, [Bezirk] Halle.
Kohlenmangel besteht in den Fliesenwerken Boizenburg, [Bezirk] Schwerin.
Schlechtes Material erhielt der VEB Bremsenwerk Berlin.
Unzufriedenheit wegen angeblich zu geringem Lohn äußern die Beschäftigten der Güterabfertigung des Bahnhofes Schmalkalden, [Bezirk] Suhl. Ihnen wurde von Funktionären der SED und dem FDGB versprochen, diese Fragen zu regeln. Dies wurde jedoch bis heute noch nicht eingelöst. Desgleichen sind die Küchenfrauen der Kreisbetriebe HO-Gaststätten Gera über die Entlohnung unzufrieden (monatlich 185 DM Durchschnittsverdienst). Dazu müssen sie sonntags und nachts arbeiten. Bis jetzt haben sechs Frauen gekündigt.
Ferienplätze des FDGB: In den Betrieben VEB Kombinat »Otto Grotewohl« Böhlen,11 [Bezirk] Leipzig, VEB »Ernst Thälmann« Magdeburg12 und VEB Jenapharm, [Bezirk] Gera, wird von Arbeitern die zu geringe Zuteilung von Ferienplätzen bemängelt. Die Nachfrage nach Ferienplätzen ist in diesem Jahr größer als im vergangenen.
Zugentgleisung: Am 12.3.1954 entgleisten auf der Strecke Güsten – Calbe, [Bezirk] Magdeburg, 16 mit Kali beladene Wagen durch Achs- und Achsschenkelbruch eines Wagens. Schaden ca. 80 000 DM.
Handel und Versorgung
Täglich wird aus den Bezirken über mangelhafte Warenstreuung, besonders in ländlichen Kreisen, berichtet. Es fehlt besonders an Industriewaren, Textilien, Bettwäsche usw. sowie an Damen- und Herrenkonfektion. Aus Erfurt wird z. B. bekannt, dass besonders in den Grenzkreisen die Stimmung der Bevölkerung dadurch beeinflusst wird. Ein Arbeiter aus Bischofsrode13 sagte: »Schon seit sechs Wochen bemühe ich mich um einen Mantel für meine Frau. Bis heute habe ich noch nichts bekommen. Große Schlangen bilden sich in den Verkaufsstellen, um einige Bekleidungsstücke zu erhaschen. Die verantwortlichen Stellen sollten endlich dafür sorgen, dass der Verkauf von Textilien besser organisiert wird.«
Im Kreis Quedlinburg, [Bezirk] Halle, ist die Versorgung mit Frischfleisch auf Lebensmittelkarten ungenügend.
In der Kreiskonsumgenossenschaft Forst, [Bezirk] Cottbus, wird Beschwerde darüber geführt, dass Gummifußbodenbelag, der sehr gefragt ist, von der DHZ Potsdam nur geliefert wird, wenn andere Artikel z. B. Igelit-Tischdecken, Kulturbeutel usw. mit abgenommen werden. Von derartigen Einkäufen lagern in der Kreiskonsumgenossenschaft schon für ca. 6 200 DM Waren, die keinen Absatz finden.
Landwirtschaft
Zur Diskussion über politische Probleme sind nur vereinzelt von fortschrittlichen Kräften Stimmen bekannt geworden. Zur Wehrgesetzdebatte wird in geringem Umfang, meist positiv, diskutiert. Oft wird die Einführung eines Wehrgesetzes abgelehnt, da man »vom Krieg nichts wissen will«. Nur einzelne negative Stimmen sind bekannt geworden. Ein LPG-Bauer aus Bergholz, [Bezirk] Neubrandenburg: »Jedes Land muss sich schützen, so auch Westdeutschland.« Einige Jugendliche aus der MTS Schlagenthin, [Bezirk] Magdeburg: »Wenn wir schon Soldaten werden müssen, dann wollen wir rüber nach dem Westen gehen und es dort werden.«
Wirtschaftliche Fragen stehen im Mittelpunkt des Interesses der Landbevölkerung. Dabei wird über die Frühjahrsbestellung und die Mängel an Saatgut, die Unzufriedenheit unter den Bauern auslösen, am meisten diskutiert. Saatkartoffeln fehlen für die LPG im Kreis Rathenow, [Bezirk] Potsdam (ca. 4 500 dz). In der Groß-LPG Lohmen, [Bezirk] Schwerin (200 dz sind erfroren). Im örtlichen landwirtschaftlichen Betrieb Rubow14 [Kreis] Schwerin (über 50 Prozent sind erfroren).
In fast allen Kreisen des Bezirkes Magdeburg werden Beschwerden über Mangel an Dünge- und Futtermitteln geführt. Ein Bürgermeister aus Zollchow erklärte hierzu: »Was nützen die Kampfpläne, wenn kein Dünger vorhanden ist. Wir haben Pflichten und verlangen auch unser Recht.«
Verschiedene Bauern des Kreises Hagenow, [Bezirk] Schwerin, erklären, dass der Viehhalteplan zu hoch sei, da oft die Futtergrundlage nicht gesichert ist. In diesem Zusammenhang wird bemängelt, dass Klee und ähnliche Saaten für den Zwischenfruchtanbau fehlen.
