Zur Beurteilung der Situation
26. Mai 1954
Informationsdienst Nr. 2218 zur Beurteilung der Situation
Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft
Industrie und Verkehr
Das Interesse an der Genfer Konferenz hat weiterhin nachgelassen,1 sodass nur ganz vereinzelt Stimmen bekannt wurden, die sich in dem an den Vortagen aufgeführten Rahmen bewegen. Vereinzelt wurden Stimmen über den 17. Juni [1953] bekannt. Ein Genosse vom Betriebsfunk des Teerverarbeitungswerkes in Rositz, [Kreis] Altenburg, [Bezirk] Leipzig, äußerte: »Die Versammlungen und Sitzungen der Partei und der Massenorganisationen überschneiden sich so, dass man gar nicht weiß, wo man zuerst hingehen soll. Heute sind wir bereits wieder so weit wie am 17.6.1953.«
Ein anderer Arbeiter eines Leipziger Betriebes äußerte: »Bei uns kann keiner gegen die Regierung sprechen. Solche gehen gleich ab und werden nicht gerade sanft behandelt. Drüben (Westen) ist Demokratie und da müssen die KPDler schon viel gesagt haben, denn so schnell wird niemand verhaftet werden. Bei uns soll mal einer sagen: Fort mit Pieck2 und her mit Adenauer!3 Es ist nur möglich, wenn alle die Arbeit niederlegen und einen Generalstreik durchführen. Dann können sie auch keinen abholen, denn alle können sie ja doch nicht einsperren. Wenn am 17.6.[1953] alle die Arbeit niedergelegt hätten, wäre bestimmt mehr erreicht worden. In diesem Jahre wird der 17.6. in Westdeutschland sogar als Gedenktag gefeiert.«4
Ein Arbeiter vom VEB Bau-Rostock (Parteizugehörigkeit nicht festgestellt), sagte: »Schade, dass der 17. Juni [1953] nicht geklappt hat. Dafür wird beim nächsten Mal aber umso mehr Blut fließen.«
Über mangelhafte HO-Fleischbelieferung wird des Öfteren Missfallen geäußert. So sagte ein Meister aus dem Stahlwerk Riesa, [Bezirk] Dresden: »Wir bekommen wahrscheinlich deshalb wieder so wenig Fleisch, weil man so viel in Berlin braucht.« Ein Arbeiter aus dem gleichen Betrieb: »Ich bin jetzt in der ganzen Stadt herumgelaufen und nirgends bekam ich das Fleisch, was ich haben wollte. Bei uns geht es wieder abwärts.« Ähnliche Diskussionen werden auch in anderen Betrieben des Bezirkes Dresden und im Bezirk Gera geführt.
Betriebliche Fragen
Wie am Vortag berichtet, sind durch Verhaftungen einiger Schädlinge im Kunstseidenwerk Premnitz, [Bezirk] Potsdam, die Intelligenzler beunruhigt. Diese Stimmung hat sich auch auf verschiedene Meister und Arbeiter ausgebreitet. So äußerten verschiedene Meister und Arbeiter im Kraftwerk, die an Turbinen oder anderen Aggregaten arbeiten, dass sie Angst haben, sie könnten etwas falsch machen und dann gleich verhaftet werden.
Unter den Arbeitern der Hochofenanlagen des Eisenhüttenkombinates »J. W. Stalin« besteht eine schlechte Stimmung, da das Produktionssoll nicht erfüllt wird. Die genauen Ursachen sind noch nicht festgestellt. Jedoch gibt es verschiedene Mängel in der Arbeitsorganisation. So ließ z. B. der Hochofenchef den Hochofen III anhalten, wodurch sämtliche Formen zuliefen und der Stillstand des Ofens sich erheblich vergrößerte. Auch wurden Mölleränderungen (Zusammensetzung Erz, Koks, Kalk) vorgenommen und dann widerrufen.
