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Differenzen des Postministeriums mit der Zollverwaltung

Juni 1964
Einzelinformation Nr. 517/64 über einige Differenzen zwischen dem Ministerium für Post- und Fernmeldewesen und der Zollverwaltung der DDR hinsichtlich von Verlusten bei Postsendungen aus Westdeutschland und Westberlin

Dem MfS wurde bekannt, dass bei einer Reihe von leitenden Mitarbeitern des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen bzw. bei Leitern der Hauptpostämter der Bezirke Unzufriedenheit über eine ihrer Meinung nach ungerechtfertigte und – wie von einigen Mitarbeitern der Deutschen Post formuliert wird – ungesetzliche Beschlagnahme von Postsendungen aus Westdeutschland und Westberlin durch die Zollverwaltung besteht.

In einem Bericht vom 7.4.1964 des Sektors Kontrolle des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen an den Minister für Post- und Fernmeldewesen wird Bezug genommen auf Eingaben von Bürgern der DDR an das Ministerium für Post- und Fernmeldewesen bzw. an die Hauptpostämter über abhandengekommene oder beraubte Sendungen aus Westdeutschland und Westberlin.

In diesem Material, das inzwischen dem Minister für Post- und Fernmeldewesen vorgelegen hat, soll vor allem bewiesen werden, dass das derzeitige Verfahren der Zollverwaltung bei der Beschlagnahme von Postsendungen aus Westdeutschland und Westberlin nicht die Billigung von leitenden Mitarbeitern des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen sowie darüber hinaus großer Teile der Bevölkerung der DDR findet und dazu geeignet sei, das Vertrauen der Bevölkerung in die Zuverlässigkeit der Deutschen Post zu verringern. Unverständnis, so heißt es in dem Bericht vom 7.4.1964, bestehe vor allem bei den Mitarbeitern der Deutschen Post über die Verfahrensweise der Zollverwaltung, bestimmte Postsendungen ohne Beschlagnahmeprotokoll und ohne Benachrichtigung des Empfängers einzuziehen. Damit gerate die Deutsche Post bei der Bevölkerung unverschuldet in den Verdacht, dass sich die Quote der Unzuverlässigkeit und der Beraubungen auf dem Postwege ständig erhöhe. Dabei gehen die Anschuldigungen von Mitarbeitern der Deutschen Post gegen die Zollverwaltung der DDR so weit, dass verschiedentlich von Verletzungen der sozialistischen Gesetzlichkeit gesprochen wird.

Im Zusammenhang mit diesen bei Mitarbeitern der Deutschen Post wiederholt auftretenden Diskussionen und den schriftlichen Darlegungen des Sektors Kontrolle des MfPF vom 7.4.1964 erscheinen folgende Hinweise von Bedeutung: Nach dem 13.8.1961 beschäftigte sich die Parteiführung wiederholt mit den Problemen der Verhinderung des Missbrauchs des Postweges durch die westdeutschen und Westberliner militaristischen und revanchistischen Kräfte. Nachdem sich bereits im Oktober 1961 das Politbüro konkret mit diesen Fragen beschäftigt hatte,1 wurden am 8.11.1961 Beschlüsse durch das Sekretariat des Zentralkomitees gefasst, in denen u. a. festgelegt wurde, dass bei der Beschlagnahme von Postsendungen aus Westdeutschland und Westberlin grundsätzlich keine Beschlagnahmeprotokolle versandt werden.2 (Dieser Beschluss war gleichzeitig eine Bestätigung der inhaltlich gleichen Weisung des Ersten Stellvertreters des Vorsitzenden des Ministerrates Genossen Stoph3 vom 8.9.1961, der eine Beratung mit dem Staatssekretär für Post- und Fernmeldewesen Genossen Serinek4 und dem Leiter der Zollverwaltung vorausgegangen war.) Seit dem 8.9.1961 wurden somit keine Protokolle für beschlagnahmte Sendungen aus Westdeutschland und Westberlin weder an den Absender noch an den Empfänger versandt.

Diese Maßnahme trug dazu bei, die gegnerischen Versuche, Pakete und Päckchen organisiert in die DDR einzuschleusen, zu erschweren. Dem Gegner wurde die Möglichkeit genommen, durch eine Auswertung der übersandten Beschlagnahmeprotokolle die Methoden der Kontrolle, die Beschlagnahmegründe und die Anzahl der von der Zollverwaltung nicht erkannten organisierten Sendungen festzustellen. Andererseits führte das Nichtversenden von Beschlagnahmeprotokollen vor allem bei der Beschlagnahme von nichtorganisierten Sendungen zu einer großen Zahl von Nachfragen und Beschwerden bei der Deutschen Post.

Deshalb wandte sich der Staatssekretär für Post- und Fernmeldewesen Genosse Serinek am 4.12.1962 an den Genossen Stoph mit dem Vorschlag, bei einer Beschlagnahme von nichtorganisierten Sendungen, d. h. von sogenannten Privatsendungen, dem Empfänger in der DDR Protokolle zuzusenden, wobei in dem Schreiben ausdrücklich betont wurde, dass es hinsichtlich des Protokollversandes bei beschlagnahmten organisierten Sendungen bei der alten Regelung bleiben müsse.

Dieser Vorschlag des Genossen Serinek wurde vom Ersten Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates gebilligt. Die entsprechenden Weisungen der Zollverwaltung und des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen traten am 20.2.1963 in Kraft. Bis zum 20.2.1963 wurden demnach entsprechend dem vorherigen Beschluss des Sekretariats des ZK und der Weisung des Genossen Stoph in keinem Falle Beschlagnahmeprotokolle versandt.

Die von Mitarbeitern des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen, der BPF und HPÄ zum Teil in missbilligender Weise diskutierten Beispiele über die Nichtübersendung von Beschlagnahmeprotokollen durch die Zollverwaltung erstrecken sich aber, soweit das von der Leitung der Zollverwaltung überprüft werden konnte, noch heute ausschließlich auf Vorgänge, die vor dem 20.2.1963 lagen. Die Auffassungen bei der Deutschen Post werden häufig durch Unwissenheit über die damals geltenden Bestimmungen und die nach dem 20.2.1963 getroffenen Regelungen verstärkt.

