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Aktivitäten der jüdischen Gemeinden Berlin zur Pogromnacht 1938

4. November 1988
Information Nr. 488/88 über geplante Aktivitäten der jüdischen Gemeinden Berlin im Zusammenhang mit dem 50. Jahrestag der faschistischen Pogromnacht

Nach dem MfS vorliegenden Hinweisen beabsichtigen an der zentralen Gedenkveranstaltung anlässlich des 50. Jahrestages der faschistischen Pogromnacht teilnehmende ausländische Gäste am 8. November 1988, 17.00 Uhr, auf dem Bebelplatz in der Hauptstadt der DDR, Berlin, eine eigenständige öffentliche Gedenkveranstaltung durchzuführen. Damit soll u. a. an die faschistische Bücherverbrennung am gleichen Ort im Mai 1933 erinnert werden.

(Zeitgleich mit der Veranstaltung auf dem Bebelplatz soll in Westberlin ein Schweigemarsch durchgeführt werden.)

Vorliegenden Hinweisen zufolge würde dieses Vorhaben von den als offizielle Gäste in der DDR weilenden Mitgliedern amerikanischer jüdischer Gemeinden um Rabbiner Stein, Hiat u. a. initiiert.

Es ist geplant, im Rahmen dieser Gedenkveranstaltung brennende Kerzen (aus Westberlin eingeführte Spezialkerzen mit Metallhülsen, die keine Verunreinigung verursachen) in größerer Anzahl zu verwenden.

Weiteren Hinweisen zufolge habe der Vorstand der Jüdischen Gemeinde Berlin die Pfarrer der evangelischen Sophiengemeinde Berlin-Mitte aufgefordert, nicht wie in den vergangenen Jahren anlässlich des 9. November brennende Kerzen an der Ruine der Synagoge in der Oranienburger Straße aufzustellen, weil dort gegenwärtig Rekonstruktionsmaßnahmen erfolgen. Stattdessen wurde seitens der jüdischen Gemeinde empfohlen, Kerzen am Gedenkstein in der Großen Hamburger Straße, Stadtbezirk Berlin-Mitte abzustellen.

Intern wurde dem MfS bekannt, dass sich u. a. Kanonikus Paul Oestreicher/Großbritannien, Rabbiner Prof. Friedländer sowie amerikanische jüdische Bürger am Abend des 9. November 1988 an diesem Gedenkstein aufzuhalten beabsichtigen.

Es ist vorgesehen, auf die Leitung der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg dahingehend Einfluss zu nehmen, damit der Charakter des Gedenkens in der Großen Hamburger Straße weder gestört noch missbraucht wird und Beeinträchtigungen des Aufenthaltes der ausländischen Gäste an dieser Gedenkstätte vermieden werden.

Durch das MfS wurden im Zusammenhang mit zuständigen staatlichen Organen und gesellschaftlichen Kräften entsprechende Maßnahmen zur Gewährleistung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und zur Verhinderung des politischen Missbrauchs derartiger Aktivitäten eingeleitet.

Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.

Mielke [Unterschrift]

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    5. November 1988
    Information Nr. 474/88 über Aktivitäten, Vorkommnisse und rechtswidrige Handlungen von Angehörigen der in Westberlin stationierten westlichen Besatzungstruppen bei der Einreise und dem Aufenthalt in der Hauptstadt der DDR, Berlin, im Zeitraum vom 1. Juli bis 30. September 1988

  2. Zum vorherigen Dokument Blockierung der GÜST Mahlow durch Umweltschützer

    3. November 1988
    Information Nr. 478/88 über die provokatorisch-demonstrative Blockierung der Grenzübergangsstelle Mahlow durch Mitglieder der Umweltschutzorganisation »Robin Wood« am 1. November 1988