In der Maschinenwerkstatt des Karl-Marx-Werkes Babelsberg,5 [Stadt] Potsdam, besteht eine schlechte Stimmung. Der Finanzplan ist weit überzogen. Außerdem erhalten teilweise qualifizierte Arbeiter den gleichen Lohn wie unqualifizierte, weil die leitenden Kräfte einen mangelhaften Überblick haben. Oft führen auch Arbeiter und Brigadiere Arbeiten durch, die weniger wichtig sind oder nicht zu ihren Aufgaben gehören, wodurch Terminverzögerungen eintreten bzw. entscheidende Fehler nicht aufgedeckt werden können. Es wird vermutet, dass dieser Zustand bewusst hervorgerufen wird.
Im »Martin-Hoop«-Werk Zwickau bestehen Schwierigkeiten in der Entlohnung, da die Hauptverwaltung Steinkohle in Berlin die benötigten Geldmittel bisher nicht überwiesen hat. Ein Kredit, der bei der Bank in Zwickau aufgenommen wurde, reichte nicht aus. Ein Teil der Kumpels ist darüber sehr verärgert.
Im VEB Kali-Werk »Ernst Thälmann« in Merkers, [Bezirk] Suhl, diskutieren die Kollegen im Kesselhaus über den schlechten Zustand des Hochdruckkessels. Die Rohre sind an manchen Stellen nur noch 1 bis 2 mm stark, wodurch ständig Betriebsstörungen mit großen Schäden eintreten. Ein Hochdruck-Schweißer sagte dazu: »Warum gibt es keine Rohre, man hat sie uns doch von der Hauptverwaltung in Berlin versprochen. Mir kommt es bald so vor, als ob die unsere Arbeit sabotieren wollten. Wenn in nächster Zeit keine Änderung eintritt, können wir uns ein Holzkreuz errichten.«
Der Chefarzt der Poliklinik West in Lauchhammer teilte mit, dass in der Großkokerei in verstärktem Maße Fälle von Berufskrankheiten auftreten, wie Staublunge, Gashautentzündung usw. Er ist der Meinung, dass diese Fälle nicht mehr länger von den Ärzten geheim gehalten werden können. In diesem Zusammenhang wird bekannt, dass innerhalb von drei Tagen zwölf Arbeiter des Betriebes ihre Kündigung einreichten und sich um einen anderen Arbeitsplatz bewarben.
Produktionsschwierigkeiten wurden aus verschiedenen Betrieben, meist wegen Materialmangel, bekannt. Darüber wird im Anhang berichtet.
Produktionsstörung: Am 22.5.[1954] brach im VEB Keramische Werke Hescho-Kahla, Werk II, [Bezirk] Gera, ein Brand aus. Schaden ca. 3 000 DM. Ursache: Funkenflug in den Kohlenbunker.
Missstand bei der Reichsbahn: Auf der Eisenbahnlinie Schwarzenberg – Johanngeorgenstadt, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, sind die Schienen so stark abgenutzt, dass die Betriebssicherheit nicht mehr gewährleistet ist. Die zulässige Abnutzung beträgt ca. 2,8 mm, während die Seitenabnutzung an verschiedenen Stellen bereits 20 bis 22,5 mm aufweist. Die Reichsbahndirektion Dresden hat diesen Zustand bisher nicht verändert.
Handel und Versorgung
Über eine unzureichende Versorgung mit HO-Fleischwaren berichten weiterhin die Bezirke Gera, Suhl, Dresden, Karl-Marx-Stadt einschließlich Wismutgebiet,6 Halle, Neubrandenburg und Potsdam. Darüber werden zahlreiche negative Diskussionen geführt, wie z. B.: »Warum arbeiten wir noch, statt besser, wird es immer schlechter. Man merkt, dass es wieder auf einen neuen 17. Juni [1953] zugeht« (ein Einwohner aus Hüttengrund-Blechhammer, [Bezirk] Suhl).
