Geplante Strukturveränderungen der EKD
29. Mai 1968
Einzelinformation Nr. 567/68 über geplante Strukturveränderungen der »Evangelischen Kirche in Deutschland«
Dem MfS wurde inoffiziell bekannt, dass die Leitung der »Evangelischen Kirche in Deutschland« sogenannte Strukturveränderungen der »EKD« vorbereitet, wobei vorgesehen ist, »pro forma« eine organisatorische Trennung zwischen der evangelischen Kirche in Westdeutschland und der evangelischen Kirche der DDR vorzunehmen und zwei selbstständige Leitungen zu bilden.
Im Einzelnen konnte dazu bisher Folgendes ermittelt werden: Am 9.4.1968 fand in Berlin eine streng vertrauliche Konferenz der Bischöfe der DDR unter Leitung von Bischof Krummacher1/Greifswald – Vorsitzender der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR – statt, an der alle sieben Bischöfe der DDR teilnahmen. Während dieser Konferenz unterbreitete Krummacher einen – wie er betonte – mit dem Rat der »Evangelischen Kirche in Deutschland« abgestimmten Vorschlag zur Bildung von zwei Kommissionen.
Die erste Kommission setzt sich u. a. aus
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Bischof Krummacher/Greifswald;
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Bischof Noth2/Dresden;
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Studiendirektor Ephorus Lic. Wätzel3/Wittenberg;
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Oberin Lundbeck,4 Ludwigslust (Mitglieder des Rates der EKD);
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Bischof Schönherr5/Eberswalde/Berlin;
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Konsistorialrat Stolpe6/Berlin
zusammen und soll sich mit Strukturfragen der »EKD« beschäftigen.
Die zweite Kommission, über deren Zusammensetzung bisher noch keine exakten Angaben vorliegen, soll sich mit dem Entwurf einer Vereinbarung zwischen den evangelischen Kirchen und der Regierung der DDR auf der Grundlage des Artikels 39 der Verfassung der DDR beschäftigen.
Beide Kommissionen nahmen am gleichen Tage die Arbeit auf.
Während der Beratung am 9.4.1968 hielten sich außer Bischof Mitzenheim7 alle anderen als reaktionär bekannten Bischöfe der DDR in ihren Diskussionsbeiträgen zurück. Offensichtlich war die Vorbereitung dieses Vorschlages in individuellen Aussprachen vor der Zusammenkunft unter Ausschluss Mitzenheims erfolgt. Bischof Mitzenheim/Eisenach erklärte, die Verselbstständigung der evangelischen Kirchen der DDR sei unbedingt notwendig und eine schon seit Langem bestehende Forderung. Er habe dabei die Vorstellung, dass die evangelischen Landeskirchen der DDR sich eine Art Generalsekretariat einrichten. Damit würden »gesamtdeutsche« kirchliche Einrichtungen, wie Kirchenkanzlei der »EKD« für die Gliedkirchen der DDR, Lutherisches Kirchenamt (»Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands« – VELKD) und die Kirchenkanzlei der »Evangelischen Kirche der Union« – (EKU), in Fortfall kommen.
Als Sprecher der evangelischen Kirchen der DDR gegenüber dem Staat wurde von der Landeskirche Thüringen Bischof Schönherr vorgeschlagen.
Am 3.5.1968 fand in der Hauptstadt der DDR und gleichzeitig in Westberlin eine Tagung der Mitglieder des Rates der »EKD« statt. Bischof Krummacher legte der Konferenz den von der zuerst genannten Kommission erarbeiteten Entwurf über die Strukturveränderungen vor, der im Wesentlichen folgende Punkte enthält:
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Die evangelischen Landeskirchen der DDR schließen sich zur »Evangelischen Kirche in der DDR« zusammen.
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Die »Evangelische Kirche in der DDR« ist ein Bund lutherischer und uniierter Kirchen mit gemeinsamen Rechtsvertretungen. Das Ziel ist die volle Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft sowie das Zusammenwachsen im gemeinsamen Zeugnis und Dienst.
