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Tagesbericht

[Ohne Datum]
Information Nr. 1002

[Stimmung der Bevölkerung]

Es wird immer noch beobachtet, dass sich ein großer Teil der Bevölkerung in öffentlichen Diskussionen sehr zurückhält oder sehr vorsichtig diskutiert. Stimmen, die sich in gemeinster Art und Weise gegen die Regierung richten, werden dem Anschein nach geringer. Dies ist teilweise darauf zurückzuführen, dass Gerüchte im Umlauf sind, die von schweren Strafen sprechen, z. B. äußerte:

[Name 1, Vorname]: »Jetzt braucht sich keiner mehr einzubilden, dass die Streikenden etwas erreichen werden. Alle werden sich jetzt überlegen, ob sie 25 Jahre Zuchthaus haben wollen.«

[Name 2] äußert hierzu: »Der Streik ist noch lange nicht zu Ende, sondern es brodelt noch überall. Es ist auch kein Wunder, denn diese Schikanen lässt sich kein Mensch gefallen. Der in Rathenow Erschlagene1 hat seinen Tod verdient, da er ein Arbeiterfunktionär war. Er wird schon etwas auf dem Kerbholz gehabt haben.«

Im VEB Funkwerk Köpenick ist zu verzeichnen, dass Betriebsangehörige, die während der Ereignisse am 17.6.1953 feindlich und provokatorisch auftraten, plötzlich ihre feindliche Haltung anscheinend aufgeben und mündlich oder schriftlich positive Stellungnahmen zu ihren feindlichen Handlungen abgaben.

Ein Teil der Bevölkerung, besonders Betriebsarbeiter, diskutiert zzt. etwas offener über die Vorkommnisse. Hier werden besonders Stimmen laut, die sich gegen unsere Presse und Rundfunk richten, worin ihrer Meinung nach Meldungen nicht den Tatsachen entsprechen. Einen besonderen Raum nimmt hier die Diskussion ein, dass es unmöglich ist, dass dieser Streik einzig und allein vom Westen gesteuert und inszeniert wurde. So sagte [Name 3] aus Leißling: »Die letzten Ereignisse sind als Aufstände des Volkes gegen das herrschende System zu betrachten, die von Agenten ausgenützt wurden. Das trifft aber nur für Berlin zu. Alle anderen Ereignisse in der Republik sind nicht durch Provokateure entstanden. Zzt. kommt schon wieder eine Überheblichkeit der Führer zum Ausdruck, indem sie die Vorkommnisse bagatellisieren.«

In der Diskussion mit Arbeitern zeigt es sich, dass ein wesentlicher Teil das ND nicht liest, weil es für sie ein theoretisch zu hohes Niveau hat und den Arbeitern unverständlich bleibt. In der Diskussion ergab sich, dass sie lieber die BZ lesen, die alle Probleme in leichterer Form verständlich behandelt. Unter anderem wurde in der Diskussion geäußert, dass es vorkommt, dass im ND Dinge über ihren Betrieb stehen, von welchen sie selbst nichts wissen.

Von einem Leser unserer Presse wird die Frage aufgeworfen, wo denn der Stellvertretende Ministerpräsident Nuschke eigentlich entführt wurde.2 So berichtet das »Neue Deutschland« von der Mühlenstraße,3 während die »Berliner Zeitung« von der Sebastianstraße als Tatort spricht.4

Den Grund der Ereignisse vom 17. und 18.6.1953 sieht ein großer Teil der Bevölkerung in der Unzufriedenheit der Arbeiter in unseren Betrieben. Sie bringen zum Ausdruck, dass es praktisch keinen anderen Ausweg gegeben hätte als diesen, um ihre Forderungen zu Gehör zu bringen. Kritik wurde zum Teil mit Repressalien verfolgt. Aufgezeigte Mängel und Schwächen wurden von den leitenden Funktionären nach ihren Angaben nicht abgestellt.

Nachfolgend ein Beispiel aus der Abteilung Handel und Versorgung, Schönhauser Allee 109, wie von den dort Angestellten jetzt diskutiert wird: Obwohl die Kollegen Klagen hatten, durfte nichts gesagt werden, da sonst die Sprecher gerügt wurden. Auf diese Weise wurde jede Kritik unterbunden. Besonders hervorgehoben wird der (nach ihrer Meinung) übertriebene Personalabbau, der für die verbleibenden Kollegen eine noch größere Arbeitsleistung bedeutet und durch notwendige Überstunden sowie Einsätze zur Wahl von Haus- und Straßenvertrauensleuten, Hauskomitee, Aufbauverpflichtungen, Versammlungen, Demonstration usw. unerträgliche Ausmaße angenommen hatte. Stark wird hier die Arbeit des FDGB kritisiert mit dem Bemerken, dass sie nur aus Furcht, die Arbeit zu verlieren, nicht ausgetreten sind. Angestellte, die im März entlassen wurden, sind angeblich heute noch ohne Arbeit. Trotz dieser Unzufriedenheit in der Abteilung, wurde nicht gestreikt.

Der Arbeiter [Name 4]: »Es ist, als ob ein Druck von mir genommen ist, jetzt kann man wenigstens wieder diskutieren. Hoffentlich lassen jetzt die Phrasen nach und man lässt den einfachen Arbeiter auch mal seine Meinung sagen.«

Der Arbeiter [Name 5]: »Ich freue mich, dass die Partei jetzt in die Betriebe geht und dass nicht die Arbeiter mit den Provokateuren gleichgestellt werden.«

Die Aussprache mit einigen Teilnehmern der Belegschaftsversammlung der BVG Berlin ergab, dass von den Belegschaftsmitgliedern der Diskussionsbeitrag des [Name 6], der in aggressiver Form Regierung und Partei angriff, als der beste bezeichnet wurde, da er wenigstens den Mut hätte, ihnen die Wahrheit zu sagen.

Prof. Dr. Ing. Richter:5 »Es darf auf keinen Fall zugelassen werden, dass ein Bürger, der frei und offen seine Meinung sagt, immer noch mit Repressalien zu rechnen hat.«

Dr. [Name 7], Dippoldiswalde: »Erkrankungen an Tuberkulose sind im Verhältnis zum Vorjahr um 100 % gestiegen. Er führt es darauf zurück, dass durch die Steigerung der Arbeitsproduktivität eine Steigerung der Arbeitsintensität erfolgte, die eine besondere Beanspruchung der Arbeiter mit sich bringt.«

Reifenwerk Schmöckwitz: Hier wurde im Streik die Forderung gestellt, den Betrieb wieder an den Unternehmer Müller zu geben. Wie es sich zeigt, wollten sie damit ausdrücken, dass dadurch die alten Verhältnisse wie bei Müller wieder hergestellt werden. Durch Übernahme des Betriebes in Volkseigentum hat sich Verschiedenes zu Ungunsten der Arbeiter verändert: Wegfall der Berliner Lebensmittelkarte A sowie Kohlenkarte, Erhöhung der Preise des Werksküchenessens (ohne Verbesserung), Einführung von Heilkuren unter Anrechnung auf Urlaub, Abbau der Gehälter der Angestellten und Kraftfahrer.6

[Name 8], Bäuerin: »Ich habe von meinen Kühen 32 Ltr. Milch und die soll ich alle abgeben. Steht mir keine Milch zu?«

In vielen Fällen wird zum Ausdruck gebracht, dass nicht die Regierung, sondern die unteren Organe, wie FDGB, BPO, Verwaltung usw. durch schöngefärbte Berichte die Hauptschuld tragen. Dies führte dazu, das ZK und Regierung nicht von der wirklichen Situation und Stimmung unterrichtet waren.

Der Direktor der Hilfsschule Neustrelitz: »Die Partei- und Staatsführung hätte mehr Verbindung mit den Arbeitern halten sollen, dann wäre der Aufstand nicht geschehen. Sie wollen aber alles mit Gewalt machen. Man braucht sich nur die Bezirksverwaltung anzusehen. Die Herren kapseln sich ja völlig vom Volke ab, beschlagnahmen die Orangerie (Gartenlokal) und halten abends dort ihre Vergnügen ab.«

Angestellte vom Bezirksamt Treptow: »Der FDGB versagt in allen Phasen. Die Funktionäre trauen sich nicht mit den Arbeitern oder der Bevölkerung über die täglichen Probleme zu sprechen. Sie müssen Angst haben, zu all diesen Dingen Stellung zu nehmen.«

[Name 9], Fernsprechmonteur: »Es ist klar, dass die Regierung große und entscheidende Fehler gemacht hat, vor allem aber sind die einzelnen verantwortlichen Funktionäre in der BPO und BGL schuld. Sie haben in der letzten Zeit nur schöngefärbte Berichte weitergegeben. In einem weiteren Beispiel führt er an, dass in Pankow eine Konferenz oder Aussprache mit hohen Regierungsbeamten angesetzt war. Was tat der Kreis Pankow? Er bestellte 50 % Genossen, 30 % DFD oder andere Organisationen und 20 % aus der Wohngruppe. Die wirkliche Meinung der Bevölkerung war nicht vertreten.«

Der Landarbeiter [Name 10]: »Die ganzen Unruhen hätten nicht zu sein brauchen, wenn die Regierung die Zügel nicht so straff gezogen hätte und mehr mit dem arbeitenden Volk verbunden wäre. Aber es wurde immer nur angeordnet. Eine Aussprache mit den Arbeitern gab es nicht. Kritik wurde vonseiten der Arbeiter nicht geduldet. Meine Überzeugung ist, dass der ganze Kram bestellte Arbeit vonseiten der Kriegstreiber war und wenn diese Pläne geglückt wären, hätten die Arbeiter noch weniger zu bestellen gehabt wie bisher.«

Ein großer Teil der Bevölkerung verurteilt die Ausschreitungen vom 17. und 18.6.1953 und begrüßt die Beschlüsse und Verordnungen des ZK und der Regierung.7 Dazu muss jedoch bemerkt werden, dass der überwiegende Teil den Beschlüssen der Regierung abwartend gegenübersteht. So äußern sich z. B. zwei Schlosser, die als RIAS-Hörer bekannt sind: »Dies sind Maßnahmen, die wir uns gefallen lassen. Wir sehen ein, dass die Demonstration, woran auch wir uns beteiligt haben, nur dem Zweck diente, den Faschismus neu zu errichten.«

Der Bauer [Name 11]: »Die werktätigen Bauern waren wie eine welke Blume. Seit den Regierungsverordnungen haben alle neuen Mut. Große Verärgerung gibt es unter den Bauern, dass kein Stickstoff da ist, um die Erträge zu steigern. Die LPG erhalten so viel, dass sie nicht wissen wohin mit dem Zeug.«

Brigadier [Name 12]: »Meine Norm, die ich freiwillig erhöht habe, halte ich ein und gehe nicht wieder auf die alte zurück.«

Der Bauer [Name 13]: »Wir einzeln wirtschaftenden Bauern hatten immer große Schwierigkeiten, unsere Verpflichtungen zu erfüllen. Durch die entscheidenden Maßnahmen unserer Regierung wird es für uns nun leichter, unser Soll zu erfüllen. Hoffentlich wird auch alles so durchgeführt, wie es in den Zeitungen geschrieben steht. Die meiste Schuld tragen bisher die Kreisräte wegen ihrer bürokratischen Arbeitsweise.«

Die Ehefrau eines selbstständigen Kürschnermeisters sagt: »Trotzdem ich eine sogenannte Unternehmerfrau bin, muss ich sagen, dass ich wohl den Streik der Bauarbeiter für berechtigt hielt. Das war am Dienstag und ist ja auch ordnungsgemäß verlaufen. Was sich aber am Mittwoch in Berlin abspielte, kann man nur mit den Methoden der SA-Schlägergruppen vergleichen. Trotzdem uns die Regierung im letzten Jahr eine Ohrfeige nach der anderen versetzte, hatte ich direkt aufgeatmet als die ersten sowjetischen Panzer die Neue Krugallee entlangrollten, denn diese hemmungslosen Banditen hätten hier alles geplündert und es wäre ein Chaos entstanden. Hier half nur eine rücksichtslose Säuberungsaktion. Diese Unruhestifter waren ja keine Arbeiter, sondern abenteuerlustige Banditen, welche sich durch Plünderungen bereichern wollten. Ich persönlich war ja auch mit der Politik der Regierung bis Ende 1952 zufrieden. 1953 war der Zeitpunkt gekommen, wo wir durch die hohen Steuern nicht mehr weiterkonnten. Einen Stich hat es mir gegeben, als Walter Ulbricht auf einer seiner Reden sinngemäß erklärte, dass die Unternehmer aufgrund von Steuerschulden den Aufbau sabotieren und auf Kosten der Arbeiter leben wollen. Das ist bei uns bestimmt nicht der Fall. Entsprechend unserer Einnahmen werden wir immer bereit sein, laufend unsere Steuern zu begleichen. Durch die neuesten Regierungsbeschlüsse werden wir ja jetzt auch zu unserem Recht kommen.«