Bei Analysierung der bei einigen leitenden Mitarbeitern des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen und seiner untergeordneten Dienststellen vorhandenen Diskussionen und Vorstellungen zu diesem Problem muss jedoch auch eingeschätzt werden, dass offensichtlich bei einigen Genossen und Mitarbeitern der Deutschen Post eine ablehnende Haltung gegen die Regelung, die, wie oben dargelegt, von der Partei- und Staatsführung getroffen wurde, besteht. Bereits im September 1961, als der Vorschlag hinsichtlich des Nichtversendens von Beschlagnahmeprotokollen auf Initiative der Zollverwaltung unterbreitet wurde, waren Widerstände seitens der Deutschen Post dagegen aufgetreten, die sich – den Diskussionen zufolge – bis zu den Hauptpostämtern fortsetzen und ziemlich verbreitet sind. Demgegenüber ist aber aus den Argumenten der Mitarbeiter insbesondere der untergeordneten Dienststellen der Deutschen Post zu erkennen, dass vor allem die bestehende politische Notwendigkeit, die organisierte Einfuhr von Paketen und Päckchen zu verhindern, nicht beachtet wird.

In den Argumenten von Mitarbeitern der Deutschen Post wird besonders hervorgehoben, dass die DDR das Land mit den größten »Verlusten« an Kleingutsendungen sei. Diesen Diskussionen wird aber auch nicht gegenübergestellt, dass sich z. B. westdeutsche Behörden damit brüsten, Postsendungen aus der DDR würden waggonweise aus dem Verkehr gezogen.5

Besonders im Bericht des Sektors Kontrolle des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen vom 7.4.1964 wird betont, dass die Zahl der gemeldeten Verluste oder Beraubungen – 6 508 gewöhnliche Pakete und 1 116 gewöhnliche Päckchen im 2. Halbjahr 1963 – gegenüber der Gesamtzahl der Sendungen aus Westdeutschland und Westberlin – ca. 28 Millionen gewöhnliche Paket- und Päckchensendungen im 2. Halbjahr 1963 – ziemlich hoch sei. Von Mitarbeitern der Deutschen Post wird mehrfach auch in schriftlicher Form angezweifelt, dass diese große Anzahl von Sendungen aus Westdeutschland und Westberlin tatsächlich in Verlust geraten sein können. (Zum Beispiel wird vom Leiter des HPA Karl-Marx-Stadt in diesem Zusammenhang in einer Zuschrift an den Sektor Kontrolle des MfPF von einer bestehenden Verletzung der sozialistischen Gesetzlichkeit gesprochen.) Durch die Zollverwaltung ist dem MfS bekannt, dass jedoch allein im Zeitraum des 2. Halbjahres 1963 134 630 Pakete und Päckchen als nachweisbare Organisationssendungen beschlagnahmt werden mussten.

In den Kritiken der Mitarbeiter der Deutschen Post, insbesondere auch in dem Material des Sektors Kontrolle des MfPF, spielt ferner die angeblich von Mitarbeitern der Zollverwaltung ungenügend vorgenommene Abgrenzung zwischen Organisationssendungen und Privatsendungen eine große Rolle. Es wird angeführt, dass vermutlich durch die Zollverwaltung aus Unkenntnis Privatsendungen als Organisationssendungen behandelt würden, somit keine Beschlagnahmeprotokolle angefertigt werden und der angeblich berechtigten Beschwerdeführung der Empfänger in der DDR Vorschub geleistet werde.

Diese Kritiken der Mitarbeiter der Deutschen Post sind z. T. zutreffend, soweit es sich um Postsendungen handelt, die vor dem 20.2.1963 beschlagnahmt wurden.6 (Wie angeführt, wurden bis zum 20.2.1963 in keinem Falle Beschlagnahmeprotokolle versandt.) Es ist jedoch festzustellen, dass die Mitarbeiter der Deutschen Post nicht in der Lage sein können, aufgrund der bei ihnen eingehenden Beschwerden einzuschätzen, ob es sich um eine Privatsendung oder tatsächlich um eine Organisationssendung gehandelt hat, zumal die Organisationssendungen vom Gegner so abgedeckt sind, dass sie für Uneingeweihte immer den Anschein einer harmlosen Privatsendung erwecken müssen. Durch diese Unkenntnis der Situation erweisen sich auch überwiegend die Kritiken von Mitarbeitern der Deutschen Post an der Arbeit der Zollverwaltung bei genauer Überprüfung als vollkommen unberechtigt.

So wird unter zahlreichen gleichgelagerten Beispielen in den Materialien der Deutschen Post das Beispiel der Frau [Vorname Name 1], Zwickau, [Straße], angeführt, die von einem [Vorname Name 2], Hamburg 39, [Straße, Nr.], Pakete erhält. Es wird behauptet, bei dem Absender [Name 2] handele es sich um eine Privatadresse; der Einzug des Paketes als Organisationssendung sei zu Unrecht erfolgt. [Name 2] erhalte abgetragene Kleidung von der in Hamburg wohnenden Schwester der [Name 1] und revanchiere sich dafür mit einem monatlichen Lebensmittelpaket nach Zwickau. In Wirklichkeit verbirgt sich aber hinter dieser Sendung der Konsumverband Hamburg 7, der insgesamt ca. 20 verschiedene Absender – darunter den Absender des [Name 2] – benutzt. Circa 230 Sendungen dieser Organisation, meistens Lebensmittel und Wurst, wurden bisher beschlagnahmt.

