Vorfälle mit US-Alliierten an Berliner Grenzpunkten (2)
28. Oktober 1961
Einzel-Information Nr. 671/61 über weitere schwere Grenzprovokationen durch Angehörige der amerikanischen Besatzer in Westberlin
Die amerikanischen Besatzer in Westberlin setzten auch am 24. und 25.10.1961 ihre provokatorischen Versuche zur unkontrollierten Einfahrt amerikanischer Zivilpersonen in das demokratische Berlin am KP Friedrichstraße fort.1
Am 24.10., gegen 21.45 Uhr versuchten z. B. zwei Zivilpersonen mit dem Pkw B 3366 unkontrolliert in das demokratische Berlin einzufahren. Sie beachteten das Stoppzeichen nicht und konnten erst durch den zweiten Posten zum Halten gebracht werden. Diesem Wagen folgte der Pkw der US-Armee BC-55 mit drei amerikanischen Militärangehörigen. Einer der amerikanischen Militärangehörigen mischte sich in die Kontrolle ein. Beide Pkw fuhren nach Westberlin zurück.
Am 25.10., gegen 6.30 Uhr fuhr der Pkw B 15–42 infolge einer Unachtsamkeit der eingesetzten Grenzposten unkontrolliert in das demokratische Berlin ein. Als er auf der Rückfahrt kontrolliert wurde (im Wagen befanden sich zwei Zivilpersonen), standen auf Westberliner Seite zwei US-Jeeps mit fünf Soldaten bereit.
Kurze Zeit später, etwa gegen 7.30 Uhr, verweigerten zwei Zivilpersonen, die mit dem Pkw B 41–04 einfahren wollten, die Kontrolle. Nachdem das Fahrzeug an der Weiterfahrt gehindert wurde, fuhr der Pkw der US-Verbindungsmission BC-55 vor. Ein amerikanischer Oberstleutnant der US-Militärverbindungsmission sprach gegenüber unserem Grenzposten die Drohung aus, dass »etwas passieren« würde, wenn der Pkw innerhalb einer Stunde nicht weiterfahren könnte. Beide Pkw fuhren nach Westberlin zurück.
Gegen 10.45 Uhr schleusten drei Jeeps der US-Armee, besetzt mit Offizieren und mit MPi und Schnellfeuergewehren ausgerüsteten Soldaten, den mit zwei Zivilisten besetzten Pkw B 41–04 durch den KP Friedrichstraße. Auf das Stoppzeichen des VP-Postens reagierten die Amerikaner nicht, sondern umfuhren den Posten und gelangten unkontrolliert in das demokratische Berlin. Vor Erreichen des zweiten Kontrollpunktes Friedrich-/Ecke Krausenstraße wendeten die Fahrzeuge und fuhren nach Westberlin zurück. Während dieser Provokation stand ein amerikanischer Schützenpanzerwagen mit demonstrativ auf das demokratische Berlin gerichteten Waffen unmittelbar an der Grenze.
Gegen 14.45 Uhr versuchten am KP Friedrichstraße zwei Busse mit amerikanischen Kennzeichen, besetzt mit Militärangehörigen und Zivilisten, unkontrolliert in das demokratische Berlin einzufahren. Die Busse wurden an der Weiterfahrt gehindert und fuhren später nach Westberlin zurück.
In diesem Zusammenhang verdient Beachtung, dass im Verlauf des 25.10. mehrere Fahrzeuge der englischen und französischen Besatzer den KP Friedrichstraße anfuhren, die z. T. mit Militärangehörigen und z. T. mit Zivilisten besetzt waren. Den Aufforderungen unserer Sicherungskräfte, sich zu legitimieren, kamen die Zivilpersonen nach vorangegangenen Diskussionen nach. Zu provokatorischen Vorkommnissen kam es dabei nicht.
Am 25.10., gegen 7.40 Uhr wurde festgestellt, dass im I. Stock eines Hauses an der Friedrich/Ecke Zimmerstraße von amerikanischen Soldaten ein MG in Stellung gebracht wurde.