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Bis zur Erarbeitung einer Ordnung wird als vertretungsberechtigtes Organ ein vorläufiger Ausschuss gebildet, in den jede Landeskirche ein Mitglied und einen Stellvertreter entsenden kann.
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Unter Beteiligung von Synoden der »EKD« und der Synoden der einzelnen Landeskirchen der DDR wird dieser vorläufige Ausschuss eine Vorlage erarbeiten, nach der die Rechtmäßigkeit der »Evangelischen Kirche in der DDR« anerkannt wird.
Der von Bischof Krummacher verlesene Entwurf – der später als »Modell B«8 bezeichnet wird – wurde im Anschluss an die Tagung des Rates der »EKD« allen Mitgliedern der Kommission in vollem Wortlaut mit dem Vermerk »streng vertraulich« zugestellt. Auf der Grundlage dieses Materials sollten die Kommissionsmitglieder die Bischöfe der Landeskirchen mündlich über die einzelnen Fakten informieren mit der Orientierung, dass darüber auf der nächsten Bischofskonferenz am 18.5.1968 zu beschließen sei.
Im Zusammenhang damit wurden dem MfS eine Reihe interner Meinungen aus kirchenleitenden Kreisen bekannt, die darauf abzielen, dass die geplante Strukturveränderung lediglich als »formeller Akt« zu betrachten sei. Im Interesse der Zusammenarbeit mit den staatlichen Stellen der DDR sei sie lediglich eine »neue Form«, der Inhalt bliebe der Gleiche. Diese Absicht wurde z. B. auch aus einer Unterredung deutlich, die Propst Ringhandt9/Berlin in einem internen Kreise führte. Ringhandt äußerte u. a., die Kirchenführer der DDR seien sich in Gesprächen über einen längeren Zeitpunkt hinweg und trotz heftiger Gegenmeinungen darüber klar geworden, eine Kirche in der DDR zu bilden, die die Rechtsvertretung gegenüber dem Staat wahrnehme. Strukturell müsse diese »Kirche« eine eigene Kirchenleitung und eine eigene Bischofskonferenz schaffen. Die Kirchen der DDR würden jedoch nicht daran denken, die Verbindungen, die über die DDR hinausgehen, aufzugeben. Es würden neben bereits bestehenden gemeinsamen Ausschüssen innerhalb der »EKD« sogar neue Ausschüsse gebildet werden, in denen nach wie vor Ost und West einträchtig zusammenarbeiten. Ziel der Strukturveränderung sei lediglich, dem Staat eine »Optik« zu schaffen.
Diese Absicht wird weiter durch eine Veröffentlichung in den »Evangelischen Kommentaren« bestätigt, wo es unter der Überschrift »Eine neue Lösung – die Zwillingskirche« u. a. heißt: »Praktisch bedeutet dies, dass aus Gründen der Geschichte und der Zukunft an der Evangelischen Kirche in Deutschland und ihrer Grundordnung, die einen ökumenischen Fortschritt darstellt, festgehalten werden sollte. In ihrem Rahmen jedoch sollte es nicht nur eine regionale Synode, sondern auch eine von dieser zu wählende regionale Kirchenleitung geben, die für die Gliedkirchen der DDR selbstständig sprechen, entscheiden und handeln kann. Eine solche von der Regionalsynode zu bildende Kirchenleitung, ein Rat der EKD in der DDR, der auch einen entsprechenden bevollmächtigten Vorsitzenden hat, würde die jetzige ›Konferenz der Kirchenleitungen in der DDR‹ möglicherweise ersetzen können. Nur mit einer solchen Lösung lässt sich auch vermeiden, dass die Gemeinschaft der Kirchen in der DDR unter dem Druck von außen schließlich auseinanderfällt und jede Landeskirche für sich der in der DDR verfassten sozialistischen Gesellschaft gegenübersteht – was einem verhängnisvollen Rückfall in einen kirchlichen Provinzialismus und einer Sterilisierung des Öffentlichkeitsauftrages der Kirche gleichkommen würde. Bei einer solchen Lösung musste allerdings gleichzeitig bedacht werden, dass Querverbindungen zwischen den beiden »EKD-Zwillingen« nicht nur bestehen bleiben, sondern sich auch in Zukunft so wirkungsvoll wie möglich entfalten können – zwischen den regionalen Räten, den regionalen Synoden, den Ausschüssen, den Kammern, den Kanzleien, kurz allen in der Grundordnung vorgesehenen Organen. Es sollte schon dabei bleiben, dass man so viel wie möglich gemeinsam verhandelt und auch gleichlautend beschließt.«
An der am 18.5.1968 in der Hauptstadt der DDR stattgefundenen Bischofskonferenz nahmen folgende Amtsträger teil:
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Bischof Krummacher, Greifswald;
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Studiendirektor Ephorus Lic. Wätzel,10 Wittenberg;
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Oberin Lundbeck, Ludwigslust;
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Präses Figur,11 Berlin, Kirchenleitung Berlin-Brandenburg.
