Zur Beurteilung der Situation
15. Juli 1954
Informationsdienst Nr. 2261 zur Beurteilung der Situation
Die Lage in Industrie, Verkehr, Handel und Landwirtschaft
Industrie und Verkehr
Im Mittelpunkt der Diskussionen der Werktätigen steht weiterhin die Hochwasserkatastrophe,1 worüber im Anhang berichtet wird. Ferner wird über verschiedene betriebliche Fragen unter den Werktätigen gesprochen.
Unzufriedenheit besteht unter den Kollegen des VEB Edelstahlwerk Döhlen, [Bezirk] Dresden, über die schlechte Qualität der Flammenschutzanzüge. Während früher Asbestfasern von ca. 15 cm Länge verwendet wurden, beträgt jetzt die Länge nur noch 5 cm. Einige Einwände an das Ministerium für Schwermaschinenbau und an die DHZ waren bisher erfolglos. Bei einer guten Qualität der Schutzanzüge könnten viele durch Verbrennung hervorgerufene Unfälle vermieden werden.
Über zu geringen Lohn wird immer wieder von Eisenbahnern Klage geführt. So äußerte z. B. ein Fahrdienstleiter aus Züssow, [Bezirk] Rostock: »Wie kommt es, dass der Fahrdienstleiter in Greifswald, wo nicht so viel Arbeit ist, 40,00 DM mehr verdient als ich. Hiermit bin ich nicht einverstanden.« Der Dienstvorsteher vom Bahnwerk Vache,2 [Bezirk] Erfurt: »In den unteren Gehaltsgruppen fehlen Arbeitskräfte. Die Arbeiter gehen alle in die Kali-Industrie, weil sie dort viel mehr verdienen.« Die Kaderleiterin von der Mitropa Eisenach: »Wenn nicht bald eine Lohnerhöhung kommt, ist es Sense. Hier bei uns laufen die Leute alle weg in andere Betriebe, da sie dort viel mehr verdienen.«
Eine große Fluktuation von Kolleginnen macht sich in der Kammgarnspinnerei Schmalkalden, [Bezirk] Suhl, bemerkbar. Die Mehrzahl der Kolleginnen ist mit der Nachtschicht und mit dem Verdienst nicht einverstanden. Über die Nachtschicht wird viel von den Kolleginnen des VEB Werkzeugring in Suhl diskutiert. Die Kolleginnen wünschen, dass Verbesserungen in der Nachtschicht getroffen werden, wie dies beim IFA-Werk in Zella-Mehlis der Fall ist.
Eine mangelhafte Erfüllung der Produktion von Massenbedarfsgütern wird aus der Mathias-Thesen-Werft Wismar, [Bezirk] Rostock, bekannt. Im 1. Halbjahr 1954 sollte für 9 000 DM produziert werden. Bis heute wurden jedoch nur für 4 000 DM Produkte fertig, wobei die halbfertigen Güter schon einberechnet sind. Die Ursache liegt zum Teil darin, dass vonseiten der verantwortlichen Leiter der Massenbedarfsgüterproduktion zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Eine zu niedrige Norm ist in der Schmiede des VEB Dampfhammerwerk Großenhain, [Bezirk] Dresden, festgelegt worden. Die Norm wird durchschnittlich mit 195 Prozent erfüllt. Auf Vorschlag des Betriebes sollte sie geändert werden. Vom Bezirksvorsitzenden der IG Bergbau wurde jedoch am 13. Juli 1954 erklärt, dass eine Änderung der Normen laut Beschluss des ZK vom 9.6.1953 nicht erfolgen darf.3 Die Kollegen der Schmiede arbeiten praktisch nur noch sechs Stunden, damit die Normerfüllung nicht 200 Prozent übersteigt.
Produktionsschwierigkeiten, die wegen Material- und Arbeitskräftemangel entstanden
In der Oberlausitzer Wohnmöbelfabrik Neugersdorf, [Bezirk] Dresden, lagern zzt. 150 Zimmereinrichtungen mit einem Produktionswert von 120 000 DM, bei denen nur noch das Glas fehlt. Von der DHZ Baustoffe in Dresden wurde bisher kein Glas geliefert.
Beim VEB Bauhof Pritzwalk, [Bezirk] Potsdam, mangelt es an Leichtbauplatten für dringende Bauten.
Im Funkwerk Dabendorf, [Bezirk] Potsdam, fehlen Schrauben von 3 × 6 mm, die dringend für die Produktion benötigt werden.
Im VEB Flockenfabrik Karstädt, [Bezirk] Schwerin, mangelt es an Hafer, der vorhandene Vorrat reicht nur noch ca. fünf Tage. Wenn nicht bis dahin eine neue Lieferung erfolgt, muss der Betrieb stillgelegt werden.
Im VEB Ausrüstungswerk Auerbach,4 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, reicht der Kohlenvorrat nur noch wenige Tage.
Im VEB Papierfabrik Grünhainichen, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, fehlt es für das III. Quartal 1954 an IIIa Zellulose. Dadurch können die Exportaufträge an Zeitungspapier nicht erfüllt werden.
Bei der Schiffselektrik Stralsund, [Bezirk] Rostock, fehlen 25 bis 30 Elektriker, um das Gefrierschiffprogramm erfüllen zu können.