Verschiedentlich wird in den Bezirken über eine unzureichende Warenbereitstellung geklagt. So z. B. fehlt es im Bezirk Neubrandenburg an genügend Textilien und Schuhwaren. Im Bezirk Rostock (Kreis Putbus) benötigen die Bauern Milchkannen. In den Bezirken Potsdam und Halle besteht eine große Nachfrage nach Kraftfahrzeugen, Motorrädern und Zubehör. (Es werden viele Sparverträge abgeschlossen, jedoch das Kontingent der HO reicht nicht aus.)
In Riesa, [Bezirk] Dresden, lagern seit einigen Tagen 5 000 Wassereimer, die an den Herstellungsbetrieb zurückgehen sollen, weil es in Riesa keinen Industrieladen gibt. (Das Ministerium für Handel und Versorgung und die DHZ sind sich nicht einig, wie der Verkauf vonstattengehen soll.)
In der Berliner Handelszentrale lagern für 775 000 DM Schokoladenerzeugnisse aus dem III. und IV. Quartal 1953. (Es besteht die Gefahr des Verderbens.) Außerdem lagern in der HO noch für 60 000 DM Süß- und Schokoladenwaren, die zum Verkauf für Ostern bestimmt waren. (Die Ware findet wegen zu hoher Preise keinen Absatz.)
In Zittau, [Bezirk] Dresden, sind für insgesamt 2 Millionen [DM] Süßwaren dem Verderb ausgesetzt und im Bezirk Gera lagern 120 t Schokoladenerzeugnisse, die höchstens noch zwei Monate Haltbarkeit haben.
Landwirtschaft
Nach wie vor wird unter der Landbevölkerung wenig zu aktuellen politischen Problemen Stellung genommen, größtenteils nur in den Kreisen des sozialistischen Sektors. Die im geringen Maße bekannt gewordenen Stimmen zur Genfer Konferenz sind meist positiv. Ein Traktorist von der MTS Mark Zwuschen, [Bezirk] Cottbus: »Solange noch Konferenzen sind, ist nichts zu befürchten, wenn diese aber aufhören, dann ist die Gefahr eines Krieges sehr nah.«
Vereinzelt gibt es auch skeptische Meinungen. So z. B. sagte ein Kollege von der gleichen MTS: »Erfolge werden ja auf dieser Konferenz nicht erzielt. Eines Tages ist es doch soweit dass die Wasserstoffbombe fällt und Millionen Menschen sterben müssen. Den amerikanischen Monopolisten geht es um den Profit, da kommt es ihnen auf einige Millionen Tote nicht an.«
Im Mittelpunkt des Interesses stehen wirtschaftliche und persönliche Belange. Schwierigkeiten ergeben sich vorwiegend in der Bereitstellung ausreichender Futtermittel. Im MTS-Bereich Pouch, [Bezirk] Halle, sind Bauern verärgert, weil sie auf ihre Berechtigungsscheine keine Futtermittel erhalten. Dazu äußerte ein Bauer: »Was in unserem Staat nur los ist, die haben wohl gar nichts mehr.«
In dem örtlichen landwirtschaftlichen Betrieb in Sangerhausen,7 [Bezirk] Halle, besteht eine große Futterknappheit. Die Kühe und Pferde werden mit Quecken, fast verfaultem Stroh und dürrem Gras gefüttert. (18 Kühe geben täglich nur noch 20 Liter Milch – drei Pferde verendet, ein weiteres krank.)
Der LPG Hainitz, [Bezirk] Dresden, mangelt es an Stroh und Streumitteln, sodass die Kühe in einem neuen Stall auf dem blanken Zementboden liegen. (Dadurch sind sie ganz entkräftet.)
Im VEG Töpfleben, [Bezirk] Erfurt, wandern zahlreiche Arbeiter in die Industrie ab, mit der Begründung, dort bessere Verdienstmöglichkeiten zu haben.
