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Fluktuation und Mangel an Arbeitskräften (3)

16. August 1956
Information Nr. 156/56 – Arbeitskräfte (3. Bericht)

Wiederholt wurde schon davon berichtet, dass einer Anzahl VE-Betriebe durch die gegenwärtige Arbeitskräftelage ernsthafte Schwierigkeiten entstanden sind. In den letzten Wochen wurden diese Schwierigkeiten in der Planerfüllung wiederum mit Folgendem begründet:

  • 1.)

    der Fluktuation von Arbeitskräften,

  • 2.)

    im Fehlen von Arbeitskräften.

1.) Fluktuation von Arbeitskräften

Die Fluktuation von Arbeitskräften ist auch weiterhin eine der Ursachen für die in der Produktion bestehenden Schwierigkeiten der davon betroffenen Betriebe. Aus vorliegenden Meldungen ist ersichtlich, dass davon in letzter Zeit hauptsächlich Industrie- und Forstwirtschaftsbetriebe betroffen waren und der Bezirk Dresden als Schwerpunkt anzusehen ist. Bei Kündigungen wird von den Arbeitern zur Begründung ständig die bessere Bezahlung in anderen Industriezweigen und Betrieben angeführt, sodass dies nach wie vor als Ursache der Fluktuation angesehen werden muss. In Einzelfällen ist auch die unterschiedliche Bezahlung innerhalb eines Betriebes Anlass zur Fluktuation. Dafür folgende Beispiele:

Im VEB BFG Lauchhammer, [Bezirk] Cottbus, erklärten mehrere Arbeiter, den Betrieb zu verlassen. Einige haben bereits Bewerbungen in gleichartigen Betrieben von Pirna und Elsterwerda eingereicht. Der mechanischen Werkstatt fehlen bereits 25 Spezialkräfte, sodass die Durchführung der Produktion und die Termineinhaltung gefährdet ist. Als Grund wird von den Arbeitern angegeben, dass sie nur nach der Lohngruppe V bezahlt würden, während in den gleichgelagerten Werken Pirna, Magdeburg und Elsterwerda für dieselbe Arbeit die Lohngruppe VII gezahlt würde.1

Aus dem VEB Sägewerk Wasungen, [Kreis] Meiningen, [Bezirk] Suhl, wird eine starke Fluktuation von Arbeitskräften bekannt. Der Grund dafür ist, dass die Arbeiter zu 90 % nach der Lohngruppe III bezahlt werden, während diejenigen, die die schwere Arbeit verrichten, nach der Lohngruppe IV bis V bezahlt werden.2 Der Betrieb hat Regierungsaufträge zu erfüllen, die aufgrund der Fluktuation gefährdet sind.

Der VEB Kalkwerk Ludwigsdorf, [Kreis] Görlitz, [Bezirk] Dresden, konnte den Produktionsplan für Juli 1956 nur mit 80 % erfüllen, was neben den ungünstigen Witterungseinflüssen auch auf starke Fluktuation von Arbeitskräften mit zurückzuführen ist. Dem Betrieb liegen noch weitere Kündigungen vor, sodass mit einem weiteren Absinken der Produktion zu rechnen ist. Die Arbeiter gehen infolge besserer Bezahlung zum überwiegenden Teil nach den neuen Bauvorhaben in Berzdorf3 und Hoyerswerda.

Dadurch, dass im Forst nicht nach der Lohngruppe VI entlohnt wird, wird aus den Staatlichen Forstwirtschaftsbetrieben Königstein und Liebstadt, [Kreis] Pirna, [Bezirk] Dresden, eine starke Abwanderung von Waldarbeitern in die Industriebetreibe gemeldet.

Aus gleichen Gründen wurde starke Fluktuation von Arbeitskräften noch aus folgenden VE-Betrieben bekannt: Feinpapier Königstein und Zellstoffwerke Pirna, [Bezirk] Dresden, Leuchtenbau Arnsdorf, [Bezirk] Dresden, und Elektrowärme Sörnewitz, [Kreis] Meißen, [Bezirk] Dresden.

2. Fehlende Arbeitskräfte

Schwierigkeiten durch fehlende Arbeitskräfte wurden aus einigen Industrie-, Bau- und Verkehrsbetrieben bekannt. Durch das Fehlen von Arbeitskräften sind diese Betriebe ebenfalls nicht in der Lage, ihre Produktionsverpflichtungen zu erfüllen. Außerdem entsteht in diesen Betrieben Missstimmung unter den Beschäftigten, die dadurch Mehrarbeit leisten müssen oder, wie in den Verkehrsbetrieben, den Verärgerungen der Fahrgäste ausgesetzt sind. Dafür folgende Beispiele: Im VEB Eisenwerk »1. Mai« in Tangerhütte, [Bezirk] Magdeburg, wurde der Plan im Monat Juli 1956 nur mit 86,2 % erfüllt, was einen Rückstand von 206 t ausmacht. Zurückzuführen ist dies hauptsächlich auf Arbeitskräftemangel. Obwohl dem Werk bereits 21 Former fehlen, sind die noch vorhandenen Former gezwungen, das Leeren von Formkästen usw. selbst durchzuführen, da auch für diese Arbeiten keine Hilfskräfte vorhanden sind.

Im Eisenwerk West in Calbe besteht ein starker Mangel an Arbeitskräften. Im Ofenbetrieb z. B. sind 36 Fehlstellen vorhanden. Ein Teil der Öfen wird daher statt mit drei nur mit zwei Schmelzern besetzt, was zur Unzufriedenheit unter den Beschäftigten führt. Der dortige Schmelzmeister musste infolge dieses Mangels am 29.7.1956 seine Aufsichtsfunktion als Meister verlassen und selbst einen Abstich am Ofen VII vornehmen.

Im Kreis Güstrow, [Bezirk] Schwerin, sind besonders die Baubetriebe nicht in der Lage, infolge Arbeitskräftemangel die Aufgaben in ländlichen Bauwesen zu erfüllen, zumal die Bau-Union Küste Stralsund günstige Arbeitsbedingungen bei der Werbung bietet.

Bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) besteht seit längerer Zeit wieder ein starker Mangel an Straßenbahnfahrern und Schaffnern. Eine Auswirkung dieses Personalmangels ist, dass Straßenbahnen häufig ausfallen bzw. ohne Anhänger fahren müssen. Die Folge davon ist eine Verärgerung der Fahrgäste, die nicht ohne Einfluss auf die Stimmung der Fahrer und Schaffner bleibt.

Aus gleichen Gründen haben folgende VE-Betriebe Schwierigkeiten in der Planerfüllung: Ziegelei Wedendorf,4 [Kreis] Gadebusch, [Bezirk] Schwerin, Kraftwerk Vockerode, [Kreis] Gräfenhainichen, und BKW Golpa, [Kreis] Gräfenhainichen, [Bezirk] Halle, sowie Kraftwerk- und Industriebau Dresden, Baustellen Berzdorf und Hirschfelde.

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    17. August 1956
    Information Nr. 153/56 – Betrifft: Fußball-Länderspiel Westdeutschland – UdSSR in Hannover

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    15. August 1956
    Information Nr. 155/56 – Betrifft: Neue Methode des Gegners bei Hetzschriftenverbreitung