Dem MfS ist bekannt, dass durch die Zollverwaltung Anstrengungen unternommen werden, die Bekämpfung der Einfuhr von Organisationssendungen wirkungsvoller vorzunehmen und gleichzeitig Fehlentscheidungen auszuschalten. So arbeiten in allen Postzollämtern erfahrene Mitarbeiter zur Aufklärung der Organisationssendungen. Die Erfahrungen dieser Mitarbeiter sowie die Untersuchungsergebnisse der Zollfahndung bilden die Grundlage für die Entscheidung über Beschlagnahme von Organisationssendungen. Dabei wurde festgestellt – und das ist für die Mitarbeiter der Deutschen Post äußerlich nicht erkennbar –, dass die Organisationen in Westdeutschland in äußerst starkem Maße Mittelsmänner eingesetzt haben, die den Paketen den »privaten Anschein« geben sollen (u. a. Einsatz von Schulklassen, Altersheimen u. Ä.). Der Leiter der Zollverwaltung schätzte in einem Bericht ein, dass durch die vielfältigen Methoden des Gegners, Organisationssendungen in die DDR einzuschleusen, die Anstrengungen zur Bekämpfung noch verstärkt werden müssen, zumal es nach durchschnittlichen Berechnungen erst gelungen sei, lediglich ein Drittel der organisiert eingeführten Pakete und Päckchen festzustellen.

Neben der Kritik des MfPF und dessen Dienststellen, Privatsendungen würden durch die Zollverwaltung als Organisationssendungen ohne Beschlagnahmeprotokoll einbehalten, spielt in ihren Diskussionen sowie auch im Material des Sektors Kontrolle vom 7.4.1964 die angeblich ungerechtfertigte Beschlagnahme von Literatur aus Westdeutschland und Westberlin eine wesentliche Rolle. Häufig wird dabei ebenfalls auf Beispiele zurückgegriffen, die vor dem 20.2.1963 lagen, für die also weisungsgemäß kein Beschlagnahmeprotokoll verwandt wurde. Es wird aber seitens der Deutschen Post auch häufig die Vermutung ausgesprochen, andere, nicht im Empfängerbereich liegende Postzollämter, denen z. B. über eine Sondergenehmigung für bestimmte Empfänger nichts bekannt sei, würden die Sendungen unprotokolliert aus dem Verkehr ziehen. Daraus resultiere, dass trotz Sondergenehmigungen bestimmte Personen nicht in den Besitz des an sie adressierten Materials kämen und Beschwerden bei der Deutschen Post einbrächten, ohne dass von der Post ein bindender Bescheid über den Verbleib der Sendung erteilt werden könne.

Im Gegensatz zu diesen Kritiken besteht bei der Zollverwaltung für die Behandlung von Literatursendungen an Inhaber mit Sondergenehmigungen seit Jahren ein festes System. Danach befindet sich in jedem Zollamt für jeden Inhaber einer Sondergenehmigung eine Karteikarte, sodass auch in einem nichtzuständigen Postzollamt keine Beschlagnahme erfolgen kann.

Auf der Grundlage eines Beschlusses des Sekretariats des ZK vom 10.7.19637 bzw. einer dazu erlassenen Verfügung des Ersten Stellvertreters des Vorsitzenden des Ministerrates Genossen Stoph wurde mit Wirkung vom 21.10.1963 von der Zollverwaltung die Dienstanweisung Nr. 20/63 erlassen, die die erlaubte Einfuhr von Literatur und sonstigen Druckerzeugnissen aus Westdeutschland, Westberlin und dem kapitalistischen Ausland im Postverkehr festlegt.8 Nach dieser Dienstanweisung wird in den Postzollämtern gearbeitet. Ungesetzliche Regelungen sind danach ausgeschlossen.9

Ferner wird der Zollverwaltung seitens des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen vorgeworfen, durch die angeblich nicht immer zuverlässigen Unterlagen und Angaben der Zollverwaltung an die Dienststellen der Deutschen Post könne nicht in jedem Fall konkret eingegrenzt werden, was tatsächlich »echte Verluste« (Diebstahl usw.) seien, bzw. was von der Zollverwaltung beschlagnahmt wurde. In dem Material des Sektors Kontrolle des MfPF wird eingeschätzt, die Angaben der Zollverwaltung über beschlagnahmte Sendungen seien nicht umfassend und nicht zuverlässig, da gegenwärtig nur bei ca. 50 % der der Zollverwaltung zur Prüfung übergebenen Nachforschungsvorgänge eine Beschlagnahme festgestellt werde, obwohl der Prozentsatz nach Meinung des MfPF wesentlich höher liegen müsste. Diese verbleibenden Sendungen – also durchschnittlich ebenfalls 50 % – müssten als tatsächliche Verluste bei der Deutschen Post ausgewiesen werden und seien auf keinen Fall praktisch vertretbar. Die Meinung, dass die Zollverwaltung unzuverlässig arbeite, wird noch unterstrichen durch die Angaben des MfPF, wonach die Zollverwaltung in bestimmten Zeitabständen bis zu 90 % der Nachfrageschreiben als sichergestellt beantwortet, gleich darauf jedoch für den nachfolgenden Zeitabschnitt den gleichen Prozentsatz als Postverluste meldet.

Dem MfS ist bekannt, dass bei der Zollverwaltung teilweise die exakte Nachprüfung durch den derzeitigen Arbeitsablauf noch nicht restlos geklärt ist. Die beschlagnahmenden Postzollämter fertigen danach für jede beschlagnahmte Sendung eine Karteikarte an, die der für den Empfänger zuständigen Bezirksverwaltung zugeleitet wird. Ebenfalls der zuständigen Bezirksverwaltung werden seitens der Hauptpostämter die bei ihnen eingehenden Nachfrageschreiben der Bevölkerung zugeleitet. Die Bezirksverwaltungen prüfen anhand der Nachfrageschreiben, ob das genannte Paket durch die Zollverwaltung beschlagnahmt worden ist und bringen in einem solchen Fall ein örtlich vereinbartes Zeichen auf dem Nachfrageschreiben an. Die Deutsche Post vermerkt aufgrund des Bescheides der Bezirksverwaltung des Zolls auf dem Nachfrageschreiben, dass die Sendung nicht nachweisbar ist und sendet das Nachfrageschreiben an die Absendestelle zurück. An dieser Arbeitsmethode, die auch in einer Verfügung des Staatssekretariates für Post- und Fernmeldewesen vom 1.11.1961 festgelegt ist, gibt es keine Beanstandungen. Jedoch treten im Arbeitsablauf innerhalb der Zollverwaltung insbesondere zwei Mängel in Erscheinung:

  • Nachfrageschreiben gehen bei den zuständigen Bezirksverwaltungen schneller ein als die Karteikarten von dem beschlagnahmenden Postzollamt;

  • Karteikarten werden von den Postzollämtern verspätet an die zuständigen Bezirksverwaltungen abgesandt. Das betrifft insbesondere Leipzig und Berlin, weil dort die Kerbungen für die Kerblochkartei der Zollverwaltung vor der Absendung an die zuständige Bezirksverwaltung vorgenommen werden müssen.

