Westliche Rundfunk- und Presseberichte zum XX. Parteitag der KPdSU (4)
15. März 1956
Feindpropaganda zum XX. Parteitag der KPdSU (4. Bericht) [Information Nr. M55/56]
Die Feindpropaganda zum XX. Parteitag der KPdSU hält nach wie vor an.1 Neben der Hetze durch Rundfunk und Zeitungen wurden jetzt die ersten Hetzschriften bekannt, die sich auch mit diesem Problem beschäftigen. Die Feindpropaganda ist jetzt besonders darauf gerichtet, Verwirrungen in die Reihen der SED zu tragen. Beachtenswert sind die von der »Kleinen Tribüne« (DGB) verbreiteten »Forderungen« zur III. Parteikonferenz.2 Die Feindpropaganda konzentriert sich auf die Schwerpunkte:
- 1.
Hetze gegen SED und Genossen Walter Ulbricht
- 2.
Hetze gegen die KPdSU und zur Rolle Trotzkis3
- 3.
Forderungen
Außer den bereits früher berichteten Argumenten treten folgende neu auf:
1. Hetze gegen SED und Genossen Walter Ulbricht
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»Angebot Walter Ulbrichts an die Sozialdemokraten ist nicht ehrlich,4 da der Terror gegen SPD-Mitglieder weiter besteht.« (RIAS 8.3.1956)
- –
»Was Zaisser5 und Herrnstadt6 1953 forderten, war nur das, was jetzt Moskau verlangt: Kollektive Leitung.«7 (RIAS 9.3.1956)
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»Die Nutzanwendung des XX. Parteitages wird in der DDR in der Forderung nach einer gesteigerten Arbeitsproduktivität gipfeln – mehr Arbeit, aber nicht mehr Lohn.« (Sender Freies Berlin 9.3.1956)
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»Die Überzeugtesten unter den deutschen Kommunisten sprechen dem bolschewistischen System die Eigenschaft eines sozialistischen – kommunistischen Staatswesens ab.« (Tagesspiegel 11.3.1956)8
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»In der DDR wird der Personenkult nicht abgeschafft.« (Tagesspiegel 11.3.1956)9
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»Partei sammelt Material über Genossen, um diese dann zu liquidieren.« (RIAS 9.3.1956)
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»Ulbricht und Warnke10 machten die Fehler, die jetzt kritisiert werden.« (Hetzschrift des DGB »Die Kleine Tribüne«)11
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»SED muss fortschreitende Zersetzung der Partei befürchten. Neue Unsicherheit unter den Funktionären. Alleinherrschaft Walter Ulbrichts in Frage gestellt. Neuer Auftrieb der Masse der opportunistischen SED-Mitglieder im Widerstand gegen die Ulbricht-Diktatur.« (Hetzschrift des SPD-Ostbüros »Tribüne«)12
2. Hetze gegen die KPdSU und zur Rolle Trotzkis
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»Die Veränderungen in der SU scheinen bis jetzt noch keinen wirklichen Bruch13 mit dem Stalinismus zu bedeuten.« (Wolfgang Leonhard14 über den Londoner Rundfunk 13.3.1956)
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»Die Diktatur blieb erhalten, es wurden nur die brutalen Elemente abgestoßen.« (»Telegraf« 10.3.1956)15
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Hervorheben der »historischen Verdienste Trotzkis«. (SFB 13.3.1956)
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»Die bolschewistischen Führer müssen sich mit den Gedanken Trotzkis beschäftigen. Trotzki hatte mit seiner Lehre von der permanenten Revolution keinen überzeugteren Schüler als Lenin.« (Die Welt 10.3.1956)16
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»Die KPdSU will die Diskussion über die Vergangenheit entkrampfen, deshalb wird Trotzki die Rolle eines ideologischen Opponenten zugewiesen.« (Tagesspiegel 9.3.1956)17
3. Forderungen
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»Freilassung derjenigen, die Stalin beschimpften, Stalinbilder beschädigten u. a.« (SFB 8.3.1956, RIAS 13.3.1956 u. a. im Jugendfunk)
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»SED soll auch ehemalige Genossen rehabilitieren, z. B. Heinz Neumann,18 Hermann Remmele,19 Hugo Eberlein,20 Willi Münzenberg,21 Kurt Sauerland,22 Emil Klubsch,23 Heinrich Süßkind24 u. a. Sie sind nur liquidiert worden, weil sie Stalin kritisierten.« (RIAS 14.3.1956)
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»Jugendliche sollen Fragen nach Trotzki, Bucharin25 und anderen stellen.« (Jugendfunk des RIAS 12.3.1956)
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Willy Brandt26/Westberlin: »Es sei an der Zeit, zur Offensive überzugehen, um eine der größten Krisen des Kommunismus für den freiheitlichen Sozialismus auszuwerten.« (»Telegraf« 10.3.1956)27
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»Die kleine Tribüne« Nr. 2/56 (DGB): »SED Parteikonferenz herhören!! Unsere Folgerungen aus dem XX. Parteikongress der KPdSU. Nachdem die Reden und Beschlüsse von Moskau eine so glänzende Bestätigung der Richtigkeit der Arbeiter-Opposition in der DDR und eine so grundsätzliche Verneinung des Kurses der Stalin – Ulbricht – Warnke gezeigt haben, erwarten die Arbeiter der DDR von der bevorstehenden SED-Konferenz28 Folgendes:
- 1.
Ulbricht muss abgesetzt werden und mit ihm seine ganze Stalinisten-Regierung.
- 2.
Jede Bevormundung des FDGB wird eingestellt … Neue Funktionäre von den Arbeitern in direkter freier Wahl bestellen.
- 3.
… Freie und kritische Meinungsäußerung in Wort und Schrift erlauben.
- 4.
… Andere Arbeiterparteien ebenfalls zulassen. Der eigene Weg des deutschen Volkes zum Sozialismus ist durch freie Wahlen zu finden.
- 5.
Alle wegen Arbeiter-Opposition und wegen des Juni-Aufstandes Inhaftierten sind freizulassen und an ihren Arbeitsplätzen zu rehabilitieren.
- 6.
Die zur Aufrechterhaltung des Stalinismus notwendigen Terrorinstrumente, wie Kampfgruppen29 und SSD,30 sind aufzulösen und durch normale Wachdienste bzw. durch gesetzestreue Kriminalpolizei zu ersetzen.
- 7.
Die sowjetischen Elemente unseres Lohnsystems und unserer Arbeits- und Sozialgesetzgebung sind aufzuheben. Stalinistische Züge sind auszumerzen und durch normale deutsche Vorschriften zu ersetzen.«
- 1.