Auf dem Bahnhof Wolgast, [Bezirk] Rostock, besteht ein erheblicher Personalmangel. Es kommt vor, dass der Dienstvorsteher selber mitrangieren muss, um den Betrieb aufrechtzuerhalten.
Produktionsstörung: Im Elektrochemischen Kombinat Bitterfeld kam es am 14.7.1954 in der Ätznatronfabrik des Werkes Nord zu einer Produktionsstörung. Eine Maschine, welche überholt worden war, wurde zum Stromnetz zugeschaltet, ohne dass die Spannung geregelt wurde. Durch den hohen Stromstoß verbogen sich die Stromschienen und die Isolatoren zersplitterten. Produktionsausfall ca. 20 t Ätznatron (ca. 4 000 DM).
Handel und Versorgung
In den Bezirken Potsdam, Karl-Marx-Stadt, Suhl und Rostock besteht weiterhin ein großer Mangel an Tabakwaren, was sich besonders bei den billigen Sorten auswirkt. In Neubrandenburg lagern ca. 15 t Hartfett, das nicht verkauft werden kann, da der Preis von 15,00 DM für ein Kilo zu hoch ist.
Der VEB Fischkombinat Saßnitz, [Bezirk] Rostock, lieferte 87 Kisten á 15 kg unbrauchbaren Räucherfisch an das Auslieferungslager Görlitz, [Bezirk] Dresden. Der Fisch war zu wenig gesalzen und geräuchert, sodass er verdarb.
Im Kreis Weißenfels, [Bezirk] Halle, bestehen Schwierigkeiten in der Versorgung mit Obst und Gemüse, da die Abteilung Verkehr nicht den erforderlichen Transportraum zur Verfügung stellen kann.
Von Einwohnern in Stralsund, [Bezirk] Rostock, wird sehr stark kritisiert, dass in einer Tombola auf dem Jahrmarkt Wassereimer zu gewinnen sind und in den Geschäften gibt es keine zu kaufen.
Anfang Mai 1954 wurden in Bergen, [Bezirk] Rostock, ca. 20 t englische Importkartoffeln vom Kommunalen Großhandel in eine Scheune eingelagert. Am 8.7.1954 befanden sich dort noch ca. 10 t Kartoffeln, die zu etwa 80 Prozent verfault sind.
Landwirtschaft
Nur im geringen Maße wird zu politischen Tagesfragen Stellung genommen. Hauptsächlich wird über die Auswirkungen der Unwetterkatastrophe diskutiert. Beispiele dazu im Anhang. Wie bereits an den Vortagen gemeldet, beklagt sich die Landbevölkerung weiterhin über die schlechte Anleitung und Unterstützung durch die verschiedenen Verwaltungen. Zum Beispiel weiß die LPG Könkendorf, Kreis Pritzwalk, [Bezirk] Potsdam, nicht, wie viel Maschinen und Geräte zur Ernte zur Verfügung stehen. Die MTS hat ihr Soll erst mit 20 Prozent erfüllt.5
Neusiedler aus Geschow,6 [Bezirk] Schwerin, wollen bauen, erhalten aber keine Ermäßigung dafür. Sie sagen deshalb: »Man will uns nicht bauen lassen, da wir doch einmal in die LPG müssen.« Ein Neubauer aus Reinhardtsgrimma, Kreis Dippoldiswalde, [Bezirk] Dresden: »1946 hat die Regierung den Neubauern geholfen, indem sie ihnen Kredite gewährte, um ihre Gebäude bauen zu können. Jetzt bekommen wir Neubauern keine Unterstützung mehr. Wir können uns keine Scheune bauen. Dies führt dazu, dass sehr viele Neubauern ihre Stellen aufgeben und diese von anderen nicht mehr besetzt werden.«7
Ein Neubürger übernahm in Kleinsaubernitz, Kreis Bautzen, [Bezirk] Dresden, eine Bodenreformstelle mit sehr schadhaften Gebäuden. Alle Eingaben an den Rat des Kreises zwecks Unterstützung blieben ohne Erfolg. Die Ernte kann nicht untergebracht werden.8
Die LPG Belmsdorf, Kreis Bischofswerda, [Bezirk] Dresden, kann die Ernte nicht unterbringen, da zur Reparatur der Scheune 25 000 Dachziegel fehlen.