Durch diese Mängel wird der Deutschen Post des Öfteren mitgeteilt, dass die in den Nachfrageschreiben genannten Postsendungen von der Zollverwaltung nicht beschlagnahmt wurden, obgleich dies doch der Fall war. Diese dargestellte Arbeitsweise erschwert tatsächlich bei der Deutschen Post die exakte Übersicht über die wirklich in Verlust geratenen Sendungen und erhöht die Quote der bei der Deutschen Post auftretenden Verluste beträchtlich.

Im Zusammenhang mit den hier dargestellten bestehenden Differenzen zwischen dem Ministerium für Post- und Fernmeldewesen und der Zollverwaltung sowie der noch bestehenden Mängel und zur Beseitigung derselben, wären u. E. folgende Maßnahmen erforderlich:

  • Durch die Zollverwaltung sollte die Möglichkeit geprüft werden, den Umlauf der erwähnten Karteikarten für beschlagnahmte Sendungen zu beschleunigen und eine exakte Auskunft bei Anfragen durch die Deutsche Post über beschlagnahmte Sendungen zu erteilen.

  • Zur Regelung der bestehenden Differenzen und der noch offenstehenden Fragen wäre es notwendig, eine entsprechende Beratung zwischen den leitenden Genossen des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen und der Zollverwaltung – eventuell unter Vorsitz des Staatssekretärs für Post- und Fernmeldewesen Genossen Serinek – zu organisieren.10

  • Unter den Mitarbeitern des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen sowie der dem Ministerium untergeordneten Dienststellen müsste durch Aussprachen Klarheit über den Charakter und die Aufgaben der Zollverwaltung geschaffen werden. Schwerpunkt sollte dabei auf die vielfältigen Methoden des Gegners, organisierte Sendungen in die DDR einzuschleusen, gelegt werden. Es wäre zu empfehlen, dass leitende Mitarbeiter der Zollverwaltung entsprechende Vorträge vor leitenden Genossen der Bezirksdirektion halten. (Seitens der Zollverwaltung wurde dieser Vorschlag bereits mehrmals unterbreitet, jedoch wurde seitens der Dienststellen der Deutschen Post davon kein Gebrauch gemacht.)

  • Zahlreiche Zuschriften von Hauptpostämtern, z. B. an den Sektor Kontrolle des MfPF, lassen die Schlussfolgerung zu, dass interne Verfahrensweisen der Zollämter bei der Deutschen Post im breiten Maße bekannt geworden sind. Deshalb sollte in den vorher erwähnten Beratungen auch in Erwägung gezogen werden, wie eine stärkere Konspiration gewährleistet werden kann.

Anlage 1 zur Information Nr. 517/64

[Kommentar zur Information]

Zu dem Inhalt der beiliegenden Information habe ich keine Einwände.

Jedoch schlage ich vor, auf Seite 5 den Abschnitt 5 »Diese Kritiken der Mitarbeiter der Deutschen Post sind z. T. …« zu streichen. Der zur Streichung vorgeschlagene Absatz steht nicht im logischen Zusammenhang mit dem Vorhergesagten. Die Abgrenzung zwischen Org-Sendungen und Privatsendungen hat nichts mit den Festlegungen vom 20.2.1963 zu tun. Diese Festlegungen betreffen die Form der Behandlung der Beschlagnahmeprotokolle. Wie im Material dargelegt, wurden vor dem 20.2.1963 bei Organisationssendungen wie auch bei Privatsendungen Beschlagnahmeprotokolle weder an die Absender noch Empfänger gesandt.

Auf Seite 8 schlage ich im Absatz 2 vor, den Satz »Ungesetzliche Regelungen sind danach ausgeschlossen« zu streichen. Die Streichung halte ich deshalb für erforderlich, weil das falsche Verhalten eines Kontrolleurs an einem Postzollamt trotz richtiger Weisungen möglich ist. Diese Formulierung ist zu absolut. Der Inhalt dieses Absatzes ist nach meiner Auffassung ausreichend.

Auf Seite 10, Absatz 4, ist vorgeschlagen, eine Beratung eventuell unter dem Vorsitz des Staatssekretärs für Post- und Fernmeldewesen, Genossen Serinek, zu organisieren. Nach meinen Informationen ist Genosse Serinek noch nicht im Dienst. Er befindet sich auf Schule. Staatssekretär ist der Genosse Martin Franke.11

Anlage 2 zur Information Nr. 517/64

Verluste und Beraubungen bei Postsendungen aus Westdeutschland und Westberlin

Zu dem Material habe ich folgende Bemerkungen:

