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Tagesbericht

29. Juni 1953
Information Nr. 5 [Meldung Nr. 29/53]

Besondere Vorkommnisse wie Streik, Demonstration usw., waren auch am heutigen Tage in Berlin und der DDR nicht zu verzeichnen.

[Besondere Vorkommnisse]

Am 26. Juni 1953 fand auf dem Halle-Markt in Halle eine Großkundgebung der Werktätigen statt, an welcher ca. 75 000 Personen teilnahmen. Auf der Kundgebung sprach das Mitglied des ZK der SED, Genosse Oelßner.1 Die Stimmung der Kundgebungsteilnehmer war gut, besondere Vorkommnisse waren nicht zu verzeichnen.

Im Gegensatz zu dieser äußerst positiven Kundgebung verlief [die] in den Vormittagsstunden des 26. Juni 1953 durchgeführte Belegschaftsversammlung in dem Buna-Werk in Schkopau, an der ca. 600 Belegschaftsmitglieder teilnahmen. In der Diskussion nach dem Referat des Genossen Oelßner hielten mehrere Belegschaftsmitglieder hetzerische Reden gegen die DDR und die Volkspolizei, die2 von den übrigen Teilnehmern größtenteils beifällig aufgenommen wurden. Des Weiteren wurde Genosse Oelßner, als er das Schlusswort hielt, mehrmals durch provokatorische Zwischenrufe und Lachen unterbrochen. Die von dem Parteisekretär des Werkes zur Verlesung gebrachte Resolution, sich von den Brandstiftern zu distanzieren, wurde mit großer Stimmenmehrheit nicht angenommen.

In der Lowa Ammendorf gingen die Arbeiter nach der Kundgebung, auf welcher Genosse Oelßner sprach, die Verpflichtung ein, in Diskussionen innerhalb des Betriebes die Beschlüsse der Regierung und Partei zur Verbesserung der allgemeinen Lebenslage allen Belegschaftsmitgliedern verständlich zu machen.

In Weißenfels fand am 27.6.1953 eine Kundgebung statt, auf welcher der Chefredakteur der »Freiheit«3 Genosse Sindermann4 sprach. Genosse Sindermann verstand es, die 8 000 Kundgebungsteilnehmer zu begeistern und die Beschlüsse der Regierung und Partei wurden mit Beifall aufgenommen.

Auf dem Altmarkt in Cottbus fand am 27.6.1953 eine Kundgebung statt, auf welcher der 1. Sekretär der Bezirksleitung der SED sprach, an der ca. 10 000 Personen teilnahmen. Ein Brief von Arbeitern der Moskauer Stalin-Werke, der auf dieser Kundgebung verlesen wurde, fand großen Beifall.

Am 27.6.1953 fand auf dem Stalinplatz in Karl-Marx-Stadt eine Großkundgebung statt, an der ca. 100 000 Werktätige beteiligt waren. Die Rede des Ministers Genossen Wandel5 wurde des Öfteren durch reichen Applaus unterbrochen und die Versammelten brachten zum Ausdruck, sich noch enger und fester um die Partei der Arbeiterklasse und die Regierung zu scharen.

Am 27.6.1953 fanden in den Kreisstädten Suhl und Meiningen Großkundgebungen statt, wo Vertreter der Bezirksleitung der SED sprachen. An beiden Veranstaltungen nahmen ca. 12 000 Personen teil. Die Werktätigen brachten durch Transparente und Losungen ihre Treue zur Regierung zum Ausdruck sowie, sich durch westliche Provokateure nicht wieder aufhetzen zu lassen.

Am 27.6.1953 fand in Wittenberg eine Demonstration statt. Es sprach der 1. Kreissekretär der SED. Anwesend waren ca. 2 000 Kundgebungsteilnehmer (ca. 10 % aus Betrieben). Der größte Teil derselben verhielt sich passiv.

Am 27.6.1953 griff ein unbekannter Täter in Hettstedt den Wachposten der FDJ am Haus der Jugend an und versuchte ihn niederzustechen. Dem FDJ-ler gelang es, den Täter niederzuringen und ihm das Messer zu entreißen. In diesem Augenblick kam eine zweite unbekannte Person dem Täter zu Hilfe und es gelang diesem, den Täter zu befreien und die ergriffen die Flucht.

Zwei andere Jugendfreunde, die auf der anderen Seite des Hauses standen, bemerkten, dass der ehem. Musikpavillon in unmittelbarer Nähe in Brand gesteckt worden war. Der Brand konnte sofort gelöscht werden.

Am 27.6.1953 wurde ein amerikanischer Pkw, der wiederholt in langsamer Fahrt an der BDVP Cottbus vorbeifuhr, angehalten und die Insassen, ein Offizier und zwei Soldaten, wurden der sowjetischen Kommandantur zugeführt.

Am 27.6.1953 wurde festgestellt, dass in Steinach/Sonneberg im VEB Sägewerk sich unter der zugestellten Geschäftspost eine Postkarte befand, in der der Betrieb aufgefordert wurde, innerhalb von acht Tagen die Sichtwerbung abzunehmen, sonst würde der Betrieb in Flammen aufgehen.

Am 27.6.1953 warf in die Kraftzentrale des VEB Elbewerft, Boizenburg bei Schwerin, ein unbekannter Täter einen Stein. Vermutlich wollte man damit den Kompressor außer Betrieb setzen. Eine Störung der Produktion trat nicht ein.

Am 27.6.1953 brannte in Magdeburg im SAG-Betrieb Georgi-Dimitroff-Werk vermutlich durch Brandstiftung ein Modellschuppen nieder. Der Schaden beträgt ca. 400 000 DM.

Am 27.6.1953 wurde an der Elbfähre bei Ronney bei Magdeburg durch den Fährmann aus der Elbe eine Leiche geborgen. Es handelt sich um einen sowjetischen Soldaten in voller Uniform.

Am 28.6.1953, gegen 0.30 Uhr, wurde in Luckenwalde ein Mitglied der SED-Kreisleitung durch vier unbekannte Personen niedergeschlagen, gewürgt, wobei man versuchte, ihm das Parteidokument, das er in einem Brustbeutel trug, zu entwenden.

Die Täter wurden ermittelt und festgenommen.

Am 28.6.1953, gegen 1.30 Uhr, wurde der 1. Vorsitzende der LPG »Rote Fahne« und der 1. Sekretär der SED-Ortsgruppe Schönberg/Neuruppin auf der Straße zwischen Herzberg und Schönberg von einer siebenköpfigen Bande überfallen und misshandelt.

Die Täter wurden festgenommen.

Am 28.6.1953 wurde in einer Gaststätte ein VP-Angehöriger des Betriebsschutzes Kyffhäuserhütte von zwei Personen tätlich angegriffen. Tätlich griffen diese beiden Personen auch die eingreifende VP-Streife an.

Die Täter wurden festgenommen.

Am 27.6.1953 wurden in Calbe bei Magdeburg zwei Angehörige der Transportpolizei Aschersleben, Kdo. Calbe, die in stark betrunkenem Zustand Gäste eines Lokals belästigten, aus dem Lokal verwiesen. Darauf riefen sie weitere VP-Angehörige ihrer Dienststelle zur Verstärkung heran. Diese begaben sich mit Karabinern in den vollbesetzten Saal, luden ihre Waffen durch und forderten die anwesenden Personen auf, den Saal sofort zu verlassen, anderenfalls geschossen wird. Dabei machten sie folgende Äußerungen: »Arbeiterpack, der 17.6. ist vorbei, jetzt sind wir wieder an der Macht.«

Von Potsdam wird berichtet, dass am 17.6.1953 in der Gemeinde Wusterwitz, Kreis Brandenburg, 16 Personen und in Kirchmöser 14 Personen an Typhus erkrankten. Die dorthin entsandte Gesundheitskommission stellte fest, dass die Milch aus der Molkerei Ragösen mit Typhusbazillen verseucht war. Eine heutige telefonische Rücksprache ergab, dass die Anzahl der Typhuskranken sich auf 51 erhöht hat, wovon besonders Schulkinder und alte Leute befallen sind, die die Milch ungekocht getrunken haben. Eine weitere Gesundheitskommission wurde eingesetzt, deren Ergebnis noch aussteht. Eine bewusste Verseuchung der Milch konnte bisher noch nicht festgestellt werden.

Am 28.6.1953 wurde in einer Gaststätte in Waldow/Lübben ein VP-Angehöriger in gemeinster Weise beschimpft. Bei der Festnahme dieser Person versuchten 30 Jugendliche die Festnahme zu verhindern.

Am 24.6.1953 wurde in Großwig/Torgau bei dem Gastwirt [Vorname Name 1] aufgrund eines Verdachts eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Hierbei wurden ein Karabiner 98 K ohne Kolben und ein Luftgewehr sichergestellt. Der Beschuldigte wurde festgenommen.

Im Kreisgebiet Seehausen sind folgende Gerüchte im Umlauf:

1. Die Volkspolizei muss mit ihren Familienangehörigen nach Mecklenburg zu einem mehrmonatigen Manöver.

2. Sämtliche Männer im Alter von 18 bis 35 Jahren werden von Russen eingefangen und in die Sowjetunion gebracht.

Durch das letzte Gerücht ist zu verzeichnen, dass in einzelnen Gemeinden die Jugendlichen des Nachts in Roggenfeldern übernachten.

In Ebersbach/Görlitz wird das Gerücht verbreitet, dass in Berlin noch immer gestreikt wird und dass die Angaben über die gewaltsame Befreiung der SS-Kommandeure unzutreffend sind.

In Riesa wird das Gerücht verbreitet, die Volkspolizei hat in Berlin mitgestreikt.

