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Zur Beurteilung der Situation

8. Juli 1954
Informationsdienst Nr. 2255 zur Beurteilung der Situation

Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft

Industrie und Verkehr

Im Allgemeinen wird über politische Tagesfragen wenig diskutiert. Zur Volksbefragung1 wurden nur noch ganz vereinzelt Stimmen bekannt; diese sind positiv. Darin bringt man zum Ausdruck, dass es unverständlich ist, dass es in der DDR noch Menschen gibt, die für EVG-Vertrag gestimmt haben.2 Ein Arbeiter aus dem VEB AIGA Nährmittel Auerbach, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Ich habe nicht geglaubt, dass so viele Menschen für den EVG-Vertrag stimmen werden. Es gibt eben immer noch einen Teil Menschen, die sich nicht belehren lassen.«

Ganz vereinzelt wurden uns über das Atomkraftwerk in der UdSSR3 Stimmen bekannt, welche positiv sind. Ein Angestellter aus dem VEB Beleuchtungsglaswerke Bischofswerda, [Bezirk] Dresden: »Mit dem 1. Atomkraftwerk in der Sowjetunion ist eine neue Phase in der Technik herangereift. Hier zeigt sich ganz deutlich, dass die Atomenergie nur für friedliche Zwecke in der SU verwendet wird und dem Wohl der Menschen dient, wogegen der Ami versucht, die Atomkraft als Massenvernichtungsmittel zu verwenden.4 Deshalb muss das Verbot der Atomwaffen als Massenvernichtungsmittel noch mehr mit den Menschen diskutiert werden.«

Ein Arbeiter aus der Oberlausitzer Baumwollweberei Neusalza-Spremberg, [Bezirk] Dresden: »Die Inkraftnahme des Atomkraftwerkes in der Sowjetunion ist ein neuer Beweis des Friedenswillens.«

Ein Schlosser aus der Chemischen Fabrik Finow, [Bezirk] Frankfurt/Oder: »So etwas kann Amerika noch nicht aufweisen, was die SU jetzt geleistet hat. Eine solche Zeitungsmeldung kann man nicht aus der Luft greifen. Die Atomgeschütze in Westdeutschland5 können dem deutschen Volk kein Glück bringen, dagegen ist die Atomenergie, für friedliche Zwecke ausgewertet, ein Segen für die ganze Menschheit.«

Ein Arbeiter aus der Zerbster Maschinenfabrik, [Bezirk] Magdeburg: »Man sieht deutlich den Unterschied zwischen Sozialismus und Kapitalismus. Wenn die Atomkraft überall zum Nutzen der Menschheit angewandt würde, dann würden viele schwere Arbeiten wegfallen.«

Über die Fußballweltmeisterschaft wird unter den Werktätigen im geringen Umfange diskutiert.6 Dabei vertritt man die Meinung, dass Presse und Rundfunk in der DDR nicht objektiv geurteilt hätten. Vereinzelt wurden darüber auch negative Stimmen bekannt. Ein parteiloser Arbeiter aus dem VEB Phänomenwerk, [Kreis] Zittau, [Bezirk] Dresden: »Ich freue mich, dass eine deutsche Mannschaft gewonnen hat. Wir wollen ja den gesamtdeutschen Sport. Die Reportagen im Rundfunk haben bei mir ein Gefühl der Missachtung gegen die Ungarn erzeugt. Man kann doch nicht im Rundfunk sagen, Weltklasse und beste Mannschaft, wenn das Endspiel noch nicht entschieden ist.«

Ein Angestellter aus Dippoldiswalde, [Bezirk] Dresden: »Die Sportler sind der Meinung, dass die Weltmeisterschaft im Fußball vom demokratischen Rundfunk nicht objektiv übertragen wurde. Es wurde nur das Glanzstück Ungarn gesehen und nicht die guten Leistungen der anderen gewürdigt.«

Im Omnibus von Aue nach Karl-Marx-Stadt wurde von mehreren Arbeitern wie folgt diskutiert: »Wer in die Zeitung ›Vorwärts‹, den letzten Abschnitt ›10 westdeutsche Fußballspieler‹ hineingesetzt hat, der ist kein Deutscher. Von den Schmierfinken kann man ja nichts anderes erwarten. Die ›Volksstimme‹7 schreibt objektiv und deshalb braucht der ›Vorwärts‹ uns nicht zu sagen, dass die ungarischen Fußballer Weltklasse sind. Dies erkennt ja jeder sportbegeisterte Deutsche an. Aber man muss auch die Leistungen der Deutschen anerkennen.«8