Im örtlichen landwirtschaftlichen Betrieb in Rottstock, [Bezirk] Potsdam, herrscht eine schlechte Arbeitsorganisation vor. Das liegt an der Wirtschafterin, die es nicht versteht, die Arbeit zu planen. Dadurch entstehen Schwierigkeiten in der Soll-Erfüllung.
Wenn die Großbauern wegen der Soll-Erfüllung angesprochen werden, antworten sie: »Geht erst einmal zu eurem örtlichen landwirtschaftlichen Betrieb. Wenn dieser das Soll erfüllt, werden wir es auch tun.«
Die LPG Trieglitz, [Bezirk] Potsdam, benötigt zur Einhaltung des Viehhalteplanes 150 Schweine. Wenn sie diese nicht bekommt, entsteht ihr ein größerer Geldverlust.
Am 20.5.1954 fand in Merzien, [Bezirk] Halle, eine öffentliche Parteiversammlung statt. Diskutiert wurde unter anderem über Folgendes: Dass die Stickstoffzuteilung zu niedrig sei, dass die erhöhte Anrechnung der Ablieferungsmenge von Frühjahrskartoffeln wegfallen müsste und dafür als Anreiz eine erhöhte Bezahlung erfolgen sollte. Dadurch wurde erreicht, dass die Sorge um die Beschaffung des Frühkartoffelsaatgutes wegfällt. Weiter wurde vorgeschlagen, an Ackerlandbesitzer über 0,5 ha keine Kartoffelkarten auszugeben.
In der Gemeinde Redlin, [Bezirk] Schwerin, fehlt es an einer Konsum-Verkaufsstelle, die Bewohner müssen über 10 km laufen, um ihre Einkäufe zu tätigen. Vom Bürgermeister wurde der Vorschlag der Bevölkerung, eine Konsumverkaufsstelle einzurichten, abgelehnt, mit der Begründung, dass dafür keine Mittel vorhanden wären.
In einigen Kreisen des Bezirkes Erfurt klagt die Landbevölkerung darüber, dass es in den BHG keine Kippdämpfer, Einkochapparate, Emaille-Eimer und noch andere Arbeitsgeräte nicht zu kaufen gibt.
Übrige Bevölkerung
In der Stimmung der Bevölkerung zu den politischen Tagesfragen ist keine wesentliche Veränderung zu verzeichnen. Die Bevölkerung ist nach wie vor nur wenig daran interessiert. Zur Genfer Konferenz wurde nur vereinzelt Stellung genommen. Die Mehrzahl der Stimmen ist positiv und bringt den Wunsch auf die Erhaltung des Friedens und die Beendigung des Krieges in Vietnam zum Ausdruck. Ein parteiloser Angestellter aus Auerbach, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Es ist gut, dass die Konferenz einmal Schritte unternimmt, die der Erhaltung des Friedens dienen. Ich wünsche aus vollem Herzen, dass Beschlüsse gefasst werden, die den Krieg in Vietnam beenden, wo auch die Erde mit deutschem Blut getränkt ist.«
Ein Teil der Bevölkerung, besonders die politisch nicht interessierten Kreise, zweifelt an einem guten Ausgang der Konferenz und behauptet, dass diese Konferenz genauso ergebnislos ausgehen wird, wie all die anderen.