(Mitglieder des Rates der EKD)
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Bischof Mitzenheim, Eisenach;
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Bischof Jänicke,12 Magdeburg;
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Bischof Fränkel,13 Görlitz;
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Kirchenpräsident Müller,14 Dessau;
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Oberkirchenrat Präsident Dr. Müller,15 Schwerin;
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Präsident Hildebrandt,16 Berlin (Kirchenkanzlei der EKD);
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Oberkirchenrat Behm,17 Berlin (Kirchenkanzlei der EKD);
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Oberkirchenrat Hafa,18 Berlin (Kirchenkanzlei der EKD);
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Präsident Hammer,19 Hannover, Leiter der Kirchenkanzlei der EKD;
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Oberlandeskirchenrat v. Brück20 (in Vertretung von Landesbischof D. Noth, Dresden);
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Generalsuperintendent D. Schönherr;
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Präsident Dr. Johannes,21 Dresden
u. a.
Bischof Krummacher informierte über die Tagung des Rates der »EKD« am 3.5.1968. Sinngemäß teilte er mit, nach den Ausführungsbestimmungen zum Kirchengesetz über gemeinsame Tagungen der Synode der »EKD« könnten die Regionalsynoden Ost und West eigene, den Bedingungen entsprechende Beschlüsse fassen, sofern sie nicht gesamtdeutsche Anliegen beinhalteten. Das treffe gegenwärtig auch zu für die Tätigkeit des Rates der »EKD« Ost und West, dem das Recht eingeräumt sei, getrennte Beschlüsse zu fassen. Bischof Krummacher erläuterte den Anwesenden das sogenannte »Modell B« – den bereits erwähnten Entwurf über die Strukturveränderungen – und betonte, dass dies lediglich noch der Zustimmung durch die Bischöfe der DDR bedürfe.
In der anschließenden Diskussion ergriff zuerst Landesbischof Mitzenheim das Wort und bemängelte, dass der Plan der Strukturveränderung streng geheim und ohne Mitarbeit der Bischöfe der DDR entworfen worden sei. Allerdings habe er diese Ausführungen Bischof Krummachers schon aus der Westpresse entnehmen können. Er lehne dieses sogenannte Modell B ab, da es keine Lösung für eine echte Verselbstständigung der evangelischen Kirchen in der DDR sei. Die Regelung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche in der DDR sei nicht Angelegenheit des Rates der »EKD«, sondern allein Angelegenheit der einzelnen Landeskirchen in der DDR.
Mitzenheim stellte die Forderung, eine Kommission zu bilden unter der Teilnahme aller Landeskirchen der DDR, die ein echtes leitendes Organ der Kirchen in der DDR darstelle. Bischof Schönherr unterstützte diesen Vorschlag mit dem Hinweis, dass diese Kommission bzw. eines ihrer Mitglieder als Sprecher gegenüber dem Staat auftreten könne. Die »Konferenz der evangelischen Kirchenleitungen der DDR«, deren Vorsitzender Bischof Krummacher seit sieben Jahren ist, könnte damit ihre Tätigkeit einstellen.