[Name 14]: »Kollegen, die nur einmal sonntags arbeiten, erhalten den Zuschlag. Diejenigen, bei denen Sonntagsarbeit ein Dauerzustand ist, erhalten ihn nicht. Das was die Regierung jetzt versprochen hat, muss sie erst halten, denn versprochen wurde uns schon sehr viel.«

Eine Kollegin von der Kartenstelle Ferdinandshof: »Versprechungen sind bis heute genügend gemacht worden, wir wollen nur noch Taten sehen. 200,00 DM ist ein Lohn zum Verhungern. Oben gibt man Geld aus, aber für unten bleibt nichts übrig.«

Frau [Name 15]: »Ich begrüße die Verordnung über die Verbesserung der Lebenslage der Werktätigen, fürchte aber, dass die einzelnen Ministerien, Bezirks- und Kreisverwaltungen diese Verordnungen durch bürokratische Arbeitsweise unwirksam machen.«

Bei einer Diskussion von sieben Eisenbahnern in der Fahrmeisterei Pankow wurde erwähnt, dass die Regierung nie freiwillig die Versorgung der Bevölkerung verbessert hätte. Erst nachdem gestreikt wurde, sah sie sich gezwungen, diese Maßnahmen durchzuführen.

Lage in den landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften

Anzahl der LPG am 15.6.1953: 5 082, eingetragene Mitglieder: 140 634.

Nach dem Beschluss des Ministerrats vom 11.6.1953 machten sich in den LPG die ersten Anzeichen von bevorstehenden Auflösungen bemerkbar. Durch die provozierten Ereignisse am 17. und 18. Juni 1953 traten dann in einigen LPG akute Auflösungserscheinungen ein.

Bis zum 25.6.1953 lagen folgende Zahlen vor:

Bezirke

LPG aufgelöst

bevorstehende Auflösung

Rostock

20

Schwerin

1

15

Neubrandenburg

7

Potsdam

8

Frankfurt

4

Cottbus

1

2

Magdeburg

3

6

Halle

4

Erfurt

1

Gera

5

26

Suhl

5

8

Leipzig

3

Dresden

2

Karl-Marx-Stadt

2

Groß-Berlin

Insgesamt

15

108

Demnach haben sich bis zum 25. Juni 1953 0,3 % von den bestehenden LPG aufgelöst. 2,0 % von den bestehenden LPG zeigen erhebliche Auflösungserscheinungen.

Durch den Beschluss des Ministerrates am 25.6.1953 über die Ermäßigung des Abgabesolls bei Einzelbauernwirtschaften wurde die Auflösung von LPG noch aktiviert.

So ergibt sich nun zum 1.7.1953 folgender Stand über die Auflösung von LPG und Austritte von Mitgliedern.

Bezirke

LPG aufgelöst

bevorstehend

Austritte von LPG

sind Mitglieder ausgetreten

Rostock

11

22

35

122

Schwerin

11

13

44

Neubrandenburg

1

15

485

Potsdam

8

3

11

174

Frankfurt

3

13

1

2

Cottbus

2

21

6

65

Magdeburg

2

3

7

Halle

10

17

2

80

Erfurt

4

24

64

Gera

13

5

60

938

Suhl

6

6

5

65

Dresden

2

8

17

82

Leipzig

4

1

5

60

Karl-Marx-Stadt

2

5

9

Berlin

Insgesamt

598

113

202

2 197

Insgesamt haben sich also bis zum 1.7.1953 1,1 % von den bestehenden LPG aufgelöst. Zurzeit befinden sich 2,0 % von den bestehenden LPG noch in Auflösung. Bisher sind ca. 1,5 % von den eingetragenen Mitgliedern ausgetreten. In den nächsten Tagen wird die Gesamtzahl der aufgelösten LPG die Zahl von 2,0 % von den bestehenden LPG unter keinen Umständen übersteigen. Es ist sogar zu erwarten, dass von den bevorstehenden Auflösungen von 113 LPG sich die Mehrzahl dieser aufgrund des jetzt verstärkten Einsatzes des Partei- und Staatsapparates nicht auflösen werden.

In der Mehrzahl haben sich die LPG aufgrund der letzten Ereignisse ideologisch und organisatorisch gefestigt.

Folgende Gründe für die Auflösungen von LPG und Austritte von Mitgliedern sind als Ursachen anzusehen:

1. Der Beschluss des Ministerrates vom 11.6.1953,9 wonach devastierte Betriebe10 an heimkehrende und aus der Haft entlassene Bauern wieder zurückgegeben werden können

Hierzu folgende Beispiele: In vielen Bezirken herrscht seitdem allgemeine Unsicherheit und Ängstlichkeit gegenüber zurückkehrenden und aus der Haft entlassenen Großbauern. Im Kreise Döbeln wurde auf Beschluss der Mitgliederversammlung und des Rates des Kreises die LPG in Dreißig aufgelöst. Zwei großbäuerliche Betriebe, die von dieser LPG benutzt wurden, sind an die Eigentümer wieder zurückgegeben worden. Die LPG war danach zu schwach. Im Bezirk Dresden sind bis zum 24.6.1953 106 Betriebe an Bauern zurückgegeben worden. Von diesen waren bisher 67 von LPG bewirtschaftet worden. Bei den betroffenen LPG machten sich zugleich Auflösungserscheinungen bemerkbar, da ja jetzt die einzelnen Mitglieder der LPG im Jahresdurchschnitt weniger Einkommen haben.

Weiterhin machen sich aufgrund dieses Beschlusses in den LPG, die noch überwiegend Land von großbäuerlichen Betrieben in Benutzung haben, Erscheinungen bemerkbar wie Sinken der Arbeitsmoral und Unklarheiten über das Bestehen der LPG. Dies nutzte der Gegner sofort aus und streute Gerüchte herum wie: »Die Statuten der LPG sind hinfällig, die LPG werden aufgelöst.«

Weiterhin ist zu bemerken, dass ca. 40 % der bisher zurückgekehrten Bauern nur 6 bis 13 ha zurückhaben wollen und für das andere Land eine Verzichtserklärung leisten, da sie keine Großbauern mehr sein wollen. Dazu äußerte z. B. der Altbauer [Name 16, Vorname], aus Wegendorf/Strausberg: »Ich bin aus Westdeutschland zurückgekehrt und die mir zurückgegebene Nutzungsfläche von 23 ha möchte ich nicht haben, sondern mich aufgrund von Arbeitskräftemangel auf 9,5 ha verkleinern. Das übrige Land will ich der LPG auf vier bis fünf Jahre zur Verfügung stellen.«

Im Gegensatz dazu erklären viele LPG, denen keine devastierten Betriebe von Bauern angeschlossen sind, dass sie ihre LPG festigen und gegen Anschläge des Gegners verteidigen wollen.

2. Der Beschluss des Ministerrates über die Sollermäßigung bei Einzelbauernwirtschaften11

Hierzu folgende Beispiele: Der ehemalige Genossenschaftsbauer [Name 17, Vorname] aus Etzelbach sagte Folgendes: »Ich bin ein alter Bauer und lasse mich nicht von so jungen Schnöseln kommandieren. Ich weiß selbst am besten, wie ich meine Felder bearbeiten muss, und für andere mehr arbeiten habe ich keine Lust. Aus diesem Grunde erkläre ich meinen Austritt. Anhand der neuen Beschlüsse kann man ja erkennen, dass das Neue alles Mist ist, sonst hätte man es ja nicht rückgängig gemacht. Wer weiß, wie lange dieses System der Genossenschaft überhaupt noch existiert. Da ist es besser, man tritt beizeiten zurück.«

In der LPG Thurow und Sternberger im Bezirk Schwerin zeigen sich Austrittserscheinungen. Dabei treten die ehemals sehr gut wirtschaftenden Bauern aus. Sie sagen: »Wir haben früher gut gewirtschaftet, sind jedoch in die LPG eingetreten, weil uns das Abgabesoll fast erdrückte, jetzt ist dies geändert und wir wirtschaften wieder selbst.«

Aber auch durch diese Maßnahme haben sich größtenteils die LPG mit ihren Mitgliedern nicht beirren lassen und sie sehen den Vorteil der LPG ein, auch wenn jetzt das Abgabesoll der Einzelbauern herabgesetzt ist. Das folgende Beispiel ist keine Einzelerscheinung:

LPG Boek, Kreis Neustrelitz: »Die Bauern sind sehr zuversichtlich. Sie haben große freiwillige Verpflichtungen zu Ehren des Geburtstages von Walter Ulbricht übernommen. Der Vorsitzende der LPG ist Mitglied der DBD, doch Genosse Hans Zingler, Leiter der BHG, ist der Ratgeber der LPG. Auch die anderen werktätigen Bauern in Boek haben zu Ehren von Generalsekretär Walter Ulbricht freiwillige Verpflichtungen übernommen. Sie haben alle Dankadressen an Walter Ulbricht abgesandt. Die Bauern sagten, ob SED oder DBD, Walter Ulbricht ist trotz der Rückschläge unser Genosse und wir sagen alle Genosse und du zu ihm.«

In der LPG in Rottelsdorf, Kreis Eisleben, sagte der Vorsitzende der Ortsgruppe des DBD Hannemann, wer für die Regierung ist, der arbeitet, wer gegen die Regierung ist, der streikt. Sie sind aber alle arbeiten gegangen. Es wurde auch die Frage gestellt, wer aus der LPG austreten will, geantwortet wurde: »Austreten wollen wir nicht, wir wollen arbeiten und denen zeigen, dass wir zusammenhalten.«

Weiter äußerte sich hierzu der Bauer [Name 18, Vorname] aus Osterhausen, Kreis Querfurt: »Man atmet direkt auf, dass es jetzt anders ist. Jetzt gibt man nach, aber ob es echt ist, weiß man nicht. Nachher wird es bestimmt wieder wie vorher. Ich warte erst mal ab, ehe ich mich zur LPG bekenne.«

3. Auswirkung der durch den Gegner provozierten Ereignisse vom 17. und 18. Juni 1953 – Auswirkung der durch den Gegner in Umlauf gebrachten Gerüchte – Angst über die jetzige und zukünftige Situation

Hierzu folgende Beispiele:

In vielen LPG herrscht Unsicherheit über die zukünftige Politik der Partei und Regierung, die durch feindliche Agitation hervorgerufen wird.

Die Mitglieder der LPG Gröningen, Bezirk Halle, [Name 19, Vorname] und [Name 20, Vorname] sagten zu den Mitgliedern: »Wir müssen auch die Arbeit niederlegen und streiken und die Forderung stellen, nicht mehr nach Norm, sondern nach Stunden zu arbeiten.«

In der LPG Neuheide, Bezirk Erfurt, fand am 25.5.1953 eine Versammlung statt, auf welcher 19 Genossenschaftsbauern ihren Austritt erklärten. Die tieferen Ursachen für die Austritte begründete man in der Veränderung der politischen Situation seit dem 9.6.1953.

In der LPG Großsteinbach, Bezirk Leipzig, äußerte sich der Genossenschaftsbauer [Name 21] zu dem Vorsitzenden der LPG, dass er nicht mehr diesem Sauverein angehören will, um nicht in den Verdacht zu kommen, ein Kommunist zu sein.

In den LPG Neuendorf sowie Mamerow und sieben weiteren LPG im Bezirk Schwerin machten sich nach dem 17.6. Auflösungserscheinungen bemerkbar. Argument: Wir brauchen keine LPG mehr.