Den Höhepunkt der Provokationen am 25.10. stellte die gegen 11.00 Uhr erfolgte Auffahrt amerikanischer Panzer am KP Friedrichstraße bzw. in unmittelbarer Nähe dar, nachdem sie bereits seit den Morgenstunden in angrenzenden Straßen verdeckt in Bereitschaft standen. Es handelte sich um zehn schwere amerikanische Panzer, darunter vier Räumpanzer, und um drei Schützenpanzerwagen. Drei schwere Panzer waren unmittelbar an der Grenze postiert. Die amerikanische Garnison in Westberlin befand sich von etwa 10.00 Uhr bis gegen 17.00 Uhr in Alarmbereitschaft. Nachdem die Alarmbereitschaft aufgehoben wurde, wurden die amerikanischen Panzer aus der Friedrichstraße zurückgezogen.
Weiter wurde festgestellt, dass während der Zeit der Alarmbereitschaft in verschiedenen Häusern auf der Westberliner Seite der Friedrichstraße amerikanische Beobachtungsposten, z. T. mit MG ausgerüstet, stationiert waren. Außerdem waren zwei amerikanische Hubschrauber im Einsatz, von denen einer die Friedrichstraße überflog, während der andere über dem Gebäude des ZK, über dem Alexanderplatz usw. kreiste. Gegen 16.00 Uhr kreiste ein amerikanischer Hubschrauber über dem Objekt des Wachregiments des MfS.
Die englischen Besatzer in Westberlin verstärkten ebenfalls ihre Truppen an der Grenze. Sie fuhren im Tiergarten in der Nähe der Kongresshalle drei schwere Panzer auf. Gleichzeitig wurden britische Infanterie und sechs Panzerabwehrgeschütze in Stellung gebracht. Die Beobachtungsposten wurden an verschiedenen Objekten verstärkt. Auf der westlichen Seite des Potsdamer Platzes fuhr ein englischer Mannschaftstransportwagen mit 15 Soldaten auf.
Die Westberliner Bereitschaftspolizei hatte auf der Westseite des Potsdamer Platzes etwa ab 14.00 Uhr zwei Mannschaftstransportwagen mit je 25 Mann stationiert.
Beachtung verdient auch die Tatsache, dass die Londoner Reuter-Agentur ihre Korrespondenten bereits in der Nacht vom 24. zum 25.10. angewiesen hatte, sich am 25.10. am Grenzkontrollpunkt Friedrichstraße einzufinden.
Im Ergebnis der Besprechung zwischen dem sowjetischen Stadtkommandanten und dem amerikanischen Stadtkommandanten General Watson am 25.10. seien, nach offiziellen Meldungen, die nicht uniformierten amerikanischen Beamten und deren Angehörige von amerikanischer Seite gebeten worden, das demokratische Berlin zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu betreten. Über die Ergebnisse der Besprechung wurde das MfAA durch die Botschaft der UdSSR informiert.
Die bereits angeführten amerikanischen Hubschrauberflüge über das demokratische Berlin, die nach westlichen Pressemeldungen das »Recht« auf freie Bewegung in ganz Berlin demonstrieren und gleichzeitig Erkundungszwecken dienen sollen, wurden auch am 26.10. fortgesetzt. Die Amerikaner berufen sich dabei auf zurückliegende »Rechte«, wonach sie bis zu einer Höhe von 3 000 m über ganz Berlin fliegen könnten. Die sowjetischen Freunde wurden im Interesse der Einleitung geeigneter Maßnahmen über die Flüge amerikanischer Hubschrauber informiert.
In den Abendstunden des 25.10. und in den Vormittagsstunden des 26.10. kam es zu keinen weiteren provokatorischen Vorkommnissen am KP Friedrichstraße. Am 26.10., gegen 10.40 Uhr wurde der Pkw der amerikanischen Militärpolizei BC–55, besetzt mit einem Militärangehörigen und einer Zivilperson, nach Westberlin zurückgeschickt, da die Zivilperson es ablehnte, sich zu legitimieren. Es kam jedoch zu keinem Zwischenfall. Das Fahrzeug fuhr ungefähr eine Stunde später erneut vor und konnte unkontrolliert passieren. Die beim ersten Versuch in Zivilkleidung erschienene Person trug jetzt Uniform (Nach Pressemeldungen habe es sich um den amerikanischen Major Firestone gehandelt.)