Eine Arbeiterin aus dem VEB Blema Aue, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Vom demokratischen Rundfunk wurde die Siegerehrung nach dem Weltmeisterschaftsspiel Ungarn – Westdeutschland nicht übertragen. Ich habe dann den westdeutschen Sender gehört, welcher diese Siegerehrung brachte. Bei dem Lied ›Deutschland, Deutschland über alles‹ habe ich mich seit 1945 das 1. Mal wieder als Deutsche gefühlt.«

Ein Montagearbeiter vom VEB Uhren- und Maschinenfabrik »Klement Gottwald« in Ruhla, [Bezirk] Erfurt: »Diesen Speckartikel vom ›Vorwärts‹ schicke ich nach dem Westen, damit die Leute erkennen, wie gemein der Meisterschaftskampf Deutschlands herabgewürdigt wird. Solche Berichte tragen nicht dazu bei, das deutsche Gespräch zu fördern.«

Produktionsschwierigkeiten entstanden in einigen Betrieben wegen Materialmangel. Im Landmaschinenwerk Barth, Ribnitz, [Bezirk] Rostock, besteht immer noch ein Mangel an Winkelstahl 50 × 50 × 7. Dadurch können die halbfertigen Düngersteuer nicht fertiggestellt und dadurch die Traktorenzüge nicht angefertigt werden.

Der VEB Thuringia Sonneberg,9 [Bezirk] Suhl, will ein Sozialgebäude errichten und die Gussputzerei erweitern. Für dieses Vorhaben fehlen 6 t bis 8 t Stahl und Feinbleche sowie ca. 100 Festmeter Nadelschnittholz. Die Arbeiter, welche einen großen Teil der Arbeiten in freiwilligen Arbeitseinsätzen geschaffen haben, sind darüber empört, dass sie so wenig Unterstützung erhalten. In diesem Betrieb fehlen weiter verschiedene Sorten von Schrauben, um die Verpflichtung zur Herstellung von Massenbedarfsgütern erfüllen zu können.

Im Nähmaschinenwerk Wittenberge, [Bezirk] Schwerin, fehlt es immer noch an Stab- und Automatenstahl.

Unzufriedenheit herrscht in einigen Betrieben wegen Lohn- und Prämienfragen. Im VEB Kombinat »Otto Grotewohl« in Borna,10 [Bezirk] Leipzig, herrscht Unzufriedenheit unter der Belegschaft über die Prämienzahlung zum »Tag des Bergmannes«.11 Die Arbeiter sind damit nicht einverstanden, dass an diesem Tage Kollegen ausgezeichnet wurden aus der Verwaltung, die praktisch nichts mit dem Bergbau zu tun hätten. Die Meinung der Kumpel ist, dass die Angestellten der Verwaltung keine Prämien erhalten sollen.

Im EKS12 Bandzentrale, [Bezirk] Frankfurt/Oder ist die Nachtzulage bei einigen Arbeitern gestrichen worden. Ein Arbeiter äußerte sich dazu, dass er die Arbeit niederlegen würde, wenn man ihm die Nachtzulage streicht.

Im VEB Keramische Werke Hermsdorf, [Bezirk] Gera, und im VEB Porzellanwerk Kahla, [Bezirk] Gera, wird unter den Kollegen der Abteilung Brennhaus über die Prämienauszahlung diskutiert. In Kahla wird dahingehend diskutiert, dass die versprochene Prämie für die Arbeit in zwei Öfen mit 65 Grad und 68 Grad Hitze nicht gezahlt wurde, und man vertritt die Meinung, dass in Zukunft keine heißen Öfen mehr betreten werden und sich dann eben ein Produktionsausfall von 24 Stunden ergeben würde.

Die Kollegen im Bau G 32 des Buna-Werkes,13 [Bezirk] Halle, sind unzufrieden mit der Bezahlung ihrer Arbeit. Sie sind der Meinung, dass die Einstufung nicht entsprechend der geleisteten Arbeit vorgenommen wurde.

Produktionsstörungen: Seit dem 7.7.1954, 2.45 Uhr, ist die Grube Bergwerk Sollstedt,14 [Bezirk] Erfurt, infolge Kurzschluss oder Erdschluss im Hauptkabel außer Betrieb.

Am 6.7.1954, 11.15 Uhr, trat in der Kraftzentrale des Zellstoff- und Papierwerkes Treben, [Bezirk] Leipzig, ein Kurzschluss auf, der die gesamte Anlage lahmlegte. Schaden ca. 1 500 DM. Vermutliche Ursache: Veralterung an einem der vier Spannungswandler oder Erdschluss.