Hier muss betont werden, dass aufgrund der Ereignisse am 17. und 18.6.1953 viele Genossenschaftsbauern treu zu ihrer Genossenschaft standen. Z. B. haben in Großmühlingen, Kreis Schönebeck, Bezirk Magdeburg, die Genossenschaftsbauern [Name 22] und [Name 23] tatkräftig bei der Verhaftung von Provokateuren mitgeholfen. In Huckstorf, Kreis Rostock, demonstrierten Einzelbauern gegen die LPG. Die Genossenschaftler ließen sich nicht provozieren.

Zu bemängeln ist bei den Ereignissen das Verhalten der Vorsitzenden der LPG und Parteigenossen der LPG, hierzu weitere Beispiele: Die Parteisekretärin von der LPG Güldengossa, ihr Ehemann sowie der Genossenschaftsbauer Friedrich fordern die Genossenschaftler auf, da es sowieso anders kommt, die LPG zu liquidieren. Aufgrund dieser Provokation traten drei Genossenschaftsbauern aus der LPG aus.

In den LPG Wiesa und Oberwiesenthal stellten die beiden LPG-Vorsitzenden ihre Funktion zur Verfügung aufgrund der angeblich unklaren politischen Situation. Weitere drei Mitglieder der LPG Wiesa haben ihren Austritt erklärt.

4. Offene Hetze des Gegners und Aufruf zum Auflösen von LPG. Direkte Arbeit von Saboteuren und bewusste Organisierung der Austritte durch Großbauern

Durch diese Ursache müssen die meisten Austrittserklärungen und Auflösungen von LPG begründet werden. Die drei vorher genannten Ursachen sind durch den Gegner geschickt ausgenutzt werden.

Hierzu folgende Beispiele:

Die Großbauern fühlen sich aufgrund der Beschlüsse des Ministerrats12 und der letzten Ereignisse besonders gestärkt. Der Großbauer [Name 24] aus Pampow, Bezirk Schwerin, drohte einem Genossenschaftsbauern: »Hast du dir schon einen Baum ausgesucht, an dem du hängen willst!«

In Sievershagen, Kreis Rostock, traten die Großbauern organisiert gegen die BHG und werktätigen Bauern auf. Tätliches Angreifen des 1. Kreissekretärs der VdgB (BHG). Die Großbauern forderten Rücktritt der Regierung.

In der LPG Vieregge, Kreis Bergen, Bezirk Rostock, wurden über Nacht sämtliche vorhandenen Wasserleitungshähne geöffnet, sodass alles am nächsten Morgen unter Wasser stand.

Von zwei inzwischen republikflüchtig gewordenen Bauern aus der Gemeinde Parchow,13 Kreis Bergen, wurden die Vorsitzenden der umliegenden LPG nachts angerufen, sofort nach Parchow zu kommen, um von einem dort anwesenden Instrukteur die Richtlinien für die Auflösung der LPG entgegenzunehmen.

In der LPG Wernsdorf, Kreis Greiz, Bezirk Gera, sind in der letzten Zeit an den Vorsitzenden der LPG anonyme Drohbriefe gesandt worden. Im Inhalt wurde zum Ausdruck gebracht, dass der republikflüchtige Großbauer [Name 25] bald zurückkehren würde und alles in bester Ordnung auffinden möchte. Der Großbauer [Name 26] aus Göldchen, Kreis Schmölln, Bezirk Leipzig, äußerte, er wolle dem Vorsitzenden der LPG das Genick umdrehen. Der Großbauer [Name 27] aus dem gleichen Ort unterhält eine Art Informationsbüro, hetzt die anderen Bauern auf, nicht termingemäß ihrer Ablieferungspflicht nachzukommen.

Am 30.6.1953, gegen 13.00 Uhr, organisierten in Langendorf/Zeitz ein Mittelbauer und ein Arbeiter eine Kundgebung anlässlich der Rückkehr eines Großbauern. Dabei ging ein Großbauer aus der Gemeinde Döbitzschen durch den Ort Langendorf und blies auf einer Trompete, um die Bewohner zur Kundgebung aufzufordern. Auf dem Platz vor dem Gemeindeamt versammelten sich danach ca. 150 Personen, die nach einer Ansprache der Initiatoren das Lied »Nun danket alle Gott« anstimmten.

Weiter mehren sich auch die Überfälle auf LPG-Mitglieder, z. B. in der Nacht zum 29.6.1953 wurde der LPG-Vorsitzende der LPG Schönberg, Herrmann Dietrichsen, geb. [Tag, Monat] 1901, wohnhaft: Schönberg, Kreis Neuruppin, auf der Chaussee zwischen Herzberg und Schönberg von einer siebenköpfigen Bande überfallen und misshandelt. In der Nähe der LPG Hainspitz, Kreis Eisenberg, wurde der Agronom-Assistent der MTS Gösen auf dem Wege zur LPG überfallen und so misshandelt, dass er ins Krankenhaus überführt werden musste.

Zu diesen offenen Provokationen kam die Geschlossenheit und Einheit vieler LPG zum Ausdruck: In der LPG Göda, Kreis Bautzen, wurden sechs Jugendliche von Mitgliedern der LPG vertrieben, die diese zum Streik aufforderten. In einem anderen Ort zerschlugen die Genossenschaftsbauern die Provokation von Großbauern, indem sie mit der Roten Fahne voran und der Internationale auf den Lippen geschlossen und einheitlich durch das Dorf marschierten.

5. Aufgrund von organisatorischen Schwierigkeiten und Arbeitskräftemangel in vielen LPG treten viele Bauern mit folgender Begründung aus der LPG aus

»Ich kann es nicht mit ansehen, dass der Acker nicht intensiv bestellt wird, da zurzeit nicht genügend Arbeitskräfte vorhanden sind. Ich trete aus und bin dann in der Lage, [dass ich] mit meiner Familie meinen eigenen Acker gründlicher bearbeiten kann.«

Dazu sagte der Bauer [Name 28], Ueckermünde, Bezirk Neubrandenburg: »Wie sieht es denn in den einzelnen Genossenschaften aus, sie haben schon des Öfteren Hilfe von der MTS angefordert, diese ist ihnen jedoch bisher nicht genügend zu Teil geworden. Aufgrund dieser Tatsache ist die Arbeitsmoral bei den Genossenschaftsbauern gesunken und sie erklären ihre Austritte.«

Die hier angeführten Gründe wirkten in letzter Zeit mehr oder weniger auf alle LPG ein. Es ist aber zu verzeichnen, dass aber nur dort Auflösungen und Austritte folgten, wo für den Gegner ein günstiger Nährboden vorhanden war. In erster Linie traten dort Massenaustritte von Mitgliedern der LPG und Auflösungen von LPG auf, wo die LPG aufgrund der falschen Einhaltung der Richtlinien über die Bildung der LPG, insbesondere des Punktes der Freiwilligkeit, zwangsweise gebildet wurden bzw. die Mitglieder unter irgendwelchem Druck zum Beitritt in die LPG gezwungen wurden.

Dazu folgende Beispiele: Die Mitglieder der LPG Spahnsdorf, Kreis Riesa, wollen ihre LPG auflösen, weil sie zur Gründung der LPG durch den Bürgermeister mit Drohungen gezwungen wurden. Im Bezirk Halle, Kreis Aschersleben, zeigt die LPG in Winningen mit 23 Austritten die gleiche Erscheinung. Die Bauern sagten: »Wir sind damals zum Eintritt in die LPG gezwungen worden durch die Regierungsverordnungen, Sollablieferungen, Steuererhöhung usw. Weiterhin sagen sie, dass durch die neuen Erleichterungen, die jetzt für sie entstehen, [sie] wieder austreten.«

Der Vorsitzende der LPG Ragow, Genosse Junker, gab den Anlass zum Austritt aus der LPG, indem er gegen seine Mitglieder diktatorisch vorging und diesen drohte mit dem Ausnahmezustand und der sowjetischen Kommandantur.

Bauer [Name 29] aus Volkmannsdorf, Bezirk Gera, äußerte: »Ihr seid daran schuld, dass ich in die LPG gehen musste und nicht mehr ein freier Mensch bin, früher konnte ich anfangen und aufhören zu arbeiten, wann ich wollte. Mit eurer Partei könnt ihr mir gestohlen bleiben.«

Weiterhin waren dort Auflösungen zu verzeichnen, wo Unstimmigkeiten unter den Mitgliedern, eigennütziges Arbeiten von Vorsitzenden, mangelnde Arbeitsorganisation und diktatorisches Verhalten der Partei zu verzeichnen war. Z. B. zerfiel im Bezirk Suhl, Kreis Meiningen, eine LPG, da vorher unter den Mitgliedern und dem Vorsitzenden große Unstimmigkeiten bestanden, da selbiger Vorräte aus dem gemeinsamen Futterfonds für persönliche Zwecke benutzte. In der LPG Laaske, Kreis Pritzwalk, erklärten am 29.6. 27 Mitglieder ihren Austritt, da der 1. Sekretär der BPO sehr diktatorisch vorgeht und dort eine schlechte Arbeitsorganisation besteht.

Stimmung von Rückkehrern in das Gebiet der DDR

Bei einer freundschaftlichen und zwanglosen Unterhaltung wurden nach bisher vorliegenden Meldungen 74 Personen, die in das Gebiet der DDR zurückkehrten, und zwölf Personen, die in den demokratischen Sektor von Berlin zurückkehrten, über die Aufnahme des Ministerratsbeschlusses in den Kreisen der Flüchtlinge und über die Aufnahme und Eindrücke in der DDR befragt. Anhand der befragten Personen konnte festgestellt werden, dass sich die Rückkehrer aus ca. 60 % Arbeitern, 10 % Bauern, 7 % Geschäftsleuten, 5 % Intelligenzler und 18 % Angestellten zusammensetzt.

Nach den Angaben und Ausführungen dieser Personen ergibt sich folgendes Bild:

1. Einstellung der zurückgekehrten Personen zum Ministerratsbeschluss

Im Allgemeinen wurde dieser Beschluss von den Flüchtlingen lebhaft begrüßt und löste bei den meisten große Freude aus. Nach Angaben der befragten Personen sprachen sich nach Bekanntwerden des Beschlusses ca. 80 % für die Rückkehr in die DDR aus. Von vielen wird allerdings dieser Beschluss noch als eine Falle hingestellt. Diese Personen warten jetzt nur noch auf eine Antwort von den Personen, die schon ihre Heimatorte aufgesucht haben. Die meisten der Flüchtlinge bereuten schon nach kurzer Zeit ihre Flucht nach dem Westen und wollten schon lange wieder in die DDR zurück, wagten dies jedoch aufgrund der zu erwartenden Strafe nicht.

So sagte der Rückkehrer [Name 30]: »Auf mich und noch viele andere, mit denen ich in einer Grube zusammengearbeitet habe, hatte sich der Beschluss äußerst positiv ausgewirkt. Er wurde von uns mit großer Freude und Begeisterung aufgenommen.«

Der Rückkehrer [Name 31], Landwirt, wohnhaft: Suckow, Kreis Wolgast, äußerte: »Die Stimmung bei den Flüchtlingen in Westdeutschland ist zu 80 % so, dass sie den Ministerratsbeschluss begrüßen, aber noch eine abwartende Haltung einnehmen, da sie dieser Sache noch nicht ganz trauen.«

2. Stimmung der Flüchtlinge und Hemmungen über ihre Rückkehr

Nach den Berichten der Rückkehrer, die in einem Auffanglager waren, ist dort die Stimmung der Flüchtlinge nicht besonders gut. Manche von ihnen hausen schon jahrelang in solch einem Lager unter sehr ungünstigen Wohnverhältnissen. Die meisten der Flüchtlinge haben keine Arbeit und bekommen sehr wenig Unterstützung, von der sie nicht existieren können. Vor allem ist in den Lagern die Stimmung äußerst schlecht, wo diese Personen untergebracht werden, die nicht als politische Flüchtlinge anerkannt worden sind. Die Hemmungen, die sie noch von einer Rückkehr in die DDR abhalten, sind, dass sie durch die Hetze der westlichen Machthaber den Beschlüssen unserer Regierung noch nicht den vollen Glauben schenken und Angst haben, dass sie bei ihrer Rückkehr zur Rechenschaft gezogen und bestraft werden.