1. Nach dem 13.8.1961 beschäftigte sich die Parteiführung wiederholt mit den Problemen der Verhinderung des Missbrauchs des Postweges durch die westdeutschen und Westberliner militaristischen und revanchistischen Kräfte. Nachdem sich im Oktober 1961 bereits das Politbüro mit diesen Fragen befasst hatte, wurden am 8.11.1961 konkrete Beschlüsse durch das Sekretariat des ZK gefasst.12 Unter anderem ist dort festgelegt worden, dass bei der Beschlagnahme von Postsendungen aus Westdeutschland und Westberlin grundsätzlich keine Beschlagnahmeprotokolle versandt werden. Dieser Beschluss war gleichzeitig eine Bestätigung der inhaltlich gleichen Weisung des Ersten Stellvertreters des Vorsitzenden des Ministerrates, Genossen Stoph, vom 8.9.1961. Diese Weisung wurde vom Genossen Stoph nach Beratung mit dem Staatssekretär für Post- und Fernmeldewesen, Genossen Serinek, und dem Leiter der Zollverwaltung getroffen. Die Initiative zu diesem Vorschlag ging vom Leiter der Zollverwaltung aus. Seit dem 8.9.1961 wurden somit keine Protokolle für beschlagnahmte Sendungen aus Westdeutschland und Westberlin versandt. Diese Maßnahme trug dazu bei, die Versuche Pakete und Päckchen organisiert in die DDR einzuschleusen, zu erschweren. Dem Gegner wurde es unmöglich gemacht, durch eine Auswertung der übersandten Beschlagnahmeprotokolle die Methoden der Kontrolle, die Beschlagnahmegründe und die Anzahl der von uns nicht erkannten organisierten Sendungen festzustellen.

Andererseits führte das Nichtversenden von Beschlagnahmeprotokollen vor allem bei der Beschlagnahme von nichtorganisierten Sendungen zu einer großen Zahl von Nachfragen und Beschwerden bei der Deutschen Post.

Deshalb wandte sich der Staatssekretär für Post- und Fernmeldewesen, Genosse Serinek, am 4.12.1962 an den Genossen Stoph mit dem Vorschlag, bei einer Beschlagnahme von nichtorganisierten Sendungen, d. h. von sogenannten Privatsendungen, Protokolle dem Empfänger in der DDR zuzusenden. In dem Schreiben wurde ausdrücklich betont, dass es hinsichtlich des Protokollversandes bei beschlagnahmten organisierten Sendungen bei der alten Regelung bleiben muss. Der Erste Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates billigte diesen Vorschlag. Das kommt in dem folgenden Schreiben der Arbeitsgruppe des Ersten Stellvertreters des Vorsitzenden des Ministerrates vom 31.1.1963 an den Genossen Serinek zum Ausdruck: »Werter Genosse Serinek! | Der Erste Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates hat mich beauftragt, Ihnen mitzuteilen, dass er mit dem in Ihrem Schreiben vom 4.12.1962 dargelegten Vorschlag, | bei Beschlagnahmen, die Sendungen betreffen, die aufgrund persönlicher Beziehungen verschickt wurden, die Empfänger in der DDR durch Zusendung eines Beschlagnahmeprotokolls von der Beschlagnahme zu unterrichten, | einverstanden ist. Die im Zusammenhang damit notwendigen Maßnahmen sind zwischen den zuständigen Vertretern des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen und der Zollverwaltung zu regeln. | Mit sozialistischem Gruß | gez. Pickny«

Die entsprechenden Weisungen des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen und der Zollverwaltung traten ab 20.2.1963 in Kraft.

Zur Verdeutlichung des gesamten Problems halte ich es für erforderlich, einige Zahlen zur Einfuhr von Paketen und Päckchen aus Westdeutschland und Westberlin und zur Beschlagnahme von organisierten Sendungen zu geben. So wurden im 2. Halbjahr 1963 insgesamt ca. 28 Millionen Pakete und Päckchen aus Westdeutschland und Westberlin in die DDR eingeführt. Davon wurden insgesamt 134 630 Pakete und Päckchen als Organisationssendungen beschlagnahmt.

2. In dem Material des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen spielt die angeblich ungenügende Abgrenzung zwischen Organisationssendungen und Privatsendungen durch die Zollverwaltung eine große Rolle.

  • a)

    Es wird in dem Bericht und den anliegenden Materialien eine Reihe von Beispielen angeführt zu Sendungen, die vor dem 20.2.1963 beschlagnahmt wurden. So wird auf Seite 5 des Berichtes angeführt, dass eine am 17.1.1963 in Erfurt beschlagnahmte Sendung keine Organisationssendung gewesen sei und deshalb dem Empfänger ein Beschlagnahmeprotokoll hätte zugeleitet werden müssen. Aber bekanntlich wurden bis zum 20.2.1963 entsprechend dem Beschluss des Sekretariats des ZK und der Weisung des Ersten Stellvertreters des Vorsitzenden des Ministerrates in keinem Falle Beschlagnahmeprotokolle versandt.

  • b)

    Durch die Zollverwaltung wurde eine ganze Reihe von Maßnahmen eingeleitet, um die Bekämpfung der Einfuhr von organisierten Sendungen wirkungsvoller zu gestalten und gleichzeitig Fehlentscheidungen auszuschalten.

    • In allen Postzollämtern bestehen spezielle Einheiten, die sich aus erfahrenen Mitarbeitern zusammensetzen, welche ausschließlich dieses Gebiet des Postverkehrs bearbeiten.

    • In der Abteilung Zollfahndung der Hauptverwaltung wurde ein spezielles Sachgebiet gebildet, das für die Aufklärung im Zusammenhang mit festgestellten Organisationssendungen verantwortlich ist. Durch die Mitarbeiter dieses Sachgebietes erfolgen Ermittlungen über solche Personen, die von revanchistischen und militaristischen Organisationen in Westdeutschland Pakete erhalten, als auch – im Rahmen der Möglichkeiten – Ermittlungen über die Absenderkreise und Untersuchungen über die Methoden des Gegners.