In Dippoldiswalde wird das Gerücht verbreitet, dass die Arbeiter, die die U-Haftanstalt in Görlitz angeblich aufgeschweißt haben, im Hof der Haftanstalt Kisten gefunden haben, in denen zehn Personen verpackt gewesen waren, die ins Krematorium geschafft werden sollen.

Versorgung der Bevölkerung

Aus einem Bericht des Ministeriums für Handel und Versorgung ist Folgendes zu ersehen: Die Verkaufstätigkeit ist normal.

I. Im Bezirk Schwerin

hat sich der Umsatz von Industriewaren verringert, da HO-Preissenkungen erwartet werden. Angstkäufe werden nirgends mehr festgestellt. Die Stimmung der Bevölkerung wurde aus den Bezirken Leipzig und Halle sowie Berlin mitgeteilt.

Im Bezirk Leipzig spuken noch immer die Gerüchte über eine Währungsreform.6 Daraus entsteht eine allgemein abwartende Haltung. Im Bezirk Halle sind allgemein ablehnende Diskussionen in Betrieben und Verwaltungen (insbesondere Justiz und Intelligenz) über die Methode der bevorzugten Behandlung der Schwerpunktbetriebe. In Berlin verhält sich die Bevölkerung nach wie vor abwartend in Bezug auf die Verbesserung der Versorgungslage. Teilweise Verärgerung besteht darüber, dass nicht alle Verkaufsstellen ausreichend [mit] HO-Butter beliefert sind, auch wird das Nichtvorhandensein von Margarine stark kritisiert.

Das mangelnde Angebot an Sandaletten und das schon lange anhaltende Fehlen von Kinderschuhen in den Größen 22–26.

II. Industriewaren

Nach den vorliegenden Berichten aus den einzelnen Bezirken werden nachfolgende Industriewaren als fehlend bzw. äußerst mangelhaft vorhanden bezeichnet:

  • a)

    Emaillewaren,

  • b)

    Stahlwaren (speziell Rasierklingen, Scheren, Bestecke),

  • c)

    Zündhölzer,

  • d)

    Sommertextilwaren (Sommerstoffe, Ober- und Untertrikotagen, Kleiderschürzen, Druckstoffe),

  • e)

    Arbeitsbekleidung und Bettwäsche,

  • f)

    Fahrräder und Nähmaschinen im Bezirk Halle.

Die Kohle wird nach den Berichten aus den Bezirken Leipzig und Halle nur ungenügend ausgeliefert. Hierzu ist am heutigen Tag eine Vorlage für den Ministerrat gefertigt worden, die beinhaltet, dass die Industrie entsprechend dem Ministerratsbeschluss vom 12. Dezember 19527 ausreichende Mengen zur Bevorratung der Bevölkerung bis 31.8.1953 zur Verfügung stellt.

III. Nahrungsgüter

a) Brot: Die Brotversorgung ist gesichert. Aus dem Bezirk Halle wird gemeldet, dass die Bevölkerung den neuen Mischbrotsorten ablehnend gegenübersteht. Die Bevölkerung nimmt das Brot nicht ab. Es wurde veranlasst, dass der neue Mehltyp in einem verträglichen Prozentsatz weiterverarbeitet wird.

b) Kartoffeln: Im Bezirk Rostock ist die Kartoffellage weiterhin ernst. Durch das Ministerium wird augenblicklich versucht, weitere Mengen aus Gera und Leipzig für den Bezirk abzuzweigen. Das Staatssekretariat Erfassung und Aufkauf wurde bereits beauftragt, die zuerst anfallenden Frühkartoffeln dem Bezirk Rostock zuzuleiten. Auch im Bezirk Neubrandenburg werden jetzt aus drei Kreisen die Kartoffelbestände als erschöpft gemeldet. Innerbezirklicher Ausgleich wird zzt. angestrebt.

Der Bezirk Halle teilt mit, dass nur noch geringe Mengen Kartoffeln für Ferienaktionen zur Verfügung stehen. In zwei Kreisen des Bezirkes Halle wurden diese Bestände zur Sicherung der KVP und des Werksessens bereits angegriffen. Die Auffüllung der Bestände für die Ferienaktionen wird mit den demnächst anfallenden Frühkartoffeln vorgenommen. Der Bezirk Leipzig meldet, dass noch ein Kartoffelbestand von 239 t vorhanden ist. (Ausreichend für 5 Tage)

c) Fleisch und Fleischwaren: In der Markenversorgung werden keine Schwierigkeiten gemeldet. Bezirk Halle hat weiter eine schleppende Anlieferung von Frischfleisch durch die VEAB zu verzeichnen. Hierdurch entsteht bei HO-Fleisch Verringerung der Großhandelsbestände. Die durchschnittliche Bevorratung bei HO-Fleischwaren wird mit etwa drei Tage angegeben. Auch der Bezirk Leipzig meldet mangelhaften Viehauftrieb. Im Bezirk Cottbus sind Frischwaren für April/Mai mit Wurst aus verarbeiteten Innereien im Abgabeverhältnis 1: 2 beliefert worden.

d) Fisch und Fischwaren: Die Bezirke Rostock, Neubrandenburg, Gera und Leipzig melden eine ausreichende Versorgung mit Fisch und Fischwaren. Bezirk Halle meldet, dass nur in sechs von 22 Kreisen noch kleine Bestände vorhanden sind. Zur Sicherung der Markenversorgung wurde innerhalb des Bezirks HO-Ware umdisponiert. Für noch offene Lücken wird heute ein Eieraufruf geklärt. Fischkonserven sind vom Ministerium für die gesamte DDR zunächst in Höhe von 2 000 t zum Verkauf freigegebenen worden.

e) Eier: Aus dem Bezirk Magdeburg wird ein Rückgang der Eiererfassung gemeldet. Im Bezirk Halle wird die schlechte Bevorratung im Einzelnen auf Bezirksebene ausgeglichen, ebenso im Bezirk Rostock.

f) Gemüse: Die Gemüseversorgung ist gesichert, jedoch wurde vom Bezirk Neubrandenburg eine schlechte Realisierung der Verträge mitgeteilt. Aus den Bezirken Cottbus und Halle wird die Forderung nach einer beweglicheren Preisgestaltung erhoben. In Anbetracht der in einigen Bezirken zu erwartenden Gemüseschwemme und im Interesse einer richtigen Verteilung der Importe müsste eine zentrale Leitstelle durch die VEAB geschaffen werden. Ein diesbezüglicher Vorschlag wird vom Ministerium ausgearbeitet, welcher auch den überbezirklichen Ausgleich beweglicher gestalten soll.

g) Zucker: Die Versorgung auf Marken ist gesichert. Zuckerverkauf auf Akzisebasis ist eingeleitet.

h) Marmelade: Aus Magdeburg wird gemeldet, dass Produktionsschwierigkeiten für Marmelade für das III. Quartal bestehen, da keine Pulpe8 vorhanden sei. Ebenso werden von dort Absatzschwierigkeiten in Bienenhonig genannt. Weiterhin gemeldete Mangelerscheinungen in Marmelade und Kunsthonig (Bezirk Neubrandenburg und Halle) werden durch Vorgriff auf das III. Quartal beseitigt.

i) Nährmittel: Die Versorgung mit Nährmitteln ist mittelmäßig.

Teilweise ist das Sortiment bereits unvollständig, insbesondere fehlen Kindernährmittel. Durch Vorgriff auf das III./53 wird der Anschluss an die neue Ernte zu erreichen versucht.

Aus dem Bezirk Magdeburg wird gemeldet, dass eine Freigabe von Hühnerfutter zur Entlastung der Versorgungslage in Nährmitteln beitragen würde.

k) Butter: Die Markenversorgung ist gesichert. HO-Butter wird zzt. in den Bezirken verkauft, jedoch ist voraussichtlich der Vorrat in einigen Tagen erschöpft.

l) Margarine: Die Markenversorgung ist gesichert; die Nachfrage nach HO-Margarine ist unverändert groß, besonders von Bevölkerungskreisen mit niedrigem Einkommen.

m) Schlachtfett: Die Versorgung mit Schlachtfett auf Markenbasis ist gesichert. Die Freigabe von Schlachtfett zum HO-Verkauf wurde als noch nicht realisiert mitgeteilt.

Nach den unvollständigen Meldungen sind bisher in sieben Bezirken der DDR und in Berlin insgesamt 4 269 Agenturverträge abgeschlossen, davon für Lebensmittel 2 265, für Industriewaren 531 und für Gaststätten 1 473.9

IV. Rückgabe von Geschäften

Nach noch unvollständigen Meldungen aus sieben Bezirken der DDR und Berlin liegen 319 Anträge auf Rückgabe von Einzelhandelsgeschäften vor. 202 sind zurückgegeben. Besonders groß ist die Zahl der Antragsteller in Magdeburg mit 87 und in Berlin mit 158. In den Bezirken Cottbus und Schwerin sind es nur vier bzw. sieben Antragsteller.

Die Anträge beziehen sich fast ausschließlich auf Lebensmitteleinzelhandelsgeschäfte.

Aus den Bezirken Rostock, Cottbus, Schwerin, Leipzig und Magdeburg werden insgesamt 63 Anträge von Großhändlern auf Wiederaufnahme ihrer Geschäftstätigkeit gemeldet. In den letzten Tagen bereits genehmigt und zurückgegeben wurden 58.

Unter [der] der Bevölkerung treten gegenüber der Versorgungslage folgende Stimmungen auf:

Im Kreis Rostock wird die Belieferung mit Gemüse gemäß der Vertragsverpflichtung von dem Bezirk Potsdam nicht eingehalten. So wurden bisher vom Einfuhrsoll II./53 in Höhe von 1 764 t Gemüse nur 435 t und von 419 t Obst nur 87 t geliefert. Die Versorgung mit Obst und Gemüse für das III. Quartal ist bis heute noch nicht gewährleistet, die Ursache liegt darin, dass die Planzahlen vom Rat des Bezirkes der VEAB noch nicht übergeben wurden.