Die Inszenierung weiterer Provokationen wurde jedoch schon durch den in den Vormittagsstunden des 26.10. erfolgten Aufbau von zehn Filmkameras dicht am Grenzübergang angedeutet.
Es muss hervorgehoben werden, dass von den Insassen englischer und französischer Fahrzeuge am KP Friedrichstraße keine Provokationen verursacht wurden. Lediglich dem französischen Militärfahrzeug F 16 29 64, mit einem Soldaten und zwei Zivilpersonen (Frauen) besetzt, wurde zweimal kurz nacheinander die Einfahrt in das demokratische Berlin verwehrt, da die Zivilpersonen es ablehnten, sich zu legitimieren. Kurze Zeit später fuhr dieses Fahrzeug, jetzt ohne Zivilpersonen, ein drittes Mal vor und konnte unkontrolliert passieren.
Entgegen westlichen Pressemeldungen, wonach ein englisches Zivilfahrzeug und ein Militärfahrzeug (besetzt mit Uniformierten und Zivilpersonen) den Kontrollpunkt Friedrichstraße gegen 15.00 Uhr unkontrolliert passiert hätten, ergab eine Überprüfung, dass ein englischer nur mit Militärangehörigen besetzter Lkw unkontrolliert passieren konnte, während die Insassen des Zivilfahrzeuges (Pkw 27 XXP 00, 1 Militärangehöriger und 2 Zivilpersonen) sich sowohl bei der Einfahrt in das demokratische Berlin (15.00 Uhr) als auch bei der Rückfahrt nach Westberlin (gegen 16.00 Uhr) unaufgefordert legitimierten.
Kurz nach 15.00 Uhr wiederholten die amerikanischen Besatzer die vom Vortag bekannte provokatorische Auffahrt von Panzerfahrzeugen und Jeeps mit Verstärkungen für die Militärpolizei.
Eine Fahrzeugkolonne, bestehend aus drei Jeeps mit US-Militärpolizei und dem Pkw B 4104, der mit zwei Zivilpersonen besetzt war, fuhr gegen 15.45 Uhr unkontrolliert in das demokratische Berlin ein. Während die Militärfahrzeuge an der Friedrich-Ecke Krausenstraße wendeten und zum Grenzübergang zurückfuhren, setzte der mit Zivilpersonen besetzte Pkw seine Fahrt in das demokratische Berlin fort. Als dieser Pkw etwa 10 min später bei der Rückfahrt nach Westberlin gestoppt wurde und von Angehörigen des MfS kontrolliert werden sollte, was aber von westdeutscher Seite eingesehen werden konnte, fuhren die Jeeps erneut in das demokratische Berlin ein und geleiteten den Pkw nach Westberlin zurück. Kurze Zeit nach diesem Vorfall, etwa gegen 16.15 Uhr, wurden die amerikanischen Panzer zurückgezogen.
In den Abendstunden des 26.10.1961 begann ein Bataillon sowjetischer Panzer in der Nähe der Straße »Unter den Linden« gedeckt Bereitschaftsstellung zu beziehen.
Trotz scharfer Proteste des sowjetischen Stadtkommandanten beim amerikanischen Kommandanten General Watson gegen die amerikanischen Grenzprovokationen und gegen das Überfliegen des demokratischen Berlin durch amerikanische Hubschrauber setzten die amerikanischen Besatzer auch am 27.10. ihre Grenzprovokationen fort. Gegen 10.40 Uhr fuhr, aus dem demokratischen Berlin kommend, der amerikanische Pkw B 2561, besetzt mit drei US-Offizieren, am KP Brandenburger Tor vor. Die Offiziere stiegen aus, stießen unsere Sicherungsposten beiseite und drangen in das Sperrgebiet am Brandenburger Tor ein. Als ihnen ein VP-Offizier entgegenkam, entfernten sie sich wieder und fuhren in Richtung KP Friedrichstraße zurück.