An wirtschaftlichen Fragen ist die Bevölkerung weit mehr interessiert und nimmt in letzter Zeit besonders zu den Mangelerscheinungen Stellung. Im Vordergrund dieser Diskussionen steht der Mangel an HO-Fleischwaren, der teils mit dem Deutschlandtreffen,8 teils aber auch mit dem 17. Juni in Verbindung gebracht wird, wie folgende Beispiele zeigen: Eine Verkäuferin der HO-Fleischerei Thale, [Bezirk] Halle: »Fleisch- und Wurstwaren sind knapp, da sie für das II. Deutschlandtreffen gesammelt werden.«
In einem HO-Fleischwarenladen in Dresden, wo ca. 20 Personen anwesend waren, wurde wie folgt diskutiert: »Wenn nicht bald wieder Fleisch in die HO kommt, dann brauchen die sich nicht zu wundern, wenn wieder ein 17. Juni [1953] kommt.« In einer Konsumverkaufsstelle Dresden machten mehrere Hausfrauen folgende Äußerung: »Es ist ja nicht besser, sondern schlechter geworden. Jetzt gibt es nicht einmal Fleisch in der HO. Die da oben haben wohl den 17. Juni [1953] vergessen. Es wird Zeit, dass wieder einmal was geschieht.«
In […]9 sagte eine Hausfrau zur Fleischverknappung: »Ich kenne einige Frauen, die schon hamstern, weil sie glauben, vorläufig nichts mehr zu bekommen.« Solche und ähnliche Diskussionen werden vereinzelt aus den Bezirken Karl-Marx-Stadt, Gera, Halle, Magdeburg, Dresden, Leipzig und Rostock berichtet.
Im Kreis Putbus, [Bezirk] Rostock, beklagen sich die Einwohner und Privat-Kaufleute des Öfteren über die knappe Warenbelieferung, die sich besonders auf der Insel Rügen bemerkbar macht. Ebenso über die Behandlung der Waren seitens der Bahn. Ein Eisenwarenhändler sagt hierzu: »Wenn man schon etwas Ware bekommt, dann ist sie beschädigt oder kaputt. Wenn man sieht, wie unsere Reichsbahn mit der Ware umgeht, kann einem schlecht werden. So etwas hat es früher nicht gegeben.«
Des Öfteren beklagen sich jetzt Handwerker, wie Ofensetzer und Elektromeister, über die mangelhafte Bereitstellung an Material. So sagte z. B. ein Elektromeister aus Jößnitz, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Bei uns in der Zone kann man bald einpacken, denn es gibt ja überhaupt keine Zuteilung mehr.« Ein Ofensetzer aus dem gleichen Ort sagte: »Es ist zum Verrücktwerden, die DHZ machen Versprechungen und halten sie nicht ein.«
Eine parteilose Lehrerin aus Eisenach, [Bezirk] Erfurt, sagte: »Dass unsere Schüler ›Jungen Pioniere‹ jetzt eine halbe Stunde vor dem Unterricht zur Flaggenparade antreten müssen, halte ich für überspannt und so denken 90 Prozent der Lehrer.«
Organisierte Feindtätigkeit
Hetzschriftenverbreitung
NTS:10 Suhl 20 000, Halle einige, Erfurt 5 420, Neubrandenburg 2 175, Karl-Marx-Stadt 70, Potsdam 8 020, Rostock und Dresden je 110.
SPD:11 Gera 1 000, Halle 30, Neubrandenburg 50, Erfurt 21, Karl-Marx-Stadt 70, Rostock 140.
KgU:12 Rostock einige, Potsdam 810.
ZOPE:13 Rostock einige.
In tschechischer Sprache: Magdeburg 160, Gera 22, Wismut 21, Halle 130, Karl-Marx-Stadt 3 126 Klebezettel mit Bildern, Karl-Marx-Stadt 1 860 Flugblätter, Rostock 1 465, Potsdam 1 000.
Verschiedene Flugblätter: Schwerin 7 000, Karl-Marx-Stadt 90, Rostock 40, Cottbus einige, Potsdam 3 050.
Inhalt: Hetze gegen Viermächtekonferenz14 (»Sozialdemokrat«,15 »Tribüne«),16 gegen Wahlen in der ČSR,17 gefälschte »Junge Welt«,18 Hetze gegen VP und Deutschlandtreffen, Aufforderungen an die Jugend, Pfingsten nach Westberlin zu kommen.