Präsident Hammer/Hannover nahm Stellung zu der Veröffentlichung in den »Evangelischen Kommentaren« (»Eine neue Lösung – die Zwillingskirche«),22 die im Wesentlichen mit den Vorstellungen Bischof Krummachers übereinstimmt. Die Strukturveränderung sei nicht abgesprochen, sondern eine logische Schlussfolgerung aus der gegenwärtigen Situation der Kirchen in der DDR.
Bischof Mitzenheim meinte dazu, das gute Verhältnis zwischen Staat und Kirche sei nicht – wie von der Kirche häufig betont – in erster Linie ein Bedürfnis des Staates, sondern das der Kirchen. Darum müssten die Kirchen der DDR ihr Verhältnis zum Staat überprüfen und dem Staat Vorschläge entsprechend Artikel 39 der Verfassung23 unterbreiten. Den westdeutschen »Brüdern« stünde es nicht zu, sich hier einzumischen.
Bischof Fränkel/Görlitz erklärte, von der Gemeinsamkeit dürfe nicht abgegangen werden. Dennoch müssten solche Formen gefunden werden, die den Landeskirchen in der DDR ein einheitliches Auftreten ermöglichten. Man müsste sich in dieser Hinsicht auch mit der katholischen Kirche konsultieren.
Da zu dem Vorschlag »Modell B« keine Einigung erzielt werden konnte, schlug Bischof Krummacher vor, ein kollektives Organ der evangelischen Kirchen der DDR zu schaffen, das bis zur endgültigen Regelung die Verhandlungen mit dem Staat führen solle und als dessen Mitglieder er
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Bischof Schönherr, Eberswalde/Berlin,
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Bischof Jänicke, Magdeburg,
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Bischof Dr. Johannes, Dresden,
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Oberkirchenrat Braecklein,24 Eisenach,
vorschlug.
Bischof Mitzenheim wandte gegen den Vorschlag Krummachers ein, dass die Mitglieder des kollektiven Organs nicht vom Rat der »EKD« vorgeschlagen werden könnten. Es müsse den einzelnen Landeskirchen überlassen bleiben, wen sie in dieses Gremium entsenden.
Von den Anwesenden wurde bei der Abstimmung der Vorschlag Krummachers angenommen.
Krummacher wies bei Beendigung der Bischofskonferenz nochmals nachdrücklich auf den streng geheimen Charakter der Besprechung hin und betonte, staatliche Stellen dürften nicht vorzeitig Kenntnis von den geplanten Maßnahmen erhalten.
Dem MfS wurde weiter bekannt, dass in kirchenleitenden Kreisen eine Niederschrift über die am 18.5.1968 stattgefundene Bischofskonferenz gefertigt wurde, die als geheime Verschlusssache geführt wird. Eine Abschrift dieser Niederschrift wird in der Anlage beigefügt.
Eine weitere Bischofskonferenz soll am 5.6.1968 stattfinden.25
26Dem MfS wurde weiter bekannt, dass Präsident Johannes/Dresden während der Bischofskonferenz am 18.5.1968 in einem gesonderten Tagesordnungspunkt über eine Besprechung mit dem stellvertretenden Staatssekretär für Kirchenfragen Flint27 zur Durchführung von Bibelrüstzeiten berichtete. Dabei bezeichnete Johannes die staatliche Forderung, die Bibelrüsten bei den zuständigen VP-Dienststellen zur Genehmigung anzumelden, als einen »Eingriff des Staats in die inneren Angelegenheiten der Kirche«. Unter maßgeblicher Beteiligung von Präsident Johannes war deshalb von Beteiligten dieser Zusammenkunft ein Brief an den Vorsitzenden des Ministerrates, Genossen Stoph,28 entworfen worden, der von Johannes verlesen wurde. (Eine Abschrift dieses Entwurfes befindet sich in der Anlage.)