Bei einzelnen MTS fehlt folgendes Material bzw. das Gelieferte ist mangelhaft: Im Bezirk Schwerin fehlen auf der MTS Schwanheide für vier Traktoren die Kolben und auf der MTS Göhlen für zwei Traktoren die Kurbelwellen. Die Traktoren stehen deshalb still. In der MTS Neckanitz, Kreis Meißen, [Bezirk] Dresden, fehlen Kühler für die Raupenschlepper. Von der MTS Geismar, Kreis Heiligenstadt, [Bezirk] Erfurt, werden die Reifen für die Traktoren besonders aus dem Gummiwerk Riesa als sehr schlecht bezeichnet.9
Große Unzufriedenheit ruft die Wildschweinplage in den Kreisen Heiligenstadt, [Bezirk] Erfurt, Ludwigslust, [Bezirk] Schwerin, und Zossen, [Bezirk] Potsdam, hervor. Zum Beispiel sind im Bereich Baruth, Kreis Zossen, ca. 95 Prozent Kartoffeln eines Bauern vernichtet worden. Dieser erklärte: »Ich verstehe nicht, dass die Verwaltung in dieser Beziehung nichts unternimmt. Der Bauer soll abliefern und gegen die Schäden geschieht nichts. Vor 14 Tagen sollte durch das SfS eine Treibjagd erfolgen, aber dieselbe wurde am letzten Tage abgesagt. Wir wollen gern helfen, aber uns hilft man nicht. Solche Widersprüche können meiner Meinung nach nicht im Interesse unseres Volkes und unserer Regierung sein. Aber ich will hoffen, dass man uns nicht vergessen hat.«
Übrige Bevölkerung
Über politische Tagesfragen wird im Allgemeinen sehr wenig diskutiert. Ganz vereinzelt wurden uns über den Terrorprozess der FDJ in Westdeutschland Stimmen bekannt.10 Diese sind positiv. Ein Jugendfreund aus Demmin, [Bezirk] Neubrandenburg: »Das Verbot der FDJ in Westdeutschland zeigt uns, wie sehr man die FDJ in Westdeutschland fürchtet, mögen die Adenauer11 und Konsorten noch solche Maßnahmen treffen wie sie sollen, trotzdem lässt sich die FDJ nicht mundtot machen, sondern wird von Tag zu Tag immer stärker ihre Stimme für den Frieden erheben. Ich werde in meiner Grundeinheit mit doppelter Kraft an die Arbeit gehen.«
Im Mittelpunkt der Diskussionen unter der übrigen Bevölkerung steht die Hochwasserkatastrophe. Darüber berichten wir im Anhang.
In der Gemeinde Klinge,12 [Bezirk] Suhl, war zur Volksbefragung13 ein schlechtes Ergebnis zu verzeichnen. Die politische Arbeit in diesem Ort war gut. Als Ursache der vielen EVG14-Stimmen wird angeführt, dass die Bevölkerung nicht etwa für die EVG ist, sondern aus Verärgerung über verschiedene Missstände ihre Stimme zum Ausdruck bringen wollte.
Eine Missstimmung besteht darüber, dass die Werktätigen der Privatbetriebe keine 15 Prozent Grenzzuschlag bekommen.15 Weiterhin wird über die im Juli 1952 durchgeführte Aussiedlungsaktion diskutiert und die Einwohner sind der Meinung, dass die falschen ausgesiedelt wurden.16
Eine Hilfspflegerin aus der Universitätsklinik Jena, [Bezirk] Gera (SED): »Es geht den Verbleibenden und als Kriegsverbrecher Verurteilten in der Sowjetunion sehr schlecht. Es fehlt an Verpflegung und Kleidung. Ich selbst habe noch einen Bruder dort und bin der Meinung, dass man diese Gefangenen endlich nach Hause schicken muss, da sie lange genug gearbeitet haben. Außerdem ist mein Bruder nur Fahrer gewesen und muss noch dort bleiben, während andere und mehrbelastete Leute wie Paulus,17 zurückkehrten. Wenn ich meinen Bruder nicht Esswaren schicken würde, müsste dieser umkommen. In Westdeutschland zum Beispiel unentgeltliche Pakete zur Verfügung.«18
Über wirtschaftliche Probleme wurden uns verschiedenartige Diskussionen bekannt.
Im Forstwirtschaftsbetrieb Rheinsberg, [Bezirk] Potsdam, wird von den Waldarbeitern darüber Klage geführt, dass sie nur mangelhaft Werkzeug zum Fällen der Bäume erhalten. Die Waldarbeiter sollten gewissermassen als Deputat für Holz Briketts erhalten. Bisher wurden aber noch keine Briketts angeliefert, darüber herrscht Unzufriedenheit.
In der Tbc-Heilstätte Neustadt[-Glewe], [Bezirk] Schwerin, gab ein Arzt bekannt, dass für verschiedene Personen das Krankengeld gekürzt wird. Daraufhin erklärte ein Patient: »Wenn das so ist, wissen wir ja, was wir zur kommenden Wahl zu tun haben.«
Organisierte Feindtätigkeit
Hetzschriftenverbreitung
SPD-Ostbüro:19 Potsdam 2 000, Frankfurt 1 000, Dresden einige.
KgU:20 Potsdam 60.
NTS:21 Potsdam 35, Neubrandenburg 13, Erfurt und Dresden einige.
In tschechischer Schrift: Dresden 17.
In den Bezirken Potsdam, Cottbus, Gera und Schwerin wurden einige [Flugblätter] unbekannter Herkunft gefunden. Der größte Teil der Flugblätter gelangte nicht in die Hände der Bevölkerung.
Diversion: Auf dem VEG Kietzsch,22 [Bezirk] Dresden, wurde in zwei Zellen der Batterie eines Traktors Altöl gegossen. Der Traktor wird von einem Aktivisten und Bestarbeiter gefahren. Schaden entstand durch rechtzeitiges Bemerken nicht.23
Am 12.7.1954 stellten unbekannte Täter im VEB Industriewerk Ludwigsfelde, [Bezirk] Potsdam, von einem Kompressor die Wasserkühlung ab. Hierdurch liefen sich die Kolben fest und wurden beschädigt.