So sagte der zurückgekehrte Altbauer [Name 32] aus Kertitz, Kreis Delitzsch: »Die Stimmung der Flüchtlinge in den Flüchtlingslagern war bis zur Herausgabe des Beschlusses der Regierung gedrückt. Am 11.6.1953 nach der Bekanntgabe des Ministerratsbeschlusses atmeten die Bauern auf vor Freude darüber, dass sie wieder in die Heimat zurückkehren können.«

Der Großbauer [Name 33], wohnhaft: Heeren, Kreis Stendal, äußerte: »In Hamburg war ich selbst in einem Lager und musste schwer arbeiten. Die Stimmung im Lager war niedergedrückt, da man den Leuten dort erzählte, sie sollen nicht in die DDR zurückkehren, da die Beschlüsse der Regierung nur alles leere Versprechungen sind. Im Lager selbst kam es auch zu Misshandlungen der Lagerinsassen.«

3. Maßnahmen und Agitation vonseiten der Bonner Regierung, um die Flüchtlinge von ihrer Rückkehr in die DDR abzuhalten

Von den westlichen Machthabern wird verschiedentlich versucht, vor allem bei den Flüchtlingen in den Lagern, diese zu beeinflussen und von einer Rückkehr abzuhalten. Dies geschieht, indem sie den Flüchtlingen Zeitungen zu lesen geben, in denen der Beschluss des Ministerrats als eine Falle bezeichnet wird und alle Flüchtlinge gewarnt werden, in die DDR zurückzukehren, da sie dort mit einer Bestrafung zu rechnen haben. Auch werden Personen in die Lager eingeschleust, die Gräuelmärchen über die Zustände in der DDR erzählen. So wird u. a. berichtet, dass es äußerst gefährlich wäre, in die »Ostzone« zurückzukehren, da dort auf sie gewartet wird und sie dann hier zur Verantwortung gezogen werden. Aufgrund dessen, dass jetzt viele Personen in die DDR zurückkehren wollen, werden ihnen auch Schwierigkeiten bei der Ausstellung von Interzonenpässen bereitet. Verschiedentlich wurden die Ausweise der Flüchtlinge eingezogen und ihnen dann gesagt, dass sie ohne Ausweise es nicht wagen könnten, in die DDR zurückzukehren, da sie sonst dort festgenommen werden. Auch an den Grenzübergängen wird versucht, die Personen von ihrer Rückkehr abzuhalten, indem man dort ebenfalls Gerüchte über die katastrophalen Zustände in der DDR verbreitet und ihnen erzählt, dass sie keine Lebensmittelkarten bekommen und alles zu unerschwinglichen Preisen in der HO kaufen müssten.

Aus all den aufgeführten Gründen werden noch viele Flüchtlinge von ihrer Rückkehr abgehalten, die nun noch auf Bescheid von den Personen warten, die schon die DDR aufgesucht haben, um dann nach Erhalt der Angaben über die wirkliche Lage ebenfalls ihre Heimatorte wieder aufzusuchen.

So sagte der Zimmermann [Name 34, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1931, wohnhaft: [Ort], Nr. […]: »Dass aufgrund des großen Zustromes die westdeutschen Behörden keine Interzonenpässe mehr ausstellen würden und sie die ganze Angelegenheit blockieren würden. Die meisten der Rückkehrer lassen sich jetzt einen Interzonenpass für Berlin ausstellen. Bei Zusammenrottungen von Personen, die darüber diskutieren, dass sie zurückkehren wollen, werden sämtliche Ausweise eingezogen.«

4. Durchführung der Maßnahmen des Ministerratsbeschlusses bei zurückgekehrten Personen

Die bisher befragten Rückkehrer äußerten fast ausschließlich, dass sie über ihre gute Aufnahme in der DDR freudig überrascht waren. Ihre Aufnahme in der DDR steht ganz entgegengesetzt zu dem, was man ihnen in Westdeutschland bzw. Westberlin erzählt hat. Viele von ihnen brachten deshalb auch zum Ausdruck, dass sie der Regierung danken und sofort an die noch verbliebenen Flüchtlinge in den Lagern schreiben werden, um ihnen die wirklichen Zustände in der DDR zu schildern und sie keine Befürchtungen zu haben brauchen, wenn sie ebenfalls wieder in ihre Heimat zurückkehren. Die meisten von den Flüchtlingen können wieder in ihrem Beruf arbeiten oder wo dies nicht möglich ist, bekommen sie eine andere, ihnen zusagende Arbeit zugeteilt. Von den Behörden wurden ihnen keine Schwierigkeiten bereitet und ihre Angelegenheiten wurden schnell und höflich erledigt.

Dass sich der Beschluss des Ministerrats vom 11.6.1953 äußerst positiv auf die Rückkehrer ausgewirkt hat, zeigt besonders deutlich eine Aufstellung der vom 26.5. bis 25.6.1953 zurückgekehrten Personen. In diesem Zeitraum sind insgesamt 1 542 Personen zurückgekehrt. Davon entfallen vom 11. bis 25.6.1953: 912 Personen.

Personen aus Westberlin und Westdeutschland, die erstmalig in die DDR eingereist sind, betragen: 580 Personen. Davon in der Zeit vom 11. bis 25.6.1953: 256 Personen.

Vom 26.5. bis 25.6.1953 sind insgesamt 21 523 Personen aus der DDR geflüchtet. Davon entfallen in die Zeit vom 11. bis 25.6.1953: 1 244 Personen (ist 6,3 %).

Hieraus ist ersichtlich, dass die Zahl der Rückkehrer nach dem 11.6. merklich angestiegen ist. Während erst täglich 39 Personen durchschnittlich zurückkehrten, so steigerte sich die Zahl nach Bekanntwerden des Beschlusses auf durchschnittlich 65 Personen täglich. Die Zahl der erstmalig in die DDR zugereisten Personen betrug vor dem 11.6. durchschnittlich 14 täglich und nach dem steigerte sie sich auf 17 durchschnittlich täglich.

Besonders deutlich zeigt sich die Auswirkung des Ministerratsbeschlusses bei den Personen, die unsere Republik verlassen. So betrug die Zahl der republikflüchtigen Personen vor dem 11.6.1953 durchschnittlich täglich 1 267 Personen, und nach dem 11.6.1953 ging die Zahl der republikflüchtigen Personen auf durchschnittlich täglich 88 Personen zurück.

Situation in Bergbaugebieten zum »Tag des Bergmanns«14 am 4.7. und 5.7.1953

Im Kreis Borna sind Diskussionen unter den Kumpels, welche eine gerechte Verteilung des Bergmannslohnes fordern. Die Diskussionen gehen dahin, dass man bei Nichterfüllung mit Arbeitsniederlegung droht. Dazu äußerte der stellvertretende Abteilungsleiter Bauch vom Braunkohlenwerk Borna: »Wenn die oben nicht nachgeben, ist der Streik fällig.« Der dortige BGL-Vorsitzende Fechner bemerkte, dass die von oben angeordnete Auszahlungsart ungerecht sei, aber nichts unternommen wird. Die Kumpels selbst verurteilen die Provokationen und verbinden damit die Forderung zusätzliche Belohnung und Arbeitsruhe für die Feierlichkeit (»Tag des Bergmanns«), da sie sich an den Unruhen nicht beteiligt haben.

Aus Cottbus wird bekannt, dass die Kumpels von Hoyerswerda, Spremberg, Senftenberg und Greifenhain in der Form diskutieren, dass sie jederzeit ihre Kraft eingesetzt haben, dafür aber nur jeden siebenten Sonntag frei bekamen. Zum »Tag des Bergmanns« stellen sie aber die Forderung, dass dieser nicht als Arbeits-, sondern als Feiertag angerechnet werden soll. Desgleichen die Forderung, dass alle Belegschaftsmitglieder das Bergmannstreuegeld erhalten müssten, da andernfalls sonst die Bombe platzt (gemeint ist Arbeitsniederlegung). Zur Normenfrage wird durchweg positiv diskutiert. Freiwillig erhöhte Normen wollen sie nicht herabsetzen, außer den Bohrern in Bluno, die ihre freiwillig erhöhte Arbeitsnorm zurückgenommen haben.

Im Braunkohlenwerk »Glückauf« und »Jonny Scheer« werden die Prämiengelder mit Absprache der AGL, dem Betriebsleiter und Belegschaftsmitgliedern festgelegt. Dadurch soll eine Günstlingswirtschaft unterbunden werden. Im Bezirk Dresden wurden die Neueinstufungen der Treuegelder und Prämien mit allgemeiner Zustimmung erarbeitet.

Im VEB Zinnerz, Altenberg, ist die Vorbereitung zum »Tag des Bergmanns« noch schlecht. Der Grund dafür ist, dass im Direktorenfonds15 für eine Belegschaft von 750 Mann nur 2 000 DM für diesen Tag zur Verfügung stehen. Eine schlechte Stimmung herrscht bei Transportarbeitern, Kraftfahrern und Werkschutz, da diese nicht in den Genuss der Treuegeldzulage kommen. Zu bemerken ist, dass die Vorbereitung zum »Tag des Bergmanns« einzig und allein in den Händen der Werksleitung liegt.

Wie in Erfahrung gebracht wurde, erhalten alle Häuer und Förderleute am »Tag des Bergmanns« in der Grube »Cäsar« in Egeln zusätzlich eine Auszahlung von 8 % des Jahresverdienstes, alle Kettenleute 4 %. Außerdem werden wöchentlich Prämien im innerbetrieblichen Wettbewerb ausgezahlt. Hier besteht die Tendenz, dass Kumpels, welche aus der Grube ins Büro usw. geholt wurden, wegen des höheren Verdienstes wieder in die Grube zurück möchten.

Im Karl-Schröter-Schacht, Schönebeck, fordern die Kumpels, dass die Sonderverkaufsstellen des Werkes Calbe16 der Allgemeinheit zugängig gemacht werden.

In Zwickau, Freiberg und Stollberg werden unter den Kumpels Diskussionen geführt, die besagen, dass in den Streik getreten wird, wenn die Prämien- und Treuegelder wieder so ungerecht wie vergangenes Jahr verteilt werden. Bis zum 5. Juli wollen sie abwarten.

Unter den Bergarbeitern des VEB Braunkohlenwerkes Zipsendorf/Altenburg wird die Diskussion geführt, dass am »Tag des Bergmanns« folgende Forderungen gestellt werden sollen: Lohnausgleich, Bergmannstreuegeld, »Tag des Bergmanns« als Sonntag zu feiern, Einführung des 6-Stunden-Tages.

Der Fördermann [Name 35] vom Fortschritt-Schacht I des Mansfeld-Kombinates »Wilhelm Pieck« äußerte: »Die Ungerechtigkeit ist immer noch nicht abgestellt. In der Zahlung von Bergmannstreuegeldern will man schon wieder Unterschiede machen. Das Strebepersonal soll 8 % und wir Förderleute nur 4 % erhalten. Das ist nicht richtig. Wenn wir nicht gesundheitlich behindert wären, würden auch wir vor Streb arbeiten. Wir haben beschlossen, wenn dieser Unterschied gemacht wird, fahren wir nicht ein. Schon im vorigen Jahr war der gleiche Zustand. Erst nach dem Protest der Förderleute hat man dies abgestellt. Die Werksleitung scheint daraus noch nichts gelernt zu haben.«

Die Übertagearbeiter des Mansfeld-Kombinats »Wilhelm Pieck« fordern Deputatkohle wie die Untertagearbeit.

Die Kali- und Erzbergbauarbeiter des Bezirkes Halle fordern: Zahlung der Treueprämie für alle, nach Dienstalter abgegrenzt, sowie Bergarbeiterrente für alle. Nach dem Turnusplan haben die Bergarbeiter erst jede siebente Woche einen freien Sonntag und fordern, wie früher, jeden dritten Sonntag frei und bei Sonntagsarbeit 50 % Zuschlag. Die Kumpels des Kalibergbaues Sangerhausen erklären, dass bei einer Planerfüllung von 80 %, ebenfalls entsprechend des Prozentsatzes, den Angestellten auch nur 80 % des Gehaltes gezahlt wird. Über die periodisch zu zahlende Intelligenzprämie erklären sie, dass der Intelligenz ein Teil des Geldes abgenommen und dem Kulturfonds zugewiesen werden soll. Diskussionen über Streik usw. sind nicht in Erscheinung getreten.

