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Anmeldung von Vermögenswerten verfolgter Ausländer in der Schweiz

17. Februar 1964
Einzelinformation Nr. 117/64 über die Anmeldung von Vermögenswerten rassisch, religiös oder politisch verfolgter Ausländer oder Staatenloser in der Schweiz

Entsprechend einem Beschluss des Schweizer Parlaments über die in der Schweiz befindlichen Vermögenswerte von rassisch, religiös oder politisch verfolgten Ausländern oder Staatenlosen, der am 20.12.19621 gefasst wurde und am 1.9.1963 in Kraft trat,2 sind diese Vermögenswerte von den Verwahrern oder Verwaltern (Banken, Versicherungsgesellschaften, Treuhänder, Anwälte, Notare, Behörden usw.) bis zum 29.2.1964 bei einer vom Schweizer Bundesrat ernannten Meldestelle unter Angabe aller seit dem Verschwinden oder der nachrichtenlosen Abwesenheit des Eigentümers eingetretenen Veränderungen anzumelden. Über die organisatorische Abwicklung der Aktion liegt eine Vollziehungsverordnung vom 10.6.1963 vor.

Zur Erläuterung des Parlamentsbeschlusses wurde von zuverlässiger Seite bekannt, dass alle in der Schweiz befindlichen Vermögenswerte irgendwelcher Art von Ausländern oder Staatenlosen, von denen seit dem 9. Mai 1945 zuverlässige Nachrichten fehlen und von denen man weiß oder vermutet, dass sie Opfer rassischer, religiöser oder politischer Verfolgungen wurden, ermittelt werden sollen, um sie ihren Eigentümern oder Rechtsnachfolgern zur Verfügung stellen zu können. Den mit der Abwicklung der Aktion betrauten Organen wurde eine strenge Geheimhaltungspflicht auferlegt. Auskünfte dürfen nur den Rechtsnachfolgern oder ihren Bevollmächtigten erteilt werden. Verlaufen die zur Feststellung des Aufenthalts oder des Schicksals des Vermögenseigentümers bzw. seiner Rechtsnachfolger angestellten Nachforschungen ergebnislos, wird das angemeldete Vermögen einem vom Bundesrat einzurichtenden Fonds überwiesen, über dessen Verwendung später die gesetzgebenden Räte in abschließender Kompetenz befinden werden.

Nach dem Bundesbeschluss und einer Auskunft der genannten Meldestelle, über die von zuverlässiger Seite berichtet wurde, sollen die Vermögenswerte jüdischer Bürger, die in der Schweiz deponiert sind, jenen Staaten zustehen, aus dessen Territorium die Eigentümer stammten, die Opfer faschistischer Verfolgungen wurden. Lt. Schweizer Gesetz gibt es kein herrenloses Vermögen. Die Vermögenswerte eines beispielsweise zuletzt in Leipzig wohnhaften Juden, der ohne nachweisliche Erben Opfer faschistischer Verfolgungen wurde, fielen demnach der DDR zu.3

Es wurde deshalb von zuverlässiger Seite darauf hingewiesen, dass die DDR sich rechtzeitig um diese Angelegenheit kümmern müsse, damit die Bundesrepublik nicht ihren sogenannten Alleinvertretungsanspruch geltend macht und alle entsprechenden Vermögenswerte, bei denen es sich durchweg um Devisen und Wertsachen bzw. Grundstückstitel handelt, für sich beansprucht. Es wird deshalb eine klärende Rücksprache des diplomatischen Vertreters der DDR in Genf mit dem Leiter der genannten Meldestelle, Dr. Weber, angeregt, bei der alle Verfahrensdetails (Nachweispflicht, Meldemodus usw.) geklärt werden müssten.

  1. Zum nächsten Dokument Bundesaußenminister Schröder zu Passierscheinverhandlungen

    18. Februar 1964
    Einzelinformation Nr. 123/64 über die Einmischung Schröders in die Passierscheinverhandlungen

  2. Zum vorherigen Dokument Ursachen der Viehverluste in der Landwirtschaft der DDR

    15. Februar 1964
    Einzelinformation Nr. 112/64 über einige Ursachen der Viehverluste in der Landwirtschaft der DDR