Gefälschte Schreiben
Im Bezirk Rostock und Neubrandenburg wurden gefälschte Schreiben an Betriebe geschickt, worin die Empfänger aufgefordert werden, Stuhl- und Urinproben an das Hygieneinstitut Greifswald einzusenden. Es wurden Betriebe angeschrieben, wo dies von der gesamten Belegschaft gefordert wurde.
Mehrere Webereien, die den VEB Fortschritt-Werk I Berlin mit Geweben beliefern, erhielten mehrere gefälschte Schreiben (Absender VEB Fortschritt-Werk) Inhalt:
1. Auf eine Konventionalstrafe für einen bestimmten Auftrag wird verzichtet.
2. Auf eine Lieferung von 5 900 qm Stoff wird verzichtet.
3. Eine bestimmte Lieferung von Stoffen wird abgesagt.
Antidemokratische Schmiererei
Auf der Neptunwerft, Bootswerft Gehlsdorf, [Bezirk] Rostock, wurden mit Kopierstift ein Hakenkreuz und eine Hetzlosung mit folgendem Inhalt angeschmiert: »Führer heil«.
Während einer Vollversammlung der LPG Glossen, [Bezirk] Dresden, wurde eine Fensterscheibe des Versammlungsraumes von außen eingeschlagen.
In der Gemeinde Pötewitz, [Bezirk] Halle, wurde ein Großbauer während der Hochwasserkatastrophe mehrmals aufgefordert, sein Heu von der Wiese zu bringen. Er kam dieser Aufforderung nicht nach und das Heu wurde vernichtet. Einen Tag später stellte dieser Großbauer einen Antrag auf Futterzuteilung.24
In Meißen wird das Gerücht verbreitet, dass während der Hochwasserkatastrophe im Kinderferienlager der Konsumgenossenschaft Meißen in Obergruna fünf Kinder ertrunken seien.
Vermutliche Feindtätigkeit
Am 2.7.1954 wurden im Kunstseidenwerk Premnitz, [Bezirk] Potsdam, 240 Portionen Linsen mit unreifen Kirschen, Kirschsteinen und Kirschstielen verunreinigt. Die Ermittlungen werden noch geführt.
Westberlin
In den Reihen der Stupo25 wird zzt das Wehrgesetz26 stark diskutiert. Die Ausführungsbestimmungen haben einiges Missbehagen selbst bei den Militaristen hervorgerufen, so z. B. dass Offiziere und Unteroffiziere bis zum 60. Lebensjahr an den geplanten Jahresübungen teilnehmen müssen. So erklärte ein Hauptwachtmeister, dass er es sich nicht so vorgestellt habe, die Jungen sollen nach vorn, aber nicht die Alten.
Ein Kripo-Angestellter brachte zum Ausdruck, dass er nochmal zum Arzt gehen muss, da er einen Herzfehler hat und dieser noch nicht beseitigt ist. Dadurch will er untauglich geschrieben werden.
In den Polizeirevieren werden wieder Belehrungen über das Verbot »Betreten des Ostsektors« durchgeführt. Jeder Polizeiangehörige, der an dieser Belehrung teilnahm, musste durch seine Unterschrift davon Kenntnis nehmen: Jeder Polizist, der den Ostsektor betritt, muss mit seiner Entlassung rechnen. Zur Wahl von Heuss27 am 17.7.195428 wird die Polizei in Alarmstufe sein. Der Senat muss 300 Pkw für die Abgeordneten aus Westdeutschland zur Verfügung stellen. Im Flüchtlingslager Marienfelde ist in den letzten Tagen wieder ein Anstieg des Flüchtlingszustroms festzustellen. Flüchtlinge erklärten auf Befragen, dass der Zustrom zzt. deshalb so stark sei, weil es jetzt am wenigsten auffällt, wenn jemand wegfährt, da Urlaubszeit ist.
In einem Zeitungsladen Berlin-Wittenau diskutierten vier Männer und die Geschäftsinhaberin über die Hochwasserkatastrophe in Westdeutschland und brachten zum Ausdruck, dass nur der Amerikaner mit seinen Atomexperimenten daran schuld sei.29 Sie brachten zum Ausdruck, dass er seine Versuche in Amerika durchführen solle und nicht die ganze Welt gefährden solle. Sie verglichen den Amerikaner mit Hitler, dem es auch nicht darauf ankam, Menschenleben skrupellos zu vernichten.
Anlage 1 vom 15. Juli 1954 zum Informationsdienst Nr. 2261
Bericht zur Unwetterkatastrophe
Stimmung der Bevölkerung
Im gesamten Gebiet der DDR stehen die Diskussionen über die Ursachen der Unwetterkatastrophe im Vordergrund. Ein großer Teil der Bevölkerung steht auf dem Standpunkt, dass die Atombombenversuche der USA die großen Regenfälle ausgelöst hätten. Einzelne Personen bringen die Regenfälle mit der Sonnenfinsternis30 in Verbindung. Andere Menschen verneinen vorstehende Ursachen mit der Begründung, dass es schon immer Hochwasser gegeben habe bzw. dass die Versuche mit den Wasserstoff- und Atombomben schon zu lange vorbei seien, um noch Einfluss auf das Wetter zu haben. So sagte z. B. ein Angestellter des »Karl-Liebknecht«-Werkes Magdeburg (parteilos): »Es ist schon zu glauben, dass die anhaltenden Regenfälle Folge der Experimente mit der Wasserstoffbombe durch die Amis sein können. Wer weiß, was diese verfluchten Bomben noch alles anrichten können«.