Im gänzlich überfüllten Doppelzug wurde über die unmenschliche Beförderung der Schichtarbeiter des Leuna-Werkes »Walter Ulbricht« geschimpft. Es wurden Stimmen laut wie: »Seid doch ruhig, das ist der Neue Kurs« (höhnisch).15 Andere Kollegen schimpften über den schlechten Zustand in den Arbeiterzügen. Sie sind nicht damit einverstanden, dass auf der Strecke Merseburg – Schafstädt Viehwagen eingesetzt werden für die Beförderung von Arbeitern. Die Stimmung der Kollegen, die aus dieser Richtung kommen, ist deshalb gespannt.

Handel und Versorgung

Im Bezirk Neubrandenburg wurden vor längerer Zeit verschiedene Konsumverkaufsstellen mit Kühlschränken beliefert, die aber bis heute noch nicht angeschlossen wurden. Dadurch ist in der warmen Jahreszeit die Butter und Wurst in den Verkaufsstellen dem Verderb ausgesetzt.

In den Landgemeinden des Kreises Königs Wusterhausen wird die Bevölkerung vom Konsum in der jetzigen Jahreszeit ungenügend mit den entsprechenden Wurstsorten sowie mit Salzheringen beliefert. (Beim Privathandel sind die Waren erhältlich.)

Der Mangel an billigen Zigaretten besteht weiterhin in den Bezirken Erfurt, Suhl, Karl-Marx-Stadt, Halle, Schwerin und Cottbus.

Im Kreis Parchim, [Bezirk] Schwerin, besteht eine große Nachfrage an Pkw, Motor- und Fahrrädern. Im Bezirk Suhl wird vor allem bei dem Zwecksparen nach Motorrädern gefragt.

Im Kreis Schmalkalden, [Bezirk] Suhl, wirkt sich der Mangel an Auto- und Motorradbereifung sehr schlecht aus, z. B. erhielt die HO Schmalkalden trotz der großen Nachfrage nur einen Motorradreifen.

In der DHZ Gummi Stralsund lagern große Mengen Fahrradbereifung, die sie nicht absetzen können.

Im Bezirk Schwerin sind in der Zeit vom 1.1.1953 bis 31.5.1954 durch verantwortungsloses Arbeiten der zuständigen Stellen insgesamt für 53 718,98 DM Lebensmittel verdorben.

Landwirtschaft

Weiterhin ist zu verzeichnen, dass unter der Landbevölkerung wenig über politische Tagesfragen gesprochen wird. Im Mittelpunkt der wirtschaftlichen Probleme stehen u. a. bei den MTS die Frage der Ersatzteilbeschaffung, bei den LPG verschiedentlich der Mangel an Arbeitskräften und bei den Einzelbauern die verschiedensten Probleme, darunter die Wildschweinplage.

Von den MTS

Ersatzteile fehlen bei der MTS Lübzin, [Bezirk] Schwerin, für vier Schlepper vom Typ RS 15, für Traktoren IFA »Pionier« (Ölabstreifringe), in der MTS Roggendorf, [Bezirk] Schwerin, für RS 30 und RS 15 (Kurbelwellen). In der MTS Lüssow, [Bezirk] Rostock, fehlen Bereifung, für die Traktoren IFA »Pionier«, einige sind schon ausgefallen. (Eine Nachfrage ergab, dass die Produktionsbetriebe den Bedarf an Reifen nicht bewältigen können.)16

Durch den Arbeitskräftemangel ist im VEG Großschweidnitz,17 [Bezirk] Dresden, die rechtzeitige Einbringung der Ernte nicht gewährleistet. Da es bei verschiedenen LPG der Kreise Lobenstein und Jena, [Bezirk] Gera, an der nötigen Patenschaftshilfe fehlt, kommt dadurch die Hackfruchtpflege in Verzug.

Dem Vorsitzenden der LPG Tücheln,18 [Bezirk] Potsdam, wurde vom Rat des Kreises zugesichert, dass sie für einen Einsatz am 2.7.1954 20 Personen zur Unterstützung erhalten sollten. Es wurden von der LPG die nötigen Vorbereitungen dazu getroffen, aber die 20 Personen trafen nicht ein. Darüber sind die Mitglieder verärgert und diskutieren, dass der Rat des Kreises nur Versprechungen macht und diese nicht einhält.19

Im Kreis Aschersleben, [Bezirk] Halle, wurde in vielen Versammlungen der vergangenen Woche kritisiert, dass die Planstellen für die Wächter in den Gemeinden entweder ganz gestrichen oder so umbesetzt wurden (mit Schwerbeschädigten), dass die notwendige Sicherung der VEG, MTS und LPG nicht gewährleistet ist. Es wurde zum Ausdruck gebracht, dass dieser Zustand unverantwortlich ist.20

Durch den Mangel an Baumaterialien gehen im Kreis Sonneberg, [Bezirk] Suhl, die Neubauten der LPG nur sehr schleppend voran.