Dazu äußerte Bischof Mitzenheim, der Staat besitze in dieser Hinsicht keine rechtliche Handhabe. Die rechtliche Grundlage bilde das Jugendgesetz § 7, Abs. 1,29 nach dem für die Durchführung derartiger Freizeiten die Genehmigung der Hygieneinspektion vorliegen müsse. An diese Weisung hätten sich die Kirchen strikt gehalten. Mitzenheim äußerte die Meinung, der Brief soll nicht an den Vorsitzenden des Ministerrates, sondern zuständigkeitshalber an den Staatssekretär für Kirchenfragen gerichtet werden. Eine Einigung über die Adresse des Schreibens und über den Absendetermin wurde während der Beratung nicht erzielt.
Diese Information darf aus Gründen der Sicherheit der Quellen nicht öffentlich ausgewertet werden.
Anlage
Anlage 1 zur Information Nr. 567/68
Niederschrift über die Beratung der östlichen Ratsmitglieder und der leitenden Geistlichen der Gliedkirchen in der Deutschen Demokratischen Republik am 18. Mai 1968
Am 18. Mai fand von 9.30 Uhr bis 16.00 Uhr eine Beratung der leitenden Geistlichen der Gliedkirchen in der Deutschen Demokratischen Republik mit den Mitgliedern des Rates der EKD in der Deutschen Demokratischen Republik statt. Es nahmen teil:
Vom Rat der EKD:
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Bischof D. Dr. Krummacher
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Oberkonsistorialrat Dr. Wätzel
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Oberin Lundbeck
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Präses Figur
Von den leitenden Geistlichen:
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Landesbischof D. Mitzenheim
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Bischof D. Jänicke
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Bischof D. Fränkel
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Kirchenpräsident Dr. Müller
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Generalsuperintendent D. Schönherr
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Oberlandeskirchenrat v. Brück (in Vertretung von Landesbischof D. Noth)
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Oberkirchenrats-Präsident Dr. Müller (in Vertretung von Landesbischof D. Dr. Beste30)
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Präsident D. Hildebrandt
Von den Amtsstellen:
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Präsident Hammer
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Oberkirchenrat Lingner31
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Oberkirchenrat Behm
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Oberkirchenrat Dr. Hafa (teilweise)
Als juristischer Berater: Präsident Dr. Johannes
Als Gast: Pfarrer Grüber32 (teilweise)
Vor Eintritt in die Tagesordnung spricht Bischof D. Dr. Krummacher Kirchenpräsident Dr. Müller die herzlichen Wünsche aller zum 40-jährigen Ordinationsjubiläum aus. Bischof D. Dr. Krummacher betont zum Eingang, dass neben den vom 8. April her anstehenden Fragen (I) durch die Entwicklung der letzten Tage neu die Frage der Bibelrüstzeiten (II) und die von der Landeskirche Sachsens angeregte Frage nach den »Grundsätzen für die Weiterentwicklung der Berufsausbildung als Bestandteil des einheitlichen sozialistischen Bildungssystems« (III) behandelt werden müssten.
I. Bischof D. Dr. Krummacher legt in längeren Ausführungen die Entwicklung seit dem 8. April dar:
- 1.
Am 8.4. waren zwei Aufträge erteilt worden:
a) Die Konsultativgruppe sollte zwei Modelle erarbeiten: Modell A: Ausbau der bestehenden EKD-Organe, um sie aktionsfähig zu erhalten. Modell B: Vorschläge für eine Neuordnung der Gemeinschaft der acht Gliedkirchen in der DDR.
b) Ein weiterer Ausschuss sollte die Punkte fixieren, die bei eventuellen Vereinbarungen zwischen Staat und Kirche geordnet werden müssten. Der 2. Ausschuss hat seine Arbeit abgeschlossen. Sein Material liegt für eine eventuelle Verhandlung bereit. Die Konsultativgruppe hat am 16. April entsprechend ihrem Auftrag die beiden Modelle durchdacht, sich dabei besonders mit Modell B als dem Alternativvorschlag befasst.