Ein Fensterputzer aus Zittau: »Die Unwetterkatastrophe ist durch die gegenwärtigen Atomexperimente hervorgerufen worden. Die Zeit kann nicht mehr ferne sein, wo sich die ganze Welt dagegen erhebt.«
Ein Former aus dem Stahlwerk Riesa, [Bezirk] Dresden: »Noch nie haben wir um diese Jahreszeit solche Regenfälle zu verzeichnen gehabt. Es wird bestimmt so sein, wie es die japanischen Professoren erklärt haben, dass die Atombombenabwürfe Einwirkungen auf die Witterung haben«.31
Ein Transportarbeiter aus Rostock: »Die Wasserkatastrophe, die von den Atombomben herstammen soll, zeigt uns und gibt der westdeutschen Bevölkerung einen Einblick, wie es ist, wenn es den Amis eines Tages gelingen wird, den Loreleifelsen zu sprengen.«
Ein Einwohner aus Dahlen, Kreis Oschatz, [Bezirk] Leipzig: »In unermüdlicher Arbeit setzen sich alle, besonders die Sowjetarmee, für die Beseitigung der Dammbrüche ein. Was doch Menschenhirne der Welt für Unglück bringen können. Da brauchen wir nur an die Experimente mit der Wasserstoffbombe zu denken. Das Unwetter wird schon davon herrühren. Aber diese Rüstungsmagneten kennen ja nur ein Ziel, Geld zu verdienen. Wir müssen aber darum kämpfen, dass ihre Pläne niemals Wirklichkeit werden.«
In den vereinigten Feintuchwerken Forst, [Bezirk] Cottbus (Werk III) ist der überwiegende Teil der Belegschaft der Meinung, die Sonnenfinsternis habe Schuld und nur ein kleinerer Teil bringt das Unwetter mit den Wasserstoffbombenversuchen in Zusammenhang.
Besonders aus religiösen Kreisen kommen Stimmen, dass das Unwetter eine »Strafe Gottes« sei. Einzelne Personen sprechen feindlich über die Vermutung, dass die Atombombenversuche der USA die Ursache der Katastrophe seien. So sagten z. B. zwei Anhänger der »Zeugen Jehovas«32 aus Oederan, Kreis Flöha, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Die Überschwemmungen sind das Anzeichen vom bevorstehenden Weltuntergang. Dies ist die letzte Warnung Jehovas. Die Menschen sollen doch endlich die Lehren Jehovas annehmen, denn die ganzen Katastrophen, die es bisher gegeben hat, sind darauf zurückzuführen, dass der größte Teil der Menschheit keinen Glauben mehr besitzt.«
Ein Bergarbeiter aus Hohenstein in Ernstthal, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Ein Schuldiger muss bei jeder Gelegenheit gesucht werden und das soll in diesem Fall die USA sein. Unwetterkatastrophen hat es schon immer gegeben, und wird es auch immer geben. Man soll doch nicht alles ins Politische ziehen.«
Ein Eisendreher aus dem RAW Jena, [Bezirk] Gera: »Das Unwetter ist auf die Sonnenfinsternis zurückzuführen, und die Atomkraft wird hier nur als Propagandamittel verwendet. Naturkatastrophen hat es schon immer gegeben und wird es auch weiter geben«.
Eine Arbeiterin aus dem VEB Karl-Marx-Werk Pößneck, [Bezirk] Gera: »Es ist doch komisch, dass bei Naturkatastrophen in unserer jetzigen Zeit andere Ursachen gesucht werden. Soweit ich mich entsinnen kann, wurde nach dem erstmaligen Abwurf der Atombombe auf Japan geäußert, dass nach diesem Abwurf noch nie so ein ertragreiches Jahr gewesen wäre und jetzt, da wir einen Teil der Unwetterkatastrophe in der DDR miterleben mussten, verschiebt man das Bild, indem man die Ursachen in der Wasserstoffbombe sieht«.
In einzelnen Fällen werden negative Diskussionen darüber geführt, dass die Sicherungsmaßnahmen in der DDR ungenügend seien. So sagte z. B. ein Schmied aus dem RAW Jena, [Bezirk] Gera: »Das Unwetter hätte nicht solchen großen Schaden angerichtet, wenn die Ortschaften, wo Flüsse durch- und vorbeifließen, durch eigene Initiative das Flussbett reinigen würden und nicht immer nur die Gelder einsteckten«.