Aus dem Kreis Jena wird über eine große Begeisterung der zurückgekehrten Besucher von der Gartenbauausstellung in Markkleeberg berichtet.21 Verschiedentlich wird von den Bauern bedauert, dass die dort ausgestellten Maschinen und Geräte nicht gleich bestellt werden konnten. Dazu äußerte der Vorsitzende der LPG Milde:22 »Leider wurden keine Bestellungen für Maschinen oder Geräte angenommen. Wir wurden aufgefordert, uns an die zuständigen BHG zu wenden. Denen haben wir aber schon vor längerer Zeit Aufträge erteilt, die nicht realisiert wurden.«23

In der Gemeinde Roggendorf, [Bezirk] Rostock,24 lagern seit 14 Tagen 5 000 Eier, die von den Bauern abgeliefert wurden. Dazu äußerte ein Bauer: »Von uns verlangt man, dass wir die Eier vorfristig abliefern sollen, aber wenn wir sie abgeliefert haben, dann verfaulen sie bei der Annahmestelle.«

Im Kreis Riesa, [Bezirk] Dresden, lehnen die Bauern die geplante Vergrößerung des Viehbestandes ab, mit der Begründung, dass es ihnen an Rohfutter fehlt. Der Rat des Bezirkes wurde deshalb gebeten, die Möglichkeit zu schaffen, mit einem Kreis, der über genügend Rohfutter verfügt, andere Futtermittel auszutauschen. Dieser Vorschlag wurde abgelehnt mit der Begründung, dass im Kreis Riesa genügend Rohfutter vorhanden sei.

Über die Wildschweinplage wird von den Bauern des Kreises Bad Salzungen, [Bezirk] Suhl, geklagt und dahingehend diskutiert, dass von den zuständigen Stellen nicht genügend dagegen unternommen wird.

Übrige Bevölkerung

Die Diskussionen unter der übrigen Bevölkerung befassen sich hauptsächlich mit wirtschaftlichen Fragen. Vereinzelt wurden noch Stimmen zur Volksbefragung bekannt, die teilweise positiv und teilweise negativ sind. Dazu folgende charakteristische Beispiele:

Ein Einwohner aus Zehdenick, Kreis Gransee, [Bezirk] Potsdam: »Es ist mir unverständlich, dass so viele ihre Stimme für die EVG abgaben. Wiederum ist es mir aber verständlich, denn in diesem Wahlbezirk wohnen die meisten Geschäftsleute, Zahnärzte, sonstige Ärzte und Hausbesitzer, die sich noch nicht damit abfinden können, dass wir eine neue Gesellschaftsordnung aufbauen.«

Ein Stadtrat aus Hohenstein-Ernstthal, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt (Mitglied der LDPD): »Wo man zur Volksbefragung hinschaute, sah man nur Gesichter von der SED und die Vertreter der anderen Parteien fehlten. So kann man keine Blockpolitik betreiben und wir müssen dafür Sorge tragen, dass bei der Volkswahl im Oktober25 eine andere Einteilung vonstatten geht. Wir müssen unbedingt mehr Einsicht als bisher erhalten.«

Verschiedentlich wurde die Rundfunkreportage von den Kämpfen um die Fußballweltmeisterschaft parteiisch für die ungarische Mannschaft hingestellt. Von feindlichen Elementen wird dies für hetzerische Diskussionen ausgenutzt. Der Sohn eines Gastwirtes aus Stadtroda, [Bezirk] Gera: »Der Reporter Wolfgang Hempel26 braucht nicht wieder in seinen Heimatort zurückzukommen, da er dort erschlagen wird, da er parteiisch berichtet hat.« Ein Färbereibesitzer aus Oberlungwitz, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Von den Ungarn kann man auch nicht mehr verlangen. Die können zwar zur Not Paprikaschoten kauen, aber beim Fußball können sie von den Deutschen noch etwas lernen.«

In einigen Bezirken besteht aufgrund schlechter Kartoffelversorgung Verärgerung unter der Bevölkerung, besonders unter den Hausfrauen. So müssen z. B. in mehreren Orten des Bezirkes Rostock die Hausfrauen stundenlang nach Kartoffeln anstehen, wenn es überhaupt welche gibt. Von vielen Hausfrauen aus Berlin wird beanstandet, dass es keine Kartoffeln gibt und sie meistens ihre Einkellerungskartoffeln aufgekauft haben. Einige Hausfrauen brachten zum Ausdruck, dass es im vorigen Jahr um diese Zeit neue Kartoffeln gab und sie nicht verstehen können, weshalb keine eingeführt werden.