In der Gemeinde Groß Thurow, [Bezirk] Schwerin (500 m Sperrzone), ist die Bevölkerung unzufrieden, dass keine kulturellen oder ähnlichen Veranstaltungen stattfinden. Von der Grenzkommandantur der KVP ist dies verboten worden.15
Im Kreis Lübben, [Bezirk] Cottbus, sind die Bauern sehr empört, weil der Rat des Kreises an futterarme Landwirtschaften Berechtigungsscheine für Kleie verteilt hat, obwohl die BHG in Goyatz keine Futtermittel besitzt.
Über die Wühltätigkeit der Großbauern wird bekannt, dass sie verschiedentlich offen gegen die DDR und gegen LPG-Bauern hetzen. Ein Großbauer aus Mieste, [Bezirk] Magdeburg, erklärte zu Aufklärern der Nationalen Front:16 »Die Vertreter unserer Regierung habe ich nicht gewählt, die sollen abtreten.«
Ein Pächter aus Serbitz, [Bezirk] Leipzig: »Ich mache die neue Entwicklung auf dem Lande nicht mit. Die Arbeiter lassen sich das nicht gefallen und machten einen 17. Juni [1953]. Wir sind viel zu dumm, wir müssten dasselbe tun.«17
Ein Großbauer aus Frähna,18 [Bezirk] Leipzig, sagte gegenüber Genossenschaftsbauern: »Na, wartet nur, der 17. Juni [1953] ist missglückt. Diesmal kommt er auf dem Lande und das nennen wir den 18. Juni.«
Die Schweinepest hat sich in verschiedenen Gemeinden der Bezirke Schwerin und Potsdam weiter ausgebreitet.
Stimmung der übrigen Bevölkerung
Das Interesse an politischen Tagesfragen ist gering. Über die Wehrgesetzdebatte liegen nur sehr wenig Stimmen vor. Die Diskussionen von Hausfrauen sind überwiegend positiv. Die vereinzelt bekannt gewordenen negativen Stimmen stammen meist von kleinbürgerlichen Elementen. Ein Gewerbetreibender aus Suhl: »Es ist nicht notwendig, so viel vom Wehrgesetz in Westdeutschland zu sprechen, denn wir haben doch auch eine KVP.«
Aufgrund des bevorstehenden IV. Parteitages nehmen die Diskussionen über den Wegfall der Lebensmittelkarten in geringem Maße zu. Es wird damit gerechnet, dass dann eine Angleichung an die HO-Preise erfolgt. Eine Hausfrau aus Zöblitz, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Wenn die Lebensmittelkarten wegfallen und eine Preisangleichung erfolgt, ist uns nicht geholfen, denn die jetzigen markenpflichtigen Waren werden zu Normalpreisen nicht genügend auf den Markt zu bringen sein. Deshalb ist es besser für uns, wenn die Marken bleiben, anstatt, dass diese Waren teurer werden.«
Verstärkt versucht die Kirche unter der Bevölkerung Einfluss zu gewinnen. In Zoppoten, [Kreis] Lobenstein, [Bezirk] Gera, wurde am 8. März [1954] ein Heiliges Abendmahl abgehalten, was sehr gut besucht war. Im Gegensatz zu der Veranstaltung des DFD (fand zu gleicher Zeit statt), wo nur 14 Personen anwesend waren. In Woltersdorf, [Bezirk] Frankfurt/Oder, versucht der Pfarrer die Jugend dadurch zu gewinnen, indem er anschließend an den Religionsunterricht Bastel- und Gesangsstunden durchführen lässt.
Negative bzw. feindliche Stimmen wurden nur vereinzelt bekannt. Sie beinhalten meist Hetze gegen die SU und DDR. In Altgolßen, [Kreis] Luckau, [Bezirk] Cottbus, äußerte ein Lehrer (SED): »Die Menschen werden bei uns bis auf die Knochen ausgesaugt. Die Ausbeutung ist größer als im Kapitalismus. Die Wut der Bevölkerung gegen die Regierung nimmt zu. Im März soll ein neuer 17. [Juni] kommen, der weit gefährlicher sein wird.«
In Stolpen, [Kreis] Sebnitz, [Bezirk] Dresden, wurde in einer Arbeitsgemeinschaft »Junger Pioniere« faschistische Literatur vorgelesen bzw. studiert.