Am 23.5.1954 in Nauen, [Bezirk] Potsdam, wurde ein VP-Wachtmeister von einem Schläger überfallen und zu Boden geschlagen. Danach fiel eine ganze Meute über ihn her und verletzte ihn erheblich. Der Haupttäter, der die Drohung aussprach, er wolle den VP-Wachtmeister totschlagen, ist inhaftiert.
Im Glaswerk Hosena, [Bezirk] Cottbus, kam die Diesellok zum Stillstand. Ursache: Zucker im Tank.
Ein Sekretär der VdgB aus Diedrichshagen, [Bezirk] Rostock, fand an seiner Wohnungstür einen Zettel mit folgendem Text: »Wenn Dir Dein Leben lieb ist, so mach, dass Du wegkommst.«
Im Braunkohlenwerk Hirschfelde, [Bezirk] Dresden, wird das Gerücht verbreitet, dass der Haushaltsplan ein Defizit von 1½ Milliarden hat und bald eine Währungsreform kommen würde. Hierzu sagte ein Arbeiter, dass jeder sein Geld von der Sparkasse holen sollte.
In Poisental,19 [Bezirk] Dresden, wurde ein OdF-Denkmal umgestürzt.
Einschätzung der Situation
Die Diskussionen zu politischen Problemen haben nur noch einen geringen Umfang. Von der Genfer Konferenz erhofft die Bevölkerung größtenteils eine Entspannung, viele sind jedoch pessimistisch. Über die Weltfriedenstagung20 und über den Vorschlag zum Volksentscheid21 wurden bisher noch keine Stimmen bekannt.
Die Stimmung unter der Jugend zum II. Deutschlandtreffen, vor allem unter den Teilnehmern, ist gut. Der Gegner versucht die Vorbereitungsarbeiten zu stören, zzt. besonders durch gefälschte Anweisungen.
Produktionsschwierigkeiten in einer Reihe Industriebetriebe, Futtermangel in der Landwirtschaft und Mängel in der Lebensmittelversorgung stehen oft im Mittelpunkt und führen teilweise zu Unzufriedenheit und feindlichen Stimmungen.
Der Gegner hat die Vorbereitung feindlicher Hetzschriften weiter verstärkt.
Anlage vom 26. Mai 1954 zum Informationsdienst Nr. 2218
Landwirtschaft
Nachfolgend einige Beispiele über Mängel und Schwierigkeiten, die in den MTS verschiedentlich zu verzeichnen sind.
Die MTS Streufdorf, [Bezirk] Suhl, ist wegen Reifenmangel nicht in der Lage, sämtliche Traktoren während der Sommerarbeiten einzusetzen. (Zwei Traktoren sind schon ausgefallen.) Benötigt werden: 25 Stück 600 × 16 und 16 Stück 175 × 28 (Pionier-Reifen).
In der MTS Lübzin, [Bezirk] Schwerin, wurde eine Mähdreschhalle projektiert. Nachdem der Bau halbfertig war, stellte man fest, dass er auf Sumpf gebaut wurde. Der Bau wurde eingestellt.
Verschiedentlich beschweren sich Bauern über eine schlechte Arbeit der MTS. So z. B. hält sich die MTS Butzen, [Bezirk] Cottbus, nicht an eine termingemäße Arbeit. Es ist vorgekommen, dass der ausgebreitete Mist tagelang auf den Feldern lag und eintrocknete.
In der Gemeinde Byhleguhre, [Bezirk] Cottbus, sollte von der MTS eine frisch umgebrochene Wiese getellert werden. Es wurde aber vom Traktoristen ein frisch bestelltes Kartoffelfeld getellert, dadurch wurde die ganze Kartoffelsaat vernichtet.22
Im MTS-Bereich Nonnendorf, [Bezirk] Potsdam, beklagen sich die LPG über eine mangelhafte kulturelle Betreuung durch die MTS. Es ist eine Schwäche vieler MTS, dass die Polit-Abteilungen ihre Arbeit meist nur auf die MTS beschränken und die LPG und die Dorfgemeinden mit politischer Arbeit vernachlässigen.