Eine parteilose Angestellte aus Eisenach, [Bezirk] Erfurt: »Unsere Regierung hat mächtig geschrien, als die Unwetterkatastrophe in Holland war.33 Wir haben bei uns jetzt dasselbe und was wurde getan? Nicht die Bevölkerung, sondern die Regierung soll ihr Geld den Geschädigten zur Verfügung stellen. Wer hat denn den Umsiedlern 1945/46 geholfen?«
In den Katastrophengebieten wird nur positiv über den Einsatz der Sowjetarmee, der VP u. a. Helfer gesprochen. Ein Funksachbearbeiter im »Martin-Hoop«-Werk Zwickau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, sagte z. B.: »Ich glaube, es gibt selten jemand, der in diesen schweren Tagen nicht die Freundschaft der Sowjetarmee zum deutschen Volk kennengelernt hat.«
Eine Angestellte aus Colditz, Kreis Döbeln,34 [Bezirk] Leipzig: »Ich war wirklich erstaunt, wie sich die Russen bei der Unwetterkatastrophe eingesetzt haben, wie sie ihr Leben einsetzten, um Frauen und Kinder zu retten. So schwamm ein russischer Soldat durch die breite Strömung der Mulde, um ein Seil an der anderen Seite zu befestigen, damit die Frauen und Kinder mit den Booten aus den Häusern herausgeholt werden konnten.« Eine Reinemachefrau aus Zwickau: »Als ich gestern so durch Zwickau ging, da stellte ich fest, dass bereits ein großer Teil von dem Schlamm und dem Schutt weggeräumt wurde und laufend Autos eingesetzt sind. Auch unsere Jungen von den nationalen Streitkräften sieht man tüchtig mit zupacken.«
Ein Lagerleiter aus dem Ferienlager Bad Blankenburg, [Bezirk] Gera: »Da sieht man, wer der wirkliche Freund und Helfer der Bevölkerung ist. Unsere Volkspolizei vollbringt große Taten in den Katastrophengebieten.«
Ein Angestellter aus dem Bezirk Gera: »Wir bekamen während unseres Einsatzes in Krossen Wurst, Grog und Bohnenkaffee. Daraus [sic!] merkt man am besten, wie sich die Lebenslage bei uns in der DDR verbessert hat.«
In den Landwirtschaftsgebieten der betroffenen Bezirke wird sehr oft die Frage nach der Sollerfüllung gestellt, und es werden Bedenken ausgesprochen, dass das Soll erfüllt werden kann. So brachte z. B. ein Bauer aus der Gemeinde Ermlitz, [Bezirk] Halle, wo infolge der Überschwemmung kein Grünfutter vorhanden ist, zum Ausdruck, dass das Soll in diesem Jahr nicht erfüllt werden kann und auch nicht soviel Vieh gehalten werden kann, da das Futter fehlt.35
Ein Mittelbauer aus Langenchursdorf, Kreis Hohenstein-Ernstthal, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: »Wir werden in diesem Jahr durch das Unwetter ganz bestimmt eine Missernte erleben. Das bedrückt uns Bauern. Auch für die MTS wird es schwer sein, ihre Arbeiten vertragsmäßig zu erfüllen.«36
Im Bezirk Gera kam es in dem Kreis Pößneck zu Angsteinkäufen, besonders bei Mehl, Teigwaren und Haferflocken. Gefördert wird dies durch Gerüchte über Schwierigkeiten in der Lebensmittelversorgung infolge des Hochwassers. Zum Teil werden dort auch Gerüchte verbreitet, dass wieder Brotkarten eingeführt werden.
Eine Einzelstimme wurde bekannt, die unsere Presse der Lüge bezichtigt. Ein Tan-Sachbearbeiter37 aus dem BKW Hirschfelde, Kreis Zittau, [Bezirk] Dresden: »Die Berichterstattung der Presse über die Unwetterkatastrophe entspricht nicht der Wirklichkeit und das Ausmaß in der DDR ist größer, als die Presse berichtet. Ich verstehe nicht, dass unsere Presse diese Katastrophenfälle verringert.«
Die Verbundenheit mit den vom Hochwasser geschädigten Bevölkerungsteilen kommt in den zahlreichen Solidaritätsaktionen zum Ausdruck, die die Einheit der Bevölkerung der DDR beweisen. In zahlreichen Fällen kam es zu Geldspenden und zum großen Teil verpflichteten sich Arbeiter, Angestellte und Angehörige der Intelligenz, Prozente ihres Gehaltes bzw. Lohnes für die Geschädigten zu spenden. So spendeten zum Beispiel die Belegschaften der VEB Sodawerk »Fred Oelßner« Staßfurt und »Ernst-Thälmann«-Werk Magdeburg je einen Stundenlohn. Die Belegschaft des Reichsbahnamtes Dresden sammelte 4 045 DM. Die Belegschaft der Flachglashütte Uhsmannsdorf, Kreis Niesky, [Bezirk] Dresden, sammelte 1 400 DM. Ein Grubeninspektor aus Zwickau spendete seine Quartalsprämie in Höhe von 2 000 DM. Im Karl-Marx-Werk Zwickau verpflichteten sich Mitglieder von Steigerabteilungen, ihre Quartalsprämien zu spenden. Ein Arbeiter der Fa. Fema Brandis,38 Kreis Wurzen, [Bezirk] Leipzig, der aus gesundheitlichen Gründen nicht am Arbeitseinsatz teilnehmen kann, spendete den Lohn von zehn Arbeitsstunden.
In mehreren Fällen verpflichteten sich Kollegen zu freiwilligen Arbeitseinsätzen in den betroffenen Gebieten: Im BKW Mücheln,39 [Bezirk] Halle, sind drei Brigaden zur Reparatur für die geschädigten Gebiete aufgestellt. Drei Sportfreunde der Fußballmannschaft des VEB Kaltwalzwerk Bad Salzungen, [Bezirk] Suhl, verpflichteten sich zum Arbeitseinsatz.