Vielfach werden von Hausfrauen die Preise für Obst und Gemüse beanstandet und als zu hoch bezeichnet. Dazu folgende Beispiele:

Unter vielen Hausfrauen im Kreis Ilmenau, [Bezirk] Suhl, herrscht eine schlechte Stimmung über die hohen Preise für Blumen- und Weißkohl. In den Diskussionen wird die Meinung vertreten, dass genügend vorhanden sei, es deshalb billiger verkauft werden soll.

Einige Hausfrauen aus Grimma, [Bezirk] Leipzig: »Heute ist es entschieden schlechter mit den Waren als nach dem 17. Juni 1953. Die Preise steigen wieder langsam an und vor allem sind die Preise für Obst und Gemüse viel zu hoch.«

Feindliche Äußerungen, die aus Kreisen der Pfarrer stammen. Die Frau des evangelischen Pfarrers in Lippersdorf, [Bezirk] Gera, sagte in einer Religionsstunde zu einem Jungen Pionier, der ein blaues Halstuch trug: »Anständige Mädchen tragen in der Unterrichtsstunde nicht das Pionierhalstuch.« Die Frau eines Pfarrers aus Großpostwitz, [Bezirk] Dresden, äußerte gegenüber Konfirmanden: »Wer seinen Konfirmandenschein haben will, muss in die ›Junge Gemeinde‹ eintreten.« Diese Äußerung hatte zur Folge, dass sich viele Schulentlassene bei der Jungen Gemeinde anmeldeten.

Organisierte Feindtätigkeit

Hetzschriftenverteilung

SPD-Ostbüro:27 Rostock 12, Erfurt 12, Wismutgebiet28 20, Potsdam 4 000, Dresden 36, Karl-Marx-Stadt 810.

FDP-Ostbüro: Neubrandenburg 4 500, Suhl 110, Halle 9.

KgU:29 Frankfurt 900, Schwerin 2 000.

NTS:30 Potsdam 50, Dresden 14.

In tschechischer Sprache: Dresden 47.

Die Hetzschriften wurden in den meisten Fällen sichergestellt und gelangten nicht in die Hände der Bevölkerung.

Diversion: Im Kreis Gransee, [Bezirk] Potsdam, wurden auf einer Baustelle der Bau-Union große Mauersteinstücke in die Einfüllstelle der Putzmaschine gestopft, in einen Schlauch wurde Kies gefüllt und vor einigen Tagen wurde bereits ein Förderband unbrauchbar gemacht.

Antidemokratische Tätigkeit: In der Margarethenhütte Großdubrau, Kreis Bautzen, [Bezirk] Dresden, wurde in eine neueingesetzte Abdeckplatte am Rundofen ein Hakenkreuz eingearbeitet.

In Dresden wurden die in den Straßenbahnwagen hängenden Werbeplakate betreffs Einstellung von Arbeitskräften wiederholt mit der Forderung »Dann müsst ihr andere Löhne zahlen« überschmiert.

In Schönebeck, [Bezirk] Magdeburg, treffen sich mehrfach Jugendliche, westlich gekleidet, und treiben Propaganda für den Westen, um Jugendliche nach dort zu locken. Die Angaben wurden von einem Bürger gemacht, dessen Sohn mit seinem Freund aufgrund dieser Beeinflussung nach dem Westen ging.

Vermutliche Feindtätigkeit

Vor der Toreinfahrt der MTS Klöcken, Kreis Jessen, [Bezirk] Cottbus, wurden Pappnägel mit der Spitze nach oben ausgelegt, um Reifenschäden herbeizuführen.31

Im VEG Freienbessingen, Kreis Sonderhausen, [Bezirk] Erfurt, wurden in eine Ansauggrube der Biogasanlage 30 Steine geworfen. Die Anlage dient zur Gewinnung von Gas aus Mist. Größerer Schaden konnte durch das Auffinden der Steine verhindert werden.32

Nachtrag zur Industrie: Im VEB Roßhaarbetrieb Coswig, Kreis Meißen, [Bezirk] Dresden, sind am 6.7.1954 75 Prozent der Belegschaft an Durchfall erkrankt. Die Untersuchung ergab, dass das Fleisch bereits am 5.7.[1954] im Konsum gekauft und ebenfalls am gleichen Tage angebraten wurde. Sieben Kolleginnen blieben der Arbeit fern.

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