- 2.
Der Rat der EKD hat seinerseits am 3.5. dieses Jahres zwei Beschlüsse gefasst:
a) Es sind Ausführungsbestimmungen aufgrund von § 12 zum Kirchengesetz vom 4. April 196733 erlassen – diese werden kurz erläutert.
b) Es ist der Beschluss über »Wahrnehmung der Aufgaben und Befugnisse des Rates der EKD« gefasst worden. Dieser wird verlesen. Er löst den Geschäftsordnungsbeschluss des Rates vom 31. August 1961 ab und stellt sicher, dass jede Vermutung einer Weisungsbefugnis eines Teiles des Rates gegenüber dem andern Teil ausgeschlossen ist.
Die Beratungen des Rates über weitergehende Entscheidungen aufgrund des Beschlusses b) sind noch im Gange. Sie betreffen besonders Rat, Synode und Kirchenkanzlei. Der Rat hat sich auch mit dem Vorschlag der Konsultativgruppe zu Modell B befasst. Er hält aus verschiedenen Gründen den Vorschlag in der jetzigen Form nicht für realisierbar. Er empfiehlt darum, den in diesem Modell enthaltenen Vorschlag zur Bildung eines Ausschusses aufzulösen und zwei Gremien zu bilden, ein Gremium für Verhandlungen, dieses müsste relativ klein und aktionsfähig sein, und ein Gremium für Fragen der Neuordnung der Gemeinschaft der acht Gliedkirchen, in diesem sollten alle Landeskirchen vertreten sein.
In der anschließenden Aussprache wird zunächst klargestellt, dass die heutige Beratung sich in erster Linie mit Fragen der Gemeinschaft der acht Gliedkirchen in der DDR und ihrer rechten Ordnung befassen soll. Landesbischof D. Mitzenheim stellt zunächst die Frage, wie es kommt, dass die »Evangelischen Kommentare«34 in Nr. 4 ihrer Ausgabe schon Einzelheiten der Überlegungen der Konsultativgruppe bringen. D. Mitzenheim trägt weiter die Frage nach der Vollmacht der östlichen Ratsmitglieder vor. Ihm antwortet Präsident Hammer: Das von ihm den »Evangelischen Kommentaren« gegebene Interview stammt vom 22.3., die Nr. 4 der Zeitschrift vom 10.4., beide Termine liegen also vor dem 16.4., dem Beratungstag der Konsultativgruppe. Die östlichen Ratsmitglieder sind durch den Beschluss b) vom 3.5. bevollmächtigt, für ihren Bereich die in der Grundordnung der EKD vorgesehenen Befugnisse des Rates wahrzunehmen. Es ist hier ein Gleichgewicht der beiden Teile des Rates gewährleistet und jede Weisungsbefugnis eines Teiles gegenüber dem anderen ausgeschlossen.
D. Schönherr legt dar, dass allein eine Fixierung der Regionalordnung nicht genug ist. Es müssten weitergehende Regelungen ins Auge gefasst werden, um die Gemeinschaft der Gliedkirchen in der DDR stärker zum Ausdruck kommen zu lassen. Dabei dürfte aber nicht die EKD als solche stillgelegt werden. Er befürwortet die Bildung der beiden Gremien, für Strukturen und für Verhandlungen. In gleicher Richtung gehen die Voten von D. Hildebrandt, Dr. Johannes, OLKR von Brück, OKR Dr. Wätzel, D. Jänicke. Von einigen wird die klare Aufgabentrennung beider Gremien gefordert. D. Mitzenheim befürwortet demgegenüber den Ausbau der Konferenz der Kirchenleitungen. Auf alle Fälle müssten die Ausschüsse von den Landeskirchen und aufgrund der Vorschläge der Kirchenleitungen gebildet werden. Auf seine Kritik an dem von der Konsultativgruppe vorgelegten Modell B wird ihm geantwortet, dass dieses Modell nicht mehr Beratungsunterlage sei. Sicher sei, dass der Rat der EKD »funktionierte«, auch wenn er nach außen davon nicht viel Aufhebens mache. Auch die Gemeinschaft der östlichen Ratsmitglieder habe in der Vergangenheit ihre Befugnisse z. B. auch gegenüber der Kirchenkanzlei wahrgenommen.