In den Kaligruben des Bezirkes Erfurt wird im Wesentlichen über die Treuegelder diskutiert. So erhält beispielsweise ein Untertagearbeiter 8 %, ein Schrapper 4 % und ein Übertagearbeiter 3 %. Außerdem erhalten ungefähr bei 1 500 Kumpels 1 100 nur Prämie, was die größte Diskussion auslöst. Die Prämienzahlung liegt zwischen 400 bis 1 000 DM.

Wie aus Zwickau bekannt wird, führen die Kumpels erregte Diskussionen über die zu zahlende Treueprämie zum »Tag des Bergmanns«. Allgemein sprechen die Kumpels, dass sie in diesem Jahr nicht mehr mit der ungerechten Treueprämien-Verteilung einverstanden sind, wie sie im Jahre 1952 durchgeführt wurde (1952 wurde noch an Einzelne Treueprämie ausgezahlt). Nach der Herausgabe der Ergänzung zur Verbesserung der Lage der Bergarbeiter im Bergbau, die von den Fachministerien unmittelbar an die Werksleitungen gesandt wurde, wird folgendermaßen im Allgemeinen diskutiert:

Die Diskussionen im Steinkohlenbergbau unterscheiden sich hier durch zwei Gruppen: eine Gruppe, die positiv und erfreut über die zu zahlende Treueprämie an alle Bergbauarbeiter diskutiert, und die zweite Gruppe, die sich abwartend über die Realisierung des Ministerratsbeschlusses verhält.

Allgemein gesehen ist die Situation im Steinkohlenbergbau Zwickau zufriedenstellend. Eine besondere Lage ist in den Steinkohlenschächten Karl Marx und August Bebel dadurch entstanden, dass in beiden Schächten ca. 1 000 Personen beschäftigt sind, die nicht zwei Jahre ununterbrochen tätig sind. Nach dem Beschluss des Ministerrates17 würden diese Kumpels über Tage keine Treueprämie erhalten. Vonseiten der Werksleitungen ist beabsichtigt, aus dem Direktorenfonds den Kumpels eine bestimmte Belohnung zu geben.

Die Werksleitung des Karl-Marx-Werkes in Verbindung mit der IG Bergbau und Vertreter des Staatssekretariats Kohle verhandeln zurzeit über die Zahlung von 25 DM an die Kumpel, die unter zwei Jahre tätig sind, in den anderen Werken wird von 8, 10 und 30 DM gesprochen. Hierüber wird von diesen Kumpels eine erregte Diskussion aufgrund der bestehenden Unstimmigkeiten geführt.

Zur Lage in unserer Partei

Nach den Ereignissen in Berlin vom 17.6.1953 machte sich eine Welle von Austritten aus unserer Partei bemerkbar. Zuerst wurde bekannt, dass im Reichsbahnamt Kirchmöser mehrere Genossen ihren Austritt aus der Partei erklärten. Eine dadurch veranstaltete Umfrage zeigte, dass dies kein vereinzelter Fall war, sondern in allen Bezirken in Erscheinung trat. Es ist jedoch zu bemerken, dass nicht immer in den Bezirken, wo die Unruhen am größten waren, die meisten Austritte zu verzeichnen sind. So wurden im Bezirk Magdeburg 27 Parteidokumente abgegeben und drei vernichtet, dagegen im Bezirk Karl-Marx-Stadt, wo fast keine größeren Unruhen auftraten, wurden 111 Parteidokumente abgegeben. Das Ergebnis unserer Umfrage zeigte, dass 793 Personen aus unserer Partei ausgetreten sind unter Rückgabe ihres Parteimitgliedsbuches, wogegen drei Personen ihre Parteidokumente vernichteten und sieben ausgeschlossen wurden. Die Begründungen zum Austritt sind fast überall gleich und zeigen, dass die Überprüfung bei der Ausgabe der Parteidokumente keinesfalls gründlich durchgeführt wurde. Es wäre sonst unmöglich, dass es Mitglieder in der SED gibt, die [sic!] wie beispielsweise der Lehrer der Grundschule Eibenstock, [Vorname Name 36], seinen Austritt aus der Partei damit erklärt, dass er nicht weiterhin an den Verbrechen der Partei schuldig werden will. Andere wieder, wie z. B., der Ingenieur von BKB Kohle, [Vorname Name 37], wohnhaft in Berlin-Weißensee, [Straße, Nr.], gibt an, dass er innere Konflikte hat, da er mit der Linie der Partei nicht einverstanden ist. Andere wieder begründen ihren Austritt aus der SED damit, dass sie sich nicht mit verantwortlich fühlen für die schweren Fehler, welche die Partei begangen hat, so z. B. der Bergvermessungstechniker [Vorname Name 38] von BKB Kohle. Es gibt aber auch Stimmen, die zeigen, dass bei ihnen noch kein Verständnis für die Politik unserer Partei vorhanden ist, so z. B. bei [Vorname Name 39] aus Wackerow, Kreis Malchin, der seinen Austritt damit rechtfertigt, dass er nicht einverstanden sein kann mit den Maßnahmen der Regierung, wo den Großbauern erlaubt wird, in die DDR zurückzukehren.

Es gibt sogar Parteifunktionäre, die sich der Partei gegenüber als untreu erwiesen haben und ihren Austritt erklärten bzw. aus der Partei ausgeschlossen wurden. So hat der hauptamtliche Parteisekretär vom VEB Turbonit, Paul Lahner, wohnhaft: Berlin-Hohenschönhausen, [Straße, Nr.], welcher seit 1924 organisiert ist, seinen Austritt dahingehend begründet, dass er mit der Politik unserer Partei nicht mehr einverstanden ist. Aus der Partei wurde ausgeschlossen der Parteisekretär in Altlüblow/Schwerin, Paul Güldenpfennig, welcher erklärte: »Endlich ist es soweit, nun werden wir bestimmt eine SPD-Regierung bekommen.« Ebenfalls ausgeschlossen wurde der Parteisekretär der Post Grabow, [Name A], welcher am 17.6.1953 in betrunkenem Zustand auf dem Marktplatz eine Ansprache hielt und die Ansammlung von Demonstranten unterstützte. Auf der Tagung der Parteisekretäre am 17.6.1953 wurde der Personalleiter vom Gaswerk Ludwigslust, Kurt Christoph, wegen antisowjetischen Äußerungen aus der Partei entfernt.

Betr. Austritte bzw. Ausschlüsse aus der SED

Bezirksverwaltung

Parteidokumente abgegeben

[Parteidokumente] vernichtet

aus der SED ausgeschlossen

Cottbus

6

Dresden

93

Erfurt

31

Frankfurt/Oder

4

Gera

60

Halle

176

Karl-Marx-Stadt

111

Leipzig

123

Magdeburg

27

3

Neubrandenburg

7

Potsdam

101

4

Rostock

10

Suhl

28

Schwerin

8

3

Groß-Berlin

8

Summe

793

3

7

Gleichfalls kommt bei einem Teil der Mitglieder unserer Partei eine feindliche Einstellung gegenüber der Partei zum Ausdruck. So äußerten sich beispielsweise folgende Mitglieder der Partei:

[Name 40, Vorname], Reichsbahnarbeiter, wohnhaft: Erfurt, sagte zu einem Pionierleiter: »Warum trägst Du noch das Blauhemd, in vier Tagen wird es Dir heruntergerissen, es müssen sowieso noch einige übers Messer springen.«

[Name 41, Vorname], wohnhaft: Eisenach-Hötzelsroda, [Straße, Nr.], erklärte: »Nun kommt bald die ersehnte Freiheit, die Herren können nun ihre Rechnung machen, die Arbeiter werden es ihnen schon zeigen.«

[Name 42, Vorname], wohnhaft: Jeßnitz bei Plauen, äußerte: »Wir brauchen keinen Bürgermeister, wir wollen erst den Umsturz abwarten und sehen, was weiter kommt. Ich bin Parteimitglied und habe fünf Jahre lang Politik getrieben, jetzt hat sich das für mich erledigt. Der Marxismus ist Quatsch.«

[Name 43], Anklam, sprach: »Dies ist der erste Schlag gegen die Rote Armee, sie werden noch mehrere Schläge bekommen. Die Erschießung war nicht richtig und wird noch böse Folgen haben.«18

[Name 44], Trafo- und Röntgenwerk Dresden, (Kandidat) äußerte sich: »Die Regierung muss weg und zwar unter allen Umständen. Dabei ist mir ganz gleich, ob eine neue SED-Regierung kommt, aber die alte muss weg.«

Parteifeindliche Elemente diskutieren über Gründung der SPD, so z. B. der TAN-Sachbearbeiter vom Leo-Werk Dresden, [Name 45]. Er sagte dazu: »Der Regierung spreche ich das Vertrauen ab, weil sie den Weg des Marxismus verlassen hat. Meine Einstellung zur SED wird sich in Kürze entscheiden, es richtet sich danach, ob die Partei einen neuen Weg einschlägt. Nach Stalins Tod war ich der Meinung, die Partei schlägt einen neuen Kurs ein. Die Führung der SED hat den neuen Kurs nach den Ereignissen in der ČSR und der Angelegenheit der Moskauer Ärzte nicht verstanden. Dahlem19 musste gehen, weil er die Wahrheit sagte.« Er schlug einem Kollegen des Betriebes vor, mit ihm eine SPD zu gründen.

[Name 46] aus dem Sachsenwerk Niedersedlitz äußerte, dass wir keinen russischen Sozialismus brauchen. Er hat das Gefühl, dass ein großer Teil der älteren Genossen froh wäre, wenn die SPD wieder hier sei.

Besonders negativ wirkt sich auf die Partei aus, wenn Parteifunktionäre gegen die Maßnahmen der Partei eingestellt sind, so z. B. der Sekretär der Betriebsparteiorganisation im Schleifmaschinenwerk II Dresden, welcher sagte: »Die Stimmung ist nicht angetan, Wahlen für die Haus- und Hofgemeinschaften durchzuführen. Wir haben kaum was zu fressen und die Fettsäcke werden noch fetter. Ich für meine Person gehe in kein Haus und meine anderen Genossen gleich gar nicht.«

Der 1. Sekretär der Gebietsleitung der SED der Wismut AG, Röder, Günther,20 hörte in der Nacht vom 16. zum 17.6.1953, gegen 2.00 Uhr, den RIAS. Dazu sagte er Folgendes: »Ich bin gezwungen den RIAS zu hören, die Parteiführung lässt uns voll und ganz im Stich. Ich höre jetzt RIAS, damit ich meine Arbeit danach einstellen kann und damit ich endlich weiß, was los ist.«

Der Bürgermeister von Bansin,21 Kreis Demmin, Ladwig sprach: »Was ist denn überhaupt los, sind wir denn schon im Zuchthaus, was geht mich die Kommandantur an, wenn sie noch lange so machen, dann werde ich mein Parteidokument ihnen vor die Füße schmeißen.«

Diesen negativen Erscheinungen in unserer Partei steht aber auch die Tatsache gegenüber, dass in einzelnen Bezirken Werktätige ihr Vertrauen zur Partei der Arbeiterklasse und zur Regierung der Deutschen Demokratischen Republik demonstrativ zum Ausdruck bringen, indem sie um Aufnahme als Kandidat in die Partei ersuchen. Dazu einige Beispiele:

Kollege [Name 47] aus Burg Stargard/Neubrandenburg sagte: »Ich habe eingesehen, dass sich die Arbeiterpartei und die Regierung nicht scheuen, begangene Fehler offen einzugestehen und nunmehr den richtigen Weg zu beschreiten. Die provokatorischen Ausschreitungen in Berlin verurteile ich. Mein Vertrauen zur Partei der Arbeiterklasse hat sich durch die jüngsten Maßnahmen gefestigt und darum bitte ich um Aufnahme in die Partei der Arbeiterklasse.«

Die Jugendfreundin [Vorname Name 48] vom Ministerium für Leichtindustrie bat um Aufnahme in die SED, weil sie erkannt hat, dass man nicht mit losen Worten für die Politik der Partei eintreten kann, sondern das man geschlossen hinter dem ZK stehen muss.

Der [Vorname Name 49] aus dem Kreis Großenhain begründet seinen Aufnahmeantrag in die Partei damit, dass er dadurch die Schlagkraft der Partei mit erhöhen will.