    • Die Erfahrungen, die in den speziellen Einheiten an den Postzollämtern gesammelt werden und die Untersuchungsergebnisse der Zollfahndung bilden die Grundlage für die Entscheidung über die Beschlagnahme von organisierten Sendungen. Die in dem Bericht angeführte Methode, dass Sendungen allein aufgrund der äußeren Merkmale beschlagnahmt werden, ist seit einigen Jahren überholt. Die Organisationen in Westdeutschland haben in äußerst starkem Maße Mittelsmänner eingesetzt, die den Paketen den Anschein geben sollen, als ob sie von einem privaten Absender zum Versand gebracht werden. Uns sind Beispiele bekannt, dass dafür Schulklassen, Altersheime usw. eingesetzt werden. Das Bundesverwaltungsamt in Köln hat zum Beispiel ebenfalls Mittelsleute in Westdeutschland eingesetzt, die vom Bundesverwaltungsamt Geld erhalten und von diesem Geld Pakete an solche Personen in die DDR verschicken, die unter das westdeutsche 131er-Gesetz13 fallen. Die Mittelsleute in Westdeutschland sind gegenüber dem Bundesverwaltungsamt abrechnungspflichtig. Die Pakete selbst sind an der äußeren Verpackung nicht zu erkennen. Die Grundlage für das Erkennen solcher Sendungen können lediglich die operativen Hilfsmittel der Zollfahndung geben.

    In den Materialien, insbesondere den Anlagen 2 und 3,14 wird eine Reihe von Beispielen aufgeführt über angebliche Fehlentscheidungen der Zollverwaltung. Ich habe eine Reihe dieser Beispiele prüfen lassen:

    • In der Anlage 2 wird unter Ziffer 4 dargelegt, dass eine Reihe Sendungen aus dem Gebiet Sonthofen, die für Empfänger besonders in Gehlenau bestimmt waren, von der Zollverwaltung beschlagnahmt wurden. Unsere Ermittlungen haben ergeben, dass der Absender dieser Sendungen ein gewisser [Vorname Name 3], Sonthofen, [Straße, Nr.], ist. [Name 3] ist Inhaber der Firma »Ergee« Feinstrumpfwerke. [Name 3] war vorher Besitzer des jetzigen VEB Feinstrumpfwerke Gehlenau. Er wurde 1955 republikflüchtig und hat einen Teil der Fachkräfte aus den volkseigenen Strumpffabriken der DDR abgeworben und zum illegalen Verlassen der DDR verleitet. [Name 3] schickt mithilfe von Angestellten und Arbeitern seines Betriebes in Westdeutschland Pakete an seine ehemaligen Angestellten und Arbeiter in der DDR. Die Kosten für diese Sendungen kann [Name 3] in Westdeutschland von der Steuer absetzen. Dieser Organisationsversand wurde im I. Quartal 1964 erkannt. Bisher wurden ca. 250 Sendungen eingezogen. Interessant ist dabei, dass diese Pakete mit verschiedenen Absendern und verschiedenen Absendeorten zum Versand kommen. Trotzdem tragen sie gleiche Handschriften und haben andere gleiche Merkmale. Der Organisationsversand wurde durch legendierte Befragungen bei Bürgern in Gehlenau bewiesen. Die befragten Bürger gaben an, dass sie jährlich ein solches Paket bisher bekommen haben. Interessant ist ferner, dass die Empfänger ziemlich genau unterrichtet sind, wieviel Sendungen nach Gehlenau gehen sollen. Offensichtlich ist auch, dass die Nachfrageschreiben von Sonthofen aus organisiert wurden.

    • In der Anlage 3 Ziffer 1 wird das Beispiel der Frau [Vorname Name 1] Zwickau, [Straße], angeführt, die von einem [Name 2], Hamburg 39, [Straße, Nr.], Pakete erhält. In dem Material wird dargelegt, dass es sich um eine Privatsendung handelt, mit der Begründung, dass der Absender [Name 2] von der in Hamburg lebenden Schwester der Empfängerin abgetragene Kleidung erhält und dafür monatlich ein Lebensmittelpaket an die Empfängerin schickt. In Wirklichkeit verbirgt sich hinter diesen Sendungen der Konsumverband Hamburg 7. Bisher wurden ca. 230 Sendungen dieser Organisation beschlagnahmt. Die Organisation benutzt ca. 20 Personen als Absender; die Empfänger wohnen vornehmlich in den südlichen Bezirken der DDR. Die Päckchen beinhalten im Wesentlichen Wurst und Lebensmittel.

    • In der Anlage 3 Ziffer 3 wird als fehlerhafte Entscheidung der Zollverwaltung die Beschlagnahme von vier Sendungen mit dem Absender [Vorname Name 4], Bremen, genannt. Hinter dem Absender [Vorname Name 4] verbirgt sich die Versandfirma [Vorname Name 5], Bremen, [Straße, Nr.]. Sendungen von Versandhäusern in die DDR sind aber verboten. Außerdem bedienen sich Organisationen solcher Versandhäuser, da sie dort bestimmte Waren zu Großhandelspreisen einkaufen können. Bei Sendungen dieser Versandfirma wird selten der Name [Vorname Name 4] als Absender verwandt. So war als Absender in dem ebenfalls unter Ziffer 3 genannten Beispiel der Beschlagnahme des Paketes an [Vorname Name 6], Torgau, [Straße, Nr.], nicht, wie in dem Material gesagt [Vorname Name 4], sondern ein gewisser [Name 7], Wuppertal, angegeben.

    Eine Reihe weiterer Beispiele füge ich als Anlage bei.

    Aus diesen Darlegungen ist ersichtlich, dass die in dem Material enthaltene Beweisführung über mangelnde Abgrenzung zwischen organisierten Sendungen und Privatsendungen durch die Zollverwaltung nicht den Tatsachen entspricht. Dieses nichtsachliche Herangehen zeigt sich auch, indem man sich auf den Leiter des Postzollamtes Plauen, Genossen Goldacker, beruft (siehe Anlage 2 Ziffer 1). Am 7.2.1964 soll angeblich eine Aussprache mit dem Genossen Goldacker stattgefunden haben, in der Auswirkungen der Maßnahmen der Zollverwaltung behandelt wurden. Es wird dargelegt, dass der Genosse Goldacker von »diesen Auswirkungen« noch nichts gehört hatte und er gebeten wurde, seine vorgesetzte Dienststelle zu informieren. Nach meinen Informationen wurde keine solche Aussprache geführt, vielmehr fragte der Üwa-Beauftragte der Deutschen Post wegen einer beschlagnahmten Postsendung an. Unsere Nachprüfungen haben uns auch gezeigt, dass meine Weisungen über eine klare Beweisführung bei Organisationssendungen im Wesentlichen eingehalten werden. Gleichzeitig ist festzustellen, dass es uns bisher erst gelungen ist, ca. ein Drittel der organisiert eingeführten Pakete und Päckchen festzustellen. Es ist also notwendig, die Anstrengungen zur Bekämpfung dieser Art der Feindtätigkeit zu verstärken.