Ein Gastwirt aus Ritzerow, [Kreis] Malchin, [Bezirk] Neubrandenburg: »Wir sollen von den Russen lernen, dabei sind sie 100 Jahre in der Entwicklung zurück.«
Ein Lehrer aus Borna, [Bezirk] Leipzig: »Die USA braucht die vielen Stützpunkte, um sich gegen die wachsenden Kräfte der Weltfriedensbewegung zu verteidigen.«
Organisierte Feindtätigkeit
Hetzschriftenverteilung
KgU:19 Magdeburg 1 000. Inhalt: Hetze gegen die DDR »Sinnvoller Widerstand«.
SPD-Ostbüro:20 Potsdam 570, Karl-Marx-Stadt 50, Neubrandenburg 80. Inhalt: Hetze gegen die SED, DDR und SU »Sozialdemokrat«21 und Stimmzettel.22
CDU-Ostbüro: Potsdam 4 000, Frankfurt/Oder 4 000. Inhalt: Hetze gegen die Viermächtekonferenz, SED, DDR und SU.
Außerdem wurden im Bezirk Potsdam 6 400 Hetzschriften gefunden. Inhalt und von wem herausgegeben nicht bekannt.
Die aufgeführten Hetzschriften wurden durch Ballons oder Flugzeuge eingeschleust und meist gebündelt oder durch Suchkommandos sichergestellt.
Im Bezirk Halle wurden 106 kirchliche Zeitschriften, 34 westliche Illustrierte und Zeitungen und 24 Postsendungen mit antidemokratischem Inhalt sichergestellt.
Vereinzelt wurden Briefe mit Hetzsendungen von den Empfängern bei der VP abgegeben. So z. B. in Rostock, Dresden, Erfurt und Potsdam. Inhalt: Aufklärung über ungestörten Rundfunkempfang, besonders der Westsender UfJ.23
Paketaktion: Aus Potsdam wird berichtet, dass für das Kreisgebiet Königs Wusterhausen vom evangelischen Hilfswerk 700 Berechtigungsscheine für Lebensmittelpakete ausgegeben wurden. Der Superintendent erklärte dazu, dass diese Angelegenheit völlig legal sei und das Einverständnis der Regierung der DDR vorläge.
Gefälschte Anweisungen: Die Redaktion der Bezirkszeitung »Freie Erde« im Bezirk Neubrandenburg erhielt ein gefälschtes Schreiben, in welchem gebeten wird, eine Annonce zu veröffentlichen. Unterschrift: DHZ Metallurgie Rostocker Eisen- und Stahlhandel. In dieser Annonce wird aufgefordert Schrauben und Handwerkzeuge, welche im reichhaltigen Angebot vorhanden sind, in Rostock abzuholen bzw. dass sofort eine Lieferung erfolgen kann.
Versuchte Diversion: Am 12.3.1954 wurde im VEB Inlettweberei Leutersdorf, [Bezirk] Dresden, festgestellt, dass der Kettbaum mit einem scharfen Gegenstand 10 cm lang eingeschnitten war.
Vermutliche Brandstiftung: Am 11.3.1954 brannte in der LPG in Salzmünde,24 [Bezirk] Halle, eine Strohdieme nieder.
Westberlin
Vonseiten der Leitung der Stummpolizei25 wurde festgestellt, dass in den vergangenen zwei Wochen die Propaganda der SED in Westberlin stark angewachsen ist. Im Gegensatz dazu sind die Festnahmen von Personen, die diese illegale Propaganda betreiben, wesentlich gesunken. Als Ursache wird angeführt, dass die uniformierte Polizei schon von Weitem erkenntlich ist und immer zu spät kommt. Die Kripo sei aber zu schwach, um »die Sicherung« der Revierbereiche zu übernehmen. Deshalb werden jetzt Streifen der Stummpolizei in Zivil eingesetzt. Die Revierpolizisten haben die Zivilstreifen zu unterstützen, wenn diese sich durch ihren Dienstausweis zu erkennen geben. Weiterhin wurde bekannt, dass der Rückgang der Festnahmen darauf zurückzuführen sei, dass ein größerer Teil der Revierpolizei die Propaganda gegen den EVG und den Wehrdienst im Stillen begrüßt und deshalb diese illegale Flugblattverteilung duldet. In einem Gespräch äußerte ein Offizier der Stummpolizei: »Da kommt die Straßenreinigung und kehrt Berge von Flugblättern in den Straßen zusammen und unsere Wachtmeister sehen nichts.«
Vor Kurzem wurde eine Anordnung erlassen, die besagt, dass durch zuverlässige Informationen bekannt geworden sei, dass die SED eine zweite Flugblattaktion in den nächsten Tagen vor den Westberliner Betrieben durchführen will. Dafür kämen hauptsächlich die Stunden vor Arbeitsbeginn und zum Feierabend infrage. Die Wachhabenden haben dafür zu sorgen, dass zu den genannten Zeiten vor den Betrieben mindestens eine Doppelstreife vorhanden ist. Die Streifen haben Anweisung, gegen die Flugblattverteiler vor den Betrieben hart und energisch durchzugreifen.
Einschätzung der Situation
Die Lage hat sich gegenüber den Vortagen nicht wesentlich verändert.