Weiterhin hat sich aus dem Kreis Großenhain der Leiter der Klement-Gottwald-Schule sowie drei Kollegen vom Volksgut Kalkreuth und drei Genossenschaftsbauern aus Kottewitz/Großenhain um Aufnahme in die Partei beworben.

Die Studenten [Name 50, Vorname] und [Name 51], von der ABF Berlin, haben sich ebenfalls um Aufnahme in die Partei beworben.

Der Unterleutnant [Name 52] und der Gefreite [Name 53] vom Kdo. Unterweid22 baten um Aufnahme als Kandidaten der SED.

Um die Schlagkraft unserer Partei zu erhöhen, bewarben sich sechs Soldaten der Grenzpolizeibereitschaft Blankenfelde als Kandidaten unserer Partei.

Maßnahmen des Feindes

Die Tätigkeit der feindlichen Agentenzentralen nach der Niederschlagung des faschistischen Putsches äußert sich hauptsächlich in drei Formen, und zwar:

  • 1.

    gefälschte Schreiben zur Desorganisierung unseres gesamten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens,

  • 2.

    Verbreitung von Flugblättern,

  • 3.

    Verbreitung von Gerüchten.

Zu Punkt 1 liegt ein Schreiben vor, welches angeblich vom Volkspolizei-Kreisamt Demmin in Mecklenburg unter dem 27.6.1953 an den Kongress-Verlag GmbH, Berlin W 8, gerichtet ist und in welchem um Übersendung, per Nachnahme, einer ganzen Anzahl von Büchern gebeten wird. Das Schreiben ist gefälscht und dient dem Zweck, Leerlauf und Misstrauen im Verwaltungsapparat hervorzurufen. Es wird durch dieses Beispiel eine Mitteilung bestätigt, welche besagte, dass Fälschungen von Bestellungen und Anweisungen jetzt eine der Hauptformen der feindlichen Agentenzentren im Kampf gegen die Deutsche Demokratische Republik sein sollen.

An gefälschten Zeitungen liegt vor: »Der Grenzpolizist«, Organ des Ministeriums für Staatssicherheit, Hauptverwaltung Deutsche Grenzpolizei, 1. Jahrgang, Nr. 4, vom 5. Juli 1953.23 Die Titelseite trägt das Bild des Ministers für Staatssicherheit, Genossen Wilhelm Zaisser. Der Inhalt ist jedoch durchweg feindlich und verleumderisch gegen die Deutsche Demokratische Republik gerichtet.

Zu Punkt 2 liegt vor:

a) Ein Flugblatt mit der Überschrift »Wo sitzen die wahren Volksschädlinge? Entlarvt die Volksbetrüger«. Dieses Flugblatt ist an FDGB-Bezirksleitung Potsdam, HO-Bezirks- und Kreisleitung, HO-Verkaufsstellen gerichtet. Unterzeichnet ist es von der Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit,24 Untergruppe Brandenburg. Im Inhalt wird zum Ausdruck gebracht, dass die Ausbeutungsmethoden jetzt von der SED als Fehler bezeichnet werden. Neben der Hetze gegen die SED wird der Direktor des Kreisbetriebes Potsdam [Name 54] in der Form angegriffen, dass er krumme Sachen macht, jede Kritik unterdrückt und besonders hart gegen die Personen vorgeht, die von seinen unkorrekten Handlungen Kenntnis haben. Weiter wird ein [Name 55] von der Bezirksleitung der HO in Potsdam gefragt, warum er sich so verstohlen tarnt, wo es doch bekannt ist, dass er nicht [Name 55] sondern [Name 56] heißt. Auch wird behauptet, dass [Name 55] vor Jahren irgendwelche Bevölkerungskreise denunziert haben soll. Im Übrigen wollen die Verfasser des Flugblattes den Lesern glaubhaft machen, dass sie sich für die Interessen der Arbeiter einsetzen.

b) Von der »Beratungsstelle Ost des DGB«, Berlin SW 29, Wilhelmstraße 10, der Zentrale der NGO,25 wurden 20 000 Flugblätter mit der Überschrift: »Arbeiter und Frauen vom Wedding!« gedruckt. Das Flugblatt ist getarnt mit der Unterschrift »Die revolutionären Obleute der Ostberliner, Hennigsdorfer und Strausberger Werktätigen«. Das Flugblatt fordert die Bevölkerung des Wedding auf, alle fortschrittlichen Menschen aus den Westberliner Betrieben zu jagen, die Büros der SED und des FDGB im Wedding zu zerstören sowie den offenen Terror gegen alle fortschrittlichen Menschen zu üben. Dieses Flugblatt wurde am Sonntag, dem 21.6.1953, zu ca. 10 000 Stück durch »politische Flüchtlinge« im Bezirk Wedding und ca. 10 000 Stück beim Fußballspiel im Olympiastadion verteilt.

Am 29.6.1953 wurden ebenfalls von der Beratungsstelle Ost des DGB Flugblätter mit der Überschrift »Warnung!« herausgegeben. Dieses Flugblatt ist an alle Funktionäre des Staates, der Partei, der Organisationen sowie an alle Mitarbeiter der Volkspolizei, Justiz, Staatssicherheit und alle Betriebsleitungen gerichtet. Auf der ersten Seite wird all denen, die sich aktiv an der Zerschlagung der faschistischen Provokation des 17. Juni beteiligt haben gedroht, dass man sich an ihnen noch rächen werde. Auf der zweiten Seite brüsten sich die Provokateure mit der Ermordung des Betriebsschutzmannes Willi Hagedorn aus Rathenow,26 des Volksstaatsanwaltes Benkendorff27 aus Brandenburg und anderer. Auf der dritten Seite fordern sie die Werktätigen auf, bei Nichterfüllung ihrer Forderungen in den Betrieben weiterzustreiken. Die letzte Seite des Flugblattes ist eine allgemeine Aufforderung zum Langsamarbeiten. Gleichzeitig sollen die kräftigsten und geschicktesten Provokateure die fortschrittlichsten und arbeitswilligen Menschen drangsalieren. Auch dieses Flugblatt ist getarnt durch die Unterschrift: »Die vereinigte Streikleitung der Hennigsdorfer und Hohen-Schöbinger28 Betriebe«. Der Verfasser dieser Flugblätter ist der Leiter der NGO Gerhard Haas. Am 29.6.1953 wurden von dieser Agentenzentrale mehrere Tausend Flugblätter in die Deutsche Demokratische Republik eingeschleust.

c) Weiter liegt ein Drohbrief vor, der an Dienststellen in der Deutschen Demokratischen Republik verschickt wurde und als Unterschrift einen blauen Stempel »Widerstandsbewegung Sachsen« trägt.

Zu Punkt 3 wurde Folgendes in Erfahrung gebracht:

a) Im EKS Frankfurt wird das Gerücht verbreitet, dass aufgrund der Überführung der Schwerindustrie zur Leichtindustrie 5 000 Arbeiter zuviel sind und man diese auf die Straße setzen wird.

b) In Ritze bei Salzwedel kursiert das Gerücht, dass eine neue Regierung aus Funktionären der CDU und LDP gebildet wird. Dieses Gerücht wird meistens von Großbauern verbreitet.

c) Im Kreisgebiet Seehausen, Bezirk Magdeburg, hat ein Gerücht, dass es blutige Tage geben wird und der Amerikaner das Gebiet besetzen soll, breite Schichten der Bevölkerung erfasst.

d) Im Kreis Osterburg ist ein Gerücht im Umlauf, dass der Amerikaner das Gebiet besetzen wird und auf dem Bahnhof Osterburg schon seit längerer Zeit Eisenbahnwaggons stehen, welche dem Zweck dienen sollen, alle Funktionäre abzutransportieren, wenn die Amerikaner kommen.

Vor einigen Tagen wurde vom DGB-Bau29 in Spandau eine Versammlung einberufen. Zutritt hatten nur Mitglieder. Eine strenge Kontrolle fand am Eingang statt. Der Vorsitzende Klotz30 sprach über den Terror im Ostsektor und in der Ostzone, worauf eine Minute stilles Gedenken für die Opfer eingelegt wurde. In der allgemeinen Berichterstattung erklärt er, dass die gesamte Streikleitung von den Bauarbeitern aus dem Osten sich in Westberlin befindet. Ebenso 700 Kollegen des DGB aus dem Ostsektor.

Diese können erst dann in ihre Wohnung zurückkehren, wenn sie die Gewissheit haben, dass sie nicht mehr verfolgt werden. Es ist daher notwendig, dass jeder Kollege wöchentlich wenigstens einen Stundenlohn für die Kollegen aus dem Ostsektor spendet. (Ein leises Murren ging durch die Reihen, aber keiner sprach dagegen.) Auf allen Baustellen in Westberlin wurden Listen für die Geldsammlung herumgereicht. Die Beteiligung aber war sehr schwach. Bei einer Belegschaftsstärke von 110 Personen wurden 33 West-Mark gesammelt. Auf verschiedenen Baustellen lehnten die Maurer bzw. Bauarbeiter eine Unterstützung ab. Ein Maurer sah die Liste und sagte: »Da gehen die Boogie-Woogie-Jungens rüber, machen Radau und schlagen alles kaputt und wir sollen nun noch spenden. Das kann mir doch keiner erzählen, die Sache war doch angestiftet.«

Es konnte festgestellt werden, dass an den Sektorenübergängen, vorwiegend jedoch Scharnhorst/Boyenstraße, Angestellte des Amtes für Verfassungsschutz und Angehörige der westlichen Kriminalpolizei die Sektorengrenze bzw. Kontrollstellen ständig mit Ferngläsern überwachen und Personen beobachten, die diese in beiden Richtungen passieren.

In westlichen Zeitungen erschien am Sonntag, dem 28.6.1953, folgende Notiz: »Sicherung von Flüchtlingseigentum – Vertrauenspersonen sollen bevollmächtigt werden.«

Berlin (dpa): »Auf dem Umweg über eine Verordnung des Ostberliner Magistrats ist jetzt, wie der Untersuchungsausschuss freiheitlicher Juristen31 mitteilt, klar gesagt worden, dass die ›Raubverordnung‹ der Sowjetzone zur Sicherung von Vermögenswerten vom 17. Juli 1952 als fehlerhaft tatsächlich aufgehoben ist. Damit sind auch die zahlreichen Geheimbestimmungen unwirksam geworden, durch die das gesamte Flüchtlingsvermögen unmittelbar in Volkseigentum überging und den geflüchteten Eigentümern jede Verfügungsberechtigung entzogen wurde. Der Untersuchungsausschuss empfiehlt daher allen Flüchtlingen sowie allen Bewohnern der Bundesrepublik und Westberlins, die Eigentum in der Sowjetzone haben, sofort Vertrauenspersonen – in der Zone befindliche Verwandte oder Bekannte – zu bevollmächtigen, die sich um die Vermögenswerte kümmern können. Dies gilt vor allem für landwirtschaftliche und gewerbliche Betriebe, aber auch für Möbel und sonstige Einrichtungsgegenstände. Die Vollmacht ist bei den Räten der Kreise, Abteilung staatliches Eigentum, vorzulegen. Zugleich kann die Abberufung von zwangsweise eingesetzten Treuhändern und die Übergabe verlangt werden.«32

Auf der Grundlage dieser Zeitungsnotiz sind bereits eine Anzahl von früheren Besitzern von Bauernhöfen usw. dazu übergegangen, mittels notariell oder gerichtlich beglaubigter Vollmachten, Personen zu benennen, die an ihrer Stelle ihr früheres Besitztum anfordern und darüber Verfügungsgewalt beanspruchen. Es erscheint notwendig, den zuständigen Behörden baldigst Verhaltungsanweisungen für solche Fälle zu erteilen.

Dabei erhebt sich die Frage: Können auch Nicht-Angehörige als Bevollmächtigte eingesetzt werden? Was soll mit dem Vermögen derjenigen geschehen, die nach dem Erlass der Regierungsverordnung flüchteten und nun Bevollmächtigte beauftragen?

Anlage vom 1. Juli 1953 zur Information Nr. 1002 (4. Expl.)

Information Nr. 1002a: Die Versorgungslage in der Deutschen Demokratischen Republik

Schwierigkeiten in der Rohstoffzuweisung für die Lebensmittelindustrie zur Erfüllung der Produktionsauflage gibt es in allen Bezirken.