Gegen 12.35 Uhr versuchte ein mit vier Militärangehörigen besetztes Fahrzeug der amerikanischen Militärpolizei mit dem Kennzeichen BC–16, aus dem demokratischen Berlin kommend, über den KP Heinrich-Heine-Straße nach Westberlin zu fahren. Es handelte sich offensichtlich um den Versuch, den für Ausländer nicht zugelassenen Kontrollpunkt Heinrich-Heine-Straße zu benutzen und auf diesem Wege die angebliche Gültigkeit des Viermächtestatus und die Ignorierung der Bestimmungen der Regierung der DDR zu demonstrieren. Der Pkw wurde an der Durchfahrt gehindert. Die Insassen verlangten daraufhin mehrmals, mit einem sowjetischen Offizier zu sprechen. Nachdem sie zu erkennen gaben, dass sie gewaltsam durchbrechen werden, wurde durch das Vorfahren eines VP-Fahrzeuges der Übergang gesperrt. Der von den Amerikanern gegen 13.45 Uhr unternommene Versuch, gewaltsam durchzubrechen, konnte dadurch verhindert werden. Anschließend verließ das amerikanische Fahrzeug das demokratische Berlin über den KP Friedrichstraße.
Gegen 16.30 Uhr fuhren am KP Friedrichstraße erneut amerikanische Panzerfahrzeuge auf. Wenige Minuten später, etwa gegen 16.35 Uhr, drangen drei Zivilpersonen mit dem Pkw B 1542 (Volkswagen), begleitet von drei US Jeeps mit Militärpolizei, in das demokratische Berlin ein. Bei dem Versuch eines VP-Fahrzeuges, in Höhe der Schützenstraße den Volkswagen zu stoppen, sprangen sechs amerikanische Militärpolizisten von den Jeeps und marschierten zu beiden Seiten des Volkswagens. Das VP-Fahrzeug fuhr dann am Ende der Fahrzeugkolonne. Die Kolonne wendete an der Ecke Friedrich-Krausenstraße und fuhr nach Westberlin zurück.
Gegen 17.20 Uhr wurden die amerikanischen Panzerfahrzeuge zurückgezogen. Wenige Minuten später fuhren sowjetische Panzer bis auf etwa 100 m (in Höhe Schützenstraße) an den Kontrollpunkt heran und standen dort etwa 20 min Wenig später in kurz aufeinanderfolgenden Zeitabständen fuhren erst die amerikanischen und dann die sowjetischen Panzer erneut auf, sodass sie sich etwa ab 18.00 Uhr in einer Entfernung von 200 m gegenüberstehen.
Das Gebiet der DDR wurde am 27.10. durch amerikanische Hubschrauber nicht mehr überflogen. Sie beschränkten sich auf Erkundungsflüge entlang der Grenze. Lediglich ein französisches Erkundungsflugzeug, das ebenfalls entlang der Grenze flog, verletzte dabei geringfügig das Hoheitsgebiet der DDR.
Die englischen Besatzer hatten schon in den Morgen- und Vormittagsstunden des 27.10. ihre an der Grenze stationierten Beobachtungs- und Sicherungsposten in ähnlicher Weise wie am 25.10. verstärkt.
In der Nacht vom 27. zum 28.10. bezog ein zweites, sowjetisches Panzerbataillon Bereitstellung in der Geschwister-Scholl-Str./Nähe Marx-Engels-Platz.
Bereits am 24.10.1961 wurde aufgrund der amerikanischen Provokationen für Panzer-Einheiten der NVA Einsatzbereitschaft angeordnet. Vom MfS wurden außerdem Sondereinheiten in Bereitschaft gehalten. Weiter wurden Maßnahmen eingeleitet, um die psychologischen Auswirkungen der amerikanischen Provokationen auf die Bevölkerung der DDR zu erkunden und mit entsprechenden Gegenmaßnahmen zu antworten. Ferner wurden vom MfS Maßnahmen eingeleitet, um vorliegende Hinweise über angebliche alliierte Pläne zur gewaltsamen Beseitigung der Grenzsicherungssperren zu überprüfen. Das bisherige Verhalten der Amerikaner am KP Friedrichstraße lässt Einschätzungen über die Realität derartiger Pläne nicht zu.
Es kann eingeschätzt werden, dass die eingeleiteten bzw. vorbereiteten Maßnahmen genügen, um weiteren Provokationen entsprechend begegnen zu können.