Aus Landwirtschaftskreisen gingen Sachspenden ein. Die LPG Dixförda, [Bezirk] Cottbus, stellte 75 kg Zwischenfruchtsaatgut zur Verfügung. Ein Meisterbauer aus dem Kreis Jessen, [Bezirk] Cottbus, spendete drei Ferkel und 50,00 DM. Die LPG aus Am Berg,40 [Bezirk] Gera, stellte 12 Ztr. Kartoffeln zur Verfügung.41
Nur in Einzelfällen wird eine Solidaritätsaktion abgelehnt. So sagte z. B. eine Angestellte aus dem VEB Werkin in Königsee, [Bezirk] Gera: »Als wir evakuiert wurden, hat uns ja auch niemand geholfen. Damals, als ich nach Egelsdorf kam, wurde in der Gemeinde für die Evakuierten gesammelt, wir haben aber bis heute davon noch nichts erhalten.«
Entstandener Schaden: Das Ausmaß der Unwetterkatastrophe kann noch nicht im vollen Umfang angegeben werden. Aus den Bezirken liegen lediglich Teilmeldungen vor.
Bezirk Dresden: Sieben Brücken zerstört, sechs beschädigt, davon je eine Eisenbahnbrücke. Von 18 stillgelegten Betrieben (13 VEB und fünf Privatbetriebe) haben sieben VEB und zwei Privatbetriebe die Arbeit wieder aufgenommen. BKW Hirschfelde, Kreis Zittau, hat 782 t Brikett Planverlust.
Bezirk Halle: Die Hauptverkehrsstraße von Bernburg nach Ilberstedt wurde gesperrt.
Bezirk Karl-Marx-Stadt: Im Kreisgebiet Auerbach beläuft sich der Schaden bei durch Hochwasser zerstörten bzw. beschädigten Straßen auf ca. 180 000 DM.
Gegenwärtige Lage: Im VEB Schiffswerft Übigau, [Stadt] Dresden, ruht die Produktion zu 80 Prozent, da etwa 200 Beschäftigte zu Bergungsarbeiten im Betrieb eingesetzt sind. Nach Beendigung der Reinigungsarbeiten soll die Arbeit am 19.7.1954 wieder voll aufgenommen werden.
Im VEB Kinderwagenindustrie Zeitz, [Bezirk] Halle, mit einem Gesamtschaden von 185 000 DM kann die Produktion in ca. 8 bis 10 Tagen wieder aufgenommen werden. Im VEB Möbelfabrik Zeitz – Wiederaufnahme der Arbeit Ende August. Im Bezirk Potsdam wurden 600 Arbeitskräfte zur Erhöhung der Dämme im Kreis Rathenow eingesetzt. Nach Auskunft des Wasserwirtschaftsamtes sollten die Dämme vollkommen sicher sein, was aber nicht den Tatsachen entsprach.
Anlage 2 vom 14. Juli 1954 zum Informationsdienst Nr. 2261
Anhang: »Über Schwierigkeiten, die bei der Herstellung von Massenbedarfsgütern auftraten«
In einigen Betrieben von Berlin konnte, infolge der schlechten Planung und der zu langsamen Bearbeitung der Anträge auf Kredit, die Produktion von Massenbedarfsgütern noch nicht bzw. verspätet aufgenommen werden.
In dem VEB Schneidemaschinenwerk Berlin entschied man sich, im Zuge der Herstellung von Massenbedarfsgütern, Handstrickmaschinen herzustellen. Ein Privatbetrieb erhielt den Auftrag, die Schnitte, die für die Ausführung der Stanzarbeiten gebraucht werden, anzufertigen. Zu spät erfuhr die Betriebsleitung, dass die Kollegen des privaten Betriebes einige Wochen in Urlaub gingen, sodass man keine Schritte mehr unternehmen konnte, um einen anderen Betrieb mit der Herstellung der Schnitte zu beauftragen. Außerdem hat der Magistrat von Groß-Berlin drei Monate lang auf die Bewilligung der Kredite warten lassen, sodass der Betriebsleiter bei der Beschaffung von Material für die Handstrickmaschinen keine vertraglichen Bindungen eingehen konnte. Aus diesen Gründen verzögerte sich die Aufnahme der Produktion von Handstrickmaschinen um drei Monate.
Der VEB Schleifmaschinenbau Berlin erhielt Ende Mai dieses Jahres durch die Hauptverwaltung des Ministeriums für Maschinenbau den Bescheid, dass der Betrieb 10 000 Fahrradmotore als Massenbedarfsgüter produzieren soll. Der Betrieb stellte sich auf die Produktion dieser Motore ein und die technischen Vorarbeiten waren soweit gediehen, dass mit der Aufnahme der Produktion der Fahrradmotoren begonnen werden sollte, als der Betrieb den Bescheid bekam, dass bereits in der DDR fünf Betriebe existieren, die den Bedarf an Fahrradmotoren decken können. Ende Juni wurde dann durch die Hauptverwaltung festgelegt, dass der Betrieb Außenbord- und Dieselmotore herstellen soll.