Im Bezirk Dresden ist die Bevölkerung unzufrieden, dass es kein Öl, Margarine und Butter sowie keinen Zucker in der HO gibt.

In Zittau treten verschiedene Mängel in der Warenbereitstellung durch die DHZ Lebensmittel in Erscheinung. Vor allen Dingen handelt es sich hierbei um Marmelade und Nudeln. Ebenfalls gibt es in der HO keine Butter, Margarine und Zucker.

Im Kreis Riesa besteht seit Mai 1953 ein Mangel an Frischgemüse. Obwohl in der Lommatzscher Gegend bei Meißen genügend Obst und Gemüse vorhanden ist. Oft kommt das Gemüse in halb verdorbenem Zustand in die Geschäfte, was z. T. an dem bürokratischen Verhalten der HO bzw. Konsum liegt, welche oftmals am Wochenende oder nach Geschäftsschluss die Annahme verweigern.

Weiterhin ist in den Kreisen Bautzen und Freital, Bezirk Dresden, bei der Ablieferung von Schweinen am 22.6.1953 ein Rückstand von 25 Schweinen zu verzeichnen. Bei anderen Produkten gibt es ähnliche Erscheinungen. Die Bauern argumentieren, dass sie den Tag der Ablieferung selbst bestimmen.

Weiterhin dienen noch folgende Gerüchte als Ursache: Es stünde eine Währungsreform bevor – das Soll würde demnächst ermäßigt werden – die Quartalsablieferung braucht nicht mehr eingehalten zu werden.

Durch Mitteilung der Abteilung Handel und Versorgung des Rates des Bezirks Rostock ist eine ernste Situation in der Kartoffelversorgung eingetreten. Der Bezirk benötigt bis zum Anschluss an die neue Ernte noch ca. 3 000 t Kartoffeln. Für die Befriedigung des ersten Bedarfs werden unbedingt 1 000 t benötigt. Augenblicklich ist folgende Lage im Bezirk vorhanden: Die Kreise Rostock, Wolgast, Wismar und Doberan sind gänzlich ohne Kartoffeln. In den Ferienheimen sind die Bestände zzt. ganz aufgebraucht oder gehen in den nächsten Tagen zu Ende. Sollten in den nächsten Tagen keine Kartoffelzufuhren aus anderen Bezirken erfolgen, wird die Kartoffelversorgung im ganzen Bezirk vollkommen ausfallen. Das Ministerium für Handel und Versorgung ist seit Langem über die Kartoffelversorgung des Bezirkes Rostock informiert, hat bisher aber nichts Ernsthaftes dagegen unternommen.

Schwierigkeiten, die sich auf die Versorgung auswirken könnten, wurden am 22.6.1953 in der Fleischwarenfabrik Greußen festgestellt. An diesem Tage waren nur noch drei geschlachtete Kälber am Lager. Zur Überbrückung wurden am 21.6. und 22.6.1953 je ein Waggon Gefrierfleisch angeliefert. Beide Waggons wurden sofort an die Abdeckereien weitergeleitet, da das Fleisch ungenießbar war. Das Fleisch wurde aus den Berliner Kühlhäusern angeliefert. Es soll angeblich über ein Jahr dort gelagert haben. Ein Teil des Fleisches konnte als Freibankfleisch dem Verbrauch zugeführt werden.

Die Streuung beim Gemüse- und Obstverkauf müsste auf mehrere Geschäfte erfolgen, damit das Schlangestehen aufhört.

[Name 2, Vorname] – Sangerhausen – äußerte sich, dass die gegenwärtige Versorgung, außer den Zuteilungen auf Lebensmittelkarten, noch ungenügend ist, z. B. gibt es keine Margarine, auch Nährmittel und Hülsenfrüchte sind selten und nur in geringen Mengen zu haben.

In sämtlichen Kreisen von Sonneberg und Umgebung verschärfen sich die Versorgungsschwierigkeiten. Es sind ernsthafte Mängel in der Versorgung der Grenzorte mit Margarine, Öl, Mehl und Zucker vorhanden. In den letzten Tagen wurden in Köppelsdorf eine Anzahl Kinder festgenommen, die von ihren Eltern beauftragt waren im Westen Palmin und Speisefett einzukaufen bzw. zu betteln.

[Name 3] vom Kreisbauhof Pasewalk äußerte, dass es sehr schlecht ist, wenn bei der HO der Preis für Schweinslederschuhe mit Elastiksohle zwischen 15,00 und 46,18 [DM] schwankt. Er führte an, dass drei Kollegen die gleichen Schuhe gekauft haben, von welchen folgende Preise dafür bezahlt wurden: 15,00, 35,00 und 46,80 DM.

In der Gemeinde Pampow,10 Kreis Pasewalk, wird im Allgemeinen die Meinung vertreten, dass der Beschluss der Regierung vom 15.6.195311 vorsah, Zucker, Marmelade und Süßwaren billiger zu verkaufen, sie aber immer noch die alten Preise zahlen müssten.

Tusch, Vorsitzender der DBD in Sömmerda, sagte, dass in den nächsten Tagen aufgrund der günstigen Witterung eine Gemüseschwemme zu erwarten ist und man müsste schnellstens die Preise dafür senken, um das empfindliche Gemüse nicht verderben zu lassen.

[Stimmung der Bevölkerung]

Brigadier [Name 4] vom VEB Maschinenfabrik Heidenau ist der Meinung, dass von den Kreissekretariaten schon wieder Fehler begangen werden, indem eine Flut von Versammlungen sowie Berichten gefordert werden. Dies sei alles nicht notwendig, denn wenn die Maßnahmen unserer Regierung sofort in Kraft treten, sind Argumente zur Diskussion vorhanden.

Ein Angestellter der Reichsbahn aus Potsdam äußerte: »Wir brauchen uns diesen ganzen Betrug nicht gefallen lassen. Es liegt lediglich an uns selbst. Wenn wir uns einig sind, müssen sie uns das Geld zahlen, welches wir verlangen, wenn nicht, wird eben gestreikt.«

[Name 5], Hermannswerda: »Der Streik ist noch lange nicht zu Ende, sondern es brodelt noch überall. Es ist auch kein Wunder, denn diese Schikanen lässt sich kein Mensch gefallen. Der in Rathenow Erschlagene12 hat seinen Tod verdient, da er ein Arbeiterfunktionär war. Er wird schon was auf dem Kerbholz haben.«

Frau [Name 6], Potsdam: »Ich begrüße die Verordnung über die Verbesserung der Lebenslage der Werktätigen, fürchte aber, dass die einzelnen Ministerien, Bezirks- und Kreisverwaltungen diese Verordnungen durch ihre bürokratische Arbeitsweise unwirksam machen.«

Ein Schweißer aus dem Kirow-Werk Leipzig: »Das Vorgehen der staatlichen Machtorgane im Rahmen des Ausnahmezustandes war mehrfach überspitzt. Am 20.6.1953 wurde ein Kollege mit dem Fahrrad nach 20.00 Uhr von einer Streife der KVP angehalten und mit in die BDVP Leipzig genommen. Dort sei er stundenlang verhört worden und erhielt auch Schläge. Man macht schon wieder neue Fehler, am besten sieht man es am Bienitz,13 wo Tausende hinter Stacheldraht sitzen. Zu einem solchen System können doch die Menschen kein Vertrauen haben.«

Kreisvorstandsmitglied der CDU Hanisch aus Leisnig: »Die letzten Ereignisse sind als Aufstände des Volkes gegen das herrschende System zu betrachten, die von Agenten ausgenutzt wurden. Das trifft aber nur für Berlin zu. Alle anderen Ereignisse in der Republik sind nicht durch Provokateure entstanden. Zzt. kommt schon wieder eine Überheblichkeit der Führer zum Ausdruck, indem sie die Vorkommnisse bagatellisieren.«

Vom Dekan Rinow14 aus Greifswald wurde die Frage aufgeworfen, wann das gesellschaftswissenschaftliche Studium aufgehoben und die dafür tätigen Dozenten abberufen würden, um eine Angleichung an das westdeutsche Universitätsstudium herbeizuführen.

Mitglieder der LDP in Dresden fordern bessere und ehrliche Blockpolitik, insbesondere auch Anerkennung der Rechte bei gleichen Pflichten. Vor allem in den Fragen der Personalpolitik haben sie die Meinung, dass unsere Mitglieder offensichtlich vor den anderen Parteien und Parteilosen benachteiligt werden. Gemeint sind dabei die leitenden Funktionäre.

[Name 7], Wirtschaftsleiter der Poliklinik Freital: »Das ist die schwerste Unterdrückung des Willens des Volkes, dass sogar Panzer von der Arbeiterregierung gegen Arbeiter eingesetzt werden.«

In Diskussionen mit Arbeitern zeigt es sich, dass ein wesentlicher Teil das ND nicht liest, weil es für sie ein theoretisch zu hohes Niveau hat und auf die Arbeiter unverständlich wirkt. In der Diskussion ergab sich, dass sie lieber die BZ lesen, die alle Probleme in leichterer Form verständlich behandelt. Es wurde geäußert, dass es vorkommt, dass im ND Dinge über ihren Betrieb stehen, von welchen sie selbst nichts wissen.

Besonders diskutiert wurde, dass die VP an den Sektorenübergängen der Bevölkerung auch die geringsten Mengen von Butter, Fett und Lebensmitteln abnahm. Es wird die Meinung vertreten, dass sie ja gezwungen seien Fettwaren im Westsektor einzukaufen, weil es in der HO oft weder Butter noch Fett zu kaufen gab.

