Direkt zum Seiteninhalt springen

Pressemeldungen über das Hotel »International« in Magdeburg

15. April 1964
Einzelinformation Nr. 319/64 über Pressemeldungen zur Einrichtung des Hotels »International« in Magdeburg als »Transithotel«

Am 7.4.1964 erschien in der Westberliner Presse (u. a. in »Die Welt«, »Berliner Morgenpost«, »Der Tagesspiegel«, »Spandauer Volksblatt« eine im Text einheitliche, auf Angaben des »Informationsbüros West«1 bezugnehmende Meldung,2 dass das Hotel »International« in Magdeburg als Transithotel eingerichtet worden sei und westdeutsche Bürger, die eine Aufenthaltsgenehmigung für die DDR haben, entgegen den bisherigen Bestimmungen in diesem Hotel für drei Tage Station machen dürften. Zu diesem Zweck sei vom Reisebüro der DDR in Marienborn3 eine besondere Abfertigungsstelle eingerichtet worden, bei der sich die Reisenden die für den Zwischenaufenthalt notwendigen Bescheinigungen besorgen und Vorauszahlungen für Übernachtung mit Frühstück leisten könnten.

Wie Untersuchungen des MfS ergaben, ist diese westliche Presseinformation offensichtlich der am 3./4.4.1964 in den Magdeburger Bezirkszeitungen unter der Überschrift »Hotel International – Transithotel« erschienenen Meldung entnommen, die derartige, in der Westpresse hervorgehobene Einzelheiten enthielt.4

Diese durch die Bezirksstelle Magdeburg des ADN herausgegebene und von den Redaktionen der Bezirkszeitungen »Volksstimme«, »Magdeburger Zeitung«, » LDZ«, »Neuer Weg« und »Mitteldeutsche Neueste Nachrichten«5 veröffentlichte Meldung ist falsch und widerspricht den Bestimmungen der Dienstanweisungen 4/64 und 5/64 des Ministers des Innern.6 Beim Zustandekommen und bei der Veröffentlichung dieser Meldung wurde von den beteiligten Stellen äußerst leichtfertig und politisch unüberlegt gehandelt.7

Im Einzelnen wurde dazu im Verlaufe der Untersuchungen Folgendes festgestellt: Am 26.3.1964 nahm die Hoteldispatcherin des Reisebüros Magdeburg [Vorname Name 1] an der Eröffnung des Reisebüros Service in Marienborn teil. Bei dieser Eröffnung wurde richtig erklärt, dass transitreisende Ausländer, wenn sie das entsprechende Durchreise-Visum mit einer Nutzungsfrist bis zu 72 Stunden haben, im Hotel »International« in Magdeburg übernachten können. Ende März 1964 teilte Frau [Name 1] dem Direktor des Hotels »International« Genossen [Name 2] mit, dass in Marienborn das Reisebüro Service eröffnet wurde und Ausländer künftig im Hotel übernachten können. Der Direktor des Hotels verständigte von dieser Mitteilung die ehrenamtliche Korrespondentin des ADN in Magdeburg Frau [Name 3], erweiterte aber den Inhalt dahingehend, dass neben Ausländern auch Westdeutsche, die zu Besuch in die DDR einreisen, im Hotel »International« übernachten können. Frau [Name 3], die schon einige Jahre für ADN arbeitet und bisher zuverlässige Informationen lieferte, erklärte dazu, dass sie nach Erhalt dieser Mitteilung dem Genossen [Name 2] den gesamten Wortlaut ihres Stenogramms nochmals vorgelesen hat und Genosse [Name 2] diesen Wortlaut vollinhaltlich bestätigte. Genosse [Name 2] will sich jedoch an den genauen Wortlaut der Mitteilung, die er von Frau [Name 1] erhielt und später Frau [Name 3] übermittelte, nicht mehr genau erinnern können.

Die Bezirksstelle des ADN übergab die von Frau [Name 3] erhaltene Mitteilung schließlich am 1.4.1964 ohne vorherige Überprüfung bei den entsprechenden Stellen den genannten Redaktionen, worauf die Veröffentlichung erfolgte. Erst nach dem Erscheinen der Pressemeldung in den Bezirkszeitungen setzte sich Genosse [Name 4] von der Bezirksstelle Magdeburg des ADN mit der Abteilung PM der Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei Magdeburg in Verbindung und bat um Aufschluss, wie es sich in Wirklichkeit mit den Durchreisebestimmungen für Ausländer und Westdeutsche verhält.

Dem Genossen [Name 4] wurden durch die Abteilung PM die gesetzlichen Bestimmungen ausführlich erläutert. Daraufhin verfasste der Genosse [Name 4] an die Redaktionen der vorgenannten Bezirkszeitungen am 3.4.1964 ein Fernschreiben, das zur Berichtigung der veröffentlichten falschen Meldung beitragen sollte. Darin wurde jedoch entgegen den Bestimmungen wiederum behauptet, dass das Hotel »International« im Bedarfsfalle auch westdeutschen Gästen, die besuchsweise in die DDR reisen, für eine Nacht Unterkunft gewähren könne, wenn sie bei der Ein- oder Ausreise keine baldige Gelegenheit zur Weiterfahrt hätten und zum Übernachten in Magdeburg gezwungen seien. Diese erneute falsche Darstellung wurde in der Zeitung »Mitteldeutsche Nachrichten« am 7.4.1964 als »Berichtigung« veröffentlicht.8 Der Chefredakteur der »Volksstimme«, Genosse [Name 5], konnte keinen Aufschluss über den Eingang und den Verbleib dieses Fernschreibens von ADN geben, teilte jedoch mit, dass er mit dem ZK der SED gesprochen habe und ihm dort von einem namentlich nicht bekannten Mitarbeiter gesagt worden sei, er solle keine Berichtigung dieser falschen Pressemeldung vornehmen. Die Redaktionen der anderen Bezirkszeitungen wollten diese falsche Pressemeldung entweder zu einem späteren Zeitpunkt oder gar nicht berichtigen.

Aufgrund dieser falschen Pressemeldungen haben sich bisher beim Reisebüro Service in Marienborn vier westdeutsche Bürger nach den Möglichkeiten der Einreise in die DDR erkundigt. Beim Reisebüro in Magdeburg erkundigte sich bisher ein Bürger nach der Möglichkeit der Einreise seines in Österreich lebenden Verwandten.

Vom MfS wurden entsprechende Vorschläge zur Verhinderung derartiger Falschinformationen der Presse in Magdeburg unterbreitet. Der 1. Sekretär der Bezirksleitung der Partei ist über dieses Untersuchungsergebnis und das Verhalten der genannten Genossen informiert worden.

  1. Zum nächsten Dokument Vereinbarung zwischen Bonn und Westberlin zu Passierscheinen

    15. April 1964
    Einzelinformation Nr. 321/64 über eine Vereinbarung zwischen Bonn und dem Westberliner Senat zur Weiterführung der Passierscheinverhandlungen

  2. Zum vorherigen Dokument Brände im VEB Kalk- und Zementwerke Rüdersdorf und Chemiewerk Lauta

    15. April 1964
    Einzelinformation Nr. 318/64 über die Brände im VEB Kalk- und Zementwerke Rüdersdorf bei Berlin am 8. und 11. April 1964 und Chemiewerk Lauta am 8. April 1964