Zu einer lebhaften Auseinandersetzung kommt es über die Frage, ob die Verhandlungskommission bereits auf dieser Sitzung gebildet werden soll. Während die überwiegende Mehrheit sich dafür ausspricht, dass wenigstens die Kleinere Kommission sofort gebildet wird, erklärt D. Mitzenheim, nicht bevollmächtigt zu sein, jetzt schon für seine Kirchenleitung sprechen zu können, für ihn käme nur eine Bildung der Kommission durch das Votum der Kirchenleitungen infrage, auch müssten alle Kirchen, also auch die kleineren, vertreten sein. Der Staat seinerseits würde nicht auf Vereinbarungen drängen, die Initiative müsse von den Kirchen ausgehen. D. Fränkel warnt davor, zu schnell auf Vereinbarungen zuzugehen, es sollte hier auch Fühlungnahme mit der katholischen Kirche gehalten werden. Wichtig sei jedoch, dass bald eine Verhandlungskommission bereitstehe. D. Krummacher stellt als Ergebnis heraus, einmal sei eine Verzahnung der beiden Gremien wünschenswert. Ihre Bildung sei darum nicht zu lange zu verzögern. Für die Verhandlungskommission schlägt er vor:
- –
D. Schönherr,
- –
Dr. Johannes,
- –
OKR Braecklein,
- –
D. Jänicke.
Der große Ausschuss sei durch die Landeskirchen zu beschicken. D. Hildebrandt weist darauf hin, dass die Bevollmächtigung des kleinen Ausschusses klar begrenzt werden müsse; dieser Ausschuss kann, wenn die Kirchen es beschließen, wohl verhandeln, aber verbindliche Erklärungen kann er nur nach Rücksprache und im Einverständnis mit allen Kirchen abgeben. Dem wird allgemein zugestimmt. D. Mitzenheim verharrt auf seinem Standpunkt, dass beide Ausschüsse durch die Landeskirchen zu bilden seien. Ihm wird entgegengehalten, dass die Mitglieder des Ausschusses Mandatare aller Gliedkirchen seien, eine Veränderung in der personellen Zusammensetzung bedürfe darum der Zustimmung aller Gliedkirchen. Jeder der Mitglieder des Ausschusses bedürfe der Bevollmächtigung durch alle Kirchen.
Am Ende der Aussprache werden folgende Beschlüsse gefasst:
- 1.
Es werden gebildet
a) eine Verhandlungskommission der evangelischen Landeskirchen in der DDR
b) eine Strukturkommission der evangelischen Landeskirchen in der DDR
- 2.
In die Verhandlungskommission werden berufen
- –
D. Schönherr,
- –
Dr. Johannes,
- –
D. Jänicke,
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ein Vertreter Thüringens. Als Name ist OKR Braecklein benannt worden.
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- 3.
Die Federführung der Verhandlungskommission liegt bei D. Schönherr.
- 4.
Die Kirchenleitungen werden gebeten
a) um ausdrückliche Zustimmung zu den Beschlüssen 1. bis 3. Thüringen zusätzlich um endgültigen Personalvorschlag für die Verhandlungskommission,
b) um Nominierung ihrer Vertreter in der Strukturkommission. Dabei haben die Kirchen zu prüfen, ob auch Synodale in diese Kommission entsandt werden können.
- 5.
