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Fluchtversuch Ständige Vertretung

17. Februar 1989
Information Nr. 80/89 über einen schweren Gewaltakt gegen das Leben eines zur Sicherung der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR eingesetzten Angehörigen der Deutschen Volkspolizei

Am 16. Februar 1989, um 12.22 Uhr, drangen die Bürger der DDR [Name 1, Vorname 1] (40), geb. am [Tag, Monat] 1948, wohnhaft: [Straße, Nr.] Bezirk Potsdam, Beruf: Entstörer, Tätigkeit: privater Champignonzüchter, [Name 1, Vorname 2] (34), geb. am [Tag, Monat] 1954, wohnhaft: wie Ehemann, Tätigkeit: mithelfende Ehefrau, beide keine Antragsteller auf ständige Ausreise,1 mit einem Pkw Typ Lada unter Mitführung ihrer beiden 14- bzw. 11-jährigen Kinder gewaltsam in den Hof der Ständigen Vertretung der BRD in Berlin-Mitte, Hannoversche Straße, ein.

Der das Fahrzeug führende [Name 1] fuhr, aus Richtung Wilhelm-Pieck-Straße kommend, mit einer Geschwindigkeit von 40 bis 50 km/h die Hannoversche Straße entlang und bog mit unverminderter Geschwindigkeit, ohne ein optisches oder akustisches Warnsignal zu geben, in die Hofeinfahrt zur Ständigen Vertretung der BRD ein. Der zu diesem Zeitpunkt in der Mitte der Hofeinfahrt postierte Angehörige des Wachkommandos Missionsschutz, VP-Oberwachtmeister [Name 2], hatte objektiv keine Möglichkeit, dem unvermittelt entgegenkommenden Fahrzeug auszuweichen. Er wurde von diesem erfasst und zu Boden geschleudert. Ungeachtet dessen fuhren die Täter weiter, durchbrachen den in der Hofeinfahrt befindlichen geschlossenen Schlagbaum und begaben sich in das Gebäude der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR.

Im Ergebnis der im VP-Krankenhaus geführten ärztlichen Untersuchungen wurde diagnostiziert, dass VP-Oberwachtmeister [Name 2] ein Schädelhirntrauma 2. Grades erlitt. Ferner wurde am Hinterhaupt eine etwa 4 cm große Prellmarke sowie in diesem Bereich eine Bruchstelle des knöchernen Schädels und ein Hämatom festgestellt.

Die bisher geführten Untersuchungen ergeben erste begründete Hinweise, dass es sich bei diesem Verbrechen um einen Mordversuch handelt. Die Ermittlungen werden zielgerichtet fortgesetzt.

Es ist vorgesehen, im Rahmen des für den 17. Februar 1989, 10.00 Uhr, festgesetzten Antrittsbesuches des Ständigen Vertreters der BRD in der DDR, Dr. Bertele,2 beim Staatssekretär und 1. Stellvertreter des Ministers für Auswärtige Angelegenheiten der DDR, Genossen Herbert Krolikowski,3 entsprechend der beiliegenden Gesprächskonzeption die Übergabe der Gewalttäter und ihrer Kinder zu fordern (Anlage 1). Des Weiteren wird vorgeschlagen, beiliegende ADN-Meldung zur Veröffentlichung zu bestätigen (Anlage 2).4

Anlage 1 zur Information Nr. 80/89

[Konzeption für ein Gespräch mit Ständigem Vertreter der BRD]

Am 16. Februar 1989 drangen vier Bürger der DDR gewaltsam in die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in der DDR ein. Dabei begingen sie vorsätzlich einen schweren Angriff auf das Leben eines Angehörigen der zum Schutz und zur Sicherung der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland eingesetzten Kräfte.

Dieser Angehörige erlitt schwere gesundheitliche Schäden.

Die DDR fordert mit Nachdruck, die betreffenden Bürger der DDR unverzüglich aus der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland zu verweisen, damit die zuständigen staatlichen Organe der DDR die erforderlichen Maßnahmen zur Strafverfolgung einleiten können. Gleichzeitig wird die Herausgabe des Pkw gefordert.

Dieses schwere Vorkommnis unterstreicht – wie bereits in der Erklärung des stellvertretenden Ministers für Auswärtige Angelegenheiten der DDR vom 8. Februar 1989 gefordert5 – die Notwendigkeit, die völkerrechtswidrigen Praktiken der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in der DDR und die damit verbundene Einmischung in die inneren Angelegenheiten der DDR unverzüglich einzustellen.

Dieser schwerwiegende Zwischenfall wurde zweifelsfrei durch das völkerrechtswidrige Verhalten der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in der DDR begünstigt. Er ist zur Begehung von weiteren Verletzungen der Rechtsvorschriften der DDR geeignet.

Es würde zu einer schwerwiegenden Belastung der Beziehungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland führen, wenn der Forderung der DDR nicht unverzüglich und bedingungslos entsprochen wird. Anderenfalls hätte die Bundesrepublik Deutschland alle sich daraus ergebenden Konsequenzen allein zu verantworten.6

Anlage 2 zur Information Nr. 80/89

[Entwurf einer ADN-Meldung]

Schwerer Angriff auf Angehörigen des Missionsschutzes

Berlin (ADN) Am 16. Februar 1989 drangen 47 Bürger der DDR mit einem Pkw gewaltsam in die Ständige Vertretung der BRD in der DDR ein.

Dabei überfuhren sie vorsätzlich einen zum Schutz und zur Sicherung der Ständigen Vertretung der BRD eingesetzten Angehörigen der Deutschen Volkspolizei, begingen einen rücksichtslosen Anschlag auf sein Leben.8

Der Volkspolizist erlitt schwere gesundheitliche Schäden.

In einer Erklärung des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der DDR wird mit Nachdruck gefordert, die schuldigen Bürger der DDR unverzüglich aus der Ständigen Vertretung der BRD zu verweisen, anderenfalls hat die Regierung der BRD alle sich daraus ergebenden Konsequenzen allein zu verantworten.9

Dieser schwere Gewaltakt unterstreicht die Notwendigkeit, die völkerrechtswidrigen Praktiken der Ständigen Vertretung der BRD und die mit der sogenannten Obhutspflicht der BRD für Bürger der DDR verbundene Einmischung in die inneren Angelegenheiten der DDR einzustellen.10

  1. Zum nächsten Dokument Embargobestimmungen und Mikroelektronik in DDR

    22. Februar 1989
    Information Nr. 81/89 über von der Siemens AG München/BRD gegenüber technologische Spezialausrüstungen herstellende BRD-Firmen unternommene Aktivitäten zur Durchsetzung der Embargobestimmungen und daraus resultierende ernsthaftere Gefährdungen notwendiger NSW-Importe für die mikroelektronische Industrie der DDR

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    16. Februar 1989
    Information Nr. 79/89 über die Beantragung der Gründung einer »Vereinigung zur Beobachtung und Förderung des KSZE-Prozesses in der Deutschen Demokratischen Republik« durch einen kirchlichen Mitarbeiter