    3. In dem Bericht der Abteilung Kontrolle des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen wird auf Seite 4 besonders auf die Behandlung von Literatur eingegangen. Zu diesen Bemerkungen ist Folgendes zu sagen:

    • Bei der Beschlagnahme und Entnahme von Literatur wurde, wie bei allen Sendungen, bis 20.2.1963 keine Benachrichtigung gegeben.

    • Für die Behandlung von Sendungen, die an Inhaber von Sondergenehmigungen gerichtet sind, gibt es seit vielen Jahren bereits ein festes System. Für jeden Inhaber einer Sondergenehmigung befindet sich an jedem Postzollamt eine Karteikarte. Aus diesem Grunde ist die Feststellung im Bericht »Wir vermuten, dass diese Sendungen von anderen Postzollämtern geprüft und aus dem Verkehr gezogen werden, zumal dort über das Vorliegen einer Sondergenehmigung nichts bekannt ist« von einer Unkenntnis der Sachlage ausgegangen.

    • In dem Bericht bezieht sich der Sektor Kontrolle des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen auf einen Bericht der Bezirksdirektion Leipzig vom 22.3.1962. Zu diesem Zeitpunkt, d. h. vor über zwei Jahren, hatte die Zollverwaltung Weisungen, die Literatureinfuhr äußerst streng zu kontrollieren. In diesem Zusammenhang bestand die Weisung, auch technisch-wissenschaftliche Literatur, wie zum Beispiel Lehrbücher, mit Ausnahme der Sendungen für Inhaber von Sondergenehmigungen, nicht zur Einfuhr zuzulassen. In der Zwischenzeit ist eine neue derartige Regelung für die Einfuhr von Literatur getroffen worden. Die Grundlage ist ein Beschluss des Sekretariats des ZK vom 10.7.1963,15 der seinen Niederschlag in einer entsprechenden Verfügung des Ersten Stellvertreters des Vorsitzenden des Ministerrates, Genossen Stoph, gefunden hat.

      In der Zollverwaltung wurde dazu die Dienstanweisung Nr. 20/63, die ich als Anlage beifüge,16 erlassen. Nach dieser Dienstanweisung wird gearbeitet, sodass die Argumente in dem Bericht erst recht nicht für die Zeit nach dem Inkrafttreten dieser Dienstanweisung zutreffen.

    4. Ein echtes Problem ist die Nachprüfung der eingehenden Nachfrageschreiben anhand der Karteien der Zollfahndung unter dem Gesichtspunkt, ob die Sendungen beschlagnahmt wurden oder nicht. Das Verfahren ist in Abstimmung mit dem Ministerium für Post- und Fernmeldewesen derzeitig wie folgt geregelt:

    • Die beschlagnahmenden Postzollämter fertigen für jede beschlagnahmte Sendung eine Karteikarte. Diese Karteikarte wird der für den Empfänger zuständigen Bezirksverwaltung zugeleitet.

    • Eingehende Nachfrageschreiben werden von den Hauptpostämtern diesen Bezirksverwaltungen zugeleitet. Die Bezirksverwaltungen prüfen, ob das in dem Nachfrageschreiben genannte Paket durch die Zollverwaltung beschlagnahmt worden ist und bringen in einem solchen Falle ein örtlich vereinbartes Zeichen auf dem Nachfrageschreiben an. Die Deutsche Post vermerkt dann, dass die Sendung nicht nachweisbar ist und sendet das Nachfrageschreiben an die Absendestelle zurück. Dazu gibt es eine Verfügung des Staatssekretärs für Post- und Fernmeldewesen vom 1.11.1961, die ich als Anlage beifüge.17 Bei diesem Verfahren gibt es innerhalb der Zollverwaltung insbesondere zwei Mängel:

      • a)

        Nachfrageschreiben gehen schneller ein, als die Karteikarten von den beschlagnahmenden Postzollämtern zur zuständigen Bezirksverwaltung gehen können.

      • b)

        Karteikarten werden von den Postzollämtern verspätet an die zuständigen Bezirksverwaltungen abgesandt. Das betrifft insbesondere Leipzig und Berlin, weil dort die Kerbungen für die Kerblochkartei der Zollverwaltung vor der Absendung an die zuständige Bezirksverwaltung vorgenommen werden müssen.

      Durch diese Mängel wird der Deutschen Post öfter mitgeteilt, dass die in den Nachfrageschreiben genannten Postsendungen von der Zollverwaltung nicht beschlagnahmt wurden, obgleich dies doch der Fall war. Daraus ist zu erklären, dass – wie im Material angeführt – bei einer nochmaligen Nachfrage der Deutschen Post das ursprünglich als nichtbeschlagnahmt angegebene Paket doch von der Zollverwaltung beschlagnahmt wurde. Das erschwert natürlich die exakte Übersicht bei der Deutschen Post über die tatsächlich in Verlust geratenen Sendungen.

Ich bin einverstanden, dass unter den von mir dargelegten Gesichtspunkten eine prinzipielle Beratung zwischen verantwortlichen Genossen des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen und der Zollverwaltung stattfindet. In diesem Zusammenhang halte ich es aber für notwendig, noch auf zwei Gesichtspunkte hinzuweisen:

  • 1.

    Mir scheint, dass bei der Deutschen Post bei einigen Genossen eine ablehnende Haltung gegen die Regelung, die – wie oben dargelegt – von der Partei- und Staatsführung getroffen wurde, besteht. Bereits im September 1961, als der Vorschlag hinsichtlich des Nichtversendens der Beschlagnahmeprotokolle gemacht wurde, waren solche Widerstände zu spüren. Offensichtlich hat sich eine solche Auffassung bis zu den Hauptpostämtern fortgesetzt. So wird in den Schreiben der Hauptpostämter vom Februar und März dieses Jahres, die dem Bericht des Sektors Kontrolle als Anlage beigefügt wurden, verschiedentlich von Verletzungen der sozialistischen Gesetzlichkeit gesprochen. Die Gesichtspunkte, die zu diesem Verfahren führten, nämlich die organisierte Einfuhr von Paketen und Päckchen zu verhindern, werden außer Acht gelassen. An einer Stelle wird betont, dass die DDR das Land mit den größten Verlusten an Kleingutsendungen sei, aber man erinnert sich nicht daran, dass sich westdeutsche Stellen damit brüsten, dass Postsendungen aus der DDR waggonweise aus dem Verkehr gezogen wurden. Solche Meldungen der Westpresse sind auch bei uns veröffentlicht worden. Mir scheint, dass die verantwortlichen Stellen des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen in dieser Richtung einiges zur Erziehung ihrer Genossen tun müssen. Wir haben dem MPF schon verschiedentlich angeboten, dazu Vorträge in Besprechungen leitender Genossen der Bezirksdirektionen zu halten. Leider ist davon noch kein Gebrauch gemacht worden.

  • 2.

    Die Schreiben der Hauptpostämter zeigen, dass das interne Verfahren in breitem Maße bekannt geworden ist. Deshalb sollte anlässlich der im Bericht vorgeschlagenen Beratung auch die Frage behandelt werden, wie eine stärkere Geheimhaltung gesichert werden kann.

[gez.] Strauch,18 22.4.1964

Anlagen19

  • 1/

    Beispiele über Organisationssendungen

  • 2/

    Dienstanweisung 20/64 der Zollverwaltung

  • 3/

    Verfügung v. 1.11.1961 des Staatssekretärs für Post- und Fernmeldewesen

Anlage 3 zur Information Nr. 517/64

Vermerk über geführte Ermittlungen zu Organisationssendungen

1. Empfänger: [Name 8], Zwickau, [Straße, Nr.] – Absender: [Name 8], Bad Pyrmont, [Straße, Nr.]. Insgesamt wurden dem Empfänger [Name 8] drei Pakete beschlagnahmt.

  • 23.10.1962: PZA Leipzig – ein Paket Nahrungs- und Genussmittel in einer Serie von sieben Sendungen.

  • 22.11.1963: PZA Leipzig – ein Paket Nahrungs- und Genussmittel in einer Serie von 14 Sendungen. Organisiert wird der Versand vom berüchtigten Rheinischen Hilfswerk Bad Pyrmont.

  • Am 27.8.1963: PZA Plauen – eine Einzelsendung mit Literatur beschlagnahmt.

2. Empfänger: [Vorname 1 Name 9], Zwickau, [Straße, Nr.] – Absender: [Vorname 1 u. Vorname 2 Name 10], Köln-Raderthal, [Straße, Nr.]. Insgesamt wurden dem Empfänger fünf Sendungen beschlagnahmt.

  • 10.11.1962: PZA Magdeburg – ein Paket Nahrungs- und Genussmittel.

  • 15.10.1963: PZA Leipzig – ein Paket Nahrungs- und Genussmittel in einer Serie von sieben Sendungen.

  • 16.1.1964: PZA Plauen – ein Paket Nahrungs- und Genussmittel in einer Serie von zwei Sendungen.

  • 17.2.1964: PZA Plauen – ein Paket Nahrungs- und Genussmittel in einer Serie von zwei Sendungen. Beim Absender [Name 10] muss es sich um ein Versandgeschäft handeln. Sämtliche Sendungen wurden wegen Firmenversand beschlagnahmt. Das PZA Plauen stützt sich auf Beweismittel vom PZA Leipzig und Magdeburg.

  • 24.12.1963: PZA Dresden – eine Einzelsendung wegen sechs Dosen beschlagnahmt. Als Absender tritt ein gewisser [Vorname 2 Name 9], Düsseldorf, [Straße, Nr.], in Erscheinung.

3. Empfänger: [Vorname 1 Name 11], Zwickau, [Straße, Nr.] – Absender: [Vorname Name 12], Berlin-Charlottenburg, [Straße, Nr.]. Insgesamt wurden dem Empfänger [Name 11] vier Sendungen beschlagnahmt.

  • 12.10.1962: PZA Berlin – eine Sendung Seifen- und Kurzwaren in eine Serie von 36 Sendungen.

  • 1.2.1964: PZA Berlin – eine Sendung Seifen- und Kurzwaren in einer Serie von fünf Sendungen.

  • 14.2.1964: PZA Berlin – ein Sendung Seifen- und Kurzwaren in einer Serie von acht Sendungen. Als Organisator tritt die evangelische Kirche Westberlin in Erscheinung. Andere Absender in den gleichen Serien, die genannt wurden, treten auch bei anderen Organisations-Sendungen bzw. -Serien der evangelischen Kirche Westberlin in Erscheinung.

  • Eine Sendung von [Vorname 2 Name 11], Bischofshain, [Straße, Nr.] wurde vom PZA Leipzig wegen Einfuhr von Medikamenten beschlagnahmt.

  1. Zum nächsten Dokument Zugentgleisung im Bereich des Bahnhofes Blönsdorf

    26. Juni 1964
    Einzelinformation Nr. 519/64 über die Zugentgleisung im Bereich des Bahnhofes Blönsdorf, Bezirk Potsdam (Strecke Berlin – Halle), am 25. Juni 1964

  2. Zum vorherigen Dokument Kontaktversuche der SPD zu DDR-Pressestellen

    25. Juni 1964
    Einzelinformation Nr. 518/64 über Kontaktversuche der SPD zu DDR-Pressestellen