Da der Betrieb nur über Abfallmaterial verfügt, muss das gesamte Material angefordert werden. Hier tritt nun die Schwierigkeit auf, dass Materialien, wie Aluminium und Grauguss erst dann bezogen werden können, wenn der Motor für die Serienproduktion freigegeben ist. Ein weiterer Mangel besteht darin, dass die Hauptverwaltung des Ministeriums für Maschinenbau keine schriftliche Anweisung für diesen Auftrag gegeben hat. Weiter fehlt es an einer vertraglichen Bindung, aus der zu ersehen ist, wohin die fertigen Motore zu liefern sind. Das Fehlen des schriftlichen Auftrages bringt mit sich, dass bisher kein Kredit bewilligt wurde.
Anlage 3 vom 15. Juli 1954 zum Informationsdienst Nr. 2261
Auswertung von Hetzschriften
KgU
An Bürger der DDR werden insbesondere von der »Widerstandsgruppe Mecklenburg der KgU« Hetzschriften durch die Post versandt, die sich oftmals mit örtlichen Fragen beschäftigen und bestimmte Gruppen bzw. Schichten der Bevölkerung ansprechen.
Volkskorrespondenten werden aufgefordert, nicht mehr für die demokratische Presse zu arbeiten. Ihnen wird mit Beobachtung gedroht.
»Verdiente Eisenbahner« erhalten Hetzbriefe mit übler Verleumdung der SU in Bezug auf Reparationen und Finanzfragen beim Export. Die Eisenbahner werden aufgefordert, nicht mehr »ihre Kameraden zu höheren Arbeitsleistungen aufzustacheln« und sollen »Zugverspätungen bei Zügen nach der SU« verursachen. Gleichzeitig sollen sie sich mit der KgU in Verbindung setzen.
Fortschrittliche Menschen, deren Leistungen in der demokratischen Presse genannt werden, erhalten Hetzschriften mit den entsprechenden Zeitungsausschnitten und sollen durch Drohungen von weiteren guten Leistungen abgehalten werden.
An Funktionäre der demokratischen Parteien, Massenorganisationen und an VP-Angehörige in Perleberg, [Bezirk] Schwerin, wurden anlässlich der Volksbefragung42 Hetzschriften gesandt, worin ihnen verleumderische Fragen in Bezug auf unseren Staat gestellt werden. Gleichzeitig werden vier namentlich genannte Einwohner von Perleberg als »Spitzel« bezeichnet.
UFJ43
Neben den von dem UFJ herausgegebenen gedruckten Hetzschriften, die Probleme einzelner Bezirke bzw. Großbetriebe in lügnerischer und verleumderischer Form behandeln und oftmals größere Listen über Personen aus der »Belasteten-Kartei des UFJ«44 enthalten, verbreitet der UFJ neuerdings eine Hetzschrift mit dem Titel »Der Aufbruch – Organ der deutschen Selbsthilfe für die Werktätigen in den Betrieben«.
In der Hetzschrift wird wie bereits in früheren anhand von zehn Punkten zum Widerstand gegen die DDR mit der Bezeichnung »Deutsche Selbsthilfe«45 aufgerufen. Die bisher erschienene 1. Nummer enthält darüber hinaus eine Stellungnahme zu der Frage »Ist die Konfliktkommission zuständig bei Streitigkeiten wegen Arbeitsnormen?«. Nach dem Artikel ist die Konfliktkommission bei Normenfragen im Allgemeinen nicht zuständig. Der UFJ fordert jedoch auf, bei der Kommission »bei Anwendung falscher Normen einen Antrag auf Nachzahlung zu wenig gezahlten Lohnes zu stellen«. Zur Normenfrage hetzt der UFJ, dass durch die »Erhöhung der Normen … die Löhne gekürzt werden« sollen. Mittel dazu seien die Wettbewerbe, und die Werktätigen werden aufgefordert, alle Wettbewerbe und Neuerermethoden abzulehnen.
Hetzschriften mit der Überschrift »Ein Jahr ›Neuer Kurs‹ in der Sowjetzone« richten sich gegen die erzielten Erfolge in der DDR im Rahmen des neuen Kurses. Einleitend wird zugegeben, dass »manche Veränderungen« eingetreten sind; dann werden aber Beispiele wie
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»schärferes Vorgehen gegen private Bauern«,
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»Beseitigung der Unabhängigkeit der Richter«,
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Vergrößerung des Apparates des SfS,
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Aufstellung der Kampfgruppen46
genannt, um zu beweisen, dass sich doch nicht viel geändert habe. Dazu heißt es abschließend, dass »durch höhere Lebensmittelzuteilung« nicht »das Vertrauen der Bevölkerung wachsen könne«, wenn »die Rechtlosigkeit« weiter bestehe. Ziel dieser Hetzschrift ist die Beeinflussung der Bevölkerung, dass innerhalb der DDR ein Widerstand gegen unsere Regierung bestünde und dass man sich diesem Widerstand anschließen solle, ohne dass diese Forderung konkret zum Ausdruck kommt.
NTS
Unter der Überschrift »Schluss mit Menschenraub und Mord« wird die SU durch Gräuelmärchen verleumdet und die Bevölkerung aufgerufen, »Frau Chochlow,47 Dr. Truschnowitsch48 und Dr. Linse49 zu helfen« und die »internationale Untersuchung dieser Fälle« zu fordern.