Im Bezirk Leipzig fehlt es an Frischfleisch zur Herstellung von Wurstwaren. Es wird Gefrierfleisch verwendet, das nicht für die Herstellung von Rohwurst geeignet ist.

Im Bezirk Frankfurt/Oder fehlen 20 t Lebendvieh zur Herstellung der HO-Fleischproduktion.

In den Bezirken Halle und Karl-Marx-Stadt fehlen Därme und Gewürze für die Herstellung von Dauerwurst. Die Rohstoffzuweisung für die Fleischverarbeitende Industrie des Konsums erfolgt im Bezirk Karl-Marx-Stadt zu spät, sodass Stockungen in der Produktion eintreten.

Die gleiche mangelnde Rohstoffzuweisung ist auch im Bezirk Neubrandenburg zu verzeichnen.

Die Rohstoffzuweisungen für die Margarineproduktion sind ungenügend, weil die Freigabe an Rohstoffen durch das Ministerium für Lebensmittelindustrie unregelmäßig erfolgt und dadurch Stockungen in der Produktion entstehen. Betroffen werden davon im Besonderen die Betriebe VEB Hartfettwerk Berlin-Lichtenberg und Margarinewerk Dommitzsch im Bezirk Leipzig.

Schwierigkeiten in der Rohstoffzuweisung für die Süßwarenindustrie sind vorhanden in den Bezirken Schwerin, Leipzig, Großberlin, Halle und Potsdam. Es fehlt an Zucker im Bezirk Halle, Stärkesirup im Bezirk Schwerin, Hartfett im Bezirk Leipzig und im Bezirk Berlin besonders an den Zusätzen (Kakao, Mandeln, Nüsse usw.).

Im Bezirk Halle mangelt es bei verschiedenen Mühlen an Brotgetreide, weil die Lieferverträge nicht rechtzeitig abgeschlossen wurden.

In der Nährmittelindustrie fehlt es in den Bezirken Leipzig und Berlin vor allen Dingen an Kartoffelstärke.

Im Bezirk Potsdam musste das VEB Kraftfutterwerk Falkensee die Produktion einstellen, weil die notwendigen Importe an Fischmehl ausgefallen sind.

Die kartenmäßige Versorgung33 an Lebensmitteln ist in allen Bezirken gesichert.

Bei der Belieferung der Bevölkerung durch die HO34 treten in allen Bezirken Schwierigkeiten auf, es handelt sich hierbei um Butter, Öl, Margarine, Zucker, Marmelade und Kunsthonig. Darüber hinaus mangelt es in dem Bezirk Karl-Marx-Stadt an Hülsenfrüchten, hochwertigen Teigwaren, Fischkonserven, Bohnenkaffee und kondensierter Voll- und Magermilch, in dem Bezirk Halle an Frischfleisch, Fisch, Nährmittel, Hülsenfrüchten und Obst, in dem Bezirk Rostock an Rindfleisch, in dem Bezirk Leipzig an Nährmitteln, Hülsenfrüchten, Reis, Schlachtfetten, Bohnenkaffee und Frischfleisch, in dem Bezirk Erfurt an Eiern, Fisch und Fischwaren, in dem Bezirk Berlin an Hülsenfrüchten, Obst, Kartoffelstärke, schokoladenhaltigen Süßwaren, Fischkonserven, Sahne, Fruchtsirup und Importgewürzen, in dem Bezirk Frankfurt/Oder an Hülsenfrüchten, Nährmitteln, Kartoffeln, Quark, Fruchtsaft und Bohnenkaffee, in dem Bezirk Dresden an Speisekartoffeln, in dem Bezirk Neubrandenburg an Grütze, Graupen und Haferflocken, in dem Bezirk Potsdam an Eiern und Eipulver und alkoholfreien Getränken für die Arbeiter im Stahlwerk. Außerdem mangelt es an Obst, Nudeln, Fischkonserven, Kartoffeln und Zigaretten niedriger Preislagen, in dem Bezirk Schwerin an Nährmitteln.

Die Belieferung mit Lebensmitteln, Industrie- und Textilwaren in den Geschäften der Wismut ist gut. 20 t Butter wurden von der Wismut an den zivilen Sektor abgegeben, weil genügend vorhanden war.

In folgenden Bezirken ist die Belieferung an Industriewaren mangelhaft:

Im Bezirk Karl-Marx-Stadt mangelt es an saisonbedingter Ober- und Unterkleidung für Männer, Frauen und Kinder, außerdem an Bettwäsche, Inletts, Haushaltswäsche, Babywäsche, Konfektionskleidung, Anzugsstoffen, Wolle, Arbeitskleidung für alle Berufsgruppen, Dekorationsstoffen, Schuhwaren (insbesondere Kinderschuhe), Emaillewaren, Fahrrädern, Küchenherden, Rasierklingen und Rundfunkröhren.

Im Bezirk Schwerin mangelt es an Sommerschuhen, Kinderschuhen, Haushaltswäsche, kunstseidene Wäschegarnituren, Sommerkleidern und Fahrrädern.

Im Bezirk Halle mangelt es an Sommerstoffen, Kinderstrümpfen, kunstseidener Unterwäsche, Haushaltswäsche, Badeanzügen, Sommerschuhen, Lederschuhen, Fahrrädern und Ersatzteilen und Haushaltsgeräten.

Im Bezirk Magdeburg mangelt es an Textilien, Lederschuhen (insbesondere Kindergrößen) und Konfektionswaren.

Im Bezirk Frankfurt/Oder mangelt es an Sommerstoffen, Schuhen (besonders Kinder- und Schweinslederschuhe), Bettwäsche, Haushaltsgegenständen, Essbestecks, Rasierklingen.

Im Bezirk Potsdam mangelt es an guter Arbeitskleidung, Babywäsche, Unterwäsche, Bettwäsche, Sommerbekleidung, Emaillegeschirr und landwirtschaftlichen Geräten.

Im Bezirk Leipzig mangelt es an Bettwäsche, Damen-Unterwäsche, bunten Sommerstoffen, Futterstoffen, Sommermänteln für Damen und Herren, Arbeitsbekleidung, Emaillewaren, Rasierklingen, Fahrradbereifungen (Wulst), Fahrrädern und Fahrradersatzteilen.

Im Bezirk Erfurt mangelt es an Inletts, Bettwäsche, Windeln, Damengarnituren, billigen Sommerstoffen, Popelinemänteln, Damenkostümen aus wollhaltigen Stoffen, Schlämmkreide, Dachpappe, Polstermöbeln, Motor- und Fahrrädern und sämtlichen Elektroartikeln.

Im Bezirk Berlin mangelt es an modischen Schuhen (Import- und Kinderschuhe, Kunstledersandaletten), Kammgarngewebe aus Wolle, Bett- und Hauswäsche, Inletts, bunten Kleiderstoffen, Damenunterwäsche, billigen Möbeln, Tapeten, billigem Porzellan, Kindersportwagen, Fahrrädern und Fahrradersatzteilen, Radios (Kleinempfänger), Radioröhren und billigen Fotoapparaten.

Im Bezirk Cottbus mangelt es an Futterstoffen, Emaillegeschirr.

Die kartenmäßige Belieferung der Bevölkerung mit Kohle ist nicht gewährleistet in den Bezirken Berlin, Karl-Marx-Stadt, Erfurt, Gera und Dresden.

Die Ursache für den Mangel an Lebensmitteln und Industriewaren ist darin zu suchen, dass die Warenbereitstellung nicht mit dem tatsächlichen Bedarf der Bevölkerung übereinstimmt (Nichterfüllung der Produktionsauflagen, zum Teil ungenügende Erfassung, Nichterfüllung der Importverträge).

In folgenden Bezirken ist ein Warenstau vorhanden:

Bezirk Groß-Berlin: FDJ-Bekleidung, Arbeitsschuhe, Kinderstrümpfe, Perlonstrümpfe, Zellwolle (Meterware), Kalbfleisch, Krabbenfleisch, Schweineköpfe, Süßstoff und Tee. Bei der DHZ Lebensmittel in der Schnellerstraße lagern 607 t Fleischkonserven, die verderbgefährdet sind. Das eintreffende Frischfleisch aus Importen der Volksdemokratien kommt in einem derartig schlechten Zustand am Bestimmungsort an, dass es teilweise nur als Freibankfleisch verwendet werden kann und zum Teil verworfen wird.

In den letzten Tagen verdarben größere Mengen an Gemüse. Dies ist darauf zurückzuführen, dass einerseits nicht genügend Transportraum zur Anlieferung in die Handelsorgane zur Verfügung steht, andererseits wird von dem Außenhandel laufend Importgemüse eingeschleust, obwohl überreichlich Gemüse aus dem eigenen Aufkommen vorhanden ist.

Bezirk Gera: Perlonstrümpfe, sowjetische Krebse, kochfertige Gerichte wie Bohnen, Linsen usw. (nicht absetzbar).

Bezirk Frankfurt/Oder: Arbeitsschuhe, Schweinehaschee, Putenfleisch mit Reis in Dosen, Luxuspralinen in Packungen, Vitaladekonfekt, 59 Kanister Gefrierei, Zucker, Holländisches Gemüse (konserviert), Zigaretten und Zigarren.

Bezirk Cottbus: 2 500 Arbeitshemden auf Bezugsschein.

Bezirk Dresden: Gemüse. Die Absatzmöglichkeit des Gemüses ist durch starre Preisgestaltung des Finanzministeriums gefährdet. Infolge des hohen Anfalls an Gemüse durch Importe und hohen Eigenaufkommens wurden acht Waggons Gemüse nach Bezirk Karl-Marx-Stadt geschickt. Dort wurde die Annahme verweigert und die Waggons nach Dresden zurückgeschickt.

Von 160 t bei der DHZ-Importleitstelle Bad Schandau angekommenen Erdbeeren, die die HO Wismut erhalten sollte, konnten nur 20 t ausgeliefert werden. 140 t, die in verdorbenem Zustand waren, wurden der Konservenproduktion zur Verarbeitung zugeführt.

Bezirk Potsdam: 19 t nicht absetzbares Krebsfleisch, 30 t Fischkonserven kommen nicht zur Verteilung, da die Preise nicht festliegen. Im Kreis Oranienburg kamen Fisch und Fischwaren in dünnen Holzfässern an, aus denen die Lake auslief, sodass ein Teil der Fische verdarb. Im gleichen Kreis lagern große Mengen an ungesiebter Rohbraunkohle, die nicht abgesetzt werden kann, da sie 40–60 % Staub enthält. Der Zustand der Briketts ist sehr schlecht, sie zerfallen beim Abladen in kleine Stücke. (Diese Feststellung trifft für den ganzen Bezirk sowie für den Bezirk Gera zu).

Bei der DHZ Lebensmittel Rathenow lagert 1 t Käse, der ungenießbar ist. In der Molkerei Rathenow wird die anfallende Buttermilch nicht abgesetzt. Die Molkerei schlägt vor, den Preis von 0,50 auf 0,30 DM pro Liter herabzusetzen.

Bezirk Suhl: Krebsfleisch in Dosen ist für die Zeit von 20 Jahren vorhanden, ähnlich verhält es sich bei Tee, der schätzungsweise für zwölf Jahre ausreicht. Weiter gibt es einen Überhang an Arbeitsschuhen, besonders in den Größen von 40 bis 42 und über 44. Weiterer Warenstau an Schreibmaschinen, Lampen, Glühlampen, Filmen und kosmetischen Artikeln ist vorhanden.

Bezirk Halle: Waschpulver in den Warenhäusern in Halle, Herrenkonfektion und Winterkonfektion (besonders in Dessau), Arbeitsbekleidung bei der Konsumgenossenschaft in Gräfenhainichen, 500 kg Krabbenfleisch DHZ Köthen. In Merseburg verdirbt der Importblumenkohl infolge zu langer Transportzeit bei der HO.

Die VEB Fleischwarenfabrik Halberstadt lieferte größere Mengen Herzragout-Konserven an die HO Hettstedt in verdorbenem Zustand. Ebenfalls wurde Rotwurst geliefert, die nicht durchgekocht war.35

Bezirk Karl-Marx-Stadt: Kreis Werdau Schreibmaschinen, Glühbirnen, Steingutartikel, Arbeitsschuhe. Kreis Rochlitz: Infolge unsachgemäßer Lagerung 170 Ztr. Speisekartoffeln verdorben. Winterbekleidung und Gemüse, im ganzen Bezirk Warenstau.