Die nächste Sitzung der leitenden Geistlichen soll am 5. Juni um 20.00 Uhr in der Auguststraße stattfinden. Dort soll die endgültige Zusammensetzung der beiden Kommissionen noch einmal beraten werden.
- 6.
Das Ergebnis dieser Besprechung ist zunächst vertraulich zu behandeln. Über die Form der Veröffentlichung (ena) soll am 5.6. beraten werden. D. Schönherr wird einen Entwurf dazu vorlegen.
- 7.
In der Tagesordnung der Konferenz der Kirchenleitungen am 6. Juni dieses Jahres soll zwar der Tagesordnungspunkt: Wahl des Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden der Konferenz erscheinen. Die Anwesenden behalten sich jedoch vor, diese Wahl noch auszusetzen, bis die Überlegungen zur Neuordnung abgeschlossen sind und dabei auch über die Weiterarbeit der Konferenz der Kirchenleitungen entschieden ist.
Anlage 2 zur Information Nr. 567/68
[Brief an den Staatssekretär für Kirchenfragen]
Berlin, den 18. Mai 1968
An die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, Staatssekretär für Kirchenfragen, Herrn Staatssekretär Hans Seigewasser,35 Berlin
Sehr geehrter Herr Staatssekretär!
Den Beauftragten der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik ist am 14.5.1968 im Staatssekretariat für Kirchenfragen das Ergebnis einer Abstimmung zwischen verschiedenen zentralen Staatsorganen wegen der Durchführung von Bibelrüsten mit Jugendlichen eröffnet worden. Die darin erhobenen Forderungen an die Kirche ergeben nach unserem Verständnis eine grundsätzlich neue Lage im Verhältnis von Staat und Kirche.
Insbesondere ist die Auflage, Bibelrüsten von der Genehmigung des Rates des Kreises, Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres, abhängig zu machen und zeitlich zu begrenzen, nach unserer Überzeugung ein Eingriff des Staates in die inneren Angelegenheiten der Kirche. Die Bibelrüsten, zu denen wir einladen, sind Religionsausübung im Sinne christlicher Lebensgestaltung, ob sie während des Wochenendes oder der Ferien stattfinden. Als religiöse Handlung (Verfassung Art. 39) bedarf eine solche Lebensgestaltung keiner Genehmigung.
Als Rechtsgrundlage für diese Auflagen ist am 14.5.1968 § 7 Abs. 1 der 4. DB zum Jugendgesetz vom 15.6.196736 genannt worden. Diese Vorschrift sieht lediglich eine Genehmigung durch die Kreishygieneinspektion vor. Die Abnahme der Objekte – in Verbindung mit den Gesundheitsrichtlinien vom 23.3.1965 – durch die Kreishygieneinspektionen haben wir beachtet und auch von uns aus für alle Bibelrüsten verbindlich gemacht. Für eine Genehmigung der Bibelrüsten durch den Stellvertreter des Vorsitzenden für Inneres, also objektiv für eine Genehmigung religiöser Handlungen, gibt § 7 Abs. 1 der 4. DB zum Jugendgesetz keine Rechtsgrundlage.
Unter diesen Umständen bitten wir um Verständnis, dass wir unseren Superintendenten nicht die erwartete Anweisung geben können. Wir werden bei der bisher bewährten Regelung verbleiben und von uns aus auf deren Einhaltung achten.
Wir sind auch sonst bereit, unseren Standpunkt gegebenenfalls mündlich zu erläutern.
Mit dem Ausdruck vorzüglicher Hochachtung
gez. D. Krummacher, Bischof
gez. D. Schönherr, Verwalter des Bischofsamtes
gez. D. Jänicke, Bischof
gez. D. Mitzenheim, Landesbischof
gez. D. Fränkel, Bischof
gez. Dr. Müller, Kirchenpräsident
gez. i.V. Dr. Müller, Oberkirchenratspräsident
gez. i.V. Dr. Johannes, Präsident des Landeskirchenamtes