Die Provokateure verbreiteten in Niesky die Nachricht, dass im Keller des SSD15 Folterkammern gefunden wurden. Am 18.6.1953 wurden die Räume der Bevölkerung zur Besichtigung freigestellt und damit diese Gerüchte widerlegt. Diese Maßnahme brachte eine wesentliche Änderung in der Stimmung der Bevölkerung, die jetzt die strenge Bestrafung der Banditen fordert.

Aus Dresden-Radebeul wird bekannt, dass sich im Mittelstand ein geradezu blinder Hass gegen den Stellvertretenden Ministerpräsidenten Walter Ulbricht richtet, dessen Rücktritt gefordert wird.

Im VEB Funkwerk Köpenick ist zu verzeichnen, dass Betriebsangehörige, die während der Ereignisse vom 17. Juni 1953 feindlich und provokatorisch auftraten, plötzlich ihre feindliche Haltung anscheinend aufgeben und mündlich oder schriftlich positive Stellungnahmen zu ihrer feindlichen Handlungsweise abgaben.

[Name 8], Fernsprechmonteur (wurde am 1.5.1953 ausgezeichnet): »Es ist klar, dass die Regierung große und entscheidende Fehler gemacht hat, vor allem aber sind die einzelnen Verantwortlichen Funktionäre in der Parteibetriebsgruppe und der BGL schuld. Sie haben in der letzten Zeit nur schöngefärbte Berichte weitergegeben.« In einem weiteren Beispiel führt er an, dass in Pankow eine Konferenz oder Aussprache mit hohen Regierungsbeamten angesetzt war. Was tat der Kreis Pankow? Er bestellte 50 % Genossen hin, 30 % DFD oder andere Organisationen und 20 % aus der Wohngruppe. Die wirkliche Meinung der Bevölkerung war nicht vertreten.

Bei einer Unterhaltung, die eine Gruppe von ca. zehn Personen im Westsektor führte, kam Folgendes zum Ausdruck: Dass die Zeit der Kapitalisten im Westsektor bzw. Westen bald vorbei ist, denn die Arbeiter und Erwerbslosen sind unzufrieden. Es wird Zeit, dass die Schreier abtreten. In dem Fall Göttling16 hat unsere Westregierung ihre eigene Schande zugegeben, indem sie sein Schicksal in der Presse bekannt gab. Weiterhin wurde zum Ausdruck gebracht, dass es den Arbeitern im Osten noch ein bisschen schlechter geht, es war deshalb notwendig, dass die Arbeiter dort zuerst angefangen haben. Aus der weiteren Unterhaltung war anzunehmen, dass diese Personen ehemalige Offiziere gewesen sind.

Ein Teil der Westberliner ist der Meinung, dass nun so viel Geschrei gemacht wird, um die Personen, die am 17.6.1953 ums Leben gekommen sind. Was suchen die Westberliner da drüben, sollen sie doch lieber zu Hause bleiben. Der Tamtam, den [sic!] Reuter17 wieder macht, sieht ganz nach Theater aus. Der Frau Göttling geben sie Tausende von DM, während alte Leute nicht wissen, von was sie leben sollen. Der Osten soll seinen Menschen mehr zu essen geben, dann wäre so etwas nicht gekommen. Nun will die Ostregierung ja dafür sorgen, dass es besser wird, was aber erst bewiesen werden muss.

Am 26.6.1953 nahmen von 250 Kollegen der DHZ Feintechnik und Optik nur 25 Personen teil. Die gesamte BGL, einschließlich der BGL-Leiter, haben an der Demonstration nicht teilgenommen. Sie begründen das damit, dass die Regierung erst einmal beweisen soll, dass sie ihre Fehler wiedergutmachen will. Weiterhin wollen sie nicht unter sowjetischen Panzern demonstrieren und außerdem sei diese Demonstration freiwillig und es sei keiner gezwungen, an derselben teilzunehmen.

Die BGL hat in dieser DHZ völlig die Oberhand, wogegen die Partei unterdrückt wird. So fand am 17.6.1953 in der DHZ eine Versammlung statt, wo der Leiter zur Belegschaft sprechen wollte. Dem Leiter war es nicht möglich, seine Ausführungen zu Ende zu bringen, da er laufend durch Zwischenrufe und Unruhen innerhalb der Belegschaft gestört wurde.

Die Aussprache mit einigen Teilnehmern der Belegschaftsversammlung der BVG Berlin im Friedrichstadtpalast am 24.6.1953 ergab, dass von den Belegschaftsmitgliedern der Diskussionsbeitrag des BVG-Angehörigen [Name 9], der in aggressiver Form Regierung und Partei angriff, als der beste bezeichnet wurde, da er wenigstens den Mut hätte, ihnen die Wahrheit zu sagen. Der Gesamteindruck fast aller war, schade um die Zeit. Neues haben sie uns nicht gesagt, ein zweites Mal kriegt uns keiner mehr dahin.

Die Lage in der LDP

Im Bezirk Magdeburg der LDP ist folgende Situation zu verzeichnen, die ähnlich auch in den übrigen Bezirken besteht:

Die bisherigen »fortschrittlichen« Mitglieder und Funktionäre der LDP zeigen nach dem 16.6.1953 ihr wahres Gesicht. In einem Protokoll, das erkennen lässt, dass sie durch Provokation gestärkt wurden, stellen sie Forderungen, die gegen unsere fortschrittliche Entwicklung gerichtet sind.

So erklärte der LDP-Funktionär Toll aus Wernigerode auf der Arbeitstagung des Bezirksverbandes Magdeburg am 18.6.1953 Folgendes: »Ich bin enttäuscht, ich wäre lieber nicht hierher gefahren (gemeint ist die Tagung). Denn wenn ich in Wernigerode geblieben wäre, dann hätte ich die Nachricht, dass die Arbeiter durch die ›Halbwüchsigen‹ zum Streik aufgefordert sind, nicht zu hören brauchen. Ich glaube die Zeit ist vorbei, wo man das deutsche Volk für dumm verkaufen wollte. Und wenn man jetzt sagt, dass alles durch bezahlte Agenten und Saboteure geschehen ist, so ist das eine Beleidigung des Arbeiterstandes. Die Fehler liegen bei der SED. Bei uns natürlich auch und ich will auf keinen Fall geneigt sein, einzig und allein anderen alles in die Schuhe zu schieben. Wir haben vergessen, dass wir eine Partei sind und haben Dingen zugestimmt, denen wir auf keinen Fall zustimmen durften. Während draußen die Arbeiter streiken, hat sich der Zentralvorstand der Partei mit der Bildung von Haus- und Hofgemeinschaften beschäftigt. Das ist mir unverständlich.«

In seinen weiteren Ausführungen sagt Toll: »Eine Regierung kann Fehler machen. Aber für diese Fehler soll sie dann aber auch zur Verantwortung gezogen werden, genau so wie man es mit dem kleinsten Mann tut. Hat man Dr. Hamann18 zur Verantwortung gezogen, so soll man jetzt auch diese Leute zur Verantwortung ziehen. Und weil man diese Leute nicht für ihre großen Fehler zur Verantwortung gezogen hat, darum sind die Arbeiter auf die Straße gegangen.« Abschließend wurde von Toll gefordert, dass die Betriebsgruppen der LDP wieder errichtet werden.

Dr. [Name 10], Schönebeck, äußerte sich auf dieser Tagung wie folgt: »Der Führungsanspruch des Politbüros besteht nach wie vor. Er wird aber von dieser Versammlung genau so wie von der breiten Bevölkerung der DDR nicht anerkannt. Ich habe vor drei Tagen mit einem Höchstverantwortlichen des Ministeriums für Innen- und Außenhandel gesprochen, der sich durchaus auf die Linie stellte, wonach die SED binnen 24 Stunden ihre Linie 24 Mal wechseln kann. Wir sollten uns nicht täuschen, der Klassenkampf gehe unvermindert weiter, wenn auch mit anderen taktischen Mitteln.

Es wird immer wieder offensichtlich von höchsten Stellen der Versuch gemacht, eine Art von Volksvertretung zu schaffen. Diese Mühe halten wir für überflüssig und unnötig. Es gibt ein sehr einfaches Mittel eine klare Entscheidung der Bevölkerung herbeizuführen, nämlich die Bestimmungen der heute noch gültigen Verfassung anzuwenden, nämlich das freie, gleiche und direkte Wahlrecht.«

In Straßenbahn und Konsumverkaufsstellen konnte aus den Gesprächen der Menschen entnommen werden, dass sie die Erhöhung der Renten begrüßen. Weiterhin diskutierten die Arbeiter über die Preise der Textil- und Schuhwaren, welche durch den Wegfall der Punktkarten und Bezugsscheine gestiegen sind. Sie sind der Meinung, dass die Preise für diese Waren wieder gesenkt werden müssten. Auch die Preise der HO seien noch zu hoch und sie könnten sich zu den Lebensmitteln auf Marken nicht viel in der HO dazukaufen.

Die Frauen sprechen darüber, dass die Fischmarken mit Fleisch beliefert werden müssten.19 Sie sagen, dass sie sich den Fisch in der HO kaufen könnten, da er in der HO nur ein paar Pfennige teurer ist. Über politische Fragen wird nicht öffentlich diskutiert. Die Menschen warten auf die Maßnahmen und Anordnungen der Regierung und des ZK der Partei. Über ihre eigene Meinung, was jetzt unternommen werden muss, sprechen sie nicht.

Die Arbeiter des Prenzlauer Eisenwerkes VEB begrüßen den Beschluss, von einer weiteren zwangsweisen Normerhöhung abzusehen. Des Weiteren gehen sämtliche Diskussionen dahinaus, die Preise in der HO zu senken. Die Kollegen diskutierten über den Mangel an Arbeitskräften in der Landwirtschaft. Sie sehen die Notwendigkeit ein, Arbeitseinsätze zu machen, stehen jedoch auf dem Standpunkt, man sollte nicht von schwer arbeitenden Industriearbeitern zusätzliche Arbeit verlangen, sondern durch die KVP in der Landwirtschaft Hilfe zu leisten.

Ein parteiloser Arbeiter schreibt dem MfS eine offene Darstellung des 17. Juni 1953 und der folgenden Tage:

[Anfang des dokumentierten Schreibens]

In Presse und Rundfunk liest bzw. hört man, die Regierung und die Partei haben Fehler gemacht und sind dabei, sie zu revidieren. Man macht große Zugeständnisse, widerruft getroffene Maßnahmen, kurz, man macht einen völlig neuen Kurs. Dinge, die im Augenblick absolut nötig sind, die aber irgendwie peinlich wirken und dies sei offen ausgesprochen, nicht als Stärke, sondern als Schwäche der Regierung gewertet werden. Maßnahmen, die etwa ein Drittel der Arbeiter beeindrucken, von der Mehrheit aber mit hämischem Grinsen beantwortet werden. Musste es dazu kommen? Man sagt, die getroffenen Verordnungen der Regierung und der Partei seien in der Vergangenheit falsch gewesen. – Sie waren richtig, nur – der eingeschlagene Weg war falsch! Man setzte Russland gleich20 Deutschland und vergaß die Mentalität der Deutschen. Man glaubte, das was in der Sowjetunion im Verlauf von Jahren und Jahrzehnten organisch gewachsen ist und eine ganz andere Grundbasis hatte, bei uns völlig überhastet, krampfhaft mit Gewalt in kürzester Zeit verwirklichen zu können. Daran sind wir gescheitert und darum kam es zum 17.6. Der Verlauf des 17. Juni ist bekannt und es erübrigt sich, darauf hier einzugehen.

Die Masse der Arbeiter zeichnete sich in den vergangenen Jahren durch Gleichgültigkeit, um nicht zu sagen Stupidität, aus. Erhöhungen der Normen wurden mit Murren, aber dennoch ausgeführt. Die treibende Kraft war[en] das Geld und die hohen Lebensmittelpreise in der HO sowie die hohen Preise der Konsumgüter. Ideologisch waren nur wenige von der Parole »Mehr arbeiten – besser leben« überzeugt. Sie glaubten und glauben noch heute: »Besser leben – mehr arbeiten«. Sie sahen und sehen nicht den Unsinn ihrer Forderung. Sie halten klar denkenden Menschen immer wieder entgegen, früher sind wir mit 60,00 Mark die Woche nach Hause gegangen und haben gut gelebt, heute haben wir 80,00 und 100,00 Mark und wir leben schlecht und es langt nie. (Hier auf die Rolle des RIAS einzugehen erübrigt sich. Es müsste bekannt sein, dass ihn 80 % der Bevölkerung hören und – leider zum großen Teil glauben.)

Als am 17. Juni die Ausschreitungen begannen, war die Meinung der Arbeiter geteilt. Der größte Teil wollte demonstrieren und ihr Wollen war echt. Ein kleinerer Teil wollte arbeiten, wurde aber gezwungen, die Arbeit niederzulegen. Hier versagten die Partei und die BGL absolut. Von den Ausschreitungen am 17. distanzierte sich später ein großer Teil der Arbeiter. Es wird aber allgemein abgelehnt, und Pressenotizen dazu, die Schuld nur den Westagenten in die Schuhe zu schieben. Man sagt: »In Berlin bestünde zwar die Möglichkeit und wird wohl auch zum Teil stimmen aber – so argumentiert man – wie kommen die ›Weststoßtruppen‹ in die DDR? Hier können sie nicht über die Sektorengrenzen geschleust sein. Die letzten Meldungen über das Absetzen dieser Leute mit Fallschirmen im Gebiet der DDR wird einfach nicht geglaubt. Man sagt: ›Die haben früher geschwindelt und schwindeln trotz aller Beteuerungen weiter. Die Propaganda war früher schon plump und ist es heute noch.‹«

In den Betrieben wird jetzt gearbeitet. Zum Teil zwar unproduktiv, da die Nachmittagsschichten am Morgen kommen und mit Nebenarbeiten beschäftigt werden und fast den ganzen Tag rumstehen. Die Hälfte der Arbeiter etwa arbeitet, weil sie von der Notwendigkeit überzeugt waren und sind und mit den Demonstrationen nichts gemein hatten. Sie werden verstärkt durch jene Arbeiter, die sich durch die Ausschreitungen abgestoßen fühlen. Die andere Hälfte aber arbeitet aus Geldmangel und Angst vor Bestrafung.

Die Zeit des offenen Widerstandes ist vorbei. Heute herrschen Flüsterparolen. Es ist fast unmöglich, zwischen irregeführten Arbeitern und Provokateuren zu unterscheiden. Die letzten Maßnahmen zur Verbesserung der Bevölkerung seitens der DDR werden anerkannt und stark begrüßt. Die Arbeiter sind abwartend und warten auf die Verwirklichung. Bei Aufhebung des Ausnahmezustandes würde es meiner Meinung nicht mehr zu Demonstrationen kommen. Der Arbeiter hat genug. Ihm langt es, wie er sagt, der Regierung gezeigt zu haben, dass sie nicht machen kann, was sie will. Hier hilft nur vorläufiges Eingehen und Verwirklichung der Forderungen der Arbeiter; völlige Umstellung der Propaganda; Aufklärung in Verbindung mit Taten.

Aus dem 17. Juni ergibt sich das fast völlige Versagen der Parteien (auch der SED), des FDGB, der völlig hilflos war, und der VP (weniger der KVP). Die Mitglieder der bürgerlichen Parteien versagten restlos, machten zum größten Teil gemeinsame Sache mit den Demonstranten. Der größte Teil der SED-Genossen war sich ihrer Aufgabe in dieser Stunde bewusst und handelte danach. Aufklärung der Arbeiter trotz angedrohter Prügel und – deren Verwirklichung. Die Haltung der Agitatoren am Nachmittag auf dem Alexanderplatz z. B. verdient höchste Anerkennung! Beschämend jedoch ist es für jenen nicht geringen Teil der SED-Genossen, die nichts Eiligeres zu tun hatten, als ihr Parteiabzeichen fortzustecken. Mir scheint, die Partei sollte noch mehr als bisher Wert auf Qualität als auf Quantität legen.

Der FDGB speziell die BGL waren völlig hilflos. Sie waren wahre Strohpuppen. Gut genug, von den Arbeitern bezahlt zu werden, unfähig aber, jene Arbeiter zu beeinflussen und zu leiten. Ohne Kontakt mit diesen Arbeitern und in der Regel zu feige zum Handeln. Das Vertrauen zum FDGB ist fast völlig dahin.

Es erscheint dringend nötig, die VP zu überprüfen. Ihr Verhalten war zum größten Teil jämmerlich! Zwei selbst erlebte Beispiele:

1) Als am Nachmittag junge Burschen, aber nur Arbeiter, die Schaufenster der sowjetischen Buchhandlung am Alex zertrümmerten, machte ich einen Oberwachtmeister der VP, der in einer Absperrkette vor dem Präsidium der VP stand, darauf aufmerksam. Seine Antwort war:

»Sollen sie doch, den Mist kann sowieso keiner gebrauchen.« Seine neben ihm stehenden Kameraden lachten.

2) Vor Eintreffen der sowjetischen Soldaten versuchte es die VP einmal, einen Sturmangriff zu starten, um die Massen über den Alex zu treiben. Als sie mit Steinen empfangen wurden, flüchteten sie. Soweit ich es sah, blieben drei oder vier VP-Angehörige liegen. Einen versuchte ich aufzuheben und zurückzutragen und bekam Prügel. Auf mein Reden hin, wie – ehrlich demonstrieren, keinen Mord, ist ja auch ein Deutscher usw. – fasste noch ein älterer Arbeiter mit an und wir trugen den VP-Kameraden ungehindert zur Sperrkette am Georgenkirchplatz. Empfangen wurden wir dort von einem Oberkommissar der VP mit den Worten: »Wollt euch wohl den Titel ›Verdiente Helfer der VP des Volkes‹ verdienen!« Beistehende vier Wachtmeister lachten. Ähnlich geschah es oft, die VP griff nicht ein. Ihr beliebtes Zitat war: »Wir können nichts machen – ist höhere Gewalt!«

Die KVP war korrekt, griff scharf und bestimmt durch, ohne dabei aggressiv zu werden. Sie versuchte durch laufende Aufklärung die Masse zu beruhigen.

Was ist zu tun?

Nach meiner persönlichen Ansicht, aber auch nach der fast aller fest hinter der DDR stehenden Kreise:

a) Vorläufiges Nachgeben gegenüber der Bevölkerung, jedoch nicht in so überstürztem Tempo wie bisher. Dies wertet die Bevölkerung als »Schwäche«.

b) Umgestaltung der Propaganda. Abgehen von der »Holzhammernarkose« wie es bezeichnet wird. Nicht immer dasselbe wochenlang bringen. So wahr und richtig die Reden und Darlegungen W. Ulbrichts waren, sie sind für die Masse zu »wissenschaftlich«. Die Zeit, in der die Bevölkerung sie versteht, ist leider noch nicht gekommen. Die Deutschen neigen zur Überheblichkeit und glauben weiß Gott wie schlau zu sein. Zu sehr fühlen sich die lieben Mitbürger »auf den Schlips getreten«.

d) Dringende Überprüfung der Partei, der VP und des FDGB.21

e) Verstärkte Aufklärung der Bevölkerung in Presse, Rundfunk und im Betrieb. Jedoch nicht so wie bisher. Nicht die Agitatoren als solche erkennen lassen.

f) Nach Normalisierung der Lage langsam und nicht so überhastet den Aufbau des Sozialismus vorantreiben. Die beschrittenen Maßnahmen waren richtig, nur das »wie« war falsch.

Ich bin kein Freund des »klein beigebens«. Ein Eindruck der vielleicht in den letzten Punkten entstehen mag. Ich glaube aber auch nicht, dass die Methode des »Brechens« die Richtige ist. Es ist meine persönliche Ansicht und ich sagte am Anfang, sie erhebt keinen Anspruch auf Gültigkeit. Nach einem Sprichwort führen viele Wege nach Rom. Der bisher eingeschlagene muss falsch gewesen sein, sonst gäbe es keinen 17. Juni. Suchen wir den »Neuen Weg, er muss dann den Kommunismus und verbunden damit den Sozialismus bringen«.

Ich habe heute meine Meinung und die breitester Kreise der Arbeiter offen und ehrlich zum Ausdruck gebracht so, – wie ich letztere aufgefasst habe.

An dieser Stelle bitte ich, falls möglich, um Aufnahme als Anwärter der Partei. Ich will mit höchstmöglichen Kräften für die DDR und darüber hinaus für die Verwirklichung des Kommunismus in der ganzen Welt arbeiten.

[Ende des dokumentierten Schreibens]

Aus Karl-Marx-Stadt geht uns das Resultat einer dort durchgeführten – vollkommen unbeeinflussten – Unterhaltung mit 29 Personen der verschiedensten Schichten der Bevölkerung zu. Von diesen 29 Unterhaltungen wurden 17 in positivem Sinne, d. h. zustimmend zu den Maßnahmen unserer Partei und Regierung geführt, während zwölf Angesprochene sich vollkommen feindlich und negativ äußerten. Die 17 Personen, welche sich positiv aussprachen, setzten sich zusammen aus zehn Arbeitern und sieben Hausfrauen. Die zwölf negativen Stimmen wurden geäußert von zehn Arbeitern, einer Hausfrau und einen Angestellten.

Aus diesem Resultat der durchgeführten Unterhaltungen ist erkennbar, dass noch sehr intensiv um die Gewinnung des Vertrauens der breiten Arbeiterschichten gerungen werden muss.

Stimmung und Lage der Rückkehrer in das Gebiet der DDR

Über das Wochenende kehrten dem Ministerratsbeschluss vom 11. Juni 195322 folgend 88 Personen in das Gebiet der DDR zurück, davon am Samstag 73 Personen und am Sonntag 15 Personen. In Form einer zwanglosen Unterhaltung wurden 29 Personen über die Aufnahme des Ministerratsbeschlusses in den Kreisen der Flüchtlinge sowie über ihre Aufnahme in der DDR befragt. Aufgrund dessen kann folgender Bericht gegeben werden:

1. Einstellung der zurückgekehrten Personen zum Ministerratsbeschluss

Der Beschluss des Ministerrates löste bei den meisten Flüchtlingen große Freude und Begeisterung aus. In den Flüchtlingslagern wird dieser Beschluss viel diskutiert und viele von ihnen entschlossen sich sofort nach dem Bekanntwerden in das Gebiet der DDR zurückzukehren. Die meisten der Flüchtlinge, die jetzt in den Lagern in Westberlin sich aufhalten, bereuten schon kurz nach ihrer Flucht, diesen Schritt gemacht zu haben. Fast übereinstimmend sagten die Gefragten aus, dass sie schon lange den Wunsch hatten, wieder in ihre Heimat zurückkehren zu dürfen, dies jedoch aufgrund der zu erwartenden Strafe nicht wagten.

So sagte der Innenarchitekt [Vorname Name 11], geb. [Tag, Monat] 1905, zuletzt wohnhaft in Köln, früher in Karl-Marx-Stadt:

»Als ich den Aufruf des Ministerrats der DDR vernahm, gab es für mich kein Zögern mehr. Ich fand drüben keine Beschäftigung, die meinen Fähigkeiten entsprach. Einige Zeit war ich arbeitslos, die andere Zeit habe ich als kleiner technischer Zeichner gearbeitet. Ich habe drüben viele studierte Menschen gesehen, die Zeitungen austrugen, die Straße fegten und andere Arbeiten verrichteten. Ich werde versuchen meinen sequestrierten Betrieb wieder zurückzuerhalten um wieder mit frischem Mut an meine Arbeit zu gehen.«

Weiterhin sagte der parteilose Landarbeiter [Name 12, Vorname], geb. 1927, wohnhaft in Lauter, [Straße, Nr.]:

»Schon ein ganzes Jahr hatte ich den Wunsch in die Heimat zurückzukehren, aber ich hatte Angst vor der zu erwartenden Strafe. Als ich im Radio hörte, dass wir wieder zurückkehren können, gab es für mich nur eins, auf schnellstem Wege wieder zu meinen Eltern zurück. Ich freue mich, dass mir die Regierung der DDR23 diesen Heimweg öffnete. Ich werde mich jetzt einsetzen meine ganze Kraft dem Neuaufbau zur Verfügung zu stellen.«

2. Die Stimmung unter den Flüchtlingen in Westdeutschland und Westberlin

Die Stimmung in den Flüchtlingslagern ist laut den Aussagen der Befragten als äußerst schlecht zu betrachten, und die Menschen oft dem Verzweifeln nahe. Sie sind meist in Baracken untergebracht. Bekommen wenig Unterstützung und haben auch keine Aussicht, Arbeit zu bekommen. Aus diesem Grunde herrschte auch nach Bekanntwerden des Ministerratsbeschlusses in den Flüchtlingslagern eine etwas bessere Stimmung. Viele von ihnen verhalten sich aber noch abwartend und trauen dieser ganzen Angelegenheit noch nicht ganz. Einen großen Teil trägt dazu die westliche Propaganda mit bei. Eine große Anzahl der Flüchtlinge warten jetzt nur noch auf Antwort von denjenigen Personen, die wieder in die DDR zurückgekehrt sind. Wenn sie eine Bestätigung dafür haben, dass sie in der DDR wieder gut aufgenommen werden und ihnen keine Nachteile erwachsen, sind viele bereit, sofort wieder in die DDR zurückzukehren.

Der Rückkehrer [Name 13, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1928, wohnhaft in Auerbach, Kreis Zwickau, [Straße, Nr.], machte folgende Angaben:

»Die Stimmung unter den Flüchtlingen in Westdeutschland ist schlecht, sie sind meistens in Lagern untergebracht, bekommen keinerlei Unterstützung, sind arbeitslos und müssen in Baracken hausen.«

Weiterhin äußerte die Serviererin [Name 14, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1934 in Wismar, wohnhaft: Schwerin, [Straße, Nr.], Folgendes:

»Die Stimmung im Lager ist sehr schlecht, da die Verpflegung mangelhaft und keine Aussicht auf Arbeit vorhanden ist. Alle Flüchtlinge müssen zum Verhör zur Kuno-Fischer-Straße,24 das von englischen und amerikanischen Offizieren durchgeführt wird. Die Flüchtlinge wollen zurück, besonders da an die weiblichen Flüchtlinge das Ansinnen gestellt wird, in das Bordell zu gehen. Die Mehrheit hat den Wunsch zur Rückkehr, aber Angst, weil die Lagerleitung täglich mit Drohungen vor einer Rückkehr warnt« ([Name 14] war im Lager Askania in Marienburg).25

3. Verhinderung der Rückkehr von Personen in die DDR vonseiten der Bonner Regierung und anderen reaktionären Kräften

Vonseiten der Bonner Regierung wird alles versucht, die Flüchtlinge mittels Agitation und Hetze von der Rückkehr in die DDR abzuhalten. So wurde im Lager St. Martin, Domstraße 44,26 (Westberlin) von der Lagerleitung den Flüchtlingen gegenüber Folgendes geäußert: »Wenn ihr für lebenslänglich nach Sibirien oder einer Haftanstalt des MfS oder im Zuchthaus landen wollt, dann könnt ihr dahin gehen, wo ihr hergekommen seit.« Weiterhin werden den Lagerinsassen sämtliche Papiere abgenommen (angeblich zur Registrierung) und gleichzeitig verbreitet man das Gerücht, dass man ohne Papiere nicht wieder in die DDR zurückkehren kann, da man sonst eingesperrt wird.

Weiterhin wird auch versucht, mithilfe von Presse und Rundfunk die Flüchtlinge moralisch zu beeinflussen, indem man Gräuelmärchen über die DDR erzählt wie z. B. dass jeder Rückkehrer vier bis fünf Jahre Zuchthaus bekommt, oder er würde von den Russen verschleppt und der Beschluss des Ministerrats wäre nur Ostpropaganda. Dieselbe Aufgabe, die Flüchtlinge von der Rückkehr abzuhalten, haben auch die Agitationsgruppen, die von der Lagerleitung in die Flüchtlingslager eingeschleust werden.

So sagte z. B. der Bergarbeiter [Name 15, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1927 wohnhaft: Eibenstock, Kreis Aue, [Straße, Nr.], während einer Unterhaltung Folgendes:

»Ich selbst hatte Hemmungen in die DDR zurückzukehren, da ich die Lügenmärchen im Lager glaubte, ich habe eine halbe Stunde vor der Sektorengrenze gestanden, ehe ich mich entschlossen habe in die DDR zurückzukehren. Ich war angenehm überrascht über die gute Behandlung, die ich vonseiten Behörden erfahren habe. Bei den amerikanischen Dienststellen am Kaiserdamm (Westberlin), wo alle Rückkehrer durchmüssen, sind Beamte in Zivil beschäftigt und man erzählt den Flüchtlingen:

a) Die Wismut bekommt am 1. Mai keine Lebensmittelkarten mehr, das wäre die vielgepriesene Sorge um den Arbeiter.

b) Bei Rückkehr in die DDR bekommt man vier bis fünf Jahre Zuchthaus, wer bei der Wismut beschäftigt war, wird nach Sibirien verschleppt.«

4. Durchführung der Maßnahmen des Ministerratsbeschlusses bei zurückgekehrten Personen

Übereinstimmend sagten die Befragten aus, dass sie freudig erstaunt über die gute und höfliche Behandlung in der DDR sind. Vonseiten der Grenzpolizei sowie den Behörden wurden ihnen keine Schwierigkeiten bereitet. Sie bekamen sofort nach dem Eintreffen in der DDR ihre Lebensmittelkarten und zum Teil auch sofort eine Arbeitsstelle zugewiesen. Auch bei der Rückgabe von Geschäften sowie Betrieben wurden den Rückkehrern keine Schwierigkeiten bereitet. Es wurde zum Ausdruck gebracht, dass sie der Regierung der DDR zu großem Dank verpflichtet sind, da sie es ihnen ermöglichte in ihre Heimat zurückzukehren und ihrer alten Beschäftigung nachzugehen.

Verschiedene Rückkehrer brachten auch zum Ausdruck, dass sie sofort einen Brief an die noch im Lager verbliebenen Flüchtlinge schreiben werden und ihnen über die gute Aufnahme in der DDR berichten.

Allerdings gab es auch ein Beispiel, wo der Befragte nicht gut aufgenommen wurde, da man ihm an der Grenze Schwierigkeiten bereitete. So sagte der Rückkehrer [Name 16, Vorname], aus Auerbach, Kreis Zwickau:

»Mit Befremden musste ich feststellen, dass ich an der Grenzstation festgenommen wurde und von einem Freund vernommen wurde. Ich war 24 Stunden in Haft. Nach der Vernehmung hat der Freund gesagt, dass er mir keinen Glauben schenke und er käme noch einmal wieder. Jedoch kam der Freund nicht zurück, ich wurde am nächsten Tag von VP-Angehörigen vernommen und am Abend in das Polizeigefängnis bzw. Untersuchungshaftanstalt in Oelsnitz eingeliefert, wo ich mich von 24.00 Uhr bis 10.00 Uhr am 15.6.1953 aufhielt und dann entlassen wurde.«

Zur besseren Veranschaulichung noch je ein Beispiel über Äußerungen zweier Rückkehrer, die von ihnen während einer Unterhaltung gemacht wurden.

So sagte der Bauer [Vorname 1 Name 17], der mit seiner Ehefrau [Vorname 2] in das Gebiet der DDR zurückkehrte: »Der Beschluss der Regierung der DDR war auch in den Westzeitungen veröffentlicht, jedoch mit dem Bemerken, dass es nur eine Finte wäre. Als wir hörten, was in Berlin los war, war die Stimmung abwartend. Am vorigen Sonntag fassten wir den Entschluss, wieder in unsere Heimat zurückzukehren, viele der Lagerinsassen sagten, dass ich nach meiner Rückkehr in die DDR sofort schreiben soll, um zu wissen, ob es wirklich wahr ist, dass sie ohne Weiteres aufgenommen werden. Bis jetzt wurde ich gut behandelt nach dem Übertritt über die D-Linie.27 Nur eins kann ich nicht verstehen, dass man mir bei der Polizeistelle sagt, ich könnte nicht wieder nach Waddekath, wo ich wohnte zurück, da es 500-Meter-Sperrgebiet28 sei. Der Ministerratsbeschluss jedoch sagt, dass man in seine alte Gemeinde zurückkehren kann. Wir möchten nicht als Neubauern arbeiten, sondern uns der LPG in Waddekath anschließen, um endlich ein geregeltes Leben zu führen.«

Weiterhin äußerte sich der Besitzer einer Brutanstalt [Name 18, Vorname], ca. 35 Jahre alt, wohnhaft in Gotha Siebleben, [Straße, Nr.]: »Sofort nach Bekanntwerden des Ministerratsbeschlusses entschloss ich mich zurückzukehren. Ich befragte mich [sic!] bei der Westpolizei, dort erhielt ich die Auskunft, dass ich jederzeit ungehindert zurückkehren könnte. Ich bin froh, wieder zu Hause in meinem Betrieb arbeiten zu können. Drüben in Westdeutschland habe ich in der Landwirtschaft gearbeitet und hatte nur einen geringen Verdienst. Nach meiner Rückkehr aus Westdeutschland erhielt ich sofort meinen ehemaligen Betrieb zurück, es wurden mir keinerlei Schwierigkeiten bereitet, daraus ersehe ich, dass die Maßnahmen der Regierung der DDR nicht nur Versprechungen sind, sondern in die Tat umgesetzt werden.«

Zum »Tag des Bergmanns«29 am 4. und 5. Juli 1953

Aus Leipzig wird mit Datum vom 27.6.1953 mitgeteilt, dass keine Merkmale für Aktionen des Gegners für diese Zeit festgestellt wurden. Im Kreis Borna sind Diskussionen unter den Kumpels, welche eine gerechte Verteilung des Bergmannslohnes fordern. Bei Nichterfüllung wird mit Arbeitsniederlegung gedroht. Vom Braunkohlenwerk Borna äußerte der Kollege Bauch, stellvertretender Abteilungsleiter: »Wenn die oben nicht nachgeben, ist der Streik fällig. Die Zeit ist jetzt günstig.« Der dortige BGL-Vorsitzende Fechner bemerkte, dass von oben die Auszahlungsart ungerecht sei, aber nichts unternommen wird. Die Kumpels verurteilten die Provokationen, bemerken, dass sie sich an den Unruhen nicht beteiligt haben, fordern zusätzliche Belohnung und Arbeitsruhe für die Feierlichkeit.

Cottbus schreibt mit Datum vom 27.6.1953, dass die Kumpels von Hoyerswerda, Spremberg, Senftenberg und Greifenhain in der Form starke Diskussionen führen, dass sie allzeit ihre Kraft eingesetzt haben, dafür nur jeden siebenten Sonntag frei bekamen und den Tag des Bergmanns nicht als Arbeits-, sondern als Feiertag angerechnet haben wollen. Alle Belegschaftsmitglieder müssen das Bergmannstreuegeld erhalten, da anderenfalls die Bombe zum Platzen kommt (gemeint ist Arbeitsniederlegung). Zu der Normenfrage wird durchweg positiv diskutiert. Freiwillig erhöhte Normen wollen sie nicht herabsetzen, nur die Bohrer in Bluno haben ihre freiwillig erhöhten Normen zurückgenommen.

Im Braunkohlenwerk »Glückauf« und »Jonny Scheer« werden die Prämiengelder jetzt mit Absprache der AGL, dem Betriebsleiter und Belegschaftsmitgliedern festgelegt und eine Günstlingswirtschaft unterbunden.

Dresden teilte am 27.6.1953 mit, dass keine Anzeichen von Feindtätigkeiten vorhanden sind. Die Neueinstufung der Treuegelder und Prämien wurde jetzt mit allgemeiner Zustimmung erarbeitet. Die Vorbereitungen für den »Tag des Bergmanns« gehen ohne Schwierigkeiten vor sich. Nur im VEB Zinnerz Altenberg ist die Vorbereitung und Organisation schlecht, insbesondere deswegen, da im Direktorenfonds30 für diesen Tag bei einer Belegschaft von 750 Mann nur DM 2 000 zur Verfügung stehen. Eine schlechte Stimmung herrscht bei den Transportarbeitern, Kraftfahrern sowie dem Werkschutz, da diese nicht in den Genuss der Treuegeldzulage kommen. Zu den Vorbereitungen zum Tag des Bergmanns ist hier zu verzeichnen, dass nur die Werksleitung arbeitet, aber die BGL und Partei keinerlei Einfluss ausüben.

Magdeburg berichtet am 28.6.1953 Folgendes: In der Grube »Cäsar« in Egeln erhalten alle Häuer und Förderleute am »Tag des Bergmanns« zusätzlich eine Auszahlung von 8 % des Jahresverdienstes. Gleichfalls erhalten alle Kettenleute 4 % des Jahresverdienstes. Außerdem werden wöchentlich Prämien im innerbetrieblichen Wettbewerb ausgeschüttet. Es besteht dort die Tendenz, dass Kumpels, welche aus der Grube ins Büro usw. geholt wurden, wieder in die Grube zurück möchten wegen des höheren Verdienstes.

Betreffs des »Karl-Schröder-Schachtes« meldet die Kreisverwaltung Schönebeck, dass Ruhe herrscht und die Arbeit regelmäßig durchgeführt wird. Die Kumpels fordern, dass die Sonderverkaufsstellen des Werkes Calbe31 der Allgemeinheit zugängig gemacht werden, mit der Begründung, dass diese Sonderbegünstigungen auch den im Schacht Arbeitenden, die es nicht leichter haben, zugute kommen müssen.

Karl-Marx-Stadt berichtet am 25.6.1953, dass in Zwickau, Freiberg und Stollberg Diskussionen unter den Kumpels geführt werden, die besagen, dass in den Streik getreten wird, wenn die Prämien- und Treuegelder wieder so ungerecht wie vergangene Jahre verteilt werden. Sie wollen nur noch den 5. Juli abwarten und dann evtl. die Arbeit niederlegen.

Unter den Bergarbeitern des VEB Braunkohlenwerkes Zipsendorf/Altenburg, wird die Diskussion geführt, dass am »Tag des Bergmanns« den 14.7.1953 folgende Forderungen gestellt werden sollen: Lohnausgleich – Bergmannstreuegeld – »Tag des Bergmanns« als Sonntag zu feiern – Einführung des Sechs-Stunden-Tages.

Der Fördermann [Name 19] vom Fortschrittschacht I des Mansfeld-Kombinats »Wilhelm Pieck« äußerte: »Die Ungerechtigkeit ist immer noch nicht abgestellt. Am 30.6.1953 sollen Bergmannstreuegelder gezahlt werden. Hier will man schon wieder Unterschiede machen. Das Strebepersonal soll 8 % bekommen und wir Förderleute nur 4 %.32 Das ist nicht richtig. Wenn wir nicht gesundheitlich behindert wären, würden wir auch vor Streb arbeiten. Wir haben beschlossen, wenn man diesen Unterschied macht, dann fahren wir nicht ein und arbeiten nicht. Schon im vorigen Jahr war der gleiche Zustand. Erst nach dem Protest der Förderleute hat man dies abgestellt. Die Werksleitung scheint daraus noch nicht gelernt zu haben.«

Verhaftete

Zu den am 28.6.1953, 6.00 Uhr, in Haft befindlichen 3 105 Personen kamen im Laufe des 29.6.1953 153 neue Verhaftungen.

[Summe] 3 258

Den Gerichten übergeben: 37 Personen,

entlassen: 167 Personen,

[Summe] 204 Personen.

Es verbleiben in Haft zum Morgen des 29.6.1953: 3 054 Personen.

Die Zahl der Verurteilten und der erlassenen Haftbefehle entfällt, da die Gerichte am Sonntag nicht arbeiteten.

[Rückkehrer]

An den Kontrollpunkten bei den Sektorenübergängen ergaben sich am Sonnabend, dem 27.6.1953, insgesamt folgende Zahlen:

Kontrollpunkt Prinzenstraße

Von den durch die Ereignisse in Westberlin Festgehaltenen kehrten 628 Personen zurück; vier Verdächtige wurden festgenommen; echte Rückkehrer (Republikflüchtige) waren vier zu verzeichnen. Der Verkehr der Grenzgänger bezifferte sich auf 16 175 Personen von Ost nach West und auf 17 915 Personen in Richtung von West nach Ost.

Kontrollpunkt Invalidenstraße

Von den durch die Ereignisse in Westberlin Festgehaltenen kehrten 449 Personen zurück; vier Verdächtige wurden festgenommen; Republikflüchtige kehrten 13 Personen über diesen Kontrollpunkt zurück. Der Verkehr der Grenzgänger bezifferte sich auf 5 343 Personen von Ost nach West und auf 5 473 Personen in Richtung von West nach Ost.

Kontrollpunkt Brunnenstraße

Von den durch die Ereignisse in Westberlin Festgehaltenen kehrten 478 Personen zurück; drei Verdächtige wurden festgenommen; Republikflüchtige kehrten sechs über diesen Kontrollpunkt zurück. Der Verkehr der Grenzgänger bezifferte sich auf 11 348 Personen von Ost nach West und auf 16 935 Personen in Richtung von West nach Ost.

Am Sonntag, dem 28.6.1953, war der Verkehr an den Kontrollpunkten entsprechend schwächer; folgende Ziffern sind zu verzeichnen:

Kontrollpunkt Invalidenstraße

Von den durch die Ereignisse in Westberlin Festgehaltenen kehrten 148 Personen zurück; ein Republikflüchtiger war zu verzeichnen. Der Verkehr der Grenzgänger bezifferte sich auf 2 004 Personen von Ost nach West und auf 2 101 Personen in Richtung von West nach Ost.

Kontrollpunkt Prinzenstraße

Von den durch die Ereignisse in Westberlin Festgehaltenen kehrten 159 Personen zurück; ein Verdächtiger wurde festgenommen; ein echter Rückkehrer (Republikflüchtiger) war zu verzeichnen. Der Verkehr der Grenzgänger bezifferte sich auf 1 504 Personen von Ost nach West und auf 1 707 Personen in Richtung von West nach Ost.

Kontrollpunkt Brunnenstraße

Von den durch die Ereignisse in Westberlin Festgehaltenen kehrten 143 Personen in ihre Wohnung zurück; ein Verdächtiger wurde festgenommen; drei echte Rückkehrer waren zu verzeichnen. Der Verkehr der Grenzgänger bezifferte sich auf 3 380 Personen von Ost nach West und auf 4 080 Personen in Richtung von West nach Ost.

Interessant ist die Entwicklung in den Zahlen der Grenzgänger. Wenn in den vorangegangenen Tagen die Zahlen der Personen, welche sich von Ost nach West bewegten, weit überwogen, ist jetzt zu beobachten, dass die Zahl der Personen überwiegt, welche sich von West nach Ost bewegen. Am Sonnabend, dem 27.6.1953, betrug dieses Übergewicht 7 457 Personen und setzte sich trotz des erheblich schwächeren Sonntagsverkehrs dennoch in33 der Weise fort, dass genau 1 000 Personen mehr von West nach Ost bewegten sich als in umgekehrter Richtung.

Von den in den Kontrollpunkten getätigten Befragungen ist die Aussage interessant der [Name 20, Vorname], geb. am [Tag, Monat] 1930, wohnhaft in Berlin-Karlshorst, [Straße, Nr.]. Dieselbe kam am 28. Juni 1953, gegen 20.00 Uhr, ohne Passierschein aus dem Westsektor über den Kontrollpunkt Brunnenstraße. Sie gab an, dass sie den Westsektor am 28. Juni 1953 an der Glienicker Brücke in Potsdam ohne Kontrolle überschritten habe. Angeblich hat sie ihren Freund [Vorname Name 21], wohnhaft: Schmargendorf besucht. Die [Name 20] arbeitet als Stenotypistin beim Staatssekretariat für Kraftverkehr und Straßenwesen,34 Abt. Verkehrswirtschaft. Ihr Abteilungsleiter heißt Seifert. Ihr Vater ist Angestellter bei der West-Justiz. Die [Name 20] gibt an, nicht zu wissen, dass einer Angestellten der Regierung der DDR verboten ist, den Westsektor zu betreten.

[Name 22, Vorname], geb. am [Tag, Monat] 1933, wohnhaft: Berlin-Köpenick, [Straße, Nr.], kehrte ebenfalls am 28.6.1953, gegen 17.00 Uhr, über den Kontrollpunkt Brunnenstraße nach dem demokratischen Sektor zurück. Er gibt an, mit seinem Betrieb, der Putztuch-Fabrik Berlin-Köpenick, am Streik teilgenommen zu haben und nach Westberlin abgedrängt worden zu sein. Nach seiner Aussage hat er sich die ganze Zeit bei seiner Tante aufgehalten und ist angeblich andere Stellen nicht angelaufen. Auf die Frage, warum er nicht früher zurückkehrte, brachte er zum Ausdruck, dass die Bewohner der Bellermannstraße ihm gesagt hätten, er würde, falls er durch die Kontrolle gehe, entweder zu 25 Jahren Arbeitslager verurteilt oder nach Aue geschickt werden und aus Angst wäre er deshalb nicht früher zurückgekommen.

Über die Stimmung in Berlin befragt, gibt [Name 22] an, dass man drüben der Meinung ist, der Westen habe keine Schuld an den Vorkommnissen des 17.6.1953, sondern die Normen, HO-Preise, Unterdrückungen usw. haben die Menschen dazu getrieben. Die Westberliner haben Angst, beim Zustandekommen der Einheit Berlins ihr gutes Leben zu verlieren, da die Amerikaner eben erst für Westberlin 50 Mio. Dollar zur Verfügung gestellt haben.

Material über Absichten des Feindes

Durch unbekannte Täter wurde in die Straßenbrücke zwischen Garnosen und Görnitz/Ludwigslust folgende Hetzlosung eingeritzt: »Am 3.8.1953 Sturz der Regierung in der Sowjetunion, Wiedervereinigung Deutschlands, Wilhelm Pieck ist in der Sowjetunion verstorben.«

Der Verkaufsstellenleiter der Konsumverkaufsstelle in [Ort]/Zerbst sagte zur Tochter des Bürgermeisters: »Wenn der 17. Juni nicht geklappt hat, so wird es doch in der Zeit vom 9. bis 11.7.1953 klappen.«

Einige Werftarbeiter der Neptunwerft haben geäußert, dass ein zweiter Akt der Ereignisse vom 17. und 18.6.1953 am 30.6.1953 geplant ist. Aus diesem Grunde haben einige Frauen der Werftarbeiter ihre Kinder von den Ferienlagern zurückbehalten.

Über die CDU in Riesa wird berichtet, dass in Gröditz von den Mitgliedern Bestrebungen im Gange sind, welche einen neuen Streik im Stahlwerk anzetteln möchten.

Fahrer [Name 23] aus der Garage Rudolstadt/Wismut sagte: »Es kommt bald der nächste Schlag, dann werden sich auch die Kumpels daran beteiligen.«

Das BGL-Mitglied [Name 24] – Kleinhartau/Grimma – teilte mit, dass ein Verwandter von ihm (Henninger) aus Trages bei Borna ihm sagte, dass am 12.7.1953 noch andere Sachen zum Vorschein kommen werden als am 17.6.1953.

[Name 25], wohnhaft: Eisenach, Studienleiter der Sekte »Zeugen Jehovas«,35 sagte: Man müsse die jetzige Situation ausnützen, um die Leute für die Interessen der »Zeugen Jehovas« zu gewinnen. Man sollte ebenfalls mit diesen Leuten auf das heutige System schimpfen und bei dieser Gelegenheit anfangen über die »Zeugen Jehovas« zu sprechen.

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    Information Nr. 6 [Meldung Nr. 30/53]

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