Bezirk Rostock: Gemüse (Blumenkohl und Möhren).

Im DDR-Maßstab ist ein Warenstau an Seife vorhanden (50 000 t). Falls nicht die unmittelbare Herabsetzung der Preise erfolgt, ist infolge der Überlagerung mit einem Totalverlust zu rechnen.

Bei der Übergabe der staatlichen oder genossenschaftlichen Geschäfte an den privaten Groß- oder Einzelhandel gibt es bis auf wenige Ausnahmen keine Schwierigkeiten.

Im Bezirk Karl-Marx-Stadt, Kreis Aue, beabsichtigt der Kreisrat dem Einzelhändler [Name 1] sein altes Geschäft nicht zurückzugeben, er weigert sich jedoch, ein Austauschgeschäft zu übernehmen.

Im Bezirk Groß-Berlin gibt es Schwierigkeiten, dass die privaten Einzelhändler das bisherige Verkaufspersonal nicht mit übernehmen und durch die HO eine gesetzliche Kündigung des Verkaufspersonals nicht durchgeführt werden kann, da die Rückgabe der Geschäfte sofort geschieht.

Die Bevölkerung nimmt zu den Beschlüssen der Partei und der Regierung36 wie folgt in den Bezirken Stellung:

Bezirk Schwerin: Die Bevölkerung ist aufgeschlossen gegenüber den Beschlüssen und Verordnungen der Partei und der Regierung. Missstimmung herrscht wegen der Preisfrage bei Bienenhonig, da er noch nicht wieder von 6,00 DM auf 4,50 DM pro halbes Kilo gesenkt wurde. Weiter wird beanstandet, dass die Preise für Kinderschuhe zu hoch sind. In allen HO-Verkaufsstellen wird von den Kunden immer wieder die Forderung gestellt: Wann kommt die HO-Preissenkung. Die parteilose Mitarbeiterin37 des Kraftwerkes Dresden sagt: »Man kann noch nicht alles glauben, man muss abwarten, was von den Beschlüssen verwirklicht wird. Es ist schon so viel gesagt und geschrieben worden, aber es waren bisher nur leere Versprechungen.« Der parteilose Arbeiter [Name 2] im VEB Zeiss-Ikon sagt: »Es sind große Fehler gemacht worden und so leicht vergisst das der Arbeiter nicht. Die Regierung wird es schwer haben, das Vertrauen wieder zu erringen. Ich bin der Meinung, dass die Verantwortlichen bekannt gegeben werden sollen. Die neuen Beschlüsse des ZK erscheinen mir etwas illusorisch. Man spricht von der weiteren Verbesserung des Lebensstandards, jedoch ist es keine weitere Verbesserung, sondern eine Wiederherstellung dessen, was vorher war.« Der parteilose Arbeiter [Name 3] sagte: »Bereits vorige Woche wurde Butter an die Intelligenz verkauft. Gestern erhielten zehn Intelligenzler erneut je zwei Stück Butter. Unsere Arbeiter sind verärgert und fordern ebenfalls Butter oder wenigstens Margarine, denn sie haben seit Tagen nichts mehr zu schmieren.«

Bezirk Karl-Marx-Stadt: Große Teile der Bevölkerung begrüßen die Partei- und Regierungsbeschlüsse, bringen aber gleichzeitig zum Ausdruck, dass ihnen mit Versprechungen nicht geholfen sei und die Taten hierzu folgen müssen. Im Vogtland wurden Stimmungen laut, dass man eine erneute HO-Preissenkung erwartet.

Bezirk Rostock: Die Beschlüsse der Regierung und des ZK wurden von allen Bevölkerungsschichten, besonders vom Mittelstand, begrüßt.

Bezirk Magdeburg: Die Bevölkerung diskutiert darüber, dass die Preise in der HO viel zu hoch sind, vor allen Dingen bei Lederschuhen, Gardinen usw. Auch über das Fehlen der vorstehend angeführten Waren wird sehr negativ diskutiert.

Bezirk Leipzig: Die Bevölkerung der meisten Kreise des Bezirkes Leipzig verhält sich zu den Beschlüssen der Regierung abwartend. Die Bevölkerung will erst Tatsachen sehen, d. h., sie will die Waren im Geschäft kaufen können. Allgemein wird über die zu hohen Preise in der HO diskutiert.

Bezirk Erfurt: Die Bevölkerung klagt über die schlechte Qualität von Wurstwaren und Brot in den Konsumgeschäften. In Mühlhausen wird die Meinung vertreten, dass beim Konsum Leute mit wenig Verantwortungsbewusstsein sitzen. Man diskutiert: »Wird jemand aus dem Betrieb wegen Unzuverlässigkeit entlassen, so taucht er im Konsum unter.« Ebenfalls wird die Meinung vertreten, die HO-Preise zu senken und die Grundkarten aufzubessern.

Bezirk Groß-Berlin: Der Kollege [Name 4] sagte: »Das ZK und die Regierung mussten ja diesen Beschluss herbeiführen, weil sie ja das Volk schon nicht mehr halten konnten. Erst muss die Regierung beweisen, dass sie ihre Fehler gutmacht, dann habe ich wieder Vertrauen zu ihr.« Andere Diskussionen gehen dahin, dass die Preise gesenkt werden müssen. Die Politik der Regierung führte bisher dazu, dass sich nur die großen Verdiener etwas leisten konnten, die breite Masse aber nicht in der Lage war, sich das Notwendigste zu kaufen.

Bezirk Suhl: Ein Teil der Bevölkerung in den Grenzgebieten steht den Verordnungen der Regierung abwartend gegenüber. Sie warten darauf, dass die Beschlüsse in die Tat umgesetzt werden. Es gibt Stimmen in der Bevölkerung, dass die Preise für Lederschuhe zu hoch sind.

Bezirk Potsdam: Frau [Name 5], Hausfrau in Königs Wusterhausen äußert Folgendes: »Die Regierung hat eine Reihe guter Verordnungen erlassen, es verfällt aber alles wieder in den alten Trott, weil die unteren Stellen nicht entsprechend den Verordnungen arbeiten. Ich war jetzt in Sachsen und habe dort festgestellt, dass die Versorgungslage dort besser ist. Das liegt meiner Ansicht nach daran, dass dort mehr Fachleute im Staatsapparat sind.«

Bezirk Halle: In mehreren Kreisen des Bezirkes herrscht eine schlechte Stimmung über die ungenügende Belieferung mit Heizmaterial.

Bezirk Neubrandenburg: Die Bevölkerung nimmt im Allgemeinen zu den Beschlüssen und Verordnungen eine abwartende Stellung ein. Sie ist misstrauisch gegenüber den neuen Maßnahmen. Es wird der hohe Preis für Bienenhonig bemängelt. Weiter gibt es Klagen über zu hohe Preise bei Frischfischen und Edelfischen. Die Arbeiter in den Betrieben fordern, dass die Arbeitskleidung billiger und besser wird. Weiter forderten die Arbeiter, dass die Milchpreise herabgesetzt werden und dass bei Krankheiten Vollmilch verschrieben werden kann.

Bezirk Frankfurt/Oder: Die Bevölkerung verhält sich zu den Beschlüssen abwartend. Allgemein wird diskutiert, dass die Textilien in der HO noch zu teuer sind, ferner, dass es in der HO keinen Zucker, keine Margarine und Fettwaren gibt. Frau [Name 6], Frankfurt/Oder, sagte: »Wenn kleine Leute Fehler machen, werden sie bestraft, und die großen, die in den obersten Stellen der Regierung sitzen, bekennen ihre Fehler und damit ist alles erledigt.«

Bezirk Cottbus: Die Äußerungen der Bevölkerung gingen dahin, dass es besser wäre, für den Wert von 15 Mio. Rubel statt Obst und Gemüse die Einfuhr von Fettigkeiten zu finanzieren.

In nachfolgenden Bezirken gibt es Anzeichen von Unfähigkeit verantwortlicher Personen:

Bezirk Frankfurt/Oder: In der Konsumgenossenschaft in Beeskow und Seelow lagern seit ca. sechs Wochen erhebliche Mengen Wirtschaftswaren, die nicht verkauft werden können, da die DHZ die Rechnungen noch nicht zugestellt hat.

Bezirk Leipzig: Der Bevölkerung ist es unverständlich, dass am 27.6. noch Blumenkohl aus Importen eintraf, obwohl bereits zu dieser Zeit eine Gemüseschwemme bestand. Der Rat des Bezirkes forderte am 29.6. von den Kreisräten die Einreichung der Nahrungsmittelbedarfsanforderung innerhalb von drei Tagen. Zu der Aufstellung dieses Planes werden von guten Arbeitern normalerweise 10 bis 14 Tage benötigt. Infolge der Kürze dieser Zeit ist es unmöglich, einen bedarfsgerechten Plan aufzustellen.

Bezirk Potsdam: Beim Rat des Bezirkes musste der Referent in der Abteilung Handel und Versorgung in Haft genommen werden, weil er durch seinen Schlendrian 60 000 Gläser Konserven dem Verderb aussetzte.

Die privaten Groß- und Einzelhändler begrüßen die Verordnung zur Rückgabe ihrer Geschäfte. Im Einzelnen treten folgende Stimmungen und Forderungen in den Bezirken auf:

Bezirk Potsdam: Im Kreis Pritzwalk sagt der Besitzer eines Textilgeschäftes [Name 7] Folgendes: »Jetzt habe ich wieder Lust zur Arbeit und es ist mir wirklich ein Stein vom Herzen gefallen«. Im Kreis Rathenow verlangt die NDPD eine höhere Zuweisung für die Einzelhändler als im staatlichen Handel.

Bezirk Gera: Die Bäckereibetriebe (privat) fordern höhere Kontingente als der Plan vorsieht.

Bezirk Schwerin: Hier fordern zwei Tabakgroßhändler, dass das Kontingent des staatlichen Handels unbedingt reduziert werden müsse.

Bezirk Leipzig: Die privaten Großhändler fordern, dass ihnen in der Großmarkthalle ihre alten Stände wieder übergeben werden.

Bezirk Halle: Die privaten Groß- und Einzelhändler begrüßen die Beschlüsse unserer Regierung. Im Kreis Merseburg haben die privaten Einzelhändler noch großes Misstrauen und Zweifel, dass die Verordnungen von Dauer sind. Der Großhändler [Name 8] in Zeitz38 stellt die Forderung, dass sein Kontingent um 75 % erhöht wird. Verschiedene Großhändler in dem Kreis Aschersleben fordern, dass ihnen die gleichen Rechte wie der HO und DHZ in der Warenbelieferung zustehen müssten.

In folgenden Bezirken gibt es bewusste Handlungen und Unterlassungen und falsche Anwendungen der Beschlüsse unserer Regierung:

Bezirk Karl-Marx-Stadt: Im Kreis Hainichen unterließ es der Bürgermeister Urban, die Beschlüsse betreffs Senkung der Preise für Marmelade und Kunsthonig zu realisieren. Aus diesem Grunde wurde der Bürgermeister seiner Funktion enthoben.

Bezirk Suhl: Das Ministerium für Handel und Versorgung verlangte bei der Freistellung von Fischkonserven vom Bezirksrat Suhl, dass der gesamte Bestand an Fischkonserven an den Bezirk Erfurt abgegeben werden sollte. Der Bezirk Suhl sollte seine Fischkonserven im Bezirk Dresden, in Heidenau, abholen. Durch diese bürokratische Handlungsweise entstand Empörung bei den Mitarbeitern des Bezirksrates Suhl. Die Anweisung wurde wieder aufgehoben, sodass es zu dieser Desorganisation nicht kam.

Bezirk Erfurt: Es sind Kohlen und Kohlenscheine vorhanden, eine Auslieferung der Kohlenscheine und eine Freigabe der Kohlen erfolgt jedoch von dem Kreisrat von Nordhausen nicht.

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    2. Juli 1953
    Information Nr. 1003

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    30. Juni 1953
    Information Nr. 6 